Luzerner Theater - 28.9./29.9.: MONTEZUMA und IDOMENEO

  • Der Tipp an der Kasse war goldeswert ("Wenn Sie Vivaldi mögen, dann gehen Sie doch heute in den Montezuma") - und das Abendprogramm war gerettet.
    Dass Antonio Vivaldi eine Montezuma-Oper geschrieben hat, war allen Musikwisenschaftern längst bekannt. Gefunden wurde die Partitur, besser gesagt ein Torso davon, aber erst vor wenigen Jahren im Archiv der Berliner Singakademie. Der zweite Akt ist nahezu vollständig erhalten geblieben, vom ersten und vom dritten Akt blieben nach heutigem Wissenstand nur marginale Reste erhalten. Die Theater von Luzern und Heidelberg (die Produktion entstand als Gemeinschaftproduktion dieser beiden Häuser) haben sich im Vorfeld entschieden, die Oper von Thomas Leininger (Musikwissenschafter und Komponist) im Stil Vivaldis vervollständigen zu lassen. Das gelingt manchmal beser, manchmal weniger gut. Ich bin etwa überzeugt, dass Vivaldi die Holzbläser in der Begleitung der Arien der Mitrena im ersten und dritten Akt weniger dominant eingesetzt hätte.
    Insgesamt ist die Aufführung durchaus sehenswert. Man darf sich keine Wunder erwarten - dazu fehlen einfach die entsprechenden Rahmenbedingungen -, wer aber unbefangen das Haus betritt, wird den Besuch nicht scheuen.
    Das Bühnenbild und die Kostüme (Ausstattung: Humberto Spindola) sind zweckmäßig und bunt, die Regie (Martin Acosta) fällt nicht weiter auf (die paar aufgesetzten Gags vergisst man sehr schnell wieder). Gesungen wird von nahezu allen Beteiligten gut (wenn auch nicht immer stilgetreu) und vor allem bei den Damen auch koloratursicher; im Gesamteindruck fielen die Männer - vor allem der Altus Bernhard Landauer - gegenüber den Kolleginnen aber doch ab. Für mich habe ich jedenfalls zwei Sängerinnen entdeckt (Tanja Ariane Baumgarter und Teodora Gheorghiu), deren weitere Entwicklung ich beobachten werde.
    Durchaus positiv auch das aus Mitgliedern des Luzerner Sinphonieorchesters bestehende Barockensemble "La Gioconda" (einziger Schwachpunkt die Trompeter) unter der leitung von Michael Form und mit Thomas Leininger am Cembalo.


    Antonio VIVALDI/Thomas LEININGER (Ergänzungen)
    MONTEZUMA

    Howard Quilla Croft - Montezuma (Bariton)
    Tanja Ariane Baumgartner - Mitrena (Mezzo)
    Teutile - Simone Stock (Sopran)
    Fernando - Caroline Vitale (Mezzo)
    Ramiro -Bernhard Landauer (Altus)
    Asprano - Teodora Gheorghiu (Sopran)
    Dirigent: Michael Form



    Wolfgang Amadeus Mozart´s IDOMENEO stellt bedeutendere Häuser als Luzern vor nicht unbeträchtlihe Schwirigkeiten und wird nicht zuletzt deshalb nicht so oft auf den Spielplan gestellt. Dominique Mentha hat den Versuch gewagt - und gewonnen, wenngleich die Nachteile des Hauses (kleiner Orchestergraben, akkustische Probleme) bei Idomeneo deutlicher erkennbar sind, als am Vorabend.
    Olivier Tambosi sieht die Opera Seria nicht so sehr als griechische Tragödie unter politischen Aspekten denn als persönliches Beziehungsdrama im Dreieck Elettra - Ilia - Idomeneo; eine, wie ich meine, durchaus legitime Deutung. Der Bühnenraum (Bühnenbild Werner Hutterli) ist von hohen Wänden begrenzt, der Sandboden verhilft zu ungewohnten aber sinnvollen Effekten. Und auch an diesem Abend überragen die Damen ihre männlichen Kollegen. Ihr Debut als Elettra feiert in dieser Produktion (Premiere war am 9. September) Christiane Boesiger und niemand würde glauben, dass das für sie eine neue Rolle ist. Nach der Arie im dritten Akt brach das nicht wahnsinnig beifallsfreudige Publikum spontan in Jubel aus (Zitat von einheimischen Wienkennern: "das war heute fast wie in Wien"). Sehr gut auch (vor allem wenn man bedenkt, dass beide auch am Vorabend große Rollen gesungen haen) Caroline Vitale als Idamante und Simone Stock als Ilia und zwar stimmlich wie darstellerisch. Stimmlich und vor allem darstellerisch noch nicht wirklich Top ist der junge Koreaner Jason Kim in der Titelpartie. Auch heute nicht überzeugend der Arbace des Howard Qilla Croft; gute Comprimarii sind Kihun Koh (Oberprieseter) und Boris Petronje (Stimme).
    Das Orchester leidet klangmäßig darunter, dass nur etwa ein Drittel der Musiker frei sitzen, die anderen finden ihren Platz unter der Bühne. Das Klangergebnis ist leider suboptimal. Mit hohem Engagement und durchaus erfolgreich als Sängerbegleiter leitet John Axelrod den Abend.
    Viel Beifall.


    Wolfgang Amadeus MOZART
    IDOMENEO

    Idomeneo - Jason Kim
    Idamante - Caroline Vitale
    Ilia - Simone Stock
    Elettra - Christiane Boesiger
    Arbace - Howard Quilla Croft
    Oberpriester des Neptun - Kihun Koh
    die Stimme - Boris Petronje
    Chor und Zusatzchor des Luzerner Theaters
    Luzerner Sinfonieorchester
    Dirigent: John Axelrod

    Wer Zeit hat, sollte Luzern einen Besuch abstatten. Es lohnt.


    Michael 2