Johann Pachelbel (1653-1706) - Nürnbergs (fast) vergessener Sohn


  • Ich freue mich auf das Konzert und werde dann berichten.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo,


    nach 7-jähriger musikwissenschaftlicher Arbeit ist nun vor Kurzem der letzte, 11. Band der Bärenreiter Gesamtausgabe der Vokalmusik von Pachelbel (1653 – 1706, je in Nürnberg) erschienen. Dies war der Anlass zu einer festlichen Eröffnung im historischen Saal des alten Nürnberger Rathauses (Wolffscher Bau) am 10.07. und zu einem


    Festkonzert in St. Sebald am 11.07.


    Ausführende waren das Ensemble „London Baroque“ (9 Instrumentalisten) und 4 Gesangssolisten (SATB) unter der Leitung von Wolfgang Riedelbauch. Bei Chorpassagen übernahmen die 4 Gesangssolisten den Chorpart, was unter Berücksichtigung der 9 Instrumentalisten zu einer ausgewogenen Klangbalance führte, mit 2 Ausnahmen: Die Truhenorgel war m. E. zu laut; ich vermute, dass zu Pachelbels Zeiten die Windversorgung im Vergleich zu heute weniger stark war – die Orgelpfeifen waren dem angepasst – und so die Orgel ein Übergewicht hatte, besonders aber bei der Klanglautstärke gegenüber der Theorbe zu sehr in den Vordergrund rückte.
    Es wurden insgesamt 8 Werke uraufgeführt, sodass ich weder CD- noch YouTube-Einspielungen vorstellen kann; als 9. Werk das Magnificat - die YouTube-Aufnahme verlinke ich aber nicht.
    Mein 1. Gehör-Gesamteindruck: Seine Vokalmusik wirkt auf mich weniger streng, freundlicher, mehr an Telemann erinnernd als an J.S. Bach, dessen älterer Bruder, Johann Christoph, Pachelbels Schüler war.
    Besonders beeindruckt hat mich „Was Gott tut, das ist wohlgetan“, PWV 1217; ein strophenweiser Wechsel zwischen polyphoner und homophoner Vertonung.


    Pachelbels Musik genau an dem Ort, in St. Sebald, zu hören, wo er vor rund 400 Jahren Kantor war und diese Musik auch dort erklang – was dies an Gefühlen auslöste kann ich nicht beschreiben.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Vielen Dank für die Konzertkritik. Ich befand mich gleichfalls mit zwei weiteren Zuhörern an diesem Abend in St. Sebald. Meine Begleitung würde ich als neutral bis mäßig barock begeistert einschätzen. Um für so bedeutsamer halte ich ihre Einschätzung des Abends: Besonders der zweite Teil des Konzertes nach der Pause hinterließ sie restlos bezaubert.
    Ein Pachelbel-Konzert in St. Sebald ist immer etwas Besonderes. Die einzigartige Stimmung, die ich auch schon bei einem groß besetztem Pachelbel-Chorkonzert in der Vergangenheit erfahren durfte, setzte sich auch diesmal durch. Es beginnt schon bei dem Prospekt, der sich vor der Sebaduskirche zeigt: Ein fast italienisch anmutender Platz mit dem Schürstabhaus als Blickfang, ein Blick zur Seite zeigt das Wolfsche Rathaus. Dazu ein warmer Sommerabend und in der Pause das Läuten der Sebalder Kirchenglocken.
    Ein größere Zuhörerschaft wäre dem Ereignis angemessen gewesen, allerdings sind es vielleicht ein wenig viele Konzertreihen in diesem Sommer (nach der ION nun der "Fränkische Sommer" und "Musica Franconia" jeweils mit Barockprogrammen parallel und im Hintergrund ziehen schon die Ansbacher Bachwochen auf).
    London Baroque erschien mir untadelig. Dazu eine Frage vom Liebhaber an den Kenner: Wurden eigentlich skordierte Geigen verwendet? So wie ich das gesehen habe, wurden mehrfach die Instrumente gewechselt.
    Die Sänger erschienen mir in ihrem Vortrag sehr gut und passend, mit leichten Einschränkungen für den Alt-Part, der aber solistisch keine tragende Rolle spielte.
    Das Stück "Christ ist erstanden" PWV 1204 ist m.E. schon einmal auf dieser CD mit Emma Kirkby eingespielt worden.




    Die übrigen Stücke waren wohl Erstaufführungen seit 300 Jahren.
    Besonders eindrücklich und so von mir noch nirgends gehört waren folgende Stücke:
    "Kommt her zu mir alle" PWV 1219, bei der Klaus Mertens als eine Art "Basso ostinato" "Kommt her zu mir" sang im Dialog mit den restlichen drei Stimmen. Ein ganz außergewöhnlicher Effekt.
    Jan Kobow sang "Vergeh doch nicht" PWV1225, ein eindringliches und fast sinnliches Werben von Jesus um die christliche Seele. Es mutete fast "katholisch" an und erinnerte an entsprechende italienische Stücke von Biber.
    Besonders ansprechend bei Pachelbel finde ich immer die instrumentalen Vor- und Zwischenspiele, von denen eine für mich für diesen Komponisten charakteristische Leichtigkeit, Innigkeit und "italienita" ausgeht.
    Die Herausgabe des gesamten Vokalwerkes von Pachelbel ist für mich eine wirkliche Erweiterung des musikalischen Horizontes der damaligen deutschen Barockmusik und sollte fast zwingend zu Konsequenzen beim Repertoire und bei Einspielungen führen.
    Meine Begleitung und ich waren der Meinung: Ein einmaliger Abend. Oben gezeigte CD hat nun ihren Weg nach Hamburg angetreten und ich wünsche meiner Cousine viel Vergnügen mit der Aufnahme.

  • Hallo Karsthans,


    schade, dass wir uns nicht begegnen konnten (auch auf der Ansbacher Bachwoche bin ich, neben div. Konzerten des frk. Sommers und am 26.07. in der Rieterkirche in Kalbensteinberg).


    Der 2. Teil hat den 1. Teil übertroffen; der Bass war für mich der beste Gesangssolist gefolgt von der Sopranistin; der Tenor hatte nicht die beste seiner möglichen Stimmverfassung.
    Die italienische Anmutung habe ich mehr in Eichstätt; hinter dem Schürstabhaus - in der Halbwachsengasse - hatte ein Großvater von mir bis zur Bombardierung seine Drechslerwerkstatt.
    Zur Skordatur: Mir fiel das wiederholte Stimmen der Streicher auf; allerdings saß ich nicht so weit vorne - ich lege mehr Wert auf eine gute Klangentfaltung - dass ich den Wechsel der Instrumente verfolgen konnte.
    Amazon ist bei den Angaben zur CD oft sehr mangelhaft (in diesem Fall keine Angaben zu den aufgenommenen Werken), da ist JPC wesentlich besser, weswegen ich bei Amazon nur bestelle, wenn's JPC nicht anbietet, hinzu kommt noch der ... Tarifstreit bei Amazon.
    Ich gehe auch davon aus, dass sich Konzerte und Aufnahmen seiner Vokalmusik nun erweitern; bei Staden ist das bereits im Gange, die angekündigte CD mit den Windsbachern ist nun erschienen und müsste in den nächsten Tagen bei mir eintreffen, ich werde dazu posten.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo,
    mit einem Nachfolger Pachelbels im Amt des Kantors von St. Sebald und an gleicher Wirkungsstätte wurde diese CD 1985 aufgenommen und auch die „Cappella Sebaldina“ dürfte Vorfahren in Nürnberg gehabt haben.Es war etwas zeitaufwändig, akzeptable Einspielungen bei YouTube auszuwählen, was auch nur z. T. gelang.
    https://www.youtube.com/watch?v=OiiYwYBlW_4
    https://www.youtube.com/watch?v=wit8Pgd5u_k
    https://www.youtube.com/watch?v=kkCkFbeljUc
    https://www.youtube.com/watch?v=V3wVb0x6qjc
    https://www.youtube.com/watch?v=uzzAnP7LgHw
    https://www.youtube.com/watch?v=5u-uToc2RXw
    https://www.youtube.com/watch?v=ITexDNTZpQY
    https://www.youtube.com/watch?v=5X1HyOiUaHA
    Viele Grüße
    zweiterbass



    Nachsatz: Aufnahmen mit der "Cappella Sebaldina" gibt es bei YouTube leider nicht.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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