Lula Mysz-Gmeiner - Liedsängerin und Lehrerin (1876-1948)


  • Die deutsche Altistin Lula Mysz-Gmeiner wurde am 16. August 1876 in Kronstadt (Siebenbürgen) geboren und starb am 7. August 1948 in Schwerin. Warum in Schwerin? In Berlin ausgebombt, fand sie in der mecklenburgischen Stadt eine neue Bleibe, wo sie auch wieder unterrichten konnte. Die Mysz war in ihrer Zeit eine Berühmtheit und pflegte Umgang mit Gustav Mahler, der sie in Wien ausbildete, Max Reger und anderen bedeutenden Musikern. Sie wirkte vornehmlich als Konzertsängerin mit Liederabenden. Auf der Bühne ist sie offenbar nie aufgetreten. Gastspiele führten sie nach Amerika und quer durch Europa. Mit Beginn der 1920er Jahre verlegte sich die Sängerin auf die musikalische Ausbildung. An der Berliner Akademischen Musikhochschule war sie eine sehr gefragte Lehrerin. Eine ihrer Schülerinnen ist Elisabeth Schwarzkopf gewesen, allerdings mit fatalen Folgen. Sie sah in der Schwarzkopf eine Altistin, diese aber verstand sich als Sopran. Erst der Wechsel zu Maria Ivogün ließ sie ihr bedeutendes Talent entwickeln. Die Geschichte ist oft – wenn auch nur andeutungsweise – kommuniziert worden. Eine der drei Töchter der Myzs, nämlich Susanne (1909–1979) wurde ebenfalls Sängerin. Die hatte einen hellen und sehr leichten Sopran, der noch auf alten Rundfunkaufnahmen zu hören ist. Sie gab aber die eigene vielversprechende Karriere auf, als sie den Tenor Peter Anders, den sie als Schüler ihrer Mutter kennengelernt hatte, heiratete. Schade! Aber so war das damals.


    Sehr schöne Aufnahmen von Lula Mysz-Gmeiner versammelt diese CD von Preiser, die auch noch zu haben ist. Ihre Stimme ist kostbar und zurück genommen, die Diktion ist vortrefflich, das Legato traumhaft. Sie kostet jeden Buchstaben aus und findet beim Tempo aufregende Lösungen. Ihre Interpretation kommt vom Text her, was mir immer ganz besonders gefällt. Für einen Alt wirkt sie erstaunlich hell.


    Zu Informationszwecken stelle ich noch einen YouTube-Clip ein mit dem "Nussbaum" von Robert Schumann. Die Aufnahme stammt von 1928. Ihre akustische Qualität ist unzureichend. Die CD klingt nur scheinbar etwas besser. Das Rauchen der Schelllackplatte wurde um den Preis der Höhen reduziert. Da wäre mehr Phantasie nötig gewesen. :( Eine Vorstellung vom Können dieser Sängerin bekommt mal allemal.


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Freund hart hat uns heute ans Grab von Lula Mysz-Gmeiner in Hamburg geführt. Dafür danke ich ihm. Sobald ich wieder in diese Stadt komme, werde ich mich selbst dorthin begeben. Den genauen Weg kenne ich ja nun. Gern erinnere ich mich an eine Begegnung mit der Sängerin Sylvia Anders, die mir viel über ihre Großmutter Lula erzählte. Wichtig war mir bei hart der Hinweis auf die Ballade „Walpurgisnacht“ von Carl Loewe, der sich die Mysz-Gmeiner mit dem Hinweis darauf verschloss, dass sie für ihre stimmlichen Verhältnisse zu hoch gelegen sei. Mir ist die Stelle aus ihrem Briefwechsel mit dem Loewe-Herausgeber Maximilian Runze auch bekannt gewesen. Sie zeugt von einer hohen Verantwortung dieser Künstlerin. Da ihre Stimme für einen Alt vergleichsweise hoch klingt, wäre es nach meiner Überzeugung auf einen Versuch angekommen. Eine diskrete Transponierung nach unten hätte mich nicht gestört. Warum nun dieses Gerede um eine von 600 Balladen und Liedern Loewes? Schließlich gibt es an die 1500 andere Aufnahmen, mit Lula Mysz-Gmeiner nach meiner Recherche allerdingt nur "Herr Oluf". Diese Ballade nach Herder bildet gemeinsam mit "Treuröschen" und eben der "Walpurgisnacht" op. 2. Dichter ist Willibald Alexis (1798 bis 1871), der in der deutschen Literatur als Begründer des von Realismus geprägten historischen Romans gilt. Er war ein Cousin von Ludwig Rellstab. Ruggiero Leoncavallo hat die Oper "Der Roland von Berlin" nach seinem gleichnamigen Roman komponiert. In der DDR wurden "Die Hosen des Herrn von Bredow" mit einer kleinen Änderung im Titel – aus Herr wurde Ritter – verfilmt. Loewe hat auch noch andere Balladen von Alexis komponiert.



    Hier der Text der „Walpurgisnacht“, die auch für eine zerrüttete Mutter-Tochter-Beziehung steht:


    Liebe Mutter, heut' Nacht heulte Regen und Wind.
    »Ist heute der erste Mai, liebes Kind.«
    Liebe Mutter, es donnerte auf dem Brocken droben.
    »Liebes Kind, es waren die Hexen oben.«
    Liebe Mutter, ich möcht keine Hexen sehn.
    »Liebes Kind, es ist wohl schon oft geschehn.«
    Liebe Mutter, ob wohl im Dorf Hexen sind?
    »Sie sind dir wohl näher, mein liebes Kind.«
    Liebe Mutter, worauf fliegen die Hexen zum Berg?
    »Liebes Kind, auf dem Rauche von heissem Werg.«
    Liebe Mutter, worauf reiten die Hexen zum Spiel?
    »Liebes Kind, sie reiten auf'nem Besenstiel.«
    Liebe Mutter, ich sah gestern im Dorf viel Besen.
    »Es sind auch viel Hexen auf'm Brocken gewesen.«
    Liebe Mutter, 's hat gestern im Schornstein geraucht.
    »Liebes Kind, es hat Einer das Werg gebraucht.«
    Liebe Mutter, in der Nacht war dein Besen nicht zu Haus.
    »Liebes Kind, so war er zum Blocksberg hinaus.«
    Liebe Mutter, dein Bett war leer in der Nacht.
    »Deine Mutter hat oben auf dem Blocksberg gewacht.«


    Richard Wagner schätze an Loewes Balladen vornehmlich deren dramatischen Gehalt. Wie er die Werke gesungen haben wollte und selbst gesungen hat, ist nur mittelbar nachzuvollziehen. Im Januar 1881 vermerkt Frau Cosima in ihrem Tagebuch: „R. trägt einige Balladen von Loewe vor, wie er sagt, um zu zeigen, was an uns Germanen verlorengegangen ist.“ Loewe galt etwas in Wahnfried. Noch in Venedig, drei Monate vor seinem Tod, fantasierte er auf einem neuen Flügel und ließ dabei auch – wie es Cosima ausdrückt – den „Jüngling von Elvershöh“ mit einfließen. Gemeint ist die frühe Ballade "Elvershöh", die noch an anderer Stelle des umfangreichen Tagesbuchs erwähnt wird wie auch "Herr Oluf", "Der Wirtin Töchterlein" und der in seiner Dramatik an Shakespeare erinnernde "Edward" nach einer Übersetzung von Herder aus dem Schottischen. Ein unheimliches Dialogstück zwischen Mutter und Sohn, ähnlich der "Walpurgisnacht", die bei Cosima den Titel "Hexen" trägt. So wird sie auch in einigen älteren Ausgaben bezeichnet. Loewe selbst soll diesen Namen auch gebraucht haben.


    Eine wichtige Quelle in diesem Zusammenhang ist die Autobiographie "Mein Leben" von Lilli Lehmann, die bei der ersten geschlossenen Aufführung des "Ring des Nibelungen" 1876 in Bayreuth die Woglinde sang: „Bei Wagner kamen wir … allabendlich zusammen … nur Liszt nebst den nächsten Bayreuther Freunden waren diesem Kreise zugestellt. (Eugen) Gura (der erste Gunther in der „Götterdämmerung) sang viel Löw’sche Balladen, die Wagner ganz besonders liebte. Hier war es auch, wo er mir Löwes Ballade Walpurgisnacht vorsang, deren Bedeutung er besonders hervorhob und Jos. Rubinstein aufstehen hieß, um sie selbst zu begleiten, weil er den Geist des Gedichts resp. der Komposition nicht richtig erfasste.“ Wagner habe sich verwundert gezeigt, dass die Ballade „nie gesungen würde, die doch mächtig sei, und legte sie mir besonders ans Herz“. Obwohl die Lehmann mehr als zehn Lieder aufgenommen hat, Loewe ist leider nicht dabei.


    Wagner kannte die „Walpurgisnacht“ offenbar gut. Und er sollte leider Recht behalten mit seiner Feststellung, „dass sie nie gesungen“ würde. Meine Suche hat mich nur zu einer einzigen Aufnahme mit der Sopranistin Gabriele Rossmanith geführt, die in der Gesamtaufnahme von Loewes Balladen und Liedern bei cpo enthalten ist.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent