GRIMMELSHAUSEN, Hans Jakob Christoffel von: SIMPLICIUS SIMPLICISSIMUS

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    Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch
    Das ist: Die Beschreibung deß Lebens eines seltzamen Vaganten
    genant Melchior Sternfels von Fuchshaim
    wo und welcher gestalt Er nemlich in diese Welt kommen
    was er darinn gesehen, gelernet, erfahren und außgestanden
    auch warumb er solche wieder freywillig quittirt.
    Überauß lustig
    und männiglich nutzlich zu lesen. (1668)


    Vorweg dieses: Im Deutschunterricht auf unserem Brettergymnasium hat kein Lehrer mit dem Reclam-Heft gefuchtelt und wir Schüler mussten auch keine Referate über Schauspiel- oder Romaninhalte zum Besten geben. Es genügte dem Deutschlehrer, wenn wir die Buchstaben kannten und wussten, welche Wörter sich ergaben, wenn diese Buchstaben in einer ganz bestimmten Kombination zueinanderstanden. Ich kann mir bis heute nicht erklären, warum mich als Schüler ein untypischer, weil das bei meinen Mitschülern wenig ausgeprägt war, Lesewille gepackt hat. Eines Tages kam mir das Buch von Grimmelshausen in die Hände und es hat mich wirklich gepackt. Es ist bis heute eines meiner Lieblingsbücher geblieben und es liegt immer mal wieder zum Lesen auf dem Tisch. In medias res also:

    Zu Lebzeiten des Autors waren die Lebensumstände wahrlich nicht angenehm: Kriege mit und ohne Religionshintergrund, Pest und gewaltige Umbrüche durch Entdeckungen. Dass sich der zeitgenössische Leser mit der Figur identifizieren konnte - weil er vieles auch selbst erlebt hat - wundert nicht und erklärt den großen Erfolg des Romans. Dass dieser Erfolg auch heute noch hält (zumindest bei den interessierten Büchernarren) hätte Herr von Grimmelshausen sich bestimmt nicht gedacht - falls er denn überhaupt an Nachruhm gedacht haben sollte.

    Was erfährt der Leser? Der Titelheld ist einfältig und naiv zu nennen. Er kennt zunächst nicht einmal seinen Namen und die Naivität ist für ihn auch ein gewisser Schutzschild in einer sehr schwierigen Zeit. Und die ändert das Leben des Titelhelden, als er zehn Jahre als ist: Soldaten überfallen sein Dorf, doch er kann sich mit sehr viel Glück zu einem Eremiten in den nahen Wald retten. Der gibt dem Knaben den Namen Simplicius, der Einfältige. Allerdings stirbt der fromme Mann zwei Jahre später, Simplicius ist wieder allein und muss sehen, wie er überlebt: Erst wird er Page beim schwedischen Kommandanten in Hanau, wo man ihn auf Grund seiner Naivität zum Narren erklärt und in ein Tierfell steckt. Doch ist auch hier nicht seines Bleibens, denn fremde Soldateska zwingt ihn zum Mitziehen und der Einfältige landet bei den Kaiserlichen in Magdeburg; er kommt beim dortigen Hofmeister unter, muss sich hier aber auch als Narr bezeichnen lassen und das Tierfell“ tragen. Lichtblick ist für ihn der Sohn jenes Hofmeisters, Ulrich Herzbruder, der ihm ein Freund wird.

    Aus Magdeburg gelingt Simplicius mit der Hilfe dieses Freundes die Flucht und er landet als Diener eines Dragoners im Kloster „Paradeiß“ bei Soest. Hier macht er nicht nur einen großen Wissenssprung, indem er sich durch die Klosterbibliothek das Lesen beibringt, sondern erlernt auch das Fechten, in der er sogar ein Meister wird. Und das macht unseren Helden berühmt (man nennt ihn schnell den „Jäger von Soest“) und reich. Er wird Dragoner, eines Tages aber von den Schwedischen gefangengenommen und in Lippstadt eingesperrt. Die Freiheit erlangt er durch eine Heirat, verliert aber sein Vermögen durch einen Gauner. Simplicius begibt sich nach Paris und erlebt dort als Schauspieler und Lautenist erotische Abenteuer.

    Zurück, auf dem Weg in die Heimat, befallen ich die Pocken, die er in einem Selbstversuch besiegt. Sein Leben als Wunderheiler zu fristen gelingt ihm jedoch nicht, denn in Philipsburg wird er wieder in den Soldatendienst gezogen. Und wieder „haut“ ihn Freund Ulrich heraus; beide ziehen als Pilger nach Maria Einsiedeln in die Schweiz - der Pilgerzug wird jedoch nach Wien umgeleitet, wo Simplicius kurzzeitig als Hauptmann agiert. Sein Helfer und Freund in der Not, Ulrich, erkrankt aber schwer und sie reisen in den Schwarzwald. Simplicius ist erneut allein. Da seine erste Frau gestorben ist (weshalb sie in dieser Kurzfassung nicht weiter erwähnt wird), heiratet er erneut, doch ist die Neue ein Missgriff, denn sie entpuppt sich sehr schnell als Alkoholikerin.

    Hier will ich den Faden nicht weiterspinnen, schließlich geht es darum, den Schelmenroman allen denen schmackhaft zu machen, die ihn noch nicht kennen. Soviel sei aber angedeutet, der Titelheld verlässt den europäischen Kriegsschauplatz und kommt weit herum. Gleichzeitig gebe ich aber zu, dass es für den Leser schwer sein kann, des Autors barocke Sprache zu verstehen, denn die ist bunt, auch roh und derb. Auf jeden Fall verschachtelt Grimmelshausen Haupt- und Nebensätze, bildet also Bandwurmsätze, doch wenn man sich erst einmal eingelesen hat, nimmt der sprachgewaltige Ton des Autors jeden Leser gefangen.


    :hello:

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    MUSIKWANDERER