Zwischenfazit zu Bruckner mit Anima Eterna: Ich habe lange nicht so gern Bruckner gehört.
(Und ganz nebenbei: Was ist das für ein merkwürdiges Cover?!)
Zwischenfazit zu Bruckner mit Anima Eterna: Ich habe lange nicht so gern Bruckner gehört.
(Und ganz nebenbei: Was ist das für ein merkwürdiges Cover?!)
Nach ein bisschen Bill Evans und viel bastille musique-Alben jetzt noch ein wenig hiervon:
Anton Bruckner
Symphonie Nr. 4
Anima Eterna Brugge
Pablo Heras-Casado
Nun bin ich kein Bruckner-Jünger, ebenso kein Hip-Fan.
Aber die Kombination von Bruckner mit der historischen Informiertheit
der Orchester-Musiker sagt mir jedenfalls sehr zu.
Weniger gewaltig-stählern als gewohnt, dafür wärmer, lyrischer.
Schöne Aufnahme.
Zum Sonnenuntergang:
Claude Vivier
Lonely child für Sopran und Orchester
Dieses Album war einer der Gründe, aus dem heraus ich auf bastille musique aufmerksam wurde. Gerade habe ich wieder nachbestellt, sodass ich dann alle Alben von 1 bis 29 habe. Was für eine Freude diese Aufnahmen stets sind!
Vielen Dank, Axel, für die Handreichung! Sieht nett aus, so.
Und dann noch ne Frage, die bestimmt mehrfach gestellt und beantwortet wurde und später gern gelöscht werden kann: wie könnt ihr das so fancy anordnen - mit der Schrift neben dem Album-Cover.
Danke im Voraus!
Start in den Tag mit einem wunderbaren Album:
Henri Dutilleux
Correspendances - Für Sopran und Orchester
Tout un monde lointain - Für Cello und Orchester
The Shadows of Time - 5 Episodes pour orchestre
Wie ich aus dem Beitext gerade gelernt habe, war Esa-Pekka Salonen Schüler von Dutilleux. Und der Komponist war bei den Aufnahmen zugegen. Und Barbara Hannigan als Sopran noch dazu.
Habe das Album immer sehr geschätzt. Leider nicht mehr lieferbar beim Werbepartner - dafür problemlos zu streamen.
Hieraus
Dutilleux, Symphonie Nr. 2. Ich schätze Cambreling sehr.
Zusätzlich nahm mich für ihn ein, dass er die Werk-Einführung bei einem Konzert in Freiburg selbst vornahm.
Das ist so eine Box, die ich trotz allen Streamings vielleicht doch kaufen würde. Bis auf den Bolero gefällt mir eigentlich alles darin.
Dass hier jüngst ein Werk von Henze nurmehr als "Musik" (genau, in Anführungszeichen) apostrophiert wurde, weckte dann doch mein Interesse:
Natürlich nicht mehr lieferbar, aber problemlos zu streamen, und deshalb hier in Båstad mit Blick auf das Meer (Hach!) via Macbook gehört. Gefällt mir, schon auch Filmmusik-mäßig stimmungsbetont, durchaus Henze-mäßig elegisch. Und bei der Gelegenheit gleich noch im Netz etwas über Henzes Liebe zu Film und Filmmusik gelesen. Insofern danke für die Schmähung.
Lieber Helmut Hofmann auch von mir herzlichen Dank für die sehr schöne Zusammenfassung zum Thema Schopenhauer und Wagner von dem Hintergrund des "Tristan". Sowie für die Einordnung und Klarstellung. Food for thought, wie man neudeutsch wohl sagt. Leuchtet mir alles unbedingt ein. Merci!
Ich wüsste auch nicht, warum ich mich, der ich gewiss als Esel im Dr.-Holger-Kaletha'schen Sinne gelten darf, beleidigt sehen sollte. Das fällt ja auf ihn selbst zurück.
Weit interessanter scheint mir dies:
Den Gedanken des Liebestodes verstehe ich aber glaube ich schon sehr gut.
Da bin ich ganz bei Axel:
Das wäre doch eine Stelle zu zeigen, inwieweit der Schopenhauersche Gedanken hier etwas an Verständnis dazubringen kann, was im Drama so nicht zu finden ist. Wie ist der Liebestod also zu verstehen?
Bitte.
Danke für die Anregung!
Hier läuft per Stream gerade Wolpe. Hatte ich noch nie gehört. Gefällt mir gut.
Es ist mir wichtig zu betonen, dass ich hier keinen "absoluten Subjektivismus" propagiere.
Ehrlich gesagt glaube ich, dass niemand hier dies tut. Sonst wäre eine Diskussion tatsächlich kaum möglich. Ich denke, alle, die sich hier zum Diskutieren versammeln, suchen den Austausch und damit einen Erkenntnisgewinn, der außerhalb ihrer selbst liegt. Sonst würde man sich ja nur äußern, um sich im Kreis zu drehen.
Ich denke, ein Unterschied liegt eher in der Herangehensweise: Erschließe ich mir ein Werk über das persönliche Empfinden oder versuche ich einen objektiveren Zugang zu finden. Am Ende wird - bei mir - immer beides zusammenspielen müssen. Empfinde ich bei dem Werk nichts, sagt es mir nichts, werde ich mich damit nicht weiter befassen wollen.
Präsentiert uns Wagner hier einen verlogenen Trost?
Nein. Er führt nur konsequent zu Ende.
Der ganze "Tristan" ist nur Liebe. Das vorherrschende (musikalische) Motiv ist das der Sehnsucht. Und diese Sehnsucht findet am Ende ihre Erfüllung. Im Tod. Aber der Tod ist eben nicht das Ende. Das könnte man nach so etwas wie Gott ist ewig, Gott ist Liebe, die Liebe ist ewig auflösen, aber zu christlich sollte man an Wagner wohl nicht herangehen. Mit Buddhismus und Nirwana ist man vermutlich besser bedient. Und es gäbe ja auch die Lesart, dass die Liebe von Tristan und Isolde ewig besteht, weil wir ihre Geschichte hören (und sehen).
Was stürbe dem Tod
Ich lese es so: Mit dem Tod stirbt (endet), was Tristans uns Isoldes Liebe hindert. Also die Tagwelt.
Alles klar, Helmut, aber auf die Frage zum Triumph der Liebenden hättest du schon antworten können.
die Untauglichkeit des in der Ästhetik deshalb längst nicht mehr verwendeten informationstheoretischen Theorems
Oha.
Ich bin gerade im Urlaub und komme deshalb leider weniger zum Mittun hier. Ich habe aber die Zeit auch genutzt, den Tristan wiederholt zu hören und dabei auch den Text aufmerksamer als zuvor zu lesen. Da der Anstoß dazu hier erfolgte: Vielen Dank an alle Beteiligten!
Aber.
Wozu braucht ein Komponist, Dichter oder Maler eine ästhetische Theorie? Die Antwort: Immer dann, wenn er nicht einfach Opern oder Romane schreiben oder Bilder malen will in einer Tradition, sondern mit seinen Werken eine ganz neue Art von Kunst schaffen will, braucht er dafür eine philosophisch-ästhetische Begründung.
Erst mal muss ich schon schlucken, wenn ich lese, dass jemand "einfach" Opern oder Romane schreibt oder Bilder malt. Einfach? Mal so? Und nein, das wird auch nicht dadurch besser, dass von "einer Tradition" geredet wird. Was für eine Anmaßung!
Grundsätzlich denke ich, dass für die "ästhetische Theorie" am Ende die Wissenschaft zuständig ist. Wie weit es beispielsweise um das wissenschaftliche Vermögen, eher den wissenschaftlichen Anspruch Wagners bestellt war, hat Werner sehr schön dargelegt.
Mir bringt es doch gar nichts, wenn ein Künstler ein sehr überzeugendes Konzept seiner Arbeit formuliert hat - mich seine Arbeit aber in keiner Weise berührt.
Um zum Thema zurückzukommen: Natürlich kann ich Schopenhauer, Buddhismus und sonst noch was in die Waagschale werfen, um den Tristan einordnen zu wollen. Nur: Mir nutzt all das Wissen herzlich wenig, wenn mich "O sink hernieder, Nacht der Liebe" nicht bewegt.
Es gilt für die Rezeption aller solcher historischer Kunstwerke. Man kann sie in ihrer künstlerischen Aussage nicht wirklich verstehen, wenn man das kulturelle, das geistige, aber auch das lebensweltliche Umfeld nicht kennt, in dem sie entstanden sind. Ich bin sogar der Meinung, dass man die Biographie, speziell den geistigen Teil derselben, des jeweiligen Autors kennen sollte, um zu einem wirklich tiefgreifenden Verständnis des jeweiligen Werkes kommen zu können.
Ich bin ja schon sehr skeptisch, wenn jemand damit hantiert, dass es darum gehe, ein Kunstwerk zu "verstehen". Da bin ich eigentlich schon raus. Das maße ich mir gar nicht an.
Mir geht es darum, dass das Werk etwas mit mir macht, in mir auslöst. Dass es mich etwas (mit)fühlen lässt, an etwas erinnert, mich nachdenken lässt, mich bereichert.
Muss ich ein Werk zwingen in seinen zeit- oder kunsthistorischen Kontext einordnen? Bin ich überwältigter vom Liebestod, wenn ich Schopenhauer mitdenke?
Aber es geht ja um den Tristan. Und da stellte Helmut eine doch wirklich spannende Frage, die sich daran festmacht, dass der Tristan-Akkord am Ende des Werkes doch aufgelöst wird.
Das legt nahe, das als finale Verklärung, als Triumph der Liebenden zu verstehen.
Und die Frage taucht auf: Präsentiert uns Wagner hier einen verlogenen Trost?
Ich frage mich, was du mit "verlogenem Trost" meinst. Bezweifelst du den Triumph der Liebenden? Spoiler: ich nicht.
Eine nachdrückliche Wirkung in "Melancholia", wer den Film gesehen bzw. gehört hat, dem bleibt die Musik im Gedächtnis haften.
Das mag sein. Mich hat an diesem großartigen Film leider etwas genervt, dass ich die verwendete Einspielung des Tristan-Vorspiels nicht wirklich mochte. Ich kann nicht mal mehr sagen, was es war, aber von Trier soll ja auch ein wenig in die Partitur eingegriffen und beim Abmischen das Cello noch vorne geholt haben.
Interessant finde ich für mich vor allem, dass Vorspiel und Liebestod "unkapputtbar" sind. Während Visconti es geschafft hat, das Adagietto aus Mahlers 5. überstrapaziert zu haben, ist dies bei den Tristan-Exzerpten, auch der Neuschöpfung aus Wagners Hand, nicht der Fall. Wenn ich - wie zuletzt - wieder den Liebestod am Ende der Oper höre, hat er nichts an Wirkung eingebüßt (es sei den, er wird schlecht ausgeführt - und noch nicht mal dadurch ist er völlig zu ruinieren).
Denn als absolute Musik ohne den dramatischen Vorgang, den sie schildert und formt, ist das wirklich keine gute Musik.
Das ist beste Musik
Da bin ich Team kurzstueckmeister. Eines meiner "guilty pleasures" war eine zeitlang, Vorspiel-Kompilationen von Wagner zu hören, weil dies für sich genommen schon großartige Musik ist. Aber - erst im Gesamtzusammenhang wirkt es so richtig. Mittlerweile höre ich solche Alben nicht mehr. Mit einer Ausnahme:
Leider erst jetzt gelesen, deshalb der Rückgriff.
Ich lese es so, dass sich Tristan und Isolde durch die Behandlung nahe gekommen sind und dass Tristan ihr zu Dank verpflichtet ist
Sie hat ihm das Leben gerettet. Ich finde "zu Dank verpflichtet" ist da ein bisschen schwach.
statt dessen führt er sie aber Marke als Braut zu, was Isolde als Verrat empfindet und zur Konsequenz hat, dass sie auf Rache sinnt.
Seine "Undankbarkeit" empfindet sie als "Verrat", die sie auf Rache sinnen lässt? - das ist dann allerdings eine übertrieben heftige Reaktion.
Heute würde man sagen, dass das Verhältnis durch eine gewisse Spannung aufgeladen ist.
Eine gewisse Spannung? Tristan hat Morold umgebracht (wahlweise Isoldes Bruder, hier - sogar - ihr Bräutigam). Und dann soll sie unter Tristans Mitwirkung mit dem ungeliebten König Marke verheiratet werden. Spannung?
wird diese Spannung in eine Richtung gelenkt, die ihr bereits innewohnt,
Wohnt da vielleicht Liebe inne?
Viel unlogischer wäre es meines Erachtens, eine bereits vorhandene, einander bestätigte Liebe durch den Zaubertrank noch einmal zu aktivieren.
Wagner offenkundig nicht. In dem Brief an Mathilde Wesendonck schreibt er davon, dass der Trank die Liebe der beiden heftig "auflodern" lasse.
Außerdem: Meiner Lebenserfahrung (und dem Studium einschlägiger Bücher und Filme) zufolge kann Liebe sehr wohl vorhanden sein, wenn sie "einander" noch nicht "bestätigt" wurde. Ich glaube ehrlich gesagt, dass das immer so ist.
Noch ein Nachtrag, gerade gefunden: Wagner schrieb Mathilde Wesendonck über den "Tristan" unter anderem: "Der treue Vasall hatte für den König diejenige gefreit, die selbst zu lieben er sich nicht gestehen wollte." Und Isolde habe "dem Freier selbst machtlos folgen musste".
wir haben doch weiter oben schon festgestellt, dass Isolde sich bei Wagner erst auf dem Schiff in Tristan verliebt
Naja. Das habt ihr. Aber das macht es noch nicht zur unumstößlichen Wahrheit, oder?
So ein paar Restzweifel hast du offenbar ja selbst (s. u.)
Wenngleich das Blick-Motiv bereits eine Rolle spielt.
Aber ich weiß auch nicht, ob man sich in dieser Frage nicht verkämpft.
Egal, wenn da nicht mehr als Mitleid gewesen wäre, bräuchte es ja wirklich einen Liebestrank, einen Zauber, um sie einander lieben zu machen. Ich glaube aber nicht, dass Wagner eine Geschichte erzählen wollte, bei der Liebe per Zaubertrank hergestellt wird. Die Vorstellung, Gift geschluckt zu haben, führt ja nur dazu, dass man keine Rücksichten mehr nehmen muss, und sich die Liebe gestehen kann. Die Liebe war da. Ob sie auf der gemeinsamen Schiffsreise entstand oder schon bei der Heilung Tantris/Tristans - ist das am Ende so entscheidend? Mal sehen, vielleicht ja doch.
Ich mache mich jedenfalls bald auf den Weg in den Sommerurlaub und werde diesen auch dazu nutzen, mir den Tristan etwas genauer zu Gemüte zu führen. Und ich bin um diesen Thread wirklich sehr froh, da er mich darin bestärkt, mich nochmals intensiver mit dem Tristan zu befassen. Ein herzlicher Dank insbesondere an Werner für seine steten Hinweis auf den Text. Mit dem werde ich mich nun intensiver befassen. Denn das habe ich in der Vergangenheit wohl zu wenig getan. Ich freue mich jedenfalls auf weitere Entdeckungen.
Komisch, dass hier niemand etwas zum diesjährigen Tristan schreiben mag. Dann will ich es auch kurz halten, aber doch anmerken: Ich war nicht begeistert.
Vielleicht war diesmal schon der Einführungsvortrag der Fehler. Sven Friedrich fiel krankheitsbedingt aus, dafür nahm Frank Piontek, offenbar ein Wagner-Kenner aus Bayreuth, das Mikro. Seine Kernthese, bezogen auf die Aufführung, war: Tristan ist depressiv, deshalb sucht er den Tod. Das nahm ich so hin, ohne mir zu dem Zeitpunkt viel zu denken. Ich war einfach gespannt, was dann auf der Bühne passieren würde. Um es vorwegzunehmen: nicht viel.
Das Bühnenbild gefiel mir durchaus. 1. Aufzug, schwere Taue hängen bis zum Boden, das Zitat eines Schiffes, das reicht mir, alles gut. Auch der gefüllte Schiffsbauch im zweiten Aufzug mit all den Reliquien der Tagwelt, die Tristan und Isolde hinter sich lassen - von mir aus, auch wenn es auf eine merkwürdige Weise beengend wirkte. Dann die Bühne im 3. Aufzug als Sammelsurium der Requisiten, mehr oder minder zufällig angehäuft, verdichtet. Namentlich im 2., schlimmer noch im 3. Aufzug gewann das Szenenbild dann die Oberhand gegenüber dem Geschehen auf der Bühne, da eben einfach nichts geschah. Tristan und Isolde wurden quasi verschluckt, da sie ohnehin nicht viel lebendiger agierten als die Requisiten.
Wenn ich an den Liebestod denke, dann erinnere ich einen Tristan, der inmitten der Requisiten liegt und von ihnen nicht mehr zu unterscheiden ist. Und ich erinnere eine Isolde, die den Liebestod abgewendet und entfernt vom Tristan singt. Überhaupt: entfernt. Im zweiten Aufzug gibt es zwar zum Höhepunkt eine (lange) Umarmung der Liebenden, ansonsten sind sie aber so weit auseinander, dass ich mich frage, was sie überhaupt miteinander zu tun haben. So erlebte ich ein vereinzeltes Paar, dessen überweltliche Liebe mir szenisch nicht klar wurde.
Piontek wies auf das außerordentliche Spiel der beiden Hauptpersonen hin, auf ihre große darstellerische Leistung - aber das man ein Opernglas dabeihaben sollte, wenn man nicht weit vorne sitzt. Das mag richtig gewesen sein. Ich finde aber (vielleicht völlig zu Unrecht), dass ich auch aus der 14. Reihe sehen können sollte, was die Darsteller ausdrücken wollen - eingerechnet, dass mir feine Mimik verborgen bleiben muss. Hier aber: Eine Personenregie fand nicht statt.
Um die darstellerischen Details wahrnehmen zu können, habe ich ein wenig der Aufzeichnung in der Mediathek gesehen, was es mir aber nicht besser machte, da ich schon das Augenrollen von Camilla Nylund im 1. Aufzug drüber fand. Letztlich fehlte mir das Verkörpern der Rollen, aber wie gesagt: mir. Das kann bei anderen ganz anders gewesen sein.
Überlagerte die musikalische Seite die Defizite? Für mich nicht. Semyon Bychkovs Dirigat war gewiss nicht schlecht, aber hier schlug für mich das von Piontek eingeführte Depressions-Thema wieder durch: Mir waren die Tempi häufig zu breit, fiebrig oder gar ekstatisch wurde es dagegen weniger. Von Camilla Nylund hatte ich nicht allzu viel erwartet (wir sahen sie zuletzt als Elsa, wo sie mich in keiner Hinsicht überzeugte), doch von ihr war ich vor allem stimmlich positiv überrascht. Sie brüllt mich nicht taub, wie eine Lise Davidsen das fertigbringen kann, aber sie konnte differenziert vortragen, das gefiel mir. Allerdings war der Liebestod dann keine dauernde Steigerung, sondern immer wieder ein Innehalten, fast wie ein Abbremsen, das brachte mich etwas raus. Und leider passte Andreas Schager nicht zu ihr. Denn laut konnte er. Leise konnte er nicht so gut (und ein paar hohe Töne blieb er uns auch schuldig). Einerseits war es gut, einen Wagner-Tenor zu hören, der die Töne weniger über den Kopf bildet (wie Klaus Florian Voigt, den ich dennoch sehr schätze), andererseits harmonierte er einfach nicht mit Camilla Nylund. Christa Mayers Brangäne war wirklich gut, stimmlich wirkte sie fast potenter als Camilla Nylund, allerdings weniger aussdrucksstark. Guter Kurwenal (Olafur Sigurdarson), Günther Groissböck als Marke berührte mich allerdings kaum.
Alles in allem nicht mein "Tristan". Aber es gab Stoff zum Nachdenken, und Bayreuth ist eben Bayreuth - insofern wieder ein durchaus lohnender Ausflug in den Süden.
Nur ich denke, daß weder Price noch Kollo diese Partien jemals live in einemgrößeren Opernhaus zufriedenstellend hätten darbieten können, und das mindert ein wenig , zumindestens für mich , den Höhrgenuss.
Ja, ein bekannter Einwand. Den ich nicht teile. Es war von Kleiber genau so gewollt. Und ich bin sehr froh drum. Auch meine liebste Aufnahme.
dass der Liebestrank ein Zaubertrank ist, d.h. ein Wunder vollbringt
Ich habe den Mann'schen Ausspruch immer so verstanden, dass es des Wunders nicht bedurfte, weil das "Wunder" (die Liebe zwischen T und I) ja schon vorher eintrat (als sie ihn pflegte) und das Aufflammen durch das Wiedertreffen erfolgte. Insofern bedurfte es keines magischen Getränks - es hätte eben auch Wasser gereicht.
Deswegen gilt es zu zeigen, dass das vermeintliche Wunder kein bloßes Wunder ist, also nicht gänzlich unwahrscheinlich, sondern wahrscheinlich, d.h. darin ein verständliches Handlungsmitiv wirksam ist.
Tut mir leid, verstehe ich nicht (doppelte Verneinungen bringen sowieso immer verlässlich raus). Ist die Liebe dieses Handlungsmotiv?
Ich denke, dass unser Problem mit dem Tristan ist, dass wir ihn nicht richtig kategorisieren können. Das mag daran liegen, dass sich die Zeit und vielleicht auch der Blick auf die Liebe gewandelt haben, es mag daran liegen, dass Wagner einfach eine etwas verquere Sicht auf die Liebe hatte.
Wir können es für mein Empfinden nicht richtig einordnen, weil es für uns doch vor allem zwei Wege gibt: Drama/Tragödie oder Happy-End. "Love Story" oder "Pretty Woman". Aber was tun, wenn wir eine große Liebesgeschichte haben, und am Ende beide tot sind. Ok, dann haben wir klassischerweise "Romeo und Julia" - oder eben auch "Tristan und Isolde".
Doch während Shakespeares Protagonisten keinen anderen Ausweg sehen und Verzweiflung ihr Motiv zum Sterben ist, scheinen Wagners Liebende den Tod - noch in Ergänzung zu den feindlichen Umständen (Marke zB) - nahezu herbeizusehnen. Und noch verrückter: Sie sehen diesen Tod offenbar als logische Konsequenz, wenn nicht als einzige Form ihrer absoluten Liebe.
Hm.
So ein wenig erinnert mich das an einen Satz von Max Frisch, demzufolge (sinngemäß) die Liebe stirbt, wenn das Liebespaar zusammenzieht und Alltag teilt. Das fand ich ich auch schon immer etwas schräg, scheint mir aber in eine immerhin ähnliche Richtung zu gehen.
Ich habe mir den Tristan holzschnittartig immer so vorgestellt, dass Wagner (s. Mathilde Wesendonck) der Liebe ein Denkmal setzen wollte. Einer Liebe, die so groß ist, dass sie im Leben nicht existieren kann, die so groß ist, dass man lieber den Tod wählt, als ohne sie zu sein. Und so ist der Tristan für mich eine überlebensgroße Liebesgeschichte, die mich in ihrer Absolutheit jedes Mal erschüttert. Ich hatte immer großes Verständnis für Christian Thielemann, der ja sinngemäß sagt, dass er Angst vor dem Tristan habe, und ihn deshalb nur alle paar Jahre dirigiere.
So, wir waren am Sonnabend im Festspielhaus. Wenn alle soweit sind - ich bin bereit
Die Bewunderung für Herrn Beltracchi hat mich über all die Jahre erstaunt.
Er war ein Betrüger, ein Krimineller. Nicht mehr. Der Unterschied zu jemandem, der einem älteren Herrn das Geld per Enkeltrick abnimmt, war lediglich, dass er statt des Telefons mit Pinsel und Farbe hantierte. Mir ist ein komplettes Rätsel, wie man dafür freundliche Gefühle aufbringen kann.
Für mich ist das der Fall von imaginiertem Robin-Hoodismus, bei dem der "Mann von der Straße" sich die Fäuste reibt, und denkt: Der Beltracchi hat ja bloß reichen Leuten ihr Geld abgeluchst, die sich mit Kunst schmücken, aber davon keine Ahnung haben - ist also nicht so schlimm. Dieser Mix aus Kleinbürgerlichkeit plus Neid plus Schadenfreude stößt mich ab.
Zudem praktizierte er in seinen Fälschungen ein reines Nachahmen, ein Nachäffen ohne jede künstlerische Leistung. Seine Fälschungen mögen handwerklich gut gelungen sein, aber abgesehen vom kriminellen Zweck sind sie seelenlos und leer. Und damit zur Threadfrage: Wo ist das Kunstwerk? Überall, bloß nicht dort.
Insofern ist klar, dass ich die Leistung eines Kopisten handwerklich vielleicht gut gelungen finden kann, aber sie darüber hinaus keinen inneren Wert hat. Und wenn Alfred schreibt:
Mir ist eine perfekte Kopie eines Wirklichen Kunstwerkes leiber als ein ähh "zeitgenössisches Original
ist das Ausdruck seines Weltekels oder vielleicht auch Eskapismus, aber meiner Auffassung diametral entgegengesetzt.
Mit dieser Spannung muss sich dann der Rezipient produktiv herumschlagen, indem er versucht, eine geschlossene ästhetische Erfahrung auch in dieser Unabgeschlossenheit herzustellen.
Das Prinzip verstehe ich (vielleicht). Für mich sehe ich es so, dass ein Künstler immer etwas herausgreift, einen Ausschnitt abbildet. Wie im Abstrakten Expressionismus das Prinzip des "All over" gilt: Das Bild, das ich sehe, ist nur ein Ausschnitt. Damit ist für mich Mehrdeutigkeit verknüpft - was auf mich bezogen bedeutet: je mehrdeutiger, desto besser.
Wenn ich deinen Beitrag lese, stellen sich mir automatisch weitere Fragen: Wie stelle ich eine geschlossene ästhetische Erfahrung her? Und was ist das überhaupt? Eine weitere Frage kam mir in den Sinn: Ist ein abgeschlossenes Sinngebilde für dich dann auch eindeutig?
Dass man Affen (und auch Irren) Kreativität und künstlerische Begabung zugesteht ist schon eine Kabarettnummer für sich und zugleich entlarvend
Erstaunliche Sichtweise. Robert Walser, August Walla, Georg Trakl oder auch Vincent van Gogh? (Und die Liste ließe sich ja beliebig fortsetzen.)
Auf Instagram folge ich einem Maler mit Down-Syndrom, Charlie French. Ich würde mir gern eins seiner Bilder kaufen, ich finde sie großartig. Aber ich weiß auch nicht so ganz genau, was du unter "Irren" verstehst. Vielleicht meinst du ja einen ganz anderen Personenkreis.
Wenn Du Dich mit einem Juristen unterhältst und seine juristische Begründung nicht verstehst, dann musst Du auch damit leben, dass er Dir sagt, dass Dir dafür die Fachkompetenz fehlt, den komplizierten juristischen Sachverhalt zu verstehen, den Du nicht einsehen kannst. Dann gibt er Dir vielleicht den Hinweis, wo Du Dich weiterbilden kannst, um das einigermaßen zu verstehen. Genauso ist es hier. Bescheidenheit und Respekt sind eine anzuratende diskursive Tugend, einfach mal einzuräumen, dass man nicht in der Lage ist, etwas nicht zu verstehen, statt dem Gesprächspartner zu unterstellen, dass er Unsinn redet.
Darauf muss ich dann doch mal reagieren. Denn das ist tatsächlich im Wortsinn - Unsinn.
Zunächst: Der Sachverhalt ist nicht juristisch. Ich bewerte ihn juristisch. Der Sachverhalt ist ein tatsächlicher Vorgang, den ich als Jurist in seinen für eine Entscheidungsfindung tragenden Punkten begreife, zusammenfasse und dann auch darstelle.
ALs Jurist verfasse ich beispielsweise ein Urteil oder auch ein Gutachten. Dieses wendet sich an eine (von mir aus bloß imaginierte) Öffentlichkeit. Ergo muss ich mich darin auch verständlich machen. Ich kann mich nicht in ein Kauderwelsch flüchten, hinter dem ich meine Unfähigkeit zum Ausdruck verberge.
Für mich ist das ein Wesensmerkmal von Wissenschaft: Das man Wissen teilt. Das mag namentlich in Fachkreisen nicht ohne Fachvokabular gehen, sobald ich diese Kreise verlasse, und mich an die Öffentlichkeit wende - und sei es die eines Laien-Forums - sollte ich mich so ausdrücken, dass mich diese Öffentlichkeit auch verstehen kann. Sonst habe ich in der Wissensvermittlung schlicht versagt.
Ich bin weiter auf meiner Reise durch die Veröffentlichungen des Labels bastille musique. Diesmal:
Hier geht es um das Schaffen von Christophe Bertrand. Einem früh verstorbenen französischen Musiker, dessen Karriere sehr erfolgreich verlief. Biographisch ist entsprechend nicht so viel zusammenzutragen, Bertrand war aber offenbar depressiv und nahm sich selbst das Leben.
Der frühe Tod (wenn auch unter ganz anderen Umständen) ließ mich an Claude Vivier denken, von dem bastille musique dankenswerterweise ja auch zwei Alben veröffentlichte.
Hier aber Bertrand, genauer seine Instrumentalwerke. Modern, deshalb muss auch niemand auf Melodien warten (hoffen), es gibt Klangräume, es gibt abgestufte, dynamische Verläufe. Insgesamt mit viel Bewegung und auch Unruhe, wie es mir erscheint, dabei aber nicht nervtötend, sondern spannend. Gefällt mir also.
Wer sich ebenfalls für Veröffentlichungen von bastille musique interessiert, sei auf unseren Werbepartner jpc verwiesen, dort sind einige Alben teils deutlich heruntergesetzt. Ich habe die Gelegenheit jedenfalls genutzt, meine Sammlung zu vervollständigen.
Da geht es dann nicht mehr um die Musik.
Ja, das befürchte ich auch.
Das mag ein Beispiel "unter Niveau" sein, aber ich wage es trotzdem mal: Steigen wir mal in die Niederungen der Pop-Musik hinab. Nehmen wir "Yesterday". Da gibt es das Original der Beatles/von Paul McCartney. Dazu gibt es hunderte Cover-Versionen. Jede klingt anders als das Original, was nicht nur daran liegt, dass eine andere Stimme singt. Jeder Interpret wird etwas - und sei es nur graduell - verändern, weil es eben seine Interpretation ist. Niemanden stört das. Man würde sich im Gegenteil vielmehr wundern, warum jemand versucht, den Song möglichst Buchstaben-/Noten-exakt wiederzugeben, ihn also bloß zu kopieren.
Woher rührt der Unterschied? Daher, dass ein noch so berühmter Pop-Song weniger "wert" ist als ein sogenannt klassisches und zumeist auch komplexeres Werk? Der Automatismus dahinter sollte doch der selbe sein. Kunstwerk + Interpretation = neues Kunstwerk. Mehr noch: ein notwendig neues Kunstwerk, andernfalls müsste man ja immer nur den immergleichen Tonträger abspielen.
Wie es einem beim Streamen so ergehen kann: Angefangen habe ich mit Brahms mit Nezet-Seguin, offenbar eine neue Box:
Dann hab ich mich gefragt, wie Dausgaard das mit dem 4. Satz der 1. Brahms gemacht hat.
Und da ich das dann doch schon einige Male hörte, hab ich mich dann gefragt, was die dänischen Nachbarn so treiben. Und bin beim Danish National Symphony Orchestra gelandet. Dann einen mir unbekannte Namen gewählt: Per Nørgård.
Großartig. Jetzt gerade:
So habe ich mir Nørgård entdeckt. Was für ein Gewinn!