Düsseldorf, Deutsche Oper am Rhein, "Moses und Aron", Schönberg, 02.04.2009

  • Als am 12.03.1954 das Fragment der Oper „Moses und Aron“ von Arnold Schönberg konzertant in Hamburg uraufgeführt wurde, war der Komponist schon fast drei Jahre tot. Schönberg starb am 13.07.1951 in Los Angeles, in jenem Exil, in das er 1933 emigrierte, weil die Religion seiner Eltern die falsche war und seine Musik den Nazis als „volksfremd“ und „entartet“ galt.


    Die szenische Uraufführung der zwei vollendeten Akte von „Moses und Aron“ fand am 06.06.1957 am Opernhaus in Zürich statt.


    Schon in den 20er Jahren befasste sich Schönberg mit dem Stoff zu „Moses und Aron“. Ursprünglich plante der Komponist ein Oratorium, entschloss sich dann aber, aus seiner „Moses und Aron“-Idee eine Oper zu machen. Immer wieder arbeitete Schönberg an diesem Werk, ohne es tatsächlich zu vollenden. Zu Lebzeiten des Komponisten wurden nur einzelne Szenen aufgeführt und Schönberg selbst ahnte, dass er den „Moses“ nicht vollenden würde und schlug vor, die wenigen, nicht mehr komponierten Szenen des dritten Aktes gesprochen aufzuführen.


    An unseren Opernhäusern endet die Aufführung heute in aller Regel mit dem zweiten Akt mit den Worten des Moses: „O Wort, du Wort, das mir fehlt,“, so auch in Düsseldorf, wo Christof Nel das gut anderhalbstündige Fragment neu inszeniert hat.


    Einstmals galt „Moses und Aron“ als unaufführbar, aber mittlerweile hat sich dieses Stück an den Opernhäusern und beim Publikum durchsetzen können – in Düsseldorf war der Besuch einer normalen Repertoire-Vorstellung unter der Woche ausgesprochen gut und der Beifall stark und anhaltend.


    Das Einheitsbühnenbild von Roland Aeschlimann zeigt einen nicht klar definierten, weissen Raum mit einer grossen Treppe, in deren Mitte sich eine Wendeltreppe nach oben windet, die Fenster in den Wänden sind winzig und weit oben angebracht, der Orchestergraben ist komplett umbaut, links schafft ein Gitterboden eine weitere Spielfläche, nah am Publikum, rechts sitzt an einem einzelnen Tisch Moses.


    Dieser Raum wird nicht verlassen werden, Menschen in heutiger Kleidung werden hereingeweht – aber sie bleiben in diesem Raum, es gibt keinen Auszug in die Wüste. Das wirkt ein wenig so, wie eine Bunkergemeinschaft, während draussen eine Katastrophe abläuft, Krieg oder ein Atomunfall, z. B.


    Die sechs Solostimmen, also die Stimme aus dem Dornbusch, positionieren sich mit ihren Notenpulten links und rechts zu je drei Damen und Herren neben den ersten Parkettreihen, das ist klanglich nicht ideal, wie auch das Orchester manchmal nicht die richtige Balance findet, manches Detail verschwindet einfach zu schnell.


    Das Volk bedrängt Moses, sie aus ihrer Situation zu retten. Der Mann wird sichtlich verehrt – allein, Moses fürchtet sich vor der Verantwortung, die ihm aufgedrängt wird. Auf dem Laufsteg vor den Zuschauerreihen bricht er zusammen.


    Erst als der weniger introvertierte Bruder von Moses, Aron, sich der Situation annimmt, verändert sich die Lage. Aron suggeriert dem Volk die Möglichkeit auf Rettung, erst sind es wenige, die sich der „neuen“ Lehre anschliessen, misstrauisch vom Rest des Volkes beobachtet, dann aber sind es schliesslich alle Menschen auf der Bühne, mit Ausnahme eines Priesters, der für die alte Ordnung steht.


    Es gibt keine Wunder in dieser Inszenierung, auch keine Taschenspielertricks – Aron löst so etwas wie eine Massenhysterie aus, da bedarf es keines Stabes, der zur Schlange oder einer gesunden Hand, die vom Aussatz befallen wird.


    Am Ende des ersten Teils gruppiert sich das Volk hinter Moses, ohne wirklich aus dem Raum auszuziehen.


    Zu Beginn des zweiten Teils sitzt Moses links am Tisch und schreibt, abgeschirmt vom Volk durch einen Maschendrahtzaun, der über ihm ausgebreitet wird.


    40 Tage, so erzählt es das Stück, ist Moses nun schon weg – das alte Gesetz ist aufgehoben, ein neues gibt es noch nicht – der Druck auf Aron wächst, die Situation droht zu entgleiten. Da setzt Aron die alte Ordnung wieder in Kraft – Opferrituale werden ausgeführt, wenige werden getötet, damit die Masse nicht in anarchischer Gewalt übereinander herfällt.


    Das alles erzählt Nel relativ brav und ohne wirkliche Aufreger. Selbst die Choristen, die messerwetzend in Schlachterschürzen auf Menschenjagd gehen, agieren berechenbar. Die vier Jungfrauen (nicht nackt, wie vorgesehen) werden in Brautkleider auf den Schultern von jungen Männern sitzend hereingetragen, bevor ihnen die Kehlen durchgeschnitten werden. Der Jüngling, auch er nicht nackt, aber immerhin in schicker Unterwäsche, tötet sich selbst, und der Ephraimit hat zuvor einem anderen jungen Mann das Genick gebrochen. Damit dem goldenen Kalb auch Rechnung getragen wird, werden einige Geldscheine herumgestreut.


    Das Ende dann in grosser Ruhe – Blackout.


    Nel findet für den Chor teilweise ansprechende Konstellationen, bleibt aber bei Moses und Aron sehr zurückhaltend. Wenn Aron die Hände des Chores hält, wirkt das wenig spannungsvoll, zumal Nel diese Geste etwas überstrapaziert.


    Der Abend ist grundsolide gemacht, bleibt aber hinter den Möglichkeiten, die dieses Werk bieten kann, zurück.


    Michael Ebbecke, der Moses, agiert oft mit angstvoll geweitetem Blick, das wirkt manchmal etwas aufgesetzt und passt damit zu seiner vor allem anfangs arg pastoral-pathetischen Wortgestaltung, die es an deutlicher Aussprache mangeln lässt. Öfter, als notwendig, verfällt Ebbecke in reines Singen, was sich bei dieser Rolle nachteilig auswirkt.


    Dem Aron von Wolfgang Schmidt gerecht zu werden, ist schwierig. Schon in früheren Jahren zeichnete sich Schmidt nicht durch sonderlich präzises Singen aus, da wurde schon mal relativ munter über die Klippen einer Partie hinweggesungen und das hat sich, jetzt, wo Schmidt älter geworden ist, nicht verbessert. Im Gegenteil, die Stimme weist deutliche Ermüdungserscheinungen auf und schlägt teilweise heftig, dazu kommt, dass die mächtig ausgestellten, hohen Töne, viel zuviel an Kraft erfordern, sodass die Stimme direkt nach einer solchen Attacke heiser auf der Suche nach den nächsten Tönen ist.


    Eine ganze Riege von teilweise jungen Sängerinnen und Sängern vervollständigen das grosse Ensemble. Etwas bemüht die Altistin Cornelia Berger als Kranke, schwach der Priester von Michail Milanov, mit seinem wenig zuverlässigen Bass und eindimensional der hohlstimmige Bariton Stefan Heidemann als Ephraimit. Luxuriös allerdings die Besetzung der Ältesten: da finden sich Namen wie Bodo Brinkmann, Andrzej Saciuk und Peter-Christoph Runge wieder.


    Bemerkenswert der Chor: die machen ihre Sache richtig gut, vor allem auch da, wo klare Diktion, wo chorisches Sprechen, Zischen und Flüstern verlangt wird (Choreinstudierung: Gerhard Michalski), kleine Wackeleien treten hinter der Gesamtleistung zurück.


    Das Orchester spielte unter der Leitung von Wen-Pin Chien, weniger klar strukturiert, als man es bei dieser Musik von Boulez oder Gielen gewohnt ist, dafür packend im Zugriff, eruptiv, an manchen Stellen sehr sinnlich, im Detail aber nicht restlos überzeugend, eine interessante, aber keine überragende Leistung des Düsseldorfer Orchesters und seines Dirigenten.

  • Lieber Harald,


    hast Du die Aufführung denn gesehen? Oder ist das musikalisch doch von dem, was Du normalerweise präferierst, zu weit weg?

  • Da der eigentliche Schönberg: "Moses und Aron"-Thread nach wie vor spurlos verschwunden ist, erlaube ich mir, hier Neues zur "Vollendung" dieses Fragments "Moses und Aron" beizusteuern:


    Einbrecher haben in Budapest im Haus des Dirigenten Zoltan Kocsis einen Laptop mit exklusiven Daten zur Rekonstruktion des dritten Aktes von Schönbergs Oper «Moses und Aron» gestohlen. Nun ist die Premiere der dreiaktigen Fassung gefährdet.


    Laut ungarischen Presseberichten drangen die Diebe ins Haus von Kocsis ein, während dieser schlief. Als sie einen Alarm auslösten, flüchteten sie mit dem Computer.


    Zoltan Kocsis ist im Besitz der Rechte an einer Vollendung des Fragmentes von "Moses und Aron". Ob er seine Version ohne den Laptop wieder herstellen kann, ist fraglich, vor allem, da die Zeit drängt....


    Wenn der Computer nicht wieder auftauchen sollte, muss wohl die Premiere der Rekonstruktion, die für 16. Januar geplant war, ausfallen.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)