BTW Nummer 4 und Nummer 7 habe ich nicht. Vielleicht kannst Du ein wenig zur Musik sagen?
CD 4 habe ich jetzt intensiver gehört, dazu kann ich schon mal was sagen. Drei zeitgenössische Komponisten sind hier zusammengebracht. Den Anfang mach Eres Holz mit „Quintett“ und „Kataklothes“, zwei mit weniger als zehn Minuten recht kurzen Stücken. Im ersten Stück geht es ihm laut Booklet um Spannung und Lösung, um Wahrnehmungsprinzipien und - für mich ganz neu - Tonikalität. Der Begriff ist zum Glück gleich erläutert: die musikalische Wirkung eines tonalen Zentrums. Ich fühl mich beim Hören ein wenig so, als wenn ich durch einen dunklen Raum gehe, in dem immer wieder für mich unvorhergesehene Dinge geschehen. Spannend.
Bei „Kataklothes“ (nun ist das ganze Ensemble dabei) fließt das Ganze für mein Empfinden mehr. Auch hier empfinde ich Spannung und Lösung als Prinzip, „Wechselwirkungen von Harmonik und Melodik“, heißt es im Booklet. Interessant: Nach drei Minuten versiegt die bislang dynamische Musik und ändert ihren Charakter, sie wird kleinteiliger, steigert sich. Nach sechs Minuten wieder eine Art Beruhigung, Rückkehr zum harmonischeren ersten Part. Ruhiger. Es löst sich ins Nichts auf. Wieder spannend.
Dann folgt Johannes Boris Borowskis „Klaviertrio“ (Klavier, Geige, Cello). Das knapp viertelstündige Werk kann man in zwei Teile splitten. Im ersten geht es um Details, und wie sich sich zueinander verhalten. Borowski vergleicht das mit einem Menschen; die Details sind dessen Eigenschaften, die sich je nach Kontext ändern. Diesen anderen Kontext stellt er im zweiten Teil dar - mit einer expressiveren Harmonik und mehr Gestik, mehr Rhythmus - am Ende dann wieder fast ein Verstummen, Details werden getupft, ein letzter Klavier-Lauf, Stille. Langsam wird das Adjektiv „spannend“ öde, trifft es für mich aber.
Das zweite Stück von Borowski (wieder ein Ensemblestück) heißt „Dex“. Es beginnt mit einer „Vogellockpfeife“, die einen Kuckucksruf imitiert. Assoziation: Natur. Streicher zeihen dazu Klang-Schlieren. Ich denke an Nebel. Verschiedene Geräusche und Klänge, dazu immer wieder der Vogelruf. Ich lese, dass Borowski Bergsteiger ist. Dann verdichten sich die Klänge. Eine Steigerung. Dann wieder zurück zur Ruhe, Vogelgeräusch (nicht nur der Kuckuck). Der Titel leitet sich von „Dexamethason“ ab. Ein Doping-, Aufputschmittel. Was macht so ein Mittel im Körper? Das wird hier wiedergegeben. Ehrlich gesagt hätte ich die Erklärung nicht gebraucht, auch wenn sie sinnfällig ist. Der Außen-Innen-Außen-Wechsel bekommt so etwas Gewolltes. Ohne Erklärung hat es mir fast besser gefallen. Der zerdehnte „Kuckuck“ am Ende war mir dann endgültig ein bisschen viel.
Stefan Keller dann zunächst wieder mit einem Trio - Saxophon, Klavier, Percussion. Na, das klingt ja wie - genau, wie ein Jazz-Trio. Erinnert mich denn auch ein wenig daran. Was für mich durchaus eine gute Sache ist. Percussion/Rhythmus hält hier verschiedene Motive, Klänge zusammen, wobei für den Rhythmus aber nicht nur der Percussionist zuständig ist. Der Komponist sagt laut Booklet, dass für ihn eine der fundamentalen Erfahrungen von Musik ist, dass man diese körperlich spürt. Insofern empfehle ich, die Anlage aufzudrehen, damit man dies besser nachvollziehen kann. Ich mag das Stück, erwische mich aber dabei, dass ich mich frage, warum das so auskomponiert sein muss, weil Jazz-typische Improvisation hier doch passen würde - andererseits: höre ich den Unterschied (nicht beim ersten Mal, vermutlich).
Es folg Kellers „Soma“, nun wieder fürs Ensemble, also weg von einer für mich typischen Jazz-Formation. Das Schlagzeug und damit der Rhythmus bleibt gleichwohl wichtig. Man kann Anklänge an Märsche, an Jazz oder Drum’n’Bass hören. Die Instrumente erweitern hier quasi das Schlagzeug. Der Komponist wünscht sieht „die Lust am Fallenlassen“, wie es im schon im Titel des Stück als Zusatz heißt. „Soma“ gefällt mir auch, mein Problem ist hier ein persönliches: zu viel Schlagzeug. Die Passagen ohne oder wenig „Getrommel“ gefallen mir am besten (und die gibt es hier ja auch).
Fazit: spannend
. „Klangrede“ ist ein abwechslungsreiches Album mit zeitgenössischer Musik, die ich immer noch in zu geringem Maße höre. Bemerkenswert wieder das Booklet. Vor allem die Stimmen der Musiker des Zafraan Ensembles fand ich sehr interessant. Zum Abschluss: Die Violinistin Emmanuelle Bernard sagt: „Für uns Interpreten ist es eine große Freude, immer wieder Neues zu entdecken…“ Da schließe ich mich als Hörer an.
Ist etwas länger geworden, ich hoffe, nicht zu lang.