Beiträge von Glockenton

    Nun habe ich in den letzten Jahren die ein oder andere Aufnahme gehört und immer auch wieder verglichen.


    Am Ende ist es dann doch so, dass ich bei den Empfehlungen aus meinem Beitrag vom 04.04.2017 bleibe.


    Karajan, Abbado, Rattle, Wand - zu denen kehre ich immer wieder zurück. Karajan wurde in diesem Thread bereits erwähnt? Nun, das hat er auch verdient!

    Gerade bei Brahms empfinde ich einen vollen Klang, eine überlegene Ökonomie im Expressiven und einem großen dramatischen Bogen mit perfekter Orchesterbalance und weichen Übergängen als wohltuend.

    Karajan hat den Brahms so intensiv geprobt, dass die Musik am Ende nicht gespielt wurde, sondern "es" hat gespielt. "Es" lief von alleine, was über die Summe von gut aufeinander eingespielten Spitzenmusikern hinausgeht. In Tokyo sind sie z.B. über sich hinausgewachsen. Wunderbar und irgendwie auch nicht zu erklären.

    Karajan hat stundenlang andere Komponisten wegen des Klangs geprobt, bis er einen gewissen Klang im Orchester sozusagen greifbar hatte.

    Dann sagte er: ..."so, und jetzt spielen wir eine Brahms-Symphonie." Für solche Dinge mussten die Musiker immer verfügbar sein - es waren tatsächlich andere Zeiten.

    Ich zitiere das jetzt aus dem Kopf. Um in der Karajan-Biographie nachzulesen, müsste ich erst einmal das Buch finden...aber ich hoffe einmal, dass man es mir glaubt.


    Seine zwei BPO-Nachfolger profitierten von seiner sehr intensiven Arbeit am Klang und rührten auch nicht daran.


    Was ich dann vor einigen Monaten auf dem TV-App der Berliner vom aktuellen Dirigenten hörte, fand ich enttäuschend, auch wenn natürlich handwerklich auf zweifelsfreiem Spitzenniveau gespielt wurde: zu schnell, zu hektisch, immer wieder dieses "schau mal hier und jetzt da...." und vor allem klang das Orchester leider nicht mehr so, wie unter Karajan, Abbado und Rattle, sondern irgendwie kleiner, nicht so kraftvoll und warm strahlend.

    Ich glaube jetzt nicht, dass es an den Musikern liegt.


    Besser klingt es mir dann schon, wenn das aktuelle BPO unter Barenboim Brahms spielt. Altersbedingt sitzt er oft nur da und macht mehrere Takte lang eigentlich gar nichts - naja, so ist es eben ;)

    Wir werden ja alle nicht jünger...

    Aber er überträgt dann wohl doch auf die ein oder andere Weise seinen "Geist" aufs Orchester - und genau darauf kommt es ja an, wenn man von einem Orchester spricht, dass dieses Musik wirklich spielen kann.


    LG:hello:

    Glockenton

    Ich habe es hier gefunden.


    Du musst etwas weiter `runterscrollen, dann kommt es bei 25-23 und 26-2


    LG:hello:

    Glockenton


    (Sorry für die späte Antwort, habe leider viel zu tun)

    Die Entstehungsgeschichte von op. 34 ist etwas anders: Die erste Fassung war ein Streichquintett, bei dem Clara der Klavierklang fehlte. Daraufhin schrieb Brahms die Version für zwei Klaviere und vernichtete die Quintett-Fassung. Aber so leicht war Clara nicht zufriedenzustellen, denn jetzt beklagte sie plötzlich das Fehlen der Streicher. Brahms' salomonische Lösung war dann die Fassung für Klavier und Streichquartett (also Klavierquintett). Daraufhin hatte er endlich seine Ruhe :).


    Dazu hatte ich weiter oben etwas geschrieben: Brahms hat sie ursprünglich für ein Klavier zu vier Händen geschrieben und dann noch drei weitere Fassungen folgen lassen: ein Arrangement für Klavier solo, eine erleichterte Fassung ebenfalls für Klavier solo und eine Bearbeitung von fünf Walzern (Nr. 1, 2, 11, 14, 15) für zwei Klaviere.

    Das ist ja interessant - danke für die Richtigstellung. Ich meinte, es in einem Beilagetext zu einer CD andersherum gelesen zu haben, aber auch die soeben durchgeführte Internetrecherche zeigt ja sofort, dass es tatsächlich so war, wie Du es beschreibst.

    Wahrscheinlich erinnerte ich mich falsch.


    Dass in der Fassung für zwei Klaviere "einige der schönsten Gedanken verloren gingen" (wie Clara Schumann wohl äußerte) kann ich gar nicht so finden, wobei ich die ursprüngliche reine Streicherversion so nicht kenne, sondern das Stück in der Fassung mit zwei Klavieren vor vielen Jahren kennen- und liebenlernte.


    Ich fand im letzten Jahr zwar auch die ein oder andere schöne Aufnahme als Streichquintett (nicht die alte DG-Aufnahme mit Pollini), aber der Grund dafür, dass ich die Fassung für zwei Klaviere für mich immer noch am besten finde, liegt vielleicht darin, dass es mir -verglichen mit der Hörerfahrung des Klavierquintetts- irgendwie reizvoller erscheint, wenn man sich den singenden Duktus von Streichern oder anderen Instrumenten beim Hören oder Spielen des Pianos einfach nur vorstellt.

    Das ist dann vielleicht so ähnlich wie bei irgendwelchen Buchverfilmungen, bei denen dann einige Literaturfans nicht selten über die filmische Realisierung enttäuscht sind.

    Gut, wie immer hinkt auch dieser Vergleich, aber es geht so ein wenig in diese Richtung. Die perkussiv-rhytmischen Elemente (z.B. des Scherzos) können ja mit dem Klavier naturgemäß richtig gut dargestellt werden.


    Zudem empfinde ich den Gesamtausdruck/eindruck mit rein pianistischen Mitteln (die Brahms ja als hervorragender "Von-Haus-aus-Pianist" sehr effektiv einsetzt) als einheitlicher, sowohl vom Notensatz her, als auch von der klanglichen Seite her betrachtet.


    Wer dieses Werk nur als Klavierquintett kennt und liebt, dem kann ich empfehlen, das Werk in der Fassung für zwei Klaviere kennenzulernen.


    Und ja, dass z.B. der Walzer Nr. 15 in der volltönenden Besetzung für zwei Klaviere gesetzt ist, das freut mich sehr.


    Wie ich schon erwähnte, finde ich, dass man dem Erlebnis des Musizierens auf zwei Klavieren als Hörer näher kommt, wenn man sich entsprechende CDs oder das Streaming-Gegenstück mit einem guten Kopfhörer anhört. Dann sitzt man dann mehr in der Musik drin...


    Ich kaufte mir seinerzeit von der Deutschen Grammophon die "Complete Edition (CD) 46 CDs" als Box, eigentlich hauptsächlich, weil ich die op34- Kontarsky-Aufnahme sonst als CD nicht mehr finden konnte (ich hatte sie als vorher als LP).

    Aber gut, da sind auch hervorragend gespielte Symphonien mit Karajan etc. enthalten und noch viel mehr.


    Auch sehr schön finde ich diese op-34- Aufnahme, die es jetzt wahrscheinlich nur noch in der Box gibt (konnte sie früher noch als Einzel-CD bekommen):



    Für andere Einspielungen konnte ich mich bisher jedenfalls nicht wirklich erwärmen.


    LG

    Glockenton

    Mein Lieblingskomponist für Musik auf zwei Klavieren ist dann wohl Brahms, wobei mir die f-moll-Sonate op. 34b, die eigentlich op. 34a heißen müsste, weil sie zuerst für genau diese Besetzung entstand. Auch die Haydn-Variationen sind ursprünglich eine Komposition für zwei Klaviere. In beiden Fällen ziehe ich die Versionen für zwei Klaviere gegenüber dem Streichquintett ( war Claras Idee) oder dem Symphonieorchester vor.

    Brahms nutzt den fetten und orchestralen Klang voll aus, der mit zwei Flügeln möglich ist. Seine pianistisch-rhythmischen Texturen sind sehr fein und wirkungsvoll, sehr oft mit Polyrhythmik gewürzt.


    Allerdings mag ich es gar nicht, wenn man das zu schnell oder auch mit zu schwankender Agogik spielt. Meine Lieblingsaufnahme ist nach wie vor die DG-Einspielung mit den Kontarsky-Brüdern.

    Argerich ist ja z.B. immer sehr fähig, und zweifellos eine Pianistin, vor der man sich nur verneigen kann, aber im Falle der Haydn-Variationen geht ihr dann m.E. doch "der Gaul durch". Es entfernt sich für mich zu weit von der Vorstellung, auf den Klavieren ein komprimierte Orchestermusik zu spielen.


    Hier die Haydn-Variationen mit den Kontarskys (die f-moll-Sonate konnte ich auf YouTube nicht finden):




    Es muss ein Traum sein, beide Stücke ( also Haydn-Variationen und f-moll-Sonate) ernsthaft spielen zu können. Technisch empfinde ich sie als sehr herausfordernd. Der dafür nötige Übeaufwand hat sich bisher mit meinem Leben nicht vereinbaren können, bei dem ich gezwungen bin, ständig andere Dinge zu üben und auch zu setzen. Zudem kenne ich gar keinen, mit dem ich das (dann auch noch gerne) spielen könnte.

    Aber gerade bei der f-moll-Sonate ist es ja so, dass es eigentlich schon eine Art Symphonie für zwei Klaviere ist. Die Wucht der Aussage ist definitiv schon symphonisch, wie ich finde.

    Wenn man also niemals in die Lage kommt, eine Brahms-Symphonie zu dirigieren, so kann man doch mit dieser Literatur ein ähnlich berauschendes Erlebnis machen - theoretisch, denn als ausübender Pianist muss man ja immer konzentriert sein, d.h. man kann sich nicht zu sehr dem Genuß hingeben.

    Auch die Walzer von Brahms sind ja enorm schön, wobei ich jetzt aus dem Stegreif eher annehme, dass sie für Klavier vierhändig geschrieben wurden.


    Ich habe mehrfach schon die "Petite Suite" von Debussy auf zwei Klavieren gespielt, was immer ein sehr tolles Erlebnis war. Eigentlich ist es ja für Klavier zu vier Händen geschrieben, aber ich mochte es schon sehr, dass man sein eigenes Pedal etc. kontrollieren konnte und nicht mit dem Partner sozusagen zu dicht "ins Gehege" kam.


    Vor vielen Jahren hörte ich einmal in der Bielefelder Musik- und Kunstschule ein Werk für zwei Klaviere von Rachmaninoff. Ich weiß nicht mehr, was es war, aber ich erinnere mich sehr genau, wie gut ich es fand, was mich umso mehr überraschte, weil ich damals gegenüber russischer Musik nicht gerade wenig Vorurteile hatte....


    Das klangliche Wohlgefühl des Spielens mit zwei Klavieren kommt für mich bei den Aufnahmen eigentlich nicht wirklich heraus. Es klingt dann erstaunlich dünn im Verhältnis zum erlebten Klang beim Spielen - mein subjektiver Eindruck.


    LG

    Glockenton

    Ehrlich gesagt ist mir schleierhaft, wie man nahtlos den Übergang von Walzer- und Marschseligkeit zu norwegischen Postkarten-Idyllen hinbekommt, aber das mag ganz allein mein Problem sein.

    Ich fürchte es ist dann wohl so, denn für mich ist das überhaupt kein Problem, nämlich dann, wenn man eine philosophisch-ästhetische Metaebene mitdenkt und mitfühlt.

    Ob man nun Traditionsbewusstsein im Klangbild der Wiener Philharmoniker oder dasjenige der historischen Architektur sich anschaut: wenn man dieses Dinge erkennt und schätzt, dann sieht man da Gemeinsamkeiten.

    Ein edler und angenehmer Orchesterklang und ein dementsprechendes Dirigat passt zur ästhetischen Erfahrung dafür empfindsamer Menschen, wird als natürlich und genießbar empfunden, sozusagen als Balsam für die Seele.

    Ebenso wird ein in die Landschaft oder ins Stadtbild passendes Gebäude als "Balsam für die Seele" empfunden.

    Das Gegenteil ist bei kratzigem Klang oder einer farblich und von der Form her als hässlich und die Umgebung (sei es eine Landschaft oder eine Stadt) gestalteten Architektur der Fall.


    Wieso ist das so schwierig?

    Ich mag auch diesen Ausdruck " norwegische Postkarten-Idyllen" nicht wirklich. Darin steckt ja bald eine ganze Welt von Herablassung. Postkarten sind meistens bei blauem Himmel aufgenommene Fotos, bei denen man dann mit Adobe oder dergleichen die Sättigung geschmacklos auf- bzw. überdreht hat. Man denkt an eine billig-heuchlerische Verkaufswelt, die weniger auf das Wahre als vielmehr auf das "Billig-Schöne" aus kommerziellen Gründen abzielt.

    Wer jedoch die norwegischen Fjorde erlebt hat und dort - wie ich- ernsthaft Landschaftsfotografie betrieb, der wird diesen verächtlichen Ausdruck " norwegische Postkarten-Idylle" nicht verwenden.

    Ist denn etwas gegen eine Idylle zu sagen? Eine der schönsten Partituren für Orchester überhaupt ist das "Siegfried-Idyll" von Richard Wagner.

    Stellt man in diese Landschaften einen schwarzen "bösen" Klotz, dann ist das eine Beleidung für das Auge.


    Zudem bin ich in einer Facebook-Gruppe "Arkitekturoppøret" aktiv. Dort habe ich tatsächlich viele neue Gebäude gesehen, die von der Atmosphäre - weniger von der Form her, die war immer klotzig- an die Burg des guten Herrn Vaders erinnern, was nicht nur von mir, sondern von sehr vielen Norwegern so formuliert wurde.

    Ich kann das hier nicht posten und will auch nicht zu sehr vom Musikthema abschweifen. Aber man kann mir schon glauben, dass ich hier nicht dummes Zeug von mir gebe.


    Muss jetzt leider gehen, deswegen soll das genügen.



    LG:hello:

    Glockenton

    In Wien liebt man keinen "Aufbruch zu neuen Ufern".....

    Das hat sich aber bis Deutschland nicht durchgesprochen......;)


    mfg aus Wien

    Alfred

    Das ist eine Haltung, die ich sehr schätze. Ich sehe da Ähnlichkeiten mit der Welt der Architektur: in Norwegen verschandeln gerade "progressive" Architekten eine wunderschöne Bucht im Fjord nach der anderen mit solchen ach so modernen schwarzen Kästen/Klötzen, die einen immer von der Atmosphäre her an das Star Wars-Imperium, vor allem an Darth Vaders Festung auf Mustafa erinnern. Dabei gibt es ja durchaus die Jahrunderte alte Tradition einer wunderschönen norwegischen Architektur, die einfach ideal in die nordische Landschaft mit den Bergen, Wasserfällen, Fjorden und Wäldern passt.


    Die Engländer sind da aus meiner Sicht klüger: In Yorkshire, Dartmouth oder Bourton on the water (in den Cotswolds) kämen solche modernen optischen Verbrechen niemals vor. Die Engländer schätzen den Wert der Tradition, was sich z.B. musikalisch ja auch in deren lebendiger Chorkultur niederschlägt. In Wien ist es ähnlich: man hat diesen von der Tradition her (und auch vom Klang) kaum schlagbaren Traumkonzertsaal, die Wiener Philharmoniker und andere Wiener Orchester. Das Publikum liebt es, wenn es schön, lebendig und auch traditionsbewusst klingt. Deshalb waren Konzerte mit Karajan, Böhm oder jetzt auch Thielemann sehr oft schon regelrechte Feiern des edlen Geschmacks innerhalb der klassischen Musik.


    Tradition ist ja überhaupt nicht etwas Erstarrtes, gar Totes, sondern vielmehr das Weiterreichen einer brennenden Fackel von Generation zu Generation. Man gibt das weiter, was sich auf lange Zeit als gut und erstrebenswert bewährt hat.

    Wer sich dessen bewusst ist, der beginnt es zu schätzen, ja zu lieben.


    LG:hello:

    Glockenton

    Es hat mir dieses Jahr sehr gut gefallen. Thielemann ist zurecht sowohl beim Publikum als auch beim Orchester äußerst beliebt, und das mit fundamental guten Gründen.

    Da stimmt schon einmal die Chemie. Es gibt ja nun so ein paar Leute, die ihn grundsätzlich nicht mögen, aber deren wirkliche Gründe können nicht musikalisch sein, auch wenn sie das dann wortreich vorschieben und in ihre mehr oder weniger gehässigen Narrative einbauen.

    Musikalisch fand ich es dann auch durchweg überzeugend - nicht zu schnell, nicht zu langsam, schön sensibel ausgestaltet (typisch für Thielemann) und mit einer enormen Spannungspause beim letzten Walzer (auch typisch für Thielemann).


    Dass er sich beim abschließenden Marsch kaum noch ums Orchester, sondern mehr ums Publikum kümmerte, funktionierte sehr gut, eben weil die Wiener Philharmoniker dieses Stück wirklich spielen können.

    Das Publikum wurde in das gemeinsame Musizieren schön integriert.


    Nur beim Dudamel war mir dieses Stück (2017) einfach zu schnell.


    Frohes Neues Jahr:):hello:

    Glockenton

    Mich schon im gesetzten Alter befindend, ziehe ich mittlerweile auch eine gewisse reflektierte Ruhe, Natürlichkeit und eine romantische Poesie vor, d.h. von den bisher genannten gefällt mir tatsächlich auch Lupu/Previn am besten.


    Einen deutlich anderen, mehr ins Leidenschaftliche gehenden Ansatz gibt es beim Duo Argerich/Harnoncourt zu hören. Da kommt Feuer mit Feuer zusammen...nun ja, das gehört ja auch zur Romantik.



    Es gibt dort viel Ausarbeitung in den Orchesterstimmen etc.

    Früher habe ich diese Aufnahme allen anderen vorgezogen (finde sie auch heute noch sehr gut), auch den anderen mit dieser Pianistin (Martha Argerich hat ja gefühlt dieses Konzert mit mindestens 1000 Dirigenten aufgeführt...), aber mittlerweile stelle ich mir immer die Frage, ob ich immer so Lust habe, mich derart "aufzuregen". Ich weiß nicht, aber vielleicht ist es eben das Alter...


    Das geht mir auch bei anderen Komponisten wie z.B. Brahms und Schubert so, weshalb ich mir in zunehmenden Maße Klavieraufnahmen mit Radu Lupu zu Gemüte führe. Ich höre da eine gereifte und auch poetische Grundhaltung, und das gefällt mir auch sehr gut.


    Er hat es später noch einmal gespielt, z.B. hier mit Manfred Honeck als Dirigent:



    LG:hello:

    Glockenton

    Gewisse "Klavier-Ikonen" habe ich auch, und der ein oder andere hat es vielleicht schon meinen Beiträgen entnehmen können.


    Friedrich Gulda - ein genialischer und unangepasster Typ, dem die Unterscheidung zwischen Klassik und Jazz auf die Nerven ging. Ein Vollmusiker, der, wenn er klassisch spielte, immer Klarheit und eine "anständige" Klassizität bot. Ich musste in reiferen Jahren lernen, mich von seinem Einfluss in Bezug auf "männlich- kraftvolles ff" etwas zu lösen.


    Alfred Brendel - der Mann beeinflusst mein musikalisches Denken und Fühlen sehr. Ich schätze ihn sehr für Bach (Alas, er spielte nur eine CD ein, aber was für eine!), Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, die Romantiker Schumann und Brahms (hier sind mir leider keine Solowerke bekannt) und dann natürlich Liszt, den ich nicht mochte, bevor Brendel ihn mir nahebringen konnte. Brendel hat eine wunderbare Balance aus Poesie, Lebendigkeit/Innigkeit/Emotionalität und formaler Klarheit. Ich mag auch seine fein austarierte Agogik sehr und auch seine Ausdrucks-Vorzieher (erst der Bass links, dann der Akkord). Das habe ich für manche Stellen auf der Orgel ausprobiert - funktioniert z.B. bei einem Agnus Dei (Messe 14, Thoralf Norheim, von mir arrangiert) ganz hervorragend.


    Mitsuko Uchida - was für ein wunderbar weicher und angenehmer Anschlag, was für eine geschmackvolle Lebendigkeit und Musikalität, was für eine Geschichten-Erzählerin!


    Paul Lewis - viel mehr als nur ein "Brendel 2.0" (oder wie der Thread da hieß). Selbst wenn er "nur" wie Brendel spielte, wäre das schon gewaltig. Aber er hat seinen eigenen Stil und Ton - voll und warm im Anschlag, vorzügliches Legato, höchste Perfektion und viel Poesie und Lyrik. Auch ihn schätze ich vor allem im Bereich der Wiener Klassik.


    Wilhelm Kempff - ich schätze ihn sehr für seine Bach-Bearbeitungen, auch für seine eigenen Aufnahmen mit diesen Bearbeitungen. Aber auch z.B. im Bereich Schumann habe ich sehr Gutes von ihm gehört.


    Christoph Eschenbach - für mich einer, der Klangschönheit mit einem starken Sinn für die Romantik verbindet. Sein Klavierspiel empfinde ich meistens als beglückend. Er ist durchaus zu Risiken in Bezug auf Emotionalität und Agogik bereit, wird aber nie - wie etwa der alte Horowitz :untertauch: kitschig-sentimental. Wie Brendel war/ist er auch ein toller Begleiter im Bereich des Kunstlieds.


    Vikingur Olafsson - chronologisch gesehen nach Gould, Gulda und Brendel der für mich interessanteste der Bach-Pianisten, vielleicht noch zusammen mit:


    Piotr Anderszewski - wegen seiner WTK-Einspielungen. Klangschönheit, Geschmack und viel Kontrolle - hervorragend.


    Chick Corea - sein Jazz definiert eine eigene, höchst geniale Corea-Welt, hat manchmal auch klassische Anklänge, etwa an Bartok.

    Er hat sich auch hier und da an Mozart herangewagt. Vor allem zusammen mit Gulda ist es sehr gut geworden, finde ich.



    LG:hello:

    Glockenton

    Gestern beim Besuch eines guten Bekannten entdeckt, Baujahr 1905:

    Was für ein Vorrecht! Den hätte ich gerne einmal angespielt...



    Und dann sagt er doch tatsächlich: They force me to wear this.

    Dachte ich`s mir doch...und habe so etwas auch weiter oben schon vermutet.


    Die "Alben" wie man heute sagt, werden offensichtlich mehr über die Optik als über das akustische Ereignis verkauft. Bei den Pianistinnen wird dann Haut gezeigt, vor allem auch knallroter Lippenstift, dazu romantische Beleuchtung und dergleichen mehr. Diese Richtung meide ich grundsätzlich.


    Es gab aus meiner Sicht bessere DG-Zeiten. Aber auch schon bei Karajan spielte der optische Faktor eine Rolle: edles Haar, durchleuchtet, dazu geschlossene Augen, innere Sammlung, vergeistigter Auftritt...

    Wer weiß, vielleicht begann es mit ihm ;)

    Aber es war doch noch etwas Anderes als das, was heute so gemacht wird, will ich meinen.


    Ungeachtet dessen: der junge Mann spielt sehr gut!


    LG:hello:

    Glockenton

    Für die Beethoven-Sonaten habe ich bisher auf Brendel, Gulda (früher, höre ich jetzt weniger) und Paul Lewis gesetzt ( weiß jetzt nicht, ob er schon mit allen Sonaten fertig ist).

    Einige Einzelaufnahmen gibt es auch von Uchida, der ich eigentlich immer gerne zuhöre. Ich kann mich auch an einige Gilels-Aufnahmen erinnern, die mich sehr überzeugten.

    Auch jetzt bin ich immer noch am ehesten von Brendel/Lewis angetan, finde aber die hier gemachten Aussagen über Barenboim sehr spannend.


    Soeben habe ich deshalb auf TIDAL in die hier genannte Sonate Nr. 13 in Eb in Barenboims neuester Einspielung hineingehört. Es gefällt mir ganz ausgezeichnet, weil diese Interpretation Altersweisheit, Poesi und ja, auch Romantik im positiven Sinne hat. Dabei ist mir vollkommen egal, wenn jemand einwendet, dass das doch Wiener Klassik und nicht Romantik sei. Diejenigen, die sich unter "Wiener Klassik" mehr oder weniger ein die Form betonendes, gefühllos-nüchterndes Geknalle vorstellen, können sich das ja anhören. Ich mag es gerade so, wie es Barenboim hier in Satz 1 richtiggehend zelebriert, wobei mir diese ganz kleinen pianistischen "Menschlichkeiten" (im Gegensatz zu kalter Perfektion und Überbrillianz) gar nicht stören.

    Irgendwie hört man bei ihm auch den Gesamtmusiker, den großen Dirigenten; d.h. er denkt zwar pianistisch aber gleichzeitig auch orchestral, was ich sehr schätze.


    Sein Flügel klingt hier wirklich "fett" bzw. "genießerisch" gerade im pp ab Takt 10 (da wo die akkordische Achtelbegleitung einsetzt), insbesondere auch Takt 12 bei Bb über F im Bass. Doch gleichzeitig verschwindet nichts im Mulm, sondern man kann die einzelnen Töne auch im Zusammenhang gut nachvollziehen.

    Zu Takt 12 würde mein ehemaliger Professor für Satzlehre wohl sagen, dass so ein Voicing und der Akkord an sich (Dominantseptim mit Quinte im Bass) durchaus ein Vorgriff auf die Romantik wäre. In dieses Voicing (links B-Dur in zweiter Umkehrung rechts der Tritonus Ab-D, darüber noch die Melodie auf Bb) kann man sich eine Orchestrierung hineindenken, z.B. begleitende Streicher unterstützt durch Pedalakkorde tiefer Blechbläser, dazu die Melodie mit einer Oboe oder einer Klarinette.

    Das gewählte Instrument und vor allem die Spielweise Barenboims unterstützen einen solchen Interpretationsansatz.


    Ich werde also in die Aufnahmen Barenboims hineinhören und sie mir für alle Fälle herunterladen - guter Tip!


    LG

    Glockenton


    PS: wie ich gerade las, wird Barenboim heute 81. Jahre alt - na dann :)

    Erst jetzt finde ich die Zeit, hier weitermachen zu können.


    Wir waren immer noch bei der ersten Arie.


    Harnoncourt:


    Das Orchester spielt gewohnt sehr an der Gestik der Klangrede orientiert. Was haben die Figuren zu bedeuten, wie spielt man Artikulation, Phrasierungsdynamik, Einzeltondynamik, expressiver Vibratoeinsatz, welche Auswirkungen hat die harmonische Progression auf die Dynamik, welcher Affekt(e) wird hier zum Ausdruck gebracht? All diese Fragen und wohl (noch viel mehr) hat man sich gestellt und ist zu ausdrucksfreudigen, eben "Harnoncourtigen" Lösungen gekommen.

    Als diese Aufnahme herauskam, schwang auch immer ein gewisser pädagogischer Effekt mit. Kein Mensch hatte vorher diese Kantate auf alten Instrumenten und vor allem mit dem historisch inspirierten, aber durchaus auch sehr persönlich durch Harnoncourt geprägten Interpretationsstil gehört. Der klangliche und musikalische Unterschied zu früheren Richter/Rilling-etc- -Aufnahmen wird gewaltig gewesen sein.

    Demgegenüber nehmen Herreweghe und Suzuki in ihren wesentlich später entstandenen Aufnahmen diesen Neuheitsaspekt zurück. Die Verwendung von alten Instrumenten hat sich durchgesetzt - es klingt einfach überzeugender- und etwas von dem Wissen über barocke Artikulation, Phrasierung und Dynamik hat sich dankenswerterweise herumgesprochen. Suzuki und Herreweghe können sich mehr auf den expressiven Teil, auf die Textauslegung konzentrieren und versuchen, durch eine weichere und "luxuriösere" Klangästhetik tiefere Schichten der Komposition freizulegen, was ihnen bei dieser Eingangsarie auch gelingt.

    Man muss natürlich sehen, dass bei Harnoncourt der Knabensopran Wilhelm Wiedl sang, während bei den Anderen in ihrer Ausbildung wesentlich weiter gekommene erwachsene Sängerinnen eingesetzt werden.

    Der Junge hat dem gegenüber naturgemäß hörbare Nachteile hinsichtlich Linie, Luft, Intonation und auch innerer Reife.


    Exkurs:

    Es gibt in diversen Bachforen es Internets - aus meiner Sicht hoffnungslos durchgeknallte- Puristen, die die Verwendung solcher "Barocksängerinnen" als Sündenfall anprangern und es ebensowenig vertragen können, dass selbst Harnoncourt später - wie all die anderen- auf gemischte professionelle Chöre und professionelle, erwachsene Sängerinnen und Sänger setzte.


    In halte das für einen großen Blödsinn, denn es sollte doch um eine bestmögliche Aufführung dieser hochwertigen Musik gehen. Die Ergebnisse Koopmans, Herreweghes, Suzukis und auch Veldhovens legen doch ganz klar dafür Zeugnis ab, dass die Idee, es mit Kindern und Knabenchören zu versuchen, zu mehr oder weniger nicht zufriedenstellenden Ergebnissen führte. Das kann man oft und durchaus zweifelsfrei beim vergleichenden Anspielen der Aufnahmen nachvollziehen, wenn man denn so etwas wie Intonationsschwierigkeiten, hackende Phrasierungen aufgrund musikalischer und technischer Schwierigkeiten und noch viel mehr hören kann. Einige hören es tatsächlich nicht, reden aber meinungsstark mit. Was soll man machen...


    Natürlich war der Junge hochmusikalisch, und ja, ich könnte es nicht so singen, wie er es konnte, bin aber auch nicht Sänger sondern nur ein orgelnder Chorleiter...

    Hätte ich so einen in unserer Kirche, dürfte er per sofort im Kirchenchor mitmachen. Aber hier reden wir ja von anderen internationalen Maßstäben.


    3. Aria, Sopran "

    Ich esse mit Freuden mein weniges Brot"


    Der affektive Wechsel zur Eingangsarie ist sehr deutlich und wurde durch das überleitende Rezitativ vorbereitet.

    Hier hört man dann das "Vergnügen"; jene vergnügliche Zufriedenheit, vielleicht auch eine gewisse fröhliche Geschäftigkeit, vor allem in der Violinstimme.


    Suzuki:

    Hier wird ein recht hohes Tempo gespielt und gesungen. Hört man erst Herreweghes Aufnahme und wechselt dann zur Suzuki-Einspielung, kann einem dieses Tempo geradezu absurd schnell vorkommen. Verzichtet man allerdings auf diese direkten Quervergleiche, dann fällt einem weniger auf, wie schnell es eigentlich ist, denn die Beteiligten spielen trotzdem nicht hektisch und beherrschen das Material souverän.

    Wie Harnoncourt lässt auch Suzuki den Auftakt der Melodie an die darauffolgende Note bilden, was der Figur einen ländlich-tänzerischen Charakter verleiht. Mich überzeugt es.

    Wie gesagt ist das technisch-musikalische Niveau sehr hoch und überzeugend.



    Herreweghe:


    ...wählte hier ein etwas langsameres Tempo, welches eigentlich sofort überzeugen kann.

    Im Unterschied zu Harnoncourt und Suzuki lässt er immer den 16`-Violon ( den Kontrabass) im Continuo mitgehen, wodurch das Klangbild voller wird, was ein Vorteil ist. Nachteilig kann dabei sein, dass ein ausdrucksvoller und individuell sprechender Continuobass leichter zu realisieren ist, wenn nur ein Violoncello plus Orgel eingesetzt wird.

    Hier jedoch finde ich es durchaus ok - es ist ein wichtiger Aspekt des Herreweghe-Sounds.


    Harnoncourt:


    ... musste bei der Tempowahl vielleicht doch etwas Rücksicht auf den Knabensolisten nehmen.

    Instrumental finde ich es ebenfalls sehr schön, unter anderem auch deshalb, weil ich den Klang der Geige und des Violoncellos per sofort wie das Timbre eines Sängers als Alice und Nikolaus Harnoncourt identifizieren kann. Die hatten einen sehr eigenen Ton und eine mit ihnen auch von dieser Erde verschwundenen persönlichen Spielweise, die man schätzen kann. Es gibt allerdings im Kantatenwerk Arien, bei denen dieser Aspekt deutlicher hervortritt und mir dementsprechend wichtiger wird, als hier.


    5. Schlusschoral:

    "Ich leb indes in dir vergnüget"


    Suzuki:


    Da erst hier ein mehrstimmiges Vokalensemble von Bach verlangt wird, hat sich Suzuki dafür entschieden, den Schlusschoral solistisch singen zu lassen.

    Die kantable und klangnervige Weise in der das hier geschieht, liegt für mich vor dem, was ich von Interpreten kenne, die grundsätzlich OVVP bevorzugen.

    Hier gibt es nichts zu meckern: perfekte Intonation, schöne Linien, auch gut vom Orchester gespielt.


    Herreweghe:


    Die Verwendung von solistischen Sängern hätte wahrscheinlich nicht zum "Herreweghe-Sound" gepasst. Da Herreweghe mit dem Collegium Vocale Gent über eines der besten Bach-Gesangsensembles dieser Welt verfügt, ist das auch keineswegs zu kritisieren.

    Man singt im Vergleich zu Suzuki etwas zügiger, auch nüchterner, ohne dabei diese "milde Spiritualität" zu verlieren.

    In diesem Fall ziehe ich die sehnigere, "nervigere" Version Suzukis vor, die mit auch bei aller Gradlinigkeit etwas emotionaler engagierter klingt.

    Aber Herreweghes Choräle sind ja meistens Musterbeispiele dafür, wie man es machen sollte - bloß nicht in die Falle der Überinterpretation einzelner Worte etc. gehen. Von daher: auch dieser Choral ist wieder einmal ganz vorzüglich gelungen.


    Harnoncourt:


    Hier singt der Tölzer Knabenchor.

    Im Laufe der Harnoncourt-Aufnahmen gibt es wesentlich unkantablere Choräle, d.h. es ist so schlecht nicht.

    Merkwürdig kann einem vorkommen, dass der letzte Ton von Phrasen irgendwie unnatürlich kurz daherkommt.

    Ebenso klingt für mein Dafürhalten die dynamische Gestaltung "2 und 2" ( to og to, wie es im Norwegischen heißt), also schwer-leicht, schwer-leicht immer noch zu gewollt, wenn auch nicht mehr so übertrieben wie bei vorhergehenden Aufnahmen.



    Fazit:


    Dem Musiker empfehle ich, alle drei Aufnahmen zu kennen und zu studieren. Dem "normalen" und "geneigten" Hörer hingegen empfehle ich, sich die Suzuki- und die Herreweghe-Aufnahmen zuzulegen.

    Zwar sehe ich in der Summe und nur hier sehr leichte Vorteile für Suzuki, aber die Herreweghe-CD stellt in ihrer Gesamtheit einen wirklichen Höhepunkt der Bach-Einspielungen Herreweghes dar, was vor allem an der Kantate "Christus der ist mein Leben" liegt, aber nicht nur.

    Auch aufnahmetechnisch sind die Einspielungen Suzukis und Herreweghes ganz hervorragend gelungen, ebenfalls von der Sängerbesetzung her.

    Zudem bin ich sehr froh, dass ich mich nicht zwischen diesen superben Aufnahmen entscheiden muss.


    Ich konnte aus Zeitgründen in dieser Form nicht alle Sätze der Kantate besprechen, aber denke, es wird wohl möglich sein, sich anhand meiner Beschreibungen ein Bild zu machen.

    Wer TIDAL, Spotify, Quobuz oder Apple-music hat, kann ja problemlos selbst hineinhören, wobei ich nur bei TIDAL sicher weiß, dass die Einspielungen auch vorhanden sind.


    LG:hello:

    Glockenton


    PS: mit "nervigem" Klangbild beim Schlusschoral unter Suzuki meinte ich nicht, dass der Klang auf die Nerven geht, sondern energetisch ist, also "Nerven hat" bzw. "feinnervig" ist.

    Seit einiger Zeit verfolge ich das Projekt, sowohl für mich als auch für die Öffentlichkeit TIDAL-Playlists zu Bachs Kantaten zusammenzustellen. Es sind meistens drei Kantaten in einer Playlist enthalten. wobei ich BWV-chronologisch vorgehe, also z.B. BWV 1 - BWV 3.

    In diese Playlists kommen nur HIP-Einspielungen, die ich selbst aus guten Gründen für hörenswert halte. Historische Aufnahmen auf modernen Instrumenten kommen da also nicht vor.

    Einspielungen die ich nicht mag, kommen in den Listen nicht vor. Ich finde es immer spannend, wenn man irgendwann auf einem Niveau angekommen ist, wo es sehr schwer fällt, sich eindeutig für die eine oder andere Aufnahme zu entscheiden.

    Unterschiedliche gute Lösungen können ab einem sehr hohen Niveau gleichzeitig möglich sein. Am Ende ist man froh, dass man von dem Werk verschiedene Interpretationen hören kann, die allesamt sehr überzeugend sind.


    Zwei Anmerkungen:

    Harnoncourts (und manchmal auch Leonhardts) Aufnahmen habe ich hier und da auch mit eingefügt. Oft höre ich, dass der Knabenchor oder die Knabensolisten relativ deutlich überfordert sind, gerade wenn ein so ausdrucksgieriger Dirigent wie Harnoncourt etwas von ihnen möchte. Trotzdem habe ich manche Kantaten auch dieses Dirigenten eingefügt, weil er mit seinem Concentus musicus Wien mitunter sehr eigene und instrumental sehr gelungene Dinge gemacht hat, gerade in den Streichern. Ich gebe zu, dass dieser Ansatz, etwas in selektiven Aspekten zu favorisieren sich eher an Musiker richtet, die davon etwas lernen möchten, vielleicht auch, weil sie selbst die Aufführung einer Bachkantate planen. Aber es gibt auch vokale Highlights bei Harnoncourt, etwa die Bässe Robert Holl <3 und Philippe Huttenlocher und auch die Sopranistin Barbara Bonney, die leider nur einmal zum Einsatz kam.


    Etwas "dumm" ist, dass die Netherlands Bach Society sich dafür entschieden hat, ihre Aufnahmen nur als Videos auf YouTube zu veröffentlichen, es sich bei denen also nicht um CD-Produktionen handelt. Falls jemand aktuellere Informationen hat, dann immer heraus damit.

    Gäbe es deren Produktionen auf CD, wären sicher auch einige ihrer Kantaten in meinen Favoriten-Playlists aufgetaucht, denn sie machen es oft sehr gut.


    In diesem Fall geht es ja um die Kantate "Ich bin vergnügt in meinem Glücke" BWV 84.

    Die dazugehörige Playlist gibt es hier. (anklicken)


    Wer nicht TIDAL-Premium-Kunde ist, wird das wahrscheinlich nur in kurzen Ausschnitten und nicht in High-Res. hören können, sondern leider nur recht deutlich datenreduziert. Es klingt aber sehr gut, wenn man das Abo hat...


    Doch nun zu BWV 84:


    1. Aria Sopran, Oboe, Streicher, Continuo
    Ich bin vergnügt mit meinem Glücke


    Suzuki:

    Masaaki Suzuki wählte für mich das ideale Tempo, wenngleich andere Tempi auch möglich sind. Ich halte dieses Tempo deshalb für ideal, weil man die Melismen der Oboe und der Sopranistin in diesem Tempo kantabler und expressiver machen kann, als wenn man es schneller angeht.

    Suzuki wählt für diese Arie eine mehrfache Streicherbesetzung.

    Der Klang ist geprägt von dem reichen Nachhall, den die Kirche in Kobe bietet.

    Bachs Musik kommt hier mit einer für Bach typischen Affektmischung daher: das "Vergnügen" geschieht in moll, mit lombardischen Seufzern im Sopranthema, die vielleicht eher an Schluchzer als an Jauchzer erinnern. Durch Melismen und Überbindungen erscheint die Orchesterbegleitung als recht komplexes Gewebe. Die Melismen der Oboe und der Sopransolistin enthalten sowohl Freude als auch Schicksalsergebenheit, können den Kenner gar hier und da an die Melismen von "Ich habe genung" erinnern, bei denen es ja sogar um Todessehnsucht geht.

    Die in Moll gehaltene Harmonik ist ausdrucksstark- emotional, und hierin keineswegs freudig-lustig, sondern eher geprägt durch die tragischen Widrigkeiten des Lebens.

    Dieses "Vergnügen" erinnert schon fast an jene "ich freue mich auf meinen Tod"-Stimmung aus der bereits genannten Kantate BWV 82.

    Es geht im 3/4-Takt immer voran, fast schon vom klaren Bassrhythmus "getrieben". "Wie geht es Dir? Muss....!"... so ähnlich klingt es mir.

    Ich bin zufrieden ( =vergnügt) mit den Umständen, in denen ich lebe. Andere haben es vielleicht schlechter, und Gott hat mir mein Teil gegeben, mit dem ich zufrieden bin. Das inhaltliche Konzept der Kantate wäre das Ende des Kapitalismus, der auf den tendenziell nie endenden materiellen Bedürfnissen des Menschen aufbaut.


    Carolyn Sampson erweist sich hier wieder einmal als ausgezeichnete Bach-Sängerin. Das Timbre deutet an, dass sie zwar nicht nur Barockmusik singt, aber doch auf darauf achtet, nicht auf jedem Ton zu vibrieren, sondern sehr farbenreich zu singen.


    Der Oboist hat einen weichen Ton und spielt mit guter agogischer Flexiblität.


    Zum Glück hat Suzuki für diese Arie auf das Cembalo im Continuo verzichtet, d.h. hier gibt es nur ein Orgelcontinuo, was m.E. besser zum Affekt der Arie passt.


    Alles in allem eröffnet sich in der Arie eine große musikalisch-geistliche Tiefe, die der Text für sich genommen so nicht erahnen lässt. Das ist eben Bach, und das gibt es so nur bei ihm.

    Suzuki steht dem nicht im Wege, sondern lässt die Musik für sich selbst sprechen - sehr bereichernd.


    Herreweghe:


    Diese Arie lässt Herreweghe ein wenig schneller spielen als Suzuki, aber keineswegs zu schnell. Man kann auch mit diesem Tempo gut leben.

    Man hört ihr die Streicher in solistischer Besetzung, und es gibt zwar einen subjektiv "richtigen" Hallanteil, allerdings nicht so viel wie bei der japanischen Aufnahme.

    Der Gesamteindruck ist typisch Herreweghe: hochkultiviert, keine "Mätzchen", und mit mild-ernster Spiritualität, akustisch irgendwie vor einem schwarzen Hintergrund.

    Wer sich mit Bachs geistlichen Werken und deren Aufnahmen auskennt, wird wohl auch den typischen "Herreweghe-Sound" erkennen können.

    Im Gegensatz zu früheren CDs spielt die "neue" Organistin Maude Gratton kürzer und mit mehr "Luft". Herbert Tachezi vom Concentus musicus Wien machte das auch, allerdings in anderer Art und Weise. Als junger Mann empfand ich es noch als Affront, dass der frühere Continuo-Organist Herreweghes mehr legato spielte. Heute jedoch vermisse ich es fast, denn dieses verbindende Legato passte sehr gut zu Herreweghes milder und hochkultivierter Spiritualität.

    Dorothee Mields ist eine ganz herausragende Barocksopranistin, die ich oft favorisiere, auch als Schütz-Interpretin. Sie macht ihre Sache hier auf eine Art und Weise, bei der man sagen muss: es geht nur noch anders, nicht besser.

    Ihr Timbre ist schlanker und geht mehr so ein bisschen in Richtung Emma Kirkby.


    Herreweghe Oboist Marcel Ponseele ist eigentlich der King des kultivierten Bach-Oboenspiels mit dunklem Oboenklang. In diesem Fall muss er sich den Titel mit Suzukis Oboisten teilen. Sie spielen es etwas anders, aber ganz hervorragend, ja vorzüglich.


    Da gleich meine Frau mit Tee kommt, muss ich den Rest der Besprechungen dieser Kantate erst einmal auf morgen verschieben.

    Sie mag es nicht so ganz gerne, wenn ich hier zuviel Zeit verschwende...;)


    Bis später,


    LG:hello:

    Glockenton

    Ludwig van Beethoven - Kreutzersonate Op. 47 in A-Dur


    Wieder mit Zimmermann und Helmchen:

    Diese Vol. 3-Ausgabe ist aufnahmetechnisch traumhaft realisiert, eindeutig noch besser, als die anderen Folgen, wie ich finde.


    Wer also audiophile Ansprüche hat und Beethoven mag, der sollte sich die Scheibe einmal holen oder herunterladen.

    Auch musikalisch ist es nämlich sehr schön gespielt.


    LG:hello:

    Glockenton

    zugegeben, kein Rum-Rausch, mehr Pinot Grigio ..... 🍷

    ...aber der Flügel klingt - jedenfalls für mich- um Welten besser aufgenommen als jene Aufnahmen, in die Gould leider aufnahmetechnisch hineinredete.

    Die Mikrofone stehen hier in einem angemessenen Abstand, ebenso wurde ein angenehmer Raumklang eingefangen. Das Verhältnis von Direktschall und Raumklang passt.


    Bei Hewitt kann der Flügel zudem das sein, was er ist: ein Instrument, welches am Ende doch klanglich zur Romantik neigt.

    Gould (auch Gulda) wollten den direkten analytischen Klang, den ich eigentlich furchbar finde.

    Kein Mensch hält seine Ohren direkt in einen Flügel hinein und noch weniger Menschen kriechen in eine Orgel, um einen möglichst polyphon-analytischen Klang mit den letzten Feinheiten der Artikulation zu hören.

    Nein, beide Instrumente brauchen auch den Raum (gerade die Orgel) um ihre Wirkung entfalten zu können.


    Bei aller Noblesse von Angela Hewitts Spiel finde ich , dass es bei mir musikalisch einen größeren Rauscheffekt - oder sagen wir besser "Genuss" auslöst, als die knochentrockenen Töne Goulds, eben deshalb, und weil es rein akustisch einfach besser klingt.

    Nebenbei gesagt soll eine Gavotte einen noblen Affekt haben, mit deutlich markierten ta ta taah-Auftakten. Bei einer Gigue wäre es anders, da soll man dann rauschen ^^


    Aber Gould ist ja Gould, und seine zweite Einspielung der Gouldbergvaritionen ist meiner Meinung nach immer noch unerreicht, wenn auch Vikingur Olafsson dichter herankommt als all die anderen.


    Es ist schön auf die Gavottes mit Angela Hewitt hingewiesen zu werden . Ich glaube sogar, dass ich die CD habe...

    Höre es mir noch einmal an.


    LG :hello:

    Glockenton

    Habe in die CD bei JPC hineingehört (nicht bei TIDAL gefunden) und finde, dass der aufgezeichnete Flügel in der Tat überzeugend klingt. Er verfügt über Fülle und Charakter, wird im ff crisp aber nicht hart, hat lange Töne und einen schönen Mischklang in der Mitte des Spektrums. Auch die Bässe scheinen hier eine angenehme Fülle aufzuweisen.

    Wäre nur interessant, wie er denn z.B. mit Mozart, Brahms oder Schumann klänge, vor allem aber im Vergleich mit den üblichen Verdächtigen, aber auch mit Blüthner. Die Musik an sich - nun ja, sie ist nicht direkt das, was ich gerne spielen würde.


    Was die optische Ausführung anbelangt, tendiere ich in diesem Vergleich zum absoluten Langweiler ^^


    LG:hello:

    Glockenton

    Ach Kinners,


    hört doch bitte auf. Es tut mir richtig weh wenn intelligente Menschen sich so ( fast ) bekriegen. Zumal ich ( ich gebe zu, die von Holger am meisten ) eure "normalen" Beiträge sehr schätze. Da habe ich schon viel gelernt. Natürlich ist ein Forum dazu sich mit Meinungen auseinander zu setzen. Aber es kommt auf den Ton an. Und ich getraue mich fast nicht mehr hier mit zu lesen. Einfach einen Schlussstrich ziehen, bitte.

    Zustimmung.


    Wir reden hier nicht über Ukraine-Russland oder gar Nahost, nur über den Klang von verschiedenen Flügeln. Es ist ein interessantes und schönes Thema - bleiben wir am besten dabei. Wenn wir emotional werden, dann bringen wir am besten positive Emotionen mit ein, wie z.B. Begeisterung.



    Meine Erläuterungen zur Mikrofonierung etc. (und auch zu aufgeworfenen Fragen der am Ende der Kette stehenden nachträglichen Raumkorrekturprogramme) schienen mir nur deshalb erforderlich zu sein, weil nüchtern betrachtet die Vergleichbarkeit von Flügeln durch das Hören von Einspielungen allein schon durch die vielen technischen Aspekte sehr relativiert werden muss. Jede Aufnahme ist auf verschiedene Art und Weise zustande gekommen, was den Klang enorm beeinflusst.


    Natürlich kann man auch etwas weniger nüchtern sein und einfach einmal hier und da hineinhören... ^^:pfeif:


    LG:hello:

    Glockenton

    Hallo CHKöhn,


    vielen Dank, das war eine sehr fundierte und interessante Antwort.

    Meine einzige eine Blüthner-Erfahrung und einige wenige ( musikalisch nicht so besonders herausragende) Aufnahmen auf TIDAL (sowie das oben genannte VST-Plugin) bestätigen die Aussage "charmant, edel, rund und warm".

    Ja, so einen der besten Blüthner-Flügel hätte ich sehr gerne in einem dafür reservierten Musikraum - ach, wie schön wäre es.

    Ich vermute, dass mir dieser Klang sehr entgegenkommt.


    Dann müsste ich aber richtig üben, vor allem jenes Brahms-Intermezzo in Bb-moll op. 117/2. Das ist eines meiner Lieblingsstücke von Brahms, weil es diese altersweise Mischung aus Liebe, Melancholie, aus Retrospektive und Einsicht in das Unvermeidliche hat. Melodie und Harmonie sind ineinander verwoben; das Ganze kann einen Sound erzeugen, den ich am besten mit dem englischen Wort "lush" beschreiben kann. Ich sehe Brahms vor mir, mit Bart, zurückgelehnt und beim Spielen eine Zigarre rauchend. Dieses Stück ist "sehr Brahms" und braucht m.E. einen warmen und runden Klang, bloß nicht brilliant oder gar analytisch. Leider kann ich das Stück nicht, müsste es von scratch auf einüben, wozu ich als Organist einfach keine überschüssige Energie mehr habe. Vielleicht nach der Pensionierung, dass wären dann noch 9x Stress zu Weihnachten und Ostern 8-)


    Wo ich gerade bei diesem Brahms bin: meine Lieblingsaufnahme mit Abstand ist jene, die Radu Lupu bei Decca gemacht hat.



    Hier kann man sie auch auf YouTube hören, für mich wie gesagt eines der Höhepunkte jedweder Klavieraufnahmen:



    In diesem Zusammenhang habe ich gerade eine tolle Erfahrung gemacht: der Bing-Chat-Copilot (eine verblüffende AI) hat für mich in Sekunden herausgefunden, dass Lupu bei dieser schönen Aufnahmen einen BÖSENDORFER spielte!!

    Ist das nicht schön und erstaunlich, wenn die AI das so schnell finden kann? Der Chatbot fand eine Rezension in der stand, dass er dort Bösendorfer spielte - erstaunlich, wie ich finde.


    Das dort verwendete Instrument klingt jedenfalls für Brahms m.E. sehr gut, und Lupu macht seine Sache in meinen Ohren einfach nur hervorragend.


    LG:hello:

    Glockenton

    ....möchte ich noch einmal versuchen, eine andere Marke hier "auf den Markt zu werfen": wie ist es eigentlich mit Blüthner?

    ...fragte ich vorhin, was womöglich in der Hektik gewisser diplomatischer Verstimmungen überlesen wurde.


    Kann da jemand etwas zu sagen? Gibt es einen typischen Blüthner-Klang und wie spielen die sich?


    Hätte mich interessiert.


    LG:hello:

    Glockenton

    Ja, lieber Glockenton. Diese schwachsinnigen Alben-Titel in Anlehnung an den Pop-Bereich ("Waves" - was soll das?) gehen mir auch auf den Wecker.

    Einig, lieber Holger!

    Und wie er da in diesem Miami-Vice-Jacket so nachdenklich auf den Boden schauen muss - der Arme kann einem leidtun. Aber er bekäme keinen Vertrag bei der DG, wenn er das nicht alles mitmachen wollte, nehme ich an. Die DG-Zeiten, wo Leute wie der oberlehrerhaft dreinblickende Böhm oder Emil Gilels bei DG auf dem Cover abgebildet wurden, sind ja schon längst vorbei - schade. Alice Harnoncourt hat einmal über ihren Mann gesagt: " er hasst diese Fototermine". Das glaube ich sehr gerne...

    Stichwort "Waves" : vielleicht sind da solche pulsierenden Klavier-Arpeggien gemeint? Früher sagte man dazu "Wellen", aber heute muss man die promotion-message eben cool rüberbringen, also on all the social-media-channels, damit man die emotions und den damit verbundenen vibe triggert.

    Aber das liegt wohl auch daran, dass die Leute heute zunehmend Downloads hören. So lassen sich die Sachen archivieren - die Software orientiert sich am Pop-Bereich. Da bin ich froh, nach wie vor mit der altmodischen CD zu hören...

    Mag sein - aber ich gehöre ja auch zu diesen "Leuten". Meine Softwares (Media Monkey 5 und iTunes) geben mir die Möglichkeit, genau wie bei den CDs die Einspielungen nach Alben sortiert anzusehen.

    Ich weiß gar nicht, ob man da nach Kategorie " Schmuseklassik" und dergleichen Perversitäten sortieren könnte, glaube es fast nicht.

    Auch bei TIDAL kann man sich die Ansicht "Album" zeigen lassen und dann - wenn man weiß wie- sich diese CD in High-Res.-Qualität herunterladen. Es ist vom Zugriff her sehr bequem und klingt so gut, wie Dein DAC ist.

    Wenn natürlich der CD-Player einen besseren DAC hätte, dann wäre es blöd. Es gibt ja auch schon sehr gute Marantz-Player, deren DAC man für das Streaming oder für das Abspielen vom PC etc. nutzen kann.


    Aber der Bösendorfer auf der Aufnahme klingt doch ganz gut, oder?


    LG

    Glockenton

    Solche Bass- und Höhenregler mit ihrem vordefinierten groben Arbeitsbereich passen zu Stereoanlagen, bei denen der Bass dröhnt oder schrille Höhen beseitigt oder dumpfe Höhen aufgepäppelt werden müssen.


    Eine ausgeklügelte Raumakustiksoftware, die anhand der präzise ermittelten akustischen Gegebenheiten am Hörplatz vorhandene Fehler im Frequenzgang - die von uns selbst nicht mal erkannt und erst bemerkt werden, wenn sie verschwunden sind - gezielt korrigieren kann, hat doch überhaupt nichts mit den Drehreglern am Vorverstärker gemeinsam.

    Nein, hat sie auch nicht, aber ich schrieb ja gerade von Deiner und anderer Raumakustiksoftware, die -wenn auch auf wesentlich höherem Niveau- ebenfalls in den Frequenzgang eingreift, oft dafür auch eine EQ-Kurve auf dem TV- oder PC-Bildschirm ausweist. Mit diesen Dingen kann man gewisse Frequenzunebenheiten eines Hörraums bekämpfen, aber damit macht man aus einem akustisch schlechten Hörraum keinen guten. So kann eine solche Software auf keinen Fall die ersten Reflexionen verhindern, die bei der Lautsprecherwiedergabe ein echtes Problem darstellen. Wenn Du in einem Bassloch sitzt, hilft es auch nicht viel, dem Subwoofer noch mehr Energie zu geben. Es gibt keine wirkliche Alternative dazu, einen Raum akustisch mit Hilfe von Absorbern zu zähmen und das Gefühl des Eingehülltseins durch Diffusoren zu erreichen. Sofas sind natürlich auch Absorber, ebenso Teppiche, aber da überlässt man es dann dem Zufall. Diese Softwares helfen wenig, wenn Du überall Glasflächen und einen wunderschönen, dann allerdings leider akustisch harten Fußboden aus Fliesen oder Parkett hast.

    Von einfachen Bass- oder Höhenreglern am Vorverstärker habe ich ausdrücklich nicht geschrieben.

    Du kannst auch nicht die Lautsprecher katastrophal aufstellen, nur weil die Frau es will und dann erwarten, dass die Software es wieder richtet. Sie (die Software, nicht die Frau...) wird dann auch nicht helfen können.

    Das ist so ähnlich wie beim Auto: fährst Du bei Glatteis viel zu schnell in die Kurve helfen Dir der beste 4x4-Antrieb, die ABS/ESP-Software und die tollsten Contireifen irgendwann auch nicht mehr. Physik ist bleibt einfach Physik. So ist es leider auch mit den ersten Reflexionen, den Deckenreflexionen, den stehenden Wellen und all diesen Dingen, die hier ansonsten gar nicht hingehören.


    Meiner Erfahrung nach verringern alles was im Audio-Signalweg steckt am Ende auch die Wiedergabequalität hinsichtlich Impulsverhalten (Schnelligkeit) und damit auch Räumlichkeit, Tiefenstaffelung etc. "Pure Audio" in behandelten Räumen mit sehr gut aufgestellten und hochwertigen Lautsprechern oder das Hören mit hervorragenden Kopfhörern (mit entsprechenden KH-Verstärkern) verbessert meiner Erfahrung nach das Klangerlebnis nachvollziehbar.


    Um jedoch etwa einen Yamaha-Flügel mit einem Blüthner-Flügel auf Aufnahmen vergleichen zu können, ist dieses Thema m.E. mindestens zweitrangig, denn dies ist meinem Verständnis nach ein Klavier- und nicht ein Hifi/Studio-Audio-Thread. Viel wichtiger ist, wie und wo man das Instrument am Anfang der Audio-Kette aufgenommen hat.


    All das habe ich jedoch bereits weiter oben schon ausgeführt, wie ich finde.


    Gruß

    Glockenton

    Im Nachtrag zu meinem Beitrag möchte ich noch eine - wie ich finde - schön klingende Bösendorfer-Aufnahme posten.


    Der Kollege astewes hat darauf schon im Thread "was hört ihr gerade jetzt" hingewiesen:



    Ein schöner Flügel, schön gespielt, klingt auch anders, d.h. wesentlich weicher als die von mir beschriebene Gulda-Aufnahme.

    Der arme junge Mann muss sich wohl so abfilmen lassen...waren da nicht so gar die Reflektionen von flackerndem Feuerschein auf seinem Gesicht? Oh my gosh.

    So muss man heute offensichtlich Klassik verkaufen - ein anderes Thema...

    Aber er kann wirklich spielen :thumbup:


    LG:hello:

    Glockenton

    Es freut mich sehr, dass zu hören!

    Übrigens kannst Du gerne einmal bei Gelegenheit eine Rückmeldung loswerden, ob man im A-B-Vergleich einen echten Vorteil für die SACD hören kann. Ich habe es mit meinen Bach-Suzuki-Kantaten (BIS) gemacht: die SACD klingt etwas reichhaltiger in den Höhen und in der Räumlichkeit, was ja auch von den Transienten herkommt. Dieses ETWAS wäre es mir ggf. wert... ;) Aber richtig viel ist es nicht.

    Das Thema Acourate, Audyssey (oder wie sie alle heißen) gehört aus meiner Sicht hier kaum hin, denn hier reden wir über die Unterschiedlichkeit, die durch die Aufnahmeräume, die Platzierung des Flügels, die Aufstellung, die Anzahl und die Wahl der Mikrofone entsteht.

    Bei der Stereoabnahme gibt es im Grundsatz verschiedene Verfahren wie AB, XY, Blümlein, Decca-Dreieck, ORTF, M/S und noch viel mehr, gerade in Bezug auf die Abnahme eines Flügels. Da kommt es auch darauf an, ob man einen Popsound haben möchte oder einen Klang, der für die klassische Musik adäquat ist.

    In direkter Abhängigkeit zu den Aufnahmeverfahren gibt es dann auch die verschiedenen Mikrofone wie Großmembram, Kleinmembram-Kondenser, Bändchen..... mit sehr unterschiedlichen Charakteristiken: Kugel, Acht, Niere.... und mehr. All das beeinflußt den Klang sehr, und zwar bevor sich irgendein sympathischer Klassikfreund mit seiner Strickjacke zu Hause überlegt, ob er so eine Raumentzerrung machen will oder nicht.


    Weiterhin kommt dazu, dass jeder Flügel ein und derselben Marke unterschiedlich klingt und auch - je nach Zustand- vom Klaviertechniker unterschiedlich aufbereitet werden kann. Wenn die Filze an den Hammerköpfen hart gespielt sind, dann klingt es hell und metallisch. Ein Klavierstimmer kann diese jedoch "stechen", wodurch der Klang wieder weicher und weniger obertonreich wird.


    Das sind die Dinge, die es zunächst einmal schwermachen, generelle Aussagen zu treffen.


    So etwas wie Aucourate und dergleichen greift in den Klang wie gesagt an viel viel späterer Stelle ein, wenn das oben beschriebene Signal bereits aufgenommen wurde und dann von der heimischen Elektronik über den Klang beeinflussende Lautsprecher in einem den Klang noch mehr beeinflussenden Wohnzimmer wiedergegeben wird. Das ist eine ganz andere Baustelle. Nebenbei gesagt halte ich es da mit Holger: ich halte nichts von irgendwelchen EQs, Zeitkorrekturen und wie sie es nennen mögen. Oft habe ich schon den Umschaltvergleich mit ""Source direct" gemacht und fand den direkten und elektronisch nicht veränderten Klang wesentlich natürlicher, auch was die Transienten und die Räumlichkeit anbelangt.

    Richtig ist, dass man einen besseren Klangeindruck bekommt, wenn man all diese digitalen Dinge ausschaltet, hervorragende Lautsprecher in einem akustisch optimierten Raum hat oder auch einen hochwertigen High-End-Kopfhörer benutzt. Da gibt es z.B. gute aber leider nicht besonderes billige Möglichkeiten bei den Firmen Stax, Sennheiser, Beyerdynamics, AKG, Hifiman oder Focal. Was die Räumlichkeit anbelangt, ist jedoch der Klang über Kopfhörer grundsätzlich eigentlich "falsch", weil die Aufnahmen meistens für die Stereowiedergabe über Lautsprecher gemacht werden. Es gibt auf dem Markt kaum binaurale Aufnahmen, die z.B. mit dem Neuman-Kunstkopf entstanden, schon gar nicht, wenn man z.B. eine tolle Aufnahme von Argerich oder Vikingur Olafsson haben will. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich diesen binauralen Klangeindruck wirklich besser finde als den "falsche" Räumlichkeit der üblichen Kopfhörerwiedergabe.



    Doch zurück zu den Flügel-Vergleichen über Aufnahmen, um die es hier geht:


    Man müsste z.B. einen Fazioli, einen Bösendorfer, einen Steinway, einen Yamaha und einen Bechstein in vergleichbarer Größe vom Klavierstimmer sauber auf genau dieselbe Tonhöhe gestimmt, und diese auch auf ein vergleichbares Klangideal "getunt" haben.

    Wenn man es dann tatsächlich über Aufnahmen vergleichen möchte, müsste man diese Instrumente jeweils an den exakt markierten Ort stellen und die exakte gleiche Mikrofonierung, Pegel etc. bei den Aufnahmen anwenden. Ebenso sollte derselbe Pianist so ähnlich wie möglich dieselbe Literatur spielen.

    Vergliche man dann diese Aufnahmen, könnte man ggf. brauchbare Aussagen hinsichtlich einer grundsätzlichen Klangphilosophie auf die Ferne über Aufnahmen treffen. In der Praxis gibt es diesen Vergleich leider nicht.


    Nun ist es natürlich so, dass man im Laufe der Jahre - je nach Erfahrung- gewisse Grundzüge meint erkennen zu können. Ich habe das weiter oben in Bezug auf Yamaha angedeutet, wobei ChKöhn wiederum bezeugte, dass die Unterschiede im Fall Yamaha vs. Steinway mit gestiegenem Preisniveau kleiner würden, vor allem bei den neueren Modellen.

    Ich sehe keinen Grund, an dieser Aussage zu zweifeln.

    Über Bösendorfer lese ich manchmal, dass da eine Wärme in den Mitten gegeben sei. Auch hier bin ich mir nicht so sicher: Es gibt da diese legendäre Philips-Aufnahme "Gulda plays Gulda" ebenso eine, auf der er die op.111 von Beethoven spielt. Wer nicht weiß, wie sich Kriegsfeuerwaffen auf dem Klavier anhören, sollte einmal hören, wie "rockig" er mit dem Bösendorfer die ff-Stellen bei Beethoven spielte bzw. ballerte. Als Jugendlicher liebte ich diesen Stil und nannte es "die Gulda-Pranke", habe es dummerweise auch versucht, nachzumachen. Irgendwann hat mich dann eine Klavierlehrerin zurück auf den Pfad der Tugend geführt....^^

    Auch die Aufnahmetechnik ist bei diesen CDs m.E. durch Guldas Einmischung etwas mitgeprägt worden: ziemlich direkt...

    Ich müsste mir einmal mehr "normale" Bösendorfer-Aufnahmen anhören.


    Bei allen Einschränkungen möchte ich noch einmal versuchen, eine andere Marke hier "auf den Markt zu werfen": wie ist es eigentlich mit Blüthner?


    Ich konnte einmal in einem Klavierladen in Halden ein restauriertes Modell anspielen, welches mir gut gefiel und in mir die Lust erweckte, darauf mehr Musik zu machen. Das sind beim Musiker durchaus subjektive Prozesse, aber es gibt Instrumente, von denen man sich einfach mehr inspiriert fühlt als von anderen.


    Angeregt durch meine Facebook-Timeline habe ich mir gedacht, mir irgendwann einmal zusätzlich zum VST-Plugin Yamaha CFX Concert Grand nur so aus Spaß an der Freud einen Blüthner der Firma Midwoods als VST-Plugin zu holen.

    Auf echten Blüthner-Aufnahmen und eben von Demos dieses VST-Instrument empfand ich den Klang dieses Blüthners als angenehm "holzig", "mit Charakter" und etwas "abgetönt". Man merkt schon, wie schwer es ist, solche Klangeindrücke in Worte zu fassen.


    Hier ein Film, die Dame spielt allerdings keine Klassik:



    Deswegen die Frage: Wie sieht es mit Blüthner aus? Könnte ein Blüthner im Bestzustand eine gute Alternative zu Steinway und den anderen hier genannten üblichen Verdächtigen sein?

    Kann man bei aller Vorsicht eine gewisse Klangphilosophie bei diesen Instrumenten erkennen?


    LG:hello:

    Glockenton

    Selbstverständlich ist hier die Mikrofonierung eine andere, aber mir ist völlig unklar, wie man heutzutage ein so schlechtes Klangbild erzeugen kann wie in der Aufnahme des Bechsteins. Höre ich das falsch und ist das eigentlich gut?

    Der Steinway ist räumlicher, wohl nicht ganz so direkt und auch mit größerer Stereobreite abgenommen worden.

    Dass der Bechstein jetzt zu penetrante Höhen hätte, kann ich so nicht finden. Es ist aus meiner Sicht - oder besser in meinen Ohren- die Frage, ob man dichter oder mit mehr Distanz mikrofoniert und natürlich auch womit und wie. Die Unterschiede, die man damit erzielen kann, sind in der Tat gewaltig.

    Für meinen Geschmack ist der Bechstein zu direkt eingefangen worden. Ich habe übrigens in High-Res. auf TIDAL die obigen Aufnahmen verglichen, Kopfhörer: Beyerdynamics DT1770pro.

    Ich mag es auch, wenn man mehr Hallanteile hat - bin halt ein Mann der Kirche ;)


    Die Spielweise der Dame ist nicht so ganz mein Fall, aus verschiedenen Gründen. Hier nenne ich jetzt nur einen: Ich finde schon, dass man aufgrund der Andersartigkeit des modernen Flügels auch hinsichtlich Pedalisierung dementsprechend Bach spielen sollte.

    Eine Orgel in einer Kirche oder ein Cembalo mit seinem rauschenden Klang in einem leeren Barocksaal wirkt eben ganz anders als eine Studioaufnahme, die man mit einem modernen Flügel aufnimmt.

    So wichtig im Grundsatz die Fähigkeit ist, alles auch ohne Pedal und mit reinem Fingerlegato spielen zu können, finde ich schon, dass man, um sozusagen einen gewissen "Geist" in den Flügelklang einzuhauchen und auch um gewisse Überbrückungen im Legato-Spiel zu erzielen, durchaus mit einem sehr bewussten und geschmackvollen Pedaleinsatz arbeiten sollte.

    Das kann manchmal sehr wenig sein, manchmal auch mehr, wie es z.B. Alfred Brendel bei der Chromatischen Fantasie vorgemacht hat.

    Aber das ist ein Thema, bei dem sich die Pianisten meistens sehr uneinig sind.


    LG:hello:

    Glockenton

    Als "romantisch" hätte ich den Klang nicht unbedingt beschrieben, aber die Verbalisierung von Klang ist ja auch immer sehr subjektiv. Ich finde sie eher "hell".

    Das ist interessant - und es zeigt ja auch, dass es eben doch sehr auf den Zustand des jeweiligen individuellen Instruments ankommt. "Hell" entspräche keineswegs meiner Vorstellung von "romantisch", sondern dann eher "weich", "dunkel", "warm" oder "mit langem Sustain" und "singenden Kantilenen". Uchida hat diesen Klang z.B. bei einigen ihrer Schubert-Aufnahmen, dann allerdings mit einem Steinway eingespielt, auch Paul Lewis. Es klingt bei denen allerdings auch "dunkler" gegenüber anderen Pianisten, die ebenfalls Steinways für ihre Aufnahmen benutzten.


    Und man sagt es ja sogar dem sogenannten deutschen "romantischen" Orchesterklang nach: den Ausdruck "dunkel-glühend" liest man da öfter, wenn man sich etwa Rezensionen der Brahms-Symphonien unter Rattle anschaut oder allgemein Thielemanns Klangvorstellung beschrieben wird, manchmal auch Barenboims (wohl nicht die Chicago-Aufnahmen).

    Ich höre diesen dunklen Klang durchaus, wenn Thielemann z.B. Bruckner mit den Berliner Philharmonikern macht. Bei seinen neuen Bruckner-Aufnahmen mit den Wienern indes erstaunt mich der doch relativ hellere und schlankere Klang dieses Orchesters, auch unter ihm, selbst wenn die sonstige Interpretation schon sehr ähnlich ausfällt.


    Aber auch hier gibt es ja das Thema Aufnahmetechnik...


    LG:hello:

    Glockenton

    Alles war früher gewiss nicht besser, doch mir ist gerade beim Hören einer "Großen" von Schubert mit Gergiev ( YouTube) klargeworden, dass Böhms "Große C-Dur" bis heute einzigartig dasteht.

    Viel besser ausgearbeitet, viel klarer, viel überzeugender, ausbalanciert und in sich logisch.

    Außer Wand kenne ich da nicht viel, was bisher in Böhms Nähe gekommen ist....


    Da fragte ich mich, wie das eigentlich angehen kann.


    LG :hello:

    Glockenton

    Welche Yamaha-Serie hast Du denn gespielt? Es gibt bei den "richtigen" Flügeln aktuell drei Serien: die preiswerte CX-Serie, die höherwertige SX-Serie (Nachfolgerin der S-Serie) und die CF-Serie an der Spitze.

    Das habe ich nie gewusst - aber es muss ein älteres Modell gewesen sein. Da ich nie in die "Verlegenheit" kam, mir verschiedene teure Flügel ggf. anschaffen zu können, habe ich mich für die Typenbezeichnungen eben aus gewissen monetären Gründen nie wirklich interessiert.

    Ich war jedoch mehrere Jahre Pianist für einen Kammerchor und habe dort jenes Instrument ganz gut kennenlernen können. Da ich zu Hause ein Klavier von Kawai habe, brauchte ich immer wieder eine gewisse Zeit, mich auf den Yamaha einzuspielen, d.h. vor allem festzustellen, ab wann er im pp nichts mehr von sich gibt. Die Mechanik fühlt sich einfach anders an. Der von mir gespielte Flügel hat auch nicht die volle Länge eines Flügels der in Konzertsälen steht.

    Meine Erfahrung ist: Je höher die Qualität, desto geringer werden die Klangunterschiede zum Steinway. Das ist auch kein Wunder, denn die grundsätzliche Konstruktion ist bei beiden sehr ähnlich (im Gegensatz zu Bösendorfer), und die Qualitätsunterschiede zwischen den Serien betreffen vor allem die Material- und Verarbeitungsqualität. Und wenn man Flügel nach denselben Konstruktionsprinzipien, mit hochwertigsten Materialien (Hölzer, Filze usw.) und derselben handwerklichen Sorgfalt baut, klingen sie halt auch ähnlich. Ich würde mir jedenfalls nicht zutrauen, einen Steinway B im Vergleich zu einem Yamaha CF6 hörend sicher zu identifizieren. Bei einem C6X und mit Einschränkungen bei einem S6X wäre es möglich, aber das liegt nicht an einer anderen "Klangphilosophie" sondern einem anderen Qualitätsniveau.

    Das glaube ich sehr gerne. Du bist da viel dichter dran an der "Klavierszene" und kannst täglich aktuelle Erfahrungen machen. Normalerweise komme ich an die Spitzenmodelle kaum heran. Seit bald 15 Jahren habe ich es hauptsächlich mit der Orgel zu tun....und da gibt es genug Arbeit. Dienstlich spiele ich mittlerweile recht selten Klavier, aber wenn ich muss, dann stelle ich mit Beruhigung fest, dass "es" noch geht...;)


    Auf einer CD-Aufnahme dieses o.g. genannten Chores spielte ich vor 2-3 Jahren einmal einen größeren Flügel als den üblichen Yamaha, der vom Chor in Konzerten verwendet wird. Das große Instrument ließ sich allerdings deutlich schwieriger beherrschen, als der mir bekannte "kleine" Yamaha. Der Übergang zwischen pp, p und mf geriet anspruchsvoller, d.h. man musste aufpassen, dass Töne nicht zu laut herausknallten bzw. gar nicht erklangen. Leider weiß ich nicht mehr, was das für ein Instrument war, aber ich meine, es war kein Steinway. Ich habe es dann hinbekommen, aber es war tatsächlich anstrengender. Da ist mir aufgegangen, dass der kleine Yamaha doch ein ziemlich gutes Instrument ist, wenn man sich auf ihn eingespielt hat.

    Wenn ich etwas sehr intensiv auf meinem Kawai-Klavier übte und es dann auf einem großen Steinway spielen sollte (z.B. ein Instrument welches in der NMH Oslo steht), dann war es eigentlich immer so, dass die vielen Differenzierungen sehr viel natürlicher und leichter fielen, als zu Hause. Das habe ich immer sehr geschätzt.

    Es ist auch so, dass meine Erfahrungen jetzt schon wieder einige Jahre zurückliegen, wenn nicht in einigen Fällen sogar über ein Jahrzehnt. Da mich aber gerade dieses Thema immer sehr interessierte, wirken die Erinnerungen und Erfahrungen auf mich frisch, aber wenn ich darüber nachdenke, dann stelle ich mit Erschrecken fest, wie die Jahre doch schon wieder vergangen sind...


    Bevor ich nach Norwegen zog, habe ich übrigens so manchen interessanten Vergleich beim Pianohaus Kemp in Bielefeld durchführen können. Wenn man in Detmold arbeitet, wird das wohl ein Begriff sein...Google sagt mir gerade, dass es sie noch gibt und dass sie auch Bechstein verkaufen.

    Ich durfte vor vielen Jahren auch zur Einweihung eines neuen Steinway-Flügels in der Musikschule Bielefeld spielen. Jemand beging Steuerhinterziehung und musste sozusagen als Strafe diesen wirklich schönen Flügel an die öffentliche Musikschule spenden. Da haben wir (mein ehemaliger Klavierlehrer und ich) dann an zwei Steinways gespielt - jedes Instrument klang und spielte sich anders.


    Aber als professioneller Pianist verfügt man natürlich über einen ganz anderen Erfahrungsschatz.


    Wie findest Du eigentlich Bechstein-Flügel, btw? Bilde ich mir nur ein, dass die "romantischer" klingen, oder ist da etwas dran?


    LG

    Glockenton