Noch ein kleiner Nachtrag, weil ich das in meinem vorherigen Beitrag vergessen habe zu erwähnen. Rosemary Brown selbst hat zumindest in dem Buch (oder in der Reportage die ich über sie gesehen habe) leider keine Stellung dazu bezogen warum sie nur kleinere Werke veröffentlicht hat (ich schreibe bewusst veröffentlicht weil ich es noch offen lassen will ob ihr solche diktiert wurden aber sie diese aus irgendeinem Grund zurückbehielt) Da Sie zum Zeitpunkt als sie das Buch schrieb noch nicht absehen konnte wann dieses "Projekt" (von wem auch immer) beendet sein wird, hat sie nur angedeutet dass noch mehr kommen wird. Heute wissen wir, dass der Hype nicht sehr lange angedauert hat und nichts Größeres mehr kam. Wie hier schon von ChKöhn erwähnt, sind Behauptungen zu wenig um etwas zu beweisen. Wobei es Brown oder diejenigen die hinter dem Projekt standen eigentlich klar gewesen sein sollte und vielleicht auch war, dass es nie um den endgültigen Beweis gehen kann. Diesen hätte es wohl auch nicht mit einem Klavierwerk in Format eines op.106 von Beethoven oder h-moll Sonate von Liszt gegeben, sondern es wäre sowieso nur um den Grad der Glaubwürdigkeit gegangen. Doch diese Glaubwürdigkeit wird natürlich abgeschwächt indem nur kleinere Klavierwerke veröffentlicht werden. Vielleicht findet sich ja noch irgendwo in den Weiten des Internets ein Interview mit Brown in welchem sie darüber gefragt wird. Ich fürchte nämlich dass sie wohl weniger von Leuten die mit Klassik bewandert sind sondern mehrheitlich von der Boulevardpresse befragt wurde (Stichwort Sensationsjournalismus). Da kommen dann natürlich eher so Fragen wie "Spricht Beethoven auch Englisch?" als kritische Fragen zur Qualität der Werke und warum es nie zu einer Veröffentlichung einer Klaviersonate kam.
Beiträge von âme
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Ich habe mir mittlerweile das längst nur noch antiquarisch erhältliche Buch „Musik aus dem Jenseits“ bei einer Bücherbörse besorgt. Glücklicherweise zu einem annehmbaren Preis (um die 10,- Euro) weil im Regelfall werden hier schon Liebhaberpreise aufgerufen. Ich wollte mir einen Eindruck davon machen was Rosemary Brown im Detail dazu schildert, da auch hier im Forum berechtigte Fragen aufgeworfen wurden und diese vielleicht im Buch teilweise erklärt werden können.
Sie selbst stellt es so dar, als wäre dieses ganze Projekt nie ihr eigener Wille gewesen, sondern eine Art sprituelle Berufung indem Franz Liszt sie aus dem Jenseits heraus kontaktierte und an eine ehemals getroffene Vereinbarung erinnerte. Er soll der Initator dieses Projekts gewesen sein und auch er war es der erst den Kontakt zu anderen bekannten Komponisten ermöglichte. Brown meint, auch wenn es sicher ein Privileg war mit diesen bekannten Komponisten zu arbeiten, war es unterm Strich eher eine Bürde. Nicht nur dass die Übermittlungen sich überwiegend als anstrengend erwiesen, so sei es nicht ihr Naturell sich permanent in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Zudem leidete sie darunter wenn sie teils als Spinnerin, teils als Betrügerin abgestempelt wurde. Angeblich konnte sie zwar von den Auftritten, LP- und Buchveröffentlichungen gut leben aber nicht reich damit werden. Soweit zumindest das was ihre eigene Darstellung anbelangt.
Nach meinem Eindruck den ich aus einer damals produzierten Reportage gewinnen konnte, habe ich eher das Gefühl dass es sich hier nicht um eine narzisstische Persönlichkeit handelt. Brown wirkt im Interview zurückhaltend, antwortet meist nur knapp und das notwendigste. Ihr Erscheinungsbild ist unprätentiös, bieder und schlicht. Die musikalischen Fähigkeiten sollen begrenzt gewesen sein, was Brown zufolge von Liszt beabsichtigt war, denn bei einem musikalischeren Medium hätte die Gefahr bestanden dass sich die Gedanken der Komponisten mit denen des Mediums durchmischen. Das würde zumindest auch einleuchten.
Für mich bleibt es auch vor allem aufgrund des hier schon öfter zu Recht aufgeworfenen Kritikpunkts
ZitatAlfred: „unter den überlieferten Werken gibt es KEIN EINZIGES, das ÜBERRAGEND wäre“
offen. Das bezeugt auch, dass kein einziges dieser Werke in Konzertprogrammen Einzug gefunden hat. Statt Brown etwa neue Klaviersonaten von Beethoven, Schubert oder Liszt veröffentlichte, was sicher zumindest eine viel nachdrücklichere Botschaft gewesen wäre, hat sie ausschließlich kleinere Klavierstücke, vergleichbar mit Schuberts Moments Musicaux oder Beethovens Bagatellen, herausgebracht (und selbst da hinken sie noch etwas hinterher). Das kann, muss aber nicht zwangsläufig eine Widerlegung sein. Theoretisch wäre die Übermittlung für größere Werke zu anstrengend für Brown gewesen, oder die Komponisten wollten mit Absicht ihre besseren Werke zumindest vorerst noch zurückhalten, weil sie fürchteten dass diese dann doch unter dem Namen „Rosemary Brown“ etikettiert werden.
ZitatAlfred „Interessanterweise (und geradezu entlarvend) ist das Fehlen von Werken von Mozart und Bach, sowie Haydn...Hat sie sich mit den Betreffenden nicht vertragen ? Oder wär hier eine Stilkopie zu verräterisch ?“
ZitatModerato „Wieso nur bestimmte Komponisten Rosemary Brown erschienen sind, dafür habe ich keine Antwort“.
Meiner Meinung nach macht es die Sache eher glaubwürdiger als zweifelhaft, wenn hier bestimmte große Namen fehlen (etwa auch Tschaikowsky, Mendelssohn oder Händel) Wenn es nämlich so war, wie Brown behauptet, dann ist davon auszugehen dass jeder der Komponisten weiterhin eine eigene Persönlichkeit und vielleicht auch eigene Ansichten zu diesem Projekt hat. Das darf man sich dann nicht wie willenlose Marionetten vorstellen die nur darauf warten einer englischen Hausfrau permanent Noten mitzuteilen. Und diejenigen die sich nicht beteiligt hatten (warum auch immer) wurden ja auch nicht eines Besseren belehrt. Das Projekt ist im Grunde genommen gescheitert. Skeptiker können diese kleinen Klavierstücke nicht überzeugen und diejenigen die es überzeugen konnte, sind auch schon ohne Brown von einem Leben im Jenseits überzeugt.
Hinsichtlich der Zusammenarbeit gibt es aber eine interessante Buchstelle
„Andere, wie Albert Schweitzer, kommen nur kurz, geben mir ein wenig Musik und kommen offenbar nicht wieder. Mozart, zum Beispiel, war nur dreimal hier“ (13)
Etwas später kann man im Buch wohl einen möglichen Grund erahnen.
„Meine erste Begegnung mit klassischer Musik hatte ich, als ich im Staatsdienst arbeitete. Eine meiner Bürokolleginnen war eine richtige Opernfanatikerin, und ich erinnere mich, daß sie eines Tages verzweifelt jemanden suchte, der mit ihr an diesem Abend ins Salders Wells gehen würde. Sie war eine sehr nette Person, und da sie nicht allein gehen wollte, nahm ich ihr die zweite Karte ab, nur um ihr eine Freude zu machen. Man gab Mozarts ‚Cosi fan tutte‘. Ehrlich gesagt, es gefiel mir nicht besonders. Ich fand die Oper recht amüsant, aber nicht besonders eindrucksvoll. Jedenfalls wurde ich nicht über Nacht zur Opernliebhaberin, und ich konnte einfach nicht verstehen, warum meine Kollegin so begeistert war. Aber selbst heute mag ich nicht jede Art von klassischer Musik. Poulence hat mich ein- oder zweimal besucht und unternommen, mir einige Musikstücke zu übermitteln, aber mir gefiel, ehrlich gesagt, diese Musik nicht, ich finde sie jedenfalls nicht attraktiv.“ (57 f)
Wegen der These des heimlichen Komplizen, da Brown in den 80ern wegen Herzprobleme und Arthritis die Arbeit eingestellt hat. Ausschließen kann man das natürlich nicht. Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass Brown allmählich die Einsicht bekam, dass die kleinen Klavierstücke nicht ausreichen um die Skeptiker überzeugen zu können und da sie angeblich das Privatleben dem öffentlichen Leben um ein vielfaches vorzog, es dann auch damit belassen hat. Bei dieser These müsste aber Brown ein sehr gutes Gedächtnis haben, denn sie wurde ja auch schon vom Fernsehen live Tests unterzogen um spontan Werke mittels Übermittlung niederzuschreiben. Sie hat das erfolgreich bestanden was eine doch gute intellektuelle Leistung ist. Damit hätte aber Brown auch nur die etwas einfältig wirkende Hausfrau gespielt. Also das ganze ist schon ein Mysterium das viele Fragen aufwirft.
Fest steht und das bestreiten auch nicht die Kritiker: Die Stücke haben auffällig stilistische Merkmale zu den zu Lebzeiten verfassten Werken der jeweiligen Komponisten. Andererseits sind diese nur blasse Schatten von deren besseren Werken. Rosemary Brown macht bei ihrer Außendarstellung auch nicht den Eindruck einer besonders gerissenen, intellektuell bewanderten Frau. Entweder war sie somit selbst Marionette einer solchen Person, oder war eine exzellente Schauspielerin, oder konnte tatsächlich Kontakt mit verstorbenen Komponisten aufnehmen (womit dann noch immer das Rätsel um die Qualität offen bliebe) Möglicherweise werden wir es ja selbst im Jenseits erfahren.
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Ich habe einst das Buch zu einem Anlass geschenkt bekommen und mittlerweile habe ich mich zeitweise damit befassen können. Viel mehr um vielleicht neues über Mahler zu erfahren, denn wie sich nämlich herausgestellt hat kannte ich die Informationen über Beethoven schon und Wagner interessiert mich nicht sonderlich. Es ist stark davon auszugehen, dass es sich hier um die Lieblingskomkponisten des Autors Hans-Georg Klemm handelt. Dieser wollte Verbindungsfäden zwischen den drei Komponisten anhand bestimmter Charaktermerkmale ziehen. Ich glaube jedoch dass sich dieses Spiel mit x-beliebigen Künstlern erfolgreich durchführen lassen würde. Man braucht notfalls nur lange genug suchen und findet zwischen irgendwelchen x-beliebigen Komponisten irgendwelche Gemeinsamkeiten. Bei Klemm ist es aber noch viel allgmeiner und geradezu trivial. Etwa wenn „Stimmungsschwankungen“ als ein besonders verbindendes Element herausgehoben wird, so kenne ich kaum eine Künsterlbiographie auf die das nicht zum. in gewissem Maße zutreffen würde. Ebenso die Naturliebe (spätestens seit der Biedermeierzeit kam ja die Natur und das Wandern generell sehr stark in Mode, mir fallen da spontan etwa Schubert, Mendelssohn oder Brahms ein von denen das ebenso bezeugt ist) oder die Empfindsamkeit (gibt es tatsächlich nicht empfindsame Künstler?).
Man könnte das Spiel genauso gut umdrehen. Etwa könnten Wagners und Beethovens Kleidungsstil kaum weiter auseinander liegen. Während angeblich Wagner bei seiner Kleidung geradezu ein Seiden-Fetischist war, rannte Beethoven sehr oft mit einem Mantel durch die Gegend der in unseren heutigen Zeiten nur bei der Bettlermafia gefragt wäre. Wenn man zum. von einem der drei Komponisten noch nie eine ausführlichere Biographie gelesen hat könnte sich das Buch ja lohnen, aber die Anpreisungen des Verlags, welcher das Buch als „originellen Ansatz“ darstellt welcher dazu führe „…die drei großen Musiker in einem vollkommen veränderten Licht erscheinen zu lassen“ kann ich leider nicht nachvollziehen. Ich persönlich bevorzuge auf jeden Fall vollwertige Biographien in denen eine Person im Hauptfkokus steht. Aber ich halte es auch durchaus für schlüssig, dass es für solche Bücher eine Zielgruppe gibt: An klassischer Musik interessierte Menschen die nicht drei Biographien lesen aber trotzdem etwas über die Komponisten erfahren wollen. Positiv ist zum. hervorzuheben dass diese Untergliederung eine gewisse thematische Struktur erzeugt (Liebhaber der chronologischen Schilderung haben da natürlich ihr Nachsehen) und alles schnell und flüssig zu lesen ist.
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Es kommt immer auf den Kontext an, in dem eine solche Aussage steht. Einem Igor Levit, der Beethovens komplette Klaviersonaten aufgenommen hat, zu unterstellen, er hätte keine Ahnung vom Aufbau eines klassischen Sonatensatzes bzw. würde das für unwesentlich erachten, finde ich mit Verlaub gesagt etwas dreist!
Lieber Holger,
du hast nicht dazugeschrieben auf wen sich das bezieht aber mit großer Wahrscheinlichkeit wohl auf mich, da ich sonst keine andere Person erkennen kann, die seine Aussage Kritisch hinterfragt hat. Weil dann ist es eindeutig ein Strohmann-Argument. Ich habe das nie behauptet, im Gegenteil, ich habe geschrieben:
Zitat von âmeMich irritiert das schon ein wenig, dass er, der sich sicherlich auch zum. mit den Klaviersonaten tiefergehend auseinandergesetzt hat
und ich habe nirgendwo den von dir unterstellten Satz nur ansatzweise in irgendeiner Form geschrieben, sondern mich lediglich über diese Aussage gewundert, gerade weil ich ihn für kompetent halte. Ich hab zwar schon geahnt, dass so mancher Levit-Fan dieser kritischen Betrachtung widersprechen könnte, aber dass ich dann solche bissigen Reaktionen bekomme nicht. Ich denke es ist auch mein gutes Recht mir meine Meinung über gewisse Aussagen bilden zu können ohne dass man mir jetzt Dreistigkeit unterstellt, so viel Meinungsfreiheit sollte dieses Forum schon zulassen. Es bestätigt mich aber wieder dass solche Diskussionsthreads nichts für mich sind und werde mich auch endgültig zum. von solchen streitbaren, polarisierenden Themen zurückziehen und es zukünftig nur noch bei gelegentlichen Essays über historische Fakten (da gibt es halt nur den binären Zustand belegbar oder nicht) in größeren Abständen belassen (mehr lässt auch meine Zeit nicht zu) Von meiner Seite aus wurde alles gesagt, wenn etwas davon nicht der eigenen Meinung entsprechen sollte tut es mir leid, ich wollte keinen Levit-Fan damit vergrämen, aber das ist eben Meinungsvielfalt. Ich interpretiere halt gewisse Dinge anders, aber aufgrund von tatsächlich getätigten Aussagen, nicht aus reiner Aversion gegen einen Künstler. Und ich halte es natürlich auch für möglich dass ich ihn falsch interpretiere, ohne Möglichkeit mit ihm selbst darüber zu diskutieren wird sich das aber schwer auflösen lassen. Damit möchte ich es belassen.
Sorry Alfred, ich weiß dir gefallen nicht Mitglieder die zu harmoniebedürftig sind, aber damit musst du bei mir leben.
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Hier möchte ich Einspruch einlegen. Ich bin gerade ungefähr im dritten kompletten Hördurchgang durch Levits GA der Beethoven-Sonaten, und Aufnahmen in dieser Qualität (bezüglich Aufbau, Gestaltung und Phrasierung) bekommt man nicht hin, wenn man Musik auf einprägsame Themen reduziert. Levit hat sich mit dieser Musik zweifelsohne akribisch auseinandergesetzt. Die besagte Doku kenne ich nicht und kann den erwähnten Ausschnitt daher nicht beurteilen, aber man tut der Fünften nicht vollkommen unrecht, wenn man auf die geniale Einprägsamkeit des "Tat-ta-ta-taaa" hinweist (wir dürfen Levit unterstellen, dass ihm die Präsenz einer Durchführung in dem Stück nicht entgangen sein dürfte). Was Künstler wie Levit bei irgendwelchen Promotion-Terminen machen, sollte man nicht allzu hoch hängen - das ist Vermarktung, kein Seminar über das Klavierwerk Beethovens.
LG
Ich hab ja gewusst warum ich mich weitestgehend aus solchen Diskussionsthreads seit längerem zurückgezogen habe
Ist natürlich legtim hier Einspruch zu erheben und hier kann auch jeder andere Sichtweisen haben. Ich bleibe aber bei meiner dennoch, weil ich auch weiß was ich gesehen habe. Dass er sich mit den Werken befasst hat, habe ich ja nicht abgestritten. Das man aber etwas ohne jegliche Überzeugung sagt, egal in welchem Bezugsrahmen, halte ich für eher unwahrscheinlich. Und auf etwas hinweisen oder es als den Kern der Genialität des ganzen Satzes hinzustellen ist schon noch ein Unterschied. Ich weiß nicht mehr mit was er es gleichgesetzt hat, ich glaube mich erinnern zu können mit einem Song von Bob Dylan oder waren es die Rolling Stones? Aber ich bin mir da nicht sicher, soweit ich mich aber erinnern kann war für ihn beides in seiner Genialität gleichwertig. Was das jetzt für jeden Einzelnen bedeutet bleibt jedem subjektiv selbst überlassen, ich habe meine Sichtweise bereits dargelegt.
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Ich habe darüber nachgedacht. Im Prinzip könnte es ja einem Klassikhörer egal sein ob eingängige Melodien der Klassik aus dem viel bedeutungsvolleren musikalischen Kontext genommen und zweckentfremdet werden. Soweit ich weiß ist hier bzgl. des Urheberrechts die Schutzfrist für Beareitungen nicht mehr gegeben. Es gäbe ansonsten zum. im österr. Recht § 21/1 UrhG das Änderungsverbot bzw. Entstellungsschutz und u.a. dem interessanten Satz "...wenn dadurch die geistigen Interessen (Aussagen, Intention) gefährdert werden." Aber fraglich ob es prinzipiell (mit Schutzfrist) ausreichen würde, wenn ein prägnantes Motiv bzw. Thema aus dem mehrstimmigen Satzbau, oder etwa aus einer Sonatenhauptsatzform herausgerissen wird. Obwohl als Beispiel u.a. Klingeltöne gelistet wird. Gut, viel besser ist das meiste aus dem "Easy Listening"-Bereich ja im Grunde genommen nicht (auf Wikipedia findet man folgende Definition: "...ist Musik, die nebenbei laufen kann und unterschiedliche Funktionen erfüllen soll: Zerstreuung, Ablenkung, Entspannung,...") Rieu & Co machen es ja auch nicht weil sie die edelmütige Absicht besitzen klassikferne Menschen an diese Musik heranzuführen, es ist ja recht offensichtlich, dass man sich hier mangels eigener kreativer Ideen sehr einfach bei Material bedient auf dem keine Schutzfrist mehr liegt. Außerdem ist es sicher wohl ganz förderlich am Start seiner Karriere mit klingenden Namen zu werben.
Es ist halt aber so, "klassische Musik" ist ja kein geschützer, klar definierter Begriff und manche Menschen dehnen den halt leider auch ziemlich stark aus. Manche glauben vielleicht, das müsste ja klar sein, dass Rieu, die Crossover-Garrett-Alben, Einaudi, etc. nicht zur Klassik gehören. Aber zu meiner eigenen Überraschung ist dieser Irrglaube unter dieser Zielgruppe nicht mal so selten. Ich hörte bzw. las schon des Öfteren man höre ja u.a. auch Klassik wie etwa "Bocelli, Rieu, Einaudi,..." Zum. ich möchte als "Klassikhörer" nicht in die Schublade mit dieser Musik geworfen werden (wäre auch etwas mühsam meine Vorstellung davon immer extra zu erwähnen
) auch wenn ich nicht nur Klassik höre, aber halt eben nicht diesen "Kitsch" (was meine Empfindung davon anbelangt). Mich stört es auch ein wenig wenn klassische Musiker hier versuchen die Klassik nur auf einprägsame Melodien und Motive zu reduzieren. So schätze ich etwa Igor Levit als Klavierspieler durchaus, sah aber einmal in einer Doku wie er eben genau dieses macht und etwa den 1. Satz aus Beethovens 5. nur auf das Klopfmotiv reduziert und mit gewissen populären Songs gleichstellt. Kein Wort von irgendeiner Motiventwicklung, einer Durchführung mit zwei kontrastierenden Themen usw.,...welche sehr wichtig für diese Musik sind um deren Genialität erst möglichst vollumfassend erfassen zu können. So wundert es dann nicht, wenn er meist als Kostprobe im Fernsehen "Für Elise" spielt und das als eines der bedeutensten Werke Beethovens anpreist. Mich irritiert das schon ein wenig, dass er, der sich sicherlich auch zum. mit den Klaviersonaten tiefergehend auseinandergesetzt hat (und er machte ja auch mal eine Podcastreihe damit in der er aber auch mitunter solche Vergleiche tätigte), die besonderen Merkmale der Klassik außen vor lässt. In der Wirtschaft würde man das USP (Unique Selling Proposition) nennen, denn Melodien (mitunter auch einprägsame) findet man wie er es ja selbst dargestellt hat, auch in diversen anderen Musikrichtungen. Aber gut, das wird wohl sein Zugang zu der Klaviermusik sein, die einprägsamen Themen. Für mich kratzt so ein Zugang aber nur an der Oberfläche.
Was ich eigentlich überlegt habe...sollte man Mainstreamhörer tatsächlich an die Klassik heranführen wollen, ob es dann nicht sinnvoller wäre den Ansatz eben gerade nicht bei der Melodie anzusetzen, sondern anhand der Struktur, die klanglichen Stilmittel aber belässt. Denn ich glaube hier liegt der eigentliche Anküpfungspunkt, die Hürde. Damit meine ich, das etwa Synthies, (E-)Gitarren, (E-)Schlagzeug, (E-)Bass, ein moderner Gesang und dergleichen genauso belassen werden, aber ein vollkommener Verzicht auf (Intro), Strophe, Refrain (evtl. Bridge), Strophe, Refrain stattfindet, hier etwa auch beispielsweise Anleihen an die Sonatenhauptsatzform gemacht werden, zwei kontrastierende Themen, oder zum. eine bestimmte Entwicklung wie in manchen klassischen Liedern, Arien. Der Klang für sich würde ja dann die Gewohnheit der Mainstreamhörer treffen, welche aber mit einem weitaus anspruchsvolleren Inhalt konfrontiert wären der nichts mit dem üblichen Schema "nette Melodie in das Song-Konzept pressen" zu tun hätte. Würde es diesen "Easy Listening/Crossover"-Musikern tatsächlich um eine Heranführung gehen wäre diese Herangehensweise weitaus sinnvoller, aber uns ist allen klar, das es eigentlich nicht darum geht. Ganz abseits davon, sollte es nicht unsere Aufgabe sein klassikferne Menschen missionieren zu wollen, aber es waren nur prinzipielle Gedanken wie eine Heranführung besser funktionieren würde, ein Gedankenspiel.
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Rondo Veneziano hat seinerzeit Eigenkompositionen des Gründers und Leiters Gianpiero Reverberi gespielt. An Klassik haben die sich in ihrer Blütezeit nicht rangemacht.
Ich weiß nicht was Blütezeit hier bedeutet, da ich die nie verfolgt habe, aber ich weiß zum. dass sie so Art Medleys in ihrem üblichen Stil von Vivaldi, Bach und sogar Mozart gemacht haben, etwa:
und deswegen dachte ich dass evtl. denen ihre Fans das auch inspiriert haben könnte. Ich habe übrigens Garrett nicht als Gesamtkonzept und Künstler bewertet, das bezog sich nur auf diese Veröffentlichung. Dem letzten Absatz kann ich uneingeschränkt zustimmen und ist auch das was ich mit der Reduzierung von Klassik meinte, man baut so viel an Substanz ab dass nur noch ein Skelett davon übrig bleibt, in solchen Fällen halt eine eingängige Melodie. Es wäre schon bedauerlich, wenn die Klassik nur auf diese reduziert werden würde. Im Grunde genommen wird sie in das Korsett von "Easy Listening" (auch bei Rieu) hineingezwängt, man kann also nicht wirklich davon sprechen dass solche Leute mit Klassik tatsächlich in Berührung kommen, sicher noch am ehesten bei Rondo Veneziano wenn auch da ziemlich abgeflacht (siehe Beispiel).
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Vielleicht macht sie die Klassik ja wirklich ein wenig populärer ....
Ich habe jetzt ein wenig in die Hörbeispiele hineingehört. Das Problem ist dass hier die Klassik auf ähnliche Längen der Popularmusik (3 bis 4 Minuten) und Melodien reduziert wird. Dazu wurde die ursprüngliche Instrumentierung durch neue Arrangements (mit etwa Gitarrenbegleitung) ersetzt und vorwiegend Stücke mit langsamen Tempi gewählt (was Kalli zu Recht als seicht, schmachtend bezeichnet). Das was beispielsweise mich an der Klassik fasziniert wird damit vollkommen außen vor gelassen, nämlich sich bei mehrsätzigen Werken (oder auch längeren Einzelstücken) einer vielschichtigen emotionalen Geschichte mit eventuell größeren Spannungsbögen, auf jeden Fall aber verschiedensten emotionalen sich ändernden Stimmungen und mitunter einfallenden Kontrasten hinzugeben (mal jetzt die detaillierten Rafinessen in der Ausarbeitung ganz beseite gelassen) Ich sehe somit nicht die eigentliche Stärke der Klassik damit repräsentiert...ohne leugnen zu wollen dass es hier auch großartige Melodien gibt, was ich aber weniger als Alleinstellungsmerkmal herausstreichen würde. Die Frage die sich dann stellen würde, ob ein Mensch der bislang nicht viel mit Klassik anfangen konnte, sich dadurch animiert fühlt etwa eine komplette Beethoven oder Mahlersinfonie, das Violinkonzert von Brahms oder selbst nur die kompletten vier Jahreszeiten von Vivaldi anzuhören? Es wäre interessant darüber einmal Studien durchzuführen, oder kennt schon jemand so eine? Gab es solche Effekte beispielsweise bei Rondo Veneziano (in Zusammenhang mit Vivaldi und Bach)?
Ich glaube zum. nicht dass diese konkrete Veröffentlichung jüngere, sondern eher ältere Generationen ansprechen wird, denn die durchwegs langsamen Stücke, mit plattgedrückter Dynamik und soweit ich das rausgehört habe ohne irgendein Schlagzeug wird die DJ soundso, Katy Perry, Beyonce...und wie sie alle heißen-Hörer (selbst Helene Fischer) nicht sonderlich in Begeisterungsstürme versetzen. Es ist halt wie so oft, die Macht der Gewohnheit ist in vielen Bereichen des Lebens sehr schwer zu durchbrechen und nur unter gewissen Umständen möglich. Ich denke die Begeisterung für Klassik kann viel besser in der Kindheit im Elternhaus oder über mitreißenden Unterricht erfolgen, später wird die jahrzehntelange Gewohnheit und Prägung sehr schwer zum. erweitert bzw. ergänzt werden können.
gut eigentlich wollte ich hier dazu nichts schreiben und hab mich jetzt dazu doch hinreißen lassen.
Soll eine Ausnahme bleiben.
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Mozart und Hoffmeister - und die Legende vom kommerziellen Misserfolg (Teil 2)
Nach Nissens Überlieferung hatte Hoffmeister mit Mozart auch einen Vertrag geschlossen, demzufolge der gebürtige Salzburger drei Klavierquartette komponieren sollte. Die Biographie gibt an, dass diese Vereinbarung nach der Veröffentlichung des g-moll Quartetts KV 478 wieder gelöst wurde, obwohl Hoffmeister dennoch einen großen Anteil des Honorars für alle drei Werke ausgezahlt haben soll. Viele nachfolgenden Biographen nahmen somit an, dieses Werk sei damals ein kommerzieller Misserfolg gewesen, obwohl das nicht eindeutig aus der Nissen-Biographie hervorgeht. Noch heute ist es als eine gängige, oft nur wiedergekäute Behauptung (ohne empirische Evidenz) in vielen Werkbeschreibungen im Internet zu finden. So schreibt etwa der Kammermusikfuehrer.de :“ Dies mag erklären, warum der Verleger Franz Anton Hoffmeister, der den Komponisten ursprünglich um drei Klavierquartette zur Veröffentlichung gebeten hatte, von diesem Auftrag zurücktrat, als sich das erste von Mozart gelieferte Quartett in g-Moll nur schlecht verkaufte.“
Eine zeitgenössische Kritik vermittelt jedoch einen anderen Eindruck (siehe auch Ridgewell 2010 „Biographical Myth and the Publication of Mozart’s Piano Quartets“), indem hier angegeben wurde, dass die Veröffentlichung schnell Neugier erregte und vielerorts aufgeführt wurde. Wenn man die bei Hoffmeisters erschienenen weiteren Mozart-Werke heranzieht, so könnte man argumentieren (wie es u.a. schon Einstein und Solomon taten) dass ihm ein gewisser künstlerischer Anspruch wichtig gewesen sein könnte. Zumindest kann man es so deuten, wenn man die ebenso von ihm publizierten Werke, das Streichquartett KV 499, oder Die Fuge in c-moll für zwei Klaviere KV 426 (sowie die Bearbeitung für Streichorchester KV 546) heranzieht und dem gegenüberstellt, dass die zur gleichen Zeit entstandenen eingängigeren Werke, die Klaviersonate C-Dur „Sonata facile“ KV 545, oder die Sonate für Klavier und Violine F-Dur KV 547, nicht bei Hoffmeister herauskamen. Mozart komponierte aber immerhin noch ein zweites Klavierquartett (Es-Dur KV 493) dessen Druck sein üblicher Verleger Artaria übernahm. Obwohl schon am 3. Juni 1786 fertig gestellt, wurde dieses erst im Juli 1787 veröffentlicht. Zu dem einst geplanten dritten kam es nie. Nach dem Mozart Handbuch (welches auch die These des „verlegerischen Fehlschlags“ vertritt) komponierte und brachte Hoffmeister zu dieser Zeit selbst sechs Klavierquartette heraus und es stellt sich für mich die Frage warum er dies tun sollte, wenn schon zuvor das g-moll-Quartett Mozarts keinen Anklang gefunden hätte. Ridgewell vermutet, dass Constanze mehr wusste und nach Ableben ihres zweiten Ehemanns nur vage Andeutungen an den Vervollständiger der Biographie, Johann Heinrich Feuerstein, weitergab. Zumindest ist in einem Fall durch Briefe belegt, dass Constanze noch zu Mozarts Lebzeiten in dessen Auftrag mit Hoffmeister verhandelte, als dieser auf Reisen war.
Wenn man sich die Details zur Geschäftstätigkeit von Hoffmeister näher anschaut, so scheint es nämlich viel plausibler, dass die Ursachen in fehlenden Druckkapazitäten lagen. Dieser musste etwa hin und wieder seine Abonnenten vertrösten, er könne die geplanten Werke noch nicht veröffentlichen, da die Nachfrage die Druckkapazitäten weitaus übersteigen würde. Es kam zu Verspätungen von einigen Monaten. Zudem hatte der Verleger Anfang 1786 finanzielle Probleme. Des weiteren führt Ridgewell aus, dass es mehrere Indizien für eine weite und rasche Verbreitung von KV 478 gibt, welche er ausführlich in seiner Publikation behandelt.
Das G-Dur Klaviertrio KV 496 wurde laut Mozarts selbst geführtem Werkverzeichnis am 8. Juli 1786 vollendet und wurde zusammen mit Haydns Trio Hob. XV:10 ebenso von Hoffmeister veröffentlicht. Auch wenn Hoffmeister noch weitere Werke Mozarts herausbrachte, blieb es auch nur bei diesem und somit einem Klaviertrio. Wie beim Klavierquartett Es-Dur KV 493, wurden die anderen Trios KV 502, KV 542 und KV 548 im November 1788 bei Artaria veröffentlicht. Interessant ist, dass das noch in dieser Reihe fehlende Trio KV 564 das erste Mal (durch Storace) in London publiziert wurde. Artaria hatte wohl die bessere Ausstattung und wäre allem Anschein nach immer eine Möglichkeit gewesen. Dass Mozart gelegentlich bei Hoffmeister drucken ließ, muss für Mozart andere Vorzüge gehabt haben. Ridgewell vermutet dass ein regelmäßiges Einkommen per Abonnementsystem gelockt habe, anderersetis dürfte aber gerade das nicht reibungslos funktioniert haben. Es sei denn Mozart sah den Vorteil darin, dass er leicht an Vorschüsse kommen konnte. Dann wären diese aber mündlich erbeten worden, oder Briefe an Hoffmeister haben sich nicht erhalten, da die oben erwähnte schriftliche Geldbitte (als Bettelbrief lässt es sich schwer deklarieren) die einzige zum. erhaltene ist. Somit entspringt die Aussage auf Wikipedia „Wolfgang Amadeus Mozart […] ersuchte Hoffmeister immer mal wieder um Vorschuss“ der reinen Fantasie des Verfassers. Belegt ist nur dieser Brief und aus diesem geht nicht einmal eindeutig hervor, ob es tatsächlich ein Vorschuss sein soll. Es ist lediglich eine Vermutung.
Bei den Sonaten für Klavier und Violine in Es-Dur KV 481 und A-Dur KV 526, welche in Hoffmeisters Pränumerationsreihe inkludiert waren, ist hingegen eine recht erfolgreiche Zusammenarbeit zweifelsfrei erkennbar. Es erschienen noch innerhalb kürzester Zeit Nachdrucke bei diversen deutschen Verlagen. Interessant dazu eine zeitgenössische Kritik, aus der hervorgeht dass das anspruchsvolle Publikum Mozart wohl eher in Verdacht sah, dass dieser sich einem Mainstreamgeschmack anbiedern könnte „Nur wäre zu wünschen, Herr M. liesse sich weniger vom Modegeschmack unsers Zeitalters fesseln. Seine Arbeiten würden dadurch noch einen allgemeineren und zugleich dauerhafteren Werth erhalten.“
Die Forschung nimmt an, dass das Streichquartett D-Dur KV 499 von Hoffmeister angeregt wurde. Dieses wurde mit jeweils einem Quartett von Vanhal sowie vom Verleger selbst beim achten Heft, 1. Jahrgang der „Musique de la chambre“ ergänzt und trägt heute den Beinamen „Hoffmeister-Quartett“. Das Quartett wurde nicht, wie auf Wikipedia behauptet, Hoffmeister gewidmet. Laut NMA weiß man nicht viel über die Entstehung. Mozart selbst trug es in sein „Verzeichnüß / aller meiner Werke“ lediglich mit „Ein Quartett für 2 Violin, Viola und Violoncello“ ein und irgendeine Dedikation geht auch nicht aus dem originalen Autograph hervor.
Im Flötenquartett A-Dur KV 298 erlaubte sich Mozart auch einen Seitenhieb auf seinen Verleger. Im Dunstkreis der Familie Jacquin entstanden (mehr zu dieser in meinem ehemaligen Beitrag bei „Mozarts Freunde in Wien“) zog dieser in einer angedachten musikalischen Parodie, Hoffmeisters Lied „An die Natur“ heran, dessen Thema variiert und dem jeweiligen Charakter der Jacquin-Musikanten angepasst wurde.
Insgesamt brachte Hoffmeister 11 Erstveröffentlichungen von Mozarts Werken heraus (KV 426, 478, 481, 496, 499, 501, 511, 521, 526, 533/494, 546), die Parodie auf sein Lied gehört nicht dazu. Schlussfolgernd zu dieser Thematik lässt sich feststellen, dass die Geschichte der kommerziell erfolglosen Veröffentlichungen unter Hoffmeister wohl denjenigen dient, die damit noch den Mythos des armen, verkannten Mozart befeuern wollen, haltbar ist diese jedoch nicht.
Hoffmeister verlegte auch Werke Beethovens (u.a. die „Pathetique“ Klaviersonate op. 13). Der damals erst am Beginn seiner Karriere stehende schrieb dem Verleger am 15. Dezember 1800 u.a. die zum. für heutige Zeiten etwas seltsam anmutende Bemerkung „…da sie weder jud noch italiener, und ich auch kein's von Beyden bin, so werden wir schon zusammen kommen.“
Am 9. Februar 1812 starb Franz Anton Hoffmeister im Haus Haarmarkt 778, heutige Rotenturmstraße 14. Angeblich befand sich hier auch einst das erste Wiener Kaffehaus, welches am 17. Jänner 1685 von Johannes Theodat eröffnet wurde. Die zwei an dieser Stelle gestandenen Gebäude wurden um 1840 herum demoliert, der Nachfolgebau ist bis heute erhalten geblieben.
Bildquelle: wikimedia.org
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Mozart und Hoffmeister - und die Legende vom kommerziellen Misserfolg (Teil 1)
Hinsichtlich des morgigen 268. Geburtstags Hoffmeisters dachte ich mir ich schreibe auch einmal über ihn und seine damalige Verbindung zu Mozart.
Hoffmeister begann mit seiner Verlagstätigkeit, indem er sich mit dem Buchverleger Rudolf Gräffer bzw. Graeffer zusammentat. Eine Anzeige der Wiener Zeitung vom 24. Jänner 1784 lautet:
„Der Musikkapellmeister Franz Anton Hoffmeister hat die Ehre allen in- und ausländischen Musikkennern und Liebhabern anzuzeigen, daß er sich entschlossen habe, auf eigene Kosten und unter seiner Aufsicht alle seine musikalische Arbeiten gestochener heraus zu geben. Sein öffentlicher Verlag ist hier in Wien in der Rudolf Gräfferischen Buchhandlung am Jesuiterplätze.“
Er selbst bezog zunächst ein Quartier in der Vorstadt Hungelbrunn, Haus No. 3 Gartengebäude (dürfte nach dem Plan von Nagel 1780 etwa Anfang der heutigen Johann-Strauß-Gasse, 4. Wiener Gemeindebezirk gelegen haben, quasi quer dazu, hinter sich nur Gärten. Heute alles verbaut) und übersiedelte 1789 in die Stadt (Herrengasse No. 26, 1819 mit Nachbargebäuden demoliert, diese befanden sich beim heutigen Gebäude Nr. 17, 1. Bezirk) um dort auch sein eigenes Geschäft aufzumachen.
Ab 1785 verlegte er vereinzelte Werke von Mozart und anderen Komponisten. „Nunmehro aber habe ich mich entschlossen, den Liebhabern der Musik einen Plan vorzulegen, wodurch sie im Stande sind, sich in etlichen Jahren eine ganze Bibliothek von Originalmusikalien anzuschaffen […] Zu jedem Fache habe ich mich mit unsern besten hiesigen, Haydn, Mozart, Wanhall, Albrechtsberger, Pleyel, Mitscha, v. Ordonnez &. &. wie auch ausländischen Meistern nebst meinen eigenen Arbeiten bereits einverstanden, um von Monat zu Monat neue Produkten zu erhalten.“
Hoffmeister ging es darum auf Vorauszahlungsbasis eine Abonnementserie mit monatlich neu erscheinenden Werken von bestimmten Komponisten herauszubringen. Er versprach, dass es sich ausschließlich um Erstveröffentlichungen und keine Nachdrucke handeln solle. Dieses Abonnementsystem war zum. für Wien damals neu. Den monatlichen Intervall musste der Verleger aber bald auf wesentlich größere Abstände abändern. Mehr dazu in weiterer Abfolge.
Bei der Arbeit an dem am 23. Dezember 1785 uraufgeführten Es-Dur Klavierkonzert KV 482 zeigten sich erstmals finanzielle Schwierigkeiten bei Mozart. Ein am 20. November 1785 verfasster Brief ist nur auf den ersten Blick ähnlich zu den späteren Bettelbriefen an Mozarts „ächten Freund“ Michael Puchberg:
liebster Hofmeister! –
Ich nehme meine zuflucht zu ihnen, und bitte sie, mir unterdessen nur mit etwas
gelde beÿzustehen, da ich es in diesem augenblick sehr nothwendig brauche. – dan bitte ich sie sich mühe zu geben mir so bald als möglich das bewusste zu verschaffen. – verzeihen sie daß ich sie imer überlästige, allein da sie mich kenen, und wissen wie sehr es mir daran liegt daß ihre sachen gut gehen möchten, so bin ich auch ganz überzeugt daß sie mir meine zudringlichkeit nicht übel nemen werden, son=dern mir eben so gerne behülflich seÿn werden, als ich ihnen.Mozart war sich wohl der gegenseitigen Abhängigkeit bewusst (anders als bei Puchberg, der nur hoffen konnte, dass er das geliehene Geld hoffentlich wieder zurückbekommt) So Sätze wie „dan bitte ich sie sich mühe zu geben mir so bald als möglich das bewusste zu verschaffen“ und „so bin ich auch ganz überzeugt daß sie mir meine zudringlichkeit nicht übel nehmen werden“ hätte sich Mozart bei Puchberg niemals herausgenommen. An den Wiener Tuchhändler wurden viel eher verzweifelt, mitleidserhaschende Apelle gerichtet. Somit unterstreicht das „…als ich ihnen“ am Schluss sehr gut, dass er Hoffmeister nochmal daran erinnern wollte, dass dieser ihn noch für seine Geschäfte braucht, oder ihm sogar etwas schuldig war.
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In der Hoffnung, dass es wenigstens Mitleser abseits der Tamino-Mitglieder gibt, welche sich für dieses Thema interessieren, möchte ich den noch versprochenen Nachtrag bzgl. des Schubert-Hauses in Gmunden nachreichen. Die sehr schlichte Fassade des Hauses, die in keinster Weise an die Biedermeier oder älteren Architekturstile erinnert, hat in mir Zweifel aufkommen lassen, ob es sich dabei tatsächlich um den Originalbau handelt.
Oliver Woog beschreibt das Gebäude in „Diese göttlichen Berge und Seen – Franz Schuberts Aufenthalte in Oberösterreich , Salzburg und Umgebung“ folgendermaßen:
„Original mit diversen Modernisierungen. Der historischen Bedeutung unangemessener schlechter, unrestaurierter Zustand. Schon 1913 bemerkte Otto Erich Deutsch, dass das Haus geschmacklos renoviert wurde.“
Woog schreibt auch, dass Schubert möglicherweise schon 1819 oder 1823 zum ersten Mal Gmunden besuchte. Man erfährt in seinen Abhandlungen auch weitere interessante Details. So geht aus einem am 19. Mai 1828 verfassten Brief von Traweger an Schubert hervor, dass Schubert noch in seinem Todesjahr vorhatte Gmunden wieder zu besuchen. Die bereits schon in meinem Text erwähnte fehlerhafte Angabe der Gedenktafel, soll auf den ebenso bereits ausführlich abgehandelten Brahmsfreund Viktor Miller-Aichholz zurückgehen. Zunächst mit der bereits falschen Angabe 1825-1826, welche im Laufe der Zeit ausgetauscht wurde (aber nicht von Miller-Aichholz, möglicherweise von der Stadtgemeinde) um den Schwindel nochmals um ein Jahr zu erhöhen (1825-1827). Ein Schelm wer böses dabei denkt kann ich da nur sagen.
Es gäbe noch mehr bzgl. Schubert zu ergänzen, was aber dem scheinbar recht bescheidenen Interesse an dem Thema nicht angemessen wäre. Außerdem lässt es sich für jeden Interessierten in der o.a. Publikation leicht nachlesen.
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Lieber "Hart",
auch von mir ein Dankeschön, vor allem für die (zum. für ein Forum) ausführliche Lebensdarstellung von Anton Schindler. Wobei ich hier auch besonders die ausgewogen und wertfreie, aber dennoch wo notwendig auch kritische Betrachtung daran schätze. Da ich mich bisher mit Anton Schindler nur im näheren Beethoven-Kontext befasst habe sind mir manche biographischen Details auch neu. Noch ein paar Anmerkungen/Ergänzungen zu Schindlers Kontakt zu Beethoven. Vor allem ist eine Anstellung als Sekretär zum. bis 1820 schon von daher nicht plausibel, da bis zu diesem Jahr noch Franz Oliva Beethovens Sekretär war (und in den Konversationsheften der betr. Zeit geht auch ein sehr reger Kontakt mit Oliva hervor) Die Beethoven-Forschung geht auch eher davon aus, dass dies erst ab 1822 der Fall gewesen sein könnte, da sich herausstellte, dass der erste für echt befundene Eintrag in einem seiner Konversationshefte im November 1822 stattfand (also etwa 7 Jahre später als von Schindler vorgetäuscht wurde). Ab 1819 ist immerhin ein oberflächlicher, gelegentlicher Kontakt denkbar, da Schindler ab 1817 vom Rechtsanwalt Dr. Johann Baptist Bach angestellt wurde, welcher wiederum ab 1819 Beethoven in rechtlichen Angelegenheit beriet. Schindler ist für mich eine tragische Figur der Musikgeschichte, denn wie die Beethovenforschung Bonn auch feststellt: "In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch herausgestellt, daß viele seiner Angaben nicht korrekt sind und manche Fakten von ihm sogar ganz erfunden wurden". Das ist auch von dem her bedauerlich, da er das nicht notwendig gehabt hätte. Denn er hatte zweifellos in Beethovens letzten Lebensjahren (bis auf die Zeit, bei der Karl Holz von Beethoven als Sekretär bevorzugt wurde) einen engen Kontakt mit ihm und war ohnehin ein bedeutender Zeitzeuge und darüber hinaus nach seinem Tod Besitzer bedeutender Originaldokumente (wie auch von dir erwähnt, leider teilweise vernichtet). So aber hat man verständlicherweise ein generelles Misstrauen gegenüber seinen unbelegten Angaben, selbst wenn diese in manchen Fällen stimmen sollten.
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Karl (oder Carl) Goldmark
Zu Zeiten Mahlers ein großer Name, werden wohl einige nichts oder kaum etwas von ihm kennen. Deswegen hier gleich eine Möglichkeit hineinzuhören: Seine 2. Sinfonie in Es-Dur op. 35, angeblich auch „Gmundner Sinfonie“ genannt. Zumindest behauptet das Gmunden selbst, ansonsten ließ sich das bei meinen Recherchen noch nicht bestätigen. Ich habe zufällig entdeckt, dass ich diese Einspielung kurioserweise in meiner Sammlung habe (zugegeben bis zu dieser Schrift ungehört) und im Booklet konnte ich auch keinerlei Hinweise darauf finden.
Wenn ich beispielsweise den 1. Satz heranziehe, so ist eine Nähe zu Brahms vor allem in den Tuttis unüberhörbar, hingegen könnte das Seitenthema meiner Ansicht nach gut von einer verschollenen frühen Schubert-Sinfonie stammen. Kurz erinnern die Streicher-Legati in der Coda wiederum etwas an Richard Strauss (im Booklet werden andere Vergleiche gezogen wie etwa im Scherzo Mendelssohn). Die Sinfonie hat insgesamt sowohl ihre gelungenen, als auch durchwachsenen Momente. Zumindest bei mir hinterlässt sie insgesamt keine bleibenden Eindrücke (vielleicht auch ein wenig der Interpretation geschuldet?). Aber immerhin eine hörbare Alternative zu dem Klassik-Mainstream, nicht mehr nicht weniger.
Um seine ehemalige Popularität und Anerkennung zu veranschaulichen ein Zitat aus dem Essay „Carl Goldmark und der Antisemitismus“ von Gerhard J. Winkler: „Hätte man um 1910 einen Österreicher nach den größten Opernkomponisten seiner Gegenwart gefragt, hätte er neben Richard Strauss vermutlich seinen Landsmann Carl Goldmark genannt. Zeitgenossen wie der Brahms-Biograph Max Kalbeck standen nicht an, Goldmark eine ‚europäische Zelebrität‘ zu nennen; Richard Specht bezeichnete ihn zu dessen Tod sogar als den ‚Mittelpunkt‘, das ‚Herz‘ der österreichischen Musikszene; um die Jahrhundertwende war der Komponist Gegenstand eines wahren ‚Goldmark-Kultus‘, und selbst Karl Kraus bezeichnete ihn als den größten lebenden Musikdramatiker seit Richard Wagner“.
Seit 1871 soll er angeblich bis zu seinem Tod jeden Sommer und Herbst in Gmunden, Herakhstraße 15 gewohnt haben. Somit war diese Wohnstätte im übertragenen Sinne schon wie eine Art Zweitwohnsitz, welcher er neben seinen Wiener Wohnungen über mehrere Jahrzehnte treu blieb (sein Sterbehaus liegt im 2. Wiener Gemeindebezirk, Josef-Gall-Gasse 5).
Zu der folgenden dazu passenden Erinnerung kann ich leider wenig sagen. Bedauerlicherweise geht nämlich nicht genau hervor von welcher Person das beschrieben wird, eventuell die am Anfang der Abhandlung kurz erwähnte Schülerin Goldmarks, Karoline v. Gomperz-Bettelheim.
„Mehr als vierzig Jahre lang ist er an den Traunsee gekommen und hat dort in einem an der Fahrstraße gelegenen Häuschen im Kranabeth zwei einfache, ebenerdige Zimmer bewohnt, die vermutlich ein tantiemenschwerer Operettenkomponist heutzutag zu gering für seinen Chauffeur finden würde. Goldmarks Liebe für dieses mehr als anspruchslose Quartier hat Gegenliebe gefunden. Sein vor ihm geschiedener Hausherr hatte zu seiner Überraschung letztwillig verfügt, daß Goldmark nie gekündigt werden dürfe, und es heißt, daß die Wohnung des Meisters nun in ein Museum verwandelt werden soll. Das erstemal kam Goldmark Anfang der Siebzigerjahre meiner Familie zuliebe nach Gmunden, und er fühlte sich da von Anbeginn so wohl, daß er fortan jahraus, jahrein bis tief in den Spätherbst und Vorwinter in seliger Abgeschlossenheit in seiner Kranabether Klause arbeitete. In besonders liebem Andenken steht mir der Sommer, in dem ich, zu meinem letzten Rigorosum rüstend, mit meiner guten Mutter bei der »Loderbäuerin« hauste. Vormittags wurde fleißig geschanzt, mittags trafen wir drei uns zu Tisch hoch über der brausenden Traun im »Goldenen Brunnen«. Dann kam Goldmark regelmäßig zum schwarzen Kaffee, zum »Dreier« und der sich immer erneuernden Zigarre in unser Puppenstübchen, Behagen verbreitend, wie kaum ein anderer. Nach dem Tarock ging's tagtäglich über den Gmundner Berg, dessen Sohle damals noch kein Schienenstrang durchschnitt. Bei hellem Himmel hob sich der Traunstein und das Tote Gebirge bis zum Hohen Priel immer gewaltiger heraus; bei besonderem Wolkenstand erlebten wir mehr als einmal Felsenglühen, das uns mächtiger packte als Alpenglühen in der Fusch. Der Riesenblock des Traunsteins glich minutenlang einem ungeheuren, über dem grünen Seespiegel purpurrot aufflammenden Eisenklumpen, bis er sich jählings aschgrau, leichenfahl entfärbte. Es fiel angesichts dieses einzigen Naturschauspiels keinem von uns ein, Worte zu machen. Mir genügte es, Goldmark im Auge zu behalten, wie er sich schweigend mit den Blicken förmlich festsaugte an dem Farbenspiel von See, Gebirge, Obstbäumen, Matten und Ackerland. Nicht weniger scharf achtete er auf die sauren Tagewerke und seltenen Lustbarkeiten der Bauernschaft, auf fluchende Fuhrleute, jodelnde Sennerinnen und so manchen auf dem Altmünsterer Tanzboden mit Schnadahüpfeln und Raufereien ausgehenden Festschmaus, so daß ich, wenn immer – das letztemal bei der Gedenkfeier des Tonkünstlerorchesters – seine gelungenste Symphonie »Ländliche Hochzeit« laut wird, an Goldmarks Gmundner Gänge denken muß. Wie Alpenluft weht es uns aus dieser 1875 entstandenen Schöpfung an: Jauchzen und Dörpertanz, Liebesklage und Liebeslust unseres Bergvolkes erneut sich künstlerisch gesteigert in Goldmarks Pastorale“.
Es liegt natürlich nahe, dass sich Goldmark auch mit Brahms während der Sommeraufenthalte des Hamburger Komponisten traf. Sie machten schon 1878 eine gemeinsame Italienreise. In einem Brief vom 7. September 1890 an Olga von Millzer zu Aichholz antwortete Brahms auf deren Einladung: „Sehr geehrte Frau. Verbindlichen Dank, daß Sie mich so liebenswürdig erinnern. Wenn nichts Besonderes dazwischen kommt, denke ich am 12. mit dem 12 Uhr-Zug hinüber zu fahren und freue mich Sie alle und Goldmark zu sehen. Mit herzlichem Gruß. Ihr sehr ergebener Johannes Brahms.“
Die beiden damals sehr bekannten Komponisten, wurden regelmäßig von der Familie Miller-Aichholz eingeladen, wie auch die Tagebucheinträge der Hausherrin bezeugen. Etwa am 8. September 1891: „Um 12 Uhr fuhren Victor und Gänsbacher am Bahnhof von wo sie um ½ 1 Uhr mit Brahms und Mandyczweski zurückkamen. Wir saßen noch etwa eine Stunde im Garten, dann kamen Goldmark, Holbein und Heß und es wurde gespeist.“ oder 27. September 1891: „ […] Nachdem Victor mit Brahms hier war, und wir etwa ¼ Stunde noch vor dem Haus saßen, erhob sich ein Wind der bald so arg wurde, daß wir in’s Zimmer gingen. Goldmark’s mit Schmerzen erwartet kamen gegen ¾ 2 Uhr, worauf natürlich gleich zu Tisch gegangen wurde. […]“ oder 11. Juni 1893: „Um 1 Uhr etwa, nachdem vorher schon Holbein gekommen war, kamen Brahms und Goldmark mit Victor, Franz kam natürlich wieder um eine Viertelstunde zu spät, […] Nach Tisch fuhren zuerst ich und die Kinder mit den Pony’s bis zur Bank wo uns dann endlich die Schimmeln einholten. Brahms, Goldmark und Victor fuhren in dem Wagen. Sie wollten nach Traunkirchen fahren, […]“ oder am 15. Juni 1893: „Victor schickte Goldmarks Bücher an Brahms und schrieb ihm eine, mit seiner kleinen Photographie versehene Karte, anfragend, ob es dabei bleibe, daß er Sonntag kommt.“ oder am 18. Juni 1893: „Der erste heiße Tag! Victor fuhr zur gewöhnlichen Zeit am Bahnhof um Brahms zu holen der richtig kam, dann fuhren beide um Goldmark und kamen erst ¼ 2 Uhr worauf bald zu Tisch gegangen wurde. […]“
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Solcher Einträge gibt es noch einige weitere. Demnach kann man schließen, dass Brahms und Goldmark viel Zeit miteinander am Traunsee verbrachten und allem Anschein nach miteinander befreundet waren.
Zwar ist dort heute nicht das vom damaligen Hausherrn der Goldmark-Wohnstätte angekündigte Museum, einen Vorteil hat das einstige Sommerquartier des Komponisten trotzdem. Etwas das sich sicher viele Bewunderer ihrer Lieblingskomponisten wünschen würden: Es gibt im gleichen Gebäude die Möglichkeit eine Ferienwohnung zu mieten. Aber soweit ich mich jetzt erinnern kann, ist auch das einstige Brahms-Quartier Schloss Leonstein in Pörtschach heute ein Hotel.
Es könnten noch weitere Besuche anderer Komponisten abgehandelt werden, etwa Hugo Wolf der mehrmals in Altmünster wohnte, oder Anton Bruckner, welcher kurz vor seinem Tod seinen Freund Johann Evangelist Haber in seiner Gmundner Wohnung in der Habertstraße 2 besuchte.
Bild: âme
Schön wäre es noch gewesen über einen Traunsee-Aufenthalt vom „Amadé“ oder „Ludwig“ zu schreiben. Bei Mozart wäre es ja bei den jugendlichen Wien-Aufenhalten, bzw. seinem Salzburg-Besuch 1783 von der Strecke her nicht mal so abwegig gewesen, einen kurzen Abstecher bei der Rückreise zu machen (obwohl es wohl nur beim 2. Wien-Aufenthalt mit Ende September halbwegs erträgliche Temperaturen gab). Doch reine Erholungsaufenthalte kamen erst zur Biedermeierzeit in Mode und selbst Schwester Nannerl wurde ab 1784 nicht in St. Gilgen besucht. Beethoven schien sich vor allem nach 1800 überwiegend mit dem Wienerwald zu begnügen (abgesehen von Mährisch-Schlesien 1806, Teplitz-Karlsbad-Franzensbrunn 1811 und 1812, Kurzaufenthalte in Retz, sowie der für mich noch mikrigeren Landschaft um Gneixendorf 1826. Diesen Aufenthalt hat er auch nur seinem Bruder zuliebe dort verbracht). Er wurde auch mal in einem Brief vom 15. November 1819 von Aloys Weißenbach in die Umgebung Salzburgs eingeladen. „Geht der Schnee wieder vor unsern Bergen weg – ich werde Ihnen keine Ruhe lassen – dann müßen Sie kommen. Sie werden sich in unsre große, herrliche Natur hinein leben und nicht mehr von ihr lassen. Wie der Singvogel <uber> der Berge mit den Blüthen <herüberfliegt uber das Gebirg und das stille> alle Jahre kommt, und das stille, dunkle Gebüsch aufsucht in den Klüften und an dem Bergbach, werden auch Sie heraufziehen in Fruhlingstägen und ein kehren in der Felsen hütte. wird Sie nimmer sehen. Dort ist wohl auch eine schone Natur; aber in Vergleich mit der unsrigen ist sie nur das Excrement dieser. Was soll Ihnen auch der Aufenthalt dort für Trost bringen? Im Grund ist Modling auch nur einer der Retiradewinkel wo die <Natur> Kaiserstadt im Sommer <Ih> ihre Winter-Infarctus absetzt. Es ist wahrlich nicht <erträ[g]lich und> erquicklich, auf den Hügeln und Matten dem Sündervolk aus der Stadt zu begegnen, im welchem nichts zu der Natur in jener Umgegend paßt, als die falschen Herzen zu den falschen Schlößern. Kommen Sie also gewiß und bringen Sie mit, ohne das Ihre Seele nimmer frey ist auf Erden – Ihren Neffen.“
Bekanntlich hat sich Beethoven nicht darauf eingelassen, dafür war er dann wohl auch zu sehr Pragmatiker. Ein wichtiger Grund warum er sich, bis auf die bereits erwähnten wenigen Ausnahmen, nicht unweit von Wien bei seinen Sommerresidenzen entfernt hat, waren die dort schon bestehenden, für ihn wichtigen Kontakte. Gute Freunde, Verleger, Musiker, Verpflichtungen ggü. seinen Förderern, etc. Aber so naturliebend wie er war, hätte er beispielsweise dem Salzkammergut sicherlich auch viel abgewinnen können.
Gustav Mahler war zwar im Salzkammergut, nämlich bei Steinbach am Attersee (Sommermonate 1893, 1894, 1895 und 1896). Nach den Schilderungen von Natalie Bauer-Lechner, dürfte er aber so verwurzelt mit dieser Umgebung, sowie in seine Kompositionsarbeit vertieft gewesen sein, dass es eher unwahrscheinlich erscheint, dass er auch einmal Ausflüge zu anderen Seen unternahm. Beispielsweise beträgt die kürzeste Verbindung von Steinbach zum Traunsee immerhin mehr als 20 km Wegstrecke, welche über Hügel- und Berglandschaft führt. Ohne Auto oder Bahn nicht so einfach zu bewältigen.
Von links nach rechts: Gmunden, Grünberg und Traunstein
Bild: âme
Ich freue mich natürlich über jegliche Ergänzungen und auch generelles Feedback.
Wie man sich vorstellen kann, habe ich für diese Zusammenstellung einige Quellen hinzugezogen. Auch wenn das keine wissenschaftliche Arbeit ist möchte ich trotzdem gerne die besonders nützlichen gerne erwähnen:
Arnbom, M.-T. (2019). Die Villen vom Traunsee: wenn Häuser Geschichten erzählen. Amalthea Verlag.
Dürr, W., & Krause, A. (2015). Schubert Handbuch (ungek. Sonderausgabe). Bärenreiter Metzler.
Kalbeck, M. (1914). Johannes Brahms IV. Erster Halbband: 1886-1891, Zweiter Halbband: 1891-1897. Berlin.
Spitzbart, I. (1997) Brahms-Besuche bei der Familie Miller-Aichholz in Gmunden. Nach Quellen der Brahms-Sammlung des Kammerhofmuseums der Stadt Gmunden. In: Internationaler Brahms-Kongress Gmunden 1997, Seeschloss Ort 23-27. Oktober Programm.
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Erich Wolfgang Korngold
Am 25. Februar 1933 kaufte das Ehepaar Korngold das alte Gut „Höselberg“ an der Adresse Gschwandt bei Gmunden, Schlossberg 1. Der Komponist hielt sich in der Vergangenheit schon des Öfteren als kurzweiliger Gast am Traunsee auf. Die Wahl hier auch ein Gut zu kaufen, scheint vielleicht ebenso durch die verwandtschaftliche Verbindung Luzi Korngolds zur Familie Löwenthal in Traunkirchen bekräftigt worden, oder mit ausschlaggebend gewesen zu sein. Sie hält ihre ersten Eindrücke folgendermaßen fest:
„Es war später Nachmittag und bereits dunkel, als wir den ziemlich steilen Aufstieg, der durch ein Wäldchen führte, unternahmen. Als wir aus der Lichtung traten, lag auf dem Gipfel des Hügels das Gebäude vor uns: kein Schloss, sondern ein uralter, bezaubernd schöner, langgestreckter Bauernhof, auf dem ein vormaliger Besitzer, Fürst Sulkowski, an einer Seite ein Stockwerk samt kleinem Türmchen aufgebaut hatte. Wir arbeiteten uns durch den hohen, glitzernden Schnee voran. Vor dem alten Teil des Hauses stand die unvermeidliche große Linde, der >Schlosshof< warumrahmt von schweren alten Tannen. Als hätten wir all das schon erlebt, gingen wir >nach Hause<: und als wir dann erst vor der eichnen Türe standen, in die die Jahreszahl 1769 eingekerbt war, und in das niedrige, mit gotischen Bögen überdachte Vorhaus eintraten, da waren wir zu Hause. Ein merkwürdig modriger Geruch von alten Mauern und altem Holz schlug uns entgegen, eine vertraute, anheimelnde Atmosphäre umgab uns.“
Weiters erfährt man in dieser Erinnerung, dass das Gebäude 18 Zimmer besaß und an diesem auch eine Hühnerfarm angrenzte.
Die Zeiten wurden aber für die Korngolds aufgrund der sich immer stärker zuspitzenden politischen Lage, auch zunehmends prekärer. Erich Wolfgang Korngold hatte noch Glück im Unglück, indem ihm Max Reinhardt Angebote aus Hollywood verschaffen konnte. Zunächst pendelte er noch im ständigen Wechsel: Im Winter in Kalifornien, in der warmen Jahreszeit in Österreich. Die an der Wiener Staatsoper geplante Uraufführung seiner letzten Oper „Die Kathrin“, welche noch 1937 am Traunsee komponiert wurde, hatte man gestrichen. Korngold war zwar schon in Hollywood sehr erfolgreich, denn er erhielt schon 1936 die Oscar-Nominierung als beste Filmmusik für die Arbeit an „Captain Blood“ und im Folgejahr konnte er sogar die Goldstatue für „Anthony Adverse“ gewinnen. Doch hielten die Korngolds mit Zweckoptimismus und einer gewissen Verdrängung der Tatsachen, noch immer an der alten Heimat fest. „Wir glaubten immer noch – mehr mit dem Herzen als mit dem Verstand, daß wir eine Heimat hatten, in die wir zurückkehren konnten, die wir nicht verlassen wollten. Es war Selbstbetrug, eine holde Täuschung: das naiv-zuversichtliche >Uns-kann-nichts-Geschehen< glücklicher Menschen. So träumten wir im Winter bei strahlender kalifornischer Sonne von unseren regenfeuchten Wiesen daheim“, erinnerte sich Luzi Korngold.
So retteten sie nicht selbst ihr Leben, sondern ein Telegramm aus Hollywood. Nur wenige Wochen vor dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich, bekam Korngold das Angebot die Filmmusik zu „Robin Hood“ zu schreiben. Noch während dieser in Hollywood daran arbeitete, versuchten die Nazis sein 1933 erworbenes Gut zu enteignen. Zwar versuchte Korngold diesen zuvorzukommen und es an einen gewissen Alfred Demelmayer zu verkaufen. Doch bei Erkundigungen über dessen Person lehnten diese den Verkauf ab, da Demelmayer sich sogar als Gegner der NSDAP entpuppte. 1941 kam es dann schließlich zur Enteignung. Das Anwesen war damit im Besitz des Deutschen Reichs und wurde als Quartier für im Reichsarbeitsdienst arbeitende Frauen umfunktioniert.
Als die Korngolds 1949 wieder an diesen Ort zurückkamen, wurden sie diesmal als Gmundner Hotelgäste mit einem verwahrlosten Gut „Höselberg“ konfrontiert. „In jedem Zimmer vegetierte eine Familie, das Mobiliar bestand aus Kisten und dürftig zusammengetischlerten Betten. Von unseren Möbeln war kein einziges Stück übriggeblieben, die schöne uralte eichene Haustür war aus der Wand gerissen und wahrscheinlich verheizt worden, der Stuckplafond durch einen Rohrbruch traurig zerstört.“ Zwar wird diesen der Besitz wieder zugesprochen, doch die Korngolds möchten verständlicherweise nicht mehr darin wohnen.
Erich Wolfgang Korngold wollte sich zunehmend wieder der absoluten Musik zuwenden und komponierte Werke wie das Violinkonzert D-Dur, Symphonische Serenade B-Dur, oder die Symphonie Fis-Dur. Bei Publikum und Kritikern fanden diese Werke damals jedoch großteils keinen Anklang. Eines seiner bekanntesten Werke ist die Oper „Die tote Stadt“ von 1920, welche auch das Zitat zu seinem Grabstein auf dem Hollywood Forever Cemetery in Los Angeles liefert: „Glück, das mir verblieb.“
Das Schloss scheint es noch heute zu geben.
Bild: Kurier/Archiv Marie-Theres Arnbom
„Glück, das mir verblieb“ (Mariettas Lied) aus „Die tote Stadt“
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Arnold Schönberg
Insgesamt besuchte Schönberg den Traunsee zwischen 1905 und 1923 sechs Mal. Zunächst etwas abseits von Gmunden an der ruhigeren Ostseite des Sees. 1907 und 1908 war dies das „Preslgütl“ (Traunsteinstraße 189 rechtes Gebäude, scheint mit ein paar Modernisierungen in der Grundsubstanz noch erhalten zu sein). Die Besonderheit: Mehrere Schüler wie Zemlinsky, Webern, oder Horwitz wohnten im näheren Umkreis von wenigen hunderten Metern. Bei der ersten Hälfte dieser Aufenthalte können zwei bedeutende Ereignisse genannt werden. Das eine musikalischer, das andere privater Natur. Er komponierte hier teilweise das 2. Streichquartett op. 10. „Dieses Quartett spielte eine große Rolle in meiner Entwicklung. Jedoch der entscheidende Schritt zur sogenannten Atonalität war jetzt noch nicht getan“, schrieb später Schönberg. Was den entscheidenden Schritt anbelangt, so gibt es in Fachkreisen Diskussionen, inwieweit dieser von dem anderen Ereignis ausgelöst wurde. Denn Schönberg hatte 1907 nicht nur seine Schüler, sondern auch den damals aufstrebenden Maler Richard Gerstl nach Gmunden eingeladen. Nachdem es 1907 Skandale bei Konzertaufführungen mit seinen eigenen Werken gab, wollte Schönberg sein Leben ein Ende setzen und Gerstl konnte ihn wieder psychisch aufbauen. Daraus entstand eine Freunschaft, welche sich aber noch als verhängnisvoll erweisen sollte. Schönberg erwischte nämlich diesen am 26. August 1908 in flagranti mit seiner Ehefrau Mathilde. Diese reagierte alles andere als reumütig, sondern flüchtete mit dem neuen Liebhaber zunächst in ein Hotel in Gmunden. Am nächsten Tag reiste das sich neu gefundene Liebespaar nach Wien zurück. Nachdem Schönberg die Bilder seines Widersachers bis auf eine Ausnahme vernichtete, eilte er schnell hinterher, konnte auch schließlich die untreu gewordene nach drei Tagen finden und zur Rückkehr überreden. Für Schönberg sicherlich ein einschneidendes Erlebnis. Tragischer erging es aber dem Maler, auch wenn er versuchte so weit es ging Mathilde weiterhin heimlich zu treffen. Die Unmöglichkeit einer normalen Beziehung mit Mathilde und der Verlust Schönbergs als Freund, konnte dieser nicht mehr überwinden. Er beging noch im gleichen Jahr, am 4. November 1908 Selbstmord. Schönberg fürchtete um einen öffentlichen Skandal und bat den Bruder Gerstls als Motiv „…etwa Kränkung über Mißerfolge als Grund anzugeben.“
Danach kam es auch unüberhörbar zu einer zunehmenden Atonalität in seiner Musik.
Weniger aufreibend verliefen die drei späteren Aufenthalte, auch wenn hier ebenso nicht alles ungetrübt war.
Arnolds Schönbergs Bruder Heinrich war mit der Wirtshaustochter Berta verheiratet. Da diese aus Mattsee kam, wollte der Komponist dort 1921 seinen Sommeraufenthalt mit seiner Familie verbringen. Jedoch herrschten dort schon deutliche antisemitische Tendenzen vor. Es wurde etwa von der Gemeindevertretung vor den „…Folgen einer etwaigen Verjudung“ gewarnt und startete einen öffentlichen Aufruf, Zimmer nicht an Juden zu vermieten. Schönberg wollte sich der gehässigen Gesinnung gegen ihn und seiner Familie verständlicherweise nicht weiter aussetzen und suchte somit einen anderen Aufenthaltsort. Durch seine Freundin Eugenie Schwarzwald, kam er in Kontakt mit Anka Löwenthals Villa „Josef“ in Traunkirchen, Alte Post 5.
Bild: âme
Zu Zeiten des Biedermeiers waren es Max und Sophie Löwenthal, welche zu zahlreichen Wiener Kunstschaffenden, wie etwa Franz Schubert und dessen Freund Joseph von Spaun, einen guten Kontakt pflegten. Ihr Sohn Arthur ließ die neue Villa „Anka“, benannt nach seiner Ehefrau, in Traunkirchen bauen. Baronin Anka von Löwenthal war damals sehr umtriebig. Sie war professionelle Malerin, engagierte sich für wohltätige Zwecke und war Ehrenpräsidentin der Künstlergilde Salzkammergut. Als von den Löwenthals noch zwei weitere Villen im Ort gebaut wurden, hatte man diese nach den zwei Kindern „Josef“ und „Karl“ benannt.
Schönberg schrieb dem Verleger Emil Hertzka am 17. Juli einen Brief aus Traunkirchen, in welchem auch die nicht sonderlich große Beliebtheit seiner Musik mit Galgenhumor thematisiert wird: „Liebster Freund, nun sind wir seit 14. hier. Es war zum Schluß sehr hässlich in Mattsee. Die Leute dort haben mich scheinbar so verachtet, wie wenn sie meine Noten kannten. Geschehen ist uns sonst nichts.“
Die Schönbergs konnten zu der Villa „Josef“ auch einen Privatstrand und eine Bootshütte nutzen. Der Komponist hatte aber nicht nur Sonnenbaden und Rudern im Sinn. Er gibt Schülern Unterricht und veranstaltet auch ein Wohltätigkeitskonzert mit diesen.
Den Sommer im Folgejahr kommt er wieder zum Traunsee, jedoch wählte er diesmal die Villa „Spaun“ im selben Ort. Wie bereits erwähnt, wohnte der Schubertfreund Joseph Spaun ebenso zeitweise an diesem Gewässer. Dieser hatte als Lottodirektor mittlerweile genug Vermögen, um 1848 das ehemalige Hofrichterhaus in Traunkirchen, Kalvarienberg 4 (meist wird fälschlicherweise Klosterplatz 4 angegeben, die Adresse des gegenüberliegenden Gebäudes) kaufen zu können. Dort gründete er auch eine Schwimmschule, welche im Laufe der Zeit auch zunehmend gefragt war, da es zu diesen Zeiten sehr viele Leute gab die nicht schwimmen konnten. Nach Joseph Spauns Tod erbte seine Frau Franziska das Haus. Diese versuchte es auch später zu verkaufen, kam dann aber auf die Idee das Anwesen am See besser zu vermieten. Auch mit Anka Löwenthal bestand eine sehr enge Freundschaft, welche sich sogar ein Zimmer in der Villa Spaun selbst gestaltete.
Zu Schönbergs Zeiten besaß der Enkel von Joseph Spaun die Villa: Hermann Roner. Zu diesen Zeiten schmückte ihn auch der Baron-Titel und hatte als einstiger Geiger gute Kontakte zur Wiener Musikszene. Zudem schien er der modernen Musik gegenüber durchaus aufgeschlossen zu sein. Er brachte Arnold Schönberg dazu sich in den Sommermonaten der Jahre 1922 und 1923 in diesem Haus einzumieten. Wie bei Schönberg nicht unüblich, schrieb er auch Roner am 19. April 1923 seine Bedingungen in Form einer Auflistung:
„1. Ich miete für die Saison 1923 (von Ende Mai bis Mitte Oktober) die Räume, die ich im vorigen Jahre in der Villa Roner bewohnt (unten: ein Zimmer und Küche, oben: 3 Zimmer, ein Saal und Nebenräume), bin jedoch damit einverstanden anstelle des vorjährigen Parterrezimmers, die beiden unter der Veranda gelegenen kleinen Zimmer (jedoch unbedingt beide!) zu akzeptieren.
2. Unter der Voraussetzung, dass wirklich die Mietzinse im Ort heuer eine solche Höhe erreichen werden, bin ich auch bereit, den geforderten Zins von zweihundert holländischen Gulden (d.i. derzeit ungefähr 5 580 000 ö.K.) zu bezahlten, ersuch jedoch etwas Geschirr beizustellen, da das für mich sonst zu teuer kommt.
3. Bitte ich Sie zur Kenntnis zu nehmen, dass mein Sohn als Schüler der Musikakademie Waldhorn lernt und, wie ich mir auch erlaubt habe mitzuteilen, doch zwei Stunden im Tag in einem unserer Wohnräume wird üben müssen (leider: es wird mich selbst stören); ich setze also voraus, dass alle in Betracht kommenden Mitbewohner ihre Zustimmung dazu geben un sich bereit erklären im gemeinsamen Einvernehmen diese Zeiten so zu wählen, dass auch mein Sohn nicht allzuviel von seiner Sommerfreiheit verliert.“
Später erklärt Schönberg noch in einem Brief, dass er die kleinen Zimmer unter der Veranda haben wollte, da er dachte, dass „…vielleicht von dort aus Görgis Horngebläse keinen so grossen akustischen Schaden anrichten dürfte,…“
Natürlich war Schönberg auch bei diesen Aufenthalten nicht tatenlos. Er schrieb am 26. Juli 1922 Alban Berg: „Lieber Berg, ich muss hier in Traunkirchen wieder ein Wohltätigkeitskonzert veranstalten. Voriges Jahr war das leichter, weil so viele meiner Schüler da waren. Heuer bin ich in einiger Verlegenheit.“ Schließlich konnte er doch noch die Sängerin Erika Stiedry-Wagner und den Cellist Wilhelm Winkler auf der Durchreise vom Salzburger Kammermusikfest nach Wien abfangen. Bei all den Konzerten seiner Sommeraufenthalte in Traunkirchen, standen übrigens nie Schönbergs eigene Werke auf dem Programm. Wahrscheinlich fürchtete er dann ähnliche Feindseligkeiten wie in Mattsee hervorrufen zu können. Dafür hat es nicht viel Paranoia gebraucht, da er in den Publimsreaktionen schon erfahren war. Vor allem das Skandalkonzert 1913, auch bezeichnenderweise „Watschenkonzert“ genannt, steht an der Spitze einiger - euphemistisch ausgedrückt - misslungener Werksaufführungen des Komponisten.
Dem Arnold Schönberg Center zufolge, komponierte Schönberg im Juli 1921 sein erstes Zwölftonwerk in Traunkirchen.
Das Präludium aus der Suite op. 25
1922 entwarf er am selben Ort eine Transkription des Bach-Choral „Schmücke dich, o liebe Seele“ für großes Orchester.
Die beiden Villen in der Schönberg sich einst in Traunkirchen einmietete, sind bis heute erhalten geblieben. In der ehemaligen Spaun-Villa lebt noch heute ein musikalischer Nachfahre der Spauns. Die Villa Josef ist im Besitz einer Wohnungseigentumsgesellschaft. Die Villa Spaun:
Bild: âme
Das Preslgütl 1920 (im rechten Haus wohnte Schönberg, das linke Gebäude wurde mittlerweile durch ein anderes Gebäude ersetzt)
Schönberg in Traunkirchen 1922. Von links nach rechts Schwiegersohn Felix Greissle, Tochter Gertrud, Arnold Schönberg, Ehefrau Mathilde und Sohn Georg:
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Béla Bártok
Bártok wohnte von 9. August bis Ende September 1903 in Gmunden, Badgasse 5 (auch Graben 4). Wer diese Abhandlung nicht erst hier zu lesen begonnen hat, wird diese Gasse gleich in einen anderen Zusammenhang bringen. Im Gegensatz zu der ein paar Schritten entfernten Schubertstätte kann man hier aufgrund der Fassade tatsächlich einen, zum. bis zu diesem Bártok-Aufenthalt zurückreichenden, erhaltenen Zustand vermuten. Dieses Gebäude steht auch im Gegensatz zu der Badgasse 2 unter Denkmalschutz. Ein anderer Zusammenhang lässt sich mit diesem Aufenthalt ebenso herstellen. Der Aufenthalt wurde durch Brahms „Spezialfreund“ Viktor von Miller zu Aichholz veranlasst. Der Gmundner Kunstmäzen wurde auf den jungen Bártok aufmerksam und vermittelte darüber hinaus auch Hilfe bei der Instrumentenbeschaffung. Ludwig Bösendorfer lieh für diesen Aufenthalt, aber auch für seine Wiener Wohnungen seine Flügel. Der Komponisten bedankte sich dafür in einem Brief von 1903: „Ich freue mich wirklich sehr, endlich auf einem guten Flügel mit englischer Mechanik üben zu können.“
Bild: âme
In den Chroniken aus Bártoks Leben kann man lesen:
„9. August 1903
Bartók fährt nach Gmunden und wohnt dort in der Badgasse 5. Er isst mit der Familie Dohnányi zu Mittag, mit Johannes Kössler macht er einen Ausflug nach Trautmannsdorf. […]Er schreibt am 9. August in einem Brief an Emsy Jurkovics über die wunderbare Wirkung der Berge auf ihn, aber auch über seine Sehnsucht nach der großen ungarischen Ebene. “
Zunächst könnte man denken es handle sich um sein Tagebuch und Bártok schrieb von sich in dritter Person, was dem Ganzen einen etwas skurillen Beigeschmack geben würde. Ich bin kein Bártok-Experte aber es scheint als habe der Sohn eine Zusammenstellung aufgrund anderer Quellen verfasst und ist in Béla Bartók jr. „Apám életének krónikája“ nachzulesen (Die Chronik des Lebens meines Vaters).
Angeblich beendete er hier am 18. August seine sinfonische Dichtung „Kossuth“.
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Franz Schubert
Schubert war im Haus Badgasse 2 / Theatergasse 8 vom 4. Juni bis 15. Juli 1825 in Gmunden zu Gast. Brieflich geht er in zwei Briefen nur recht kurz darauf ein. Einmal ist er an Spaun gerichtet und wurde am 21. Juli 1825 in Linz verfasst:
„In Steyer hielt ich mich nur 14 Tage auf, worauf wir (Vogl u. ich) nach Gmunden gingen, wo wir 6 volle Wochen recht angenehm zubrachten. Wir waren bei Traweger einloschirt, der ein prächtiges Pianoforte besitzt, u. wie du weißt, ein großer Verehrer meiner Wenigkeit ist. Ich lebte da sehr angenehm u. ungenirt. Bei Hofrath v. Schiller wurde viel musicirt, unter andern auch einige von meinen neuen Liedern, aus Walter Scotts Fräulein am See, von welchen besonders die Hymne an Maria allgemein ansprach.“
Ferdinand Traweger war ein Kaufmann und Franz Ferdinand Ritter v. Schiller Vorstand des k.k.-Salzoberamts in Gmunden. Zudem war Schubert auch im Hause des Lehrers Johann Nepomuk Wolf musikalisch beteiligt (Gmunden, Kirchenplatz 1). Mit dessen Tochter Anna (Nanette) spielte Schubert vierhändige Klavierstücke. Diese begleitete auch Johann Michael Vogl zum Gesang, welcher mit Schubert diese Reise unternahm. Johann von Gyra, welcher der Schwager des Sohnes von Traweger war, teilte einmal brieflich auf Nachfrage mit, dass Schubert mit ihm in Kontakt kam, weil sein Haus für alle Künstler offen stand und schon von manch Schubert-Freunden und -Bekannten wie etwa Holzapfel oder Bauernfeld empfohlen wurde.
Am 25. Juli 1825 schreibt Schubert seinen Eltern aus Steyer:
„Ich bin jetzt wieder in Steyer, war aber 6 Wochen in Gmunden, dessen Umgebungen wahrhaftig himmlisch sind, und mich, so wie ihre Einwohner, besonders der gute Traweger innigst rührten, und mir sehr wohl taten. Ich war bei Traweger wie zu Hause, höchst ungenirt. Bei nachheriger Anwesenheit des Hrn. Hofrath v. Schiller, der der Monarch des ganzen Salzkammergutes ist, speisten wir (Vogl und ich) täglich in seinem Hause, und musicirten sowohl da, als auch in Trawegers Hause sehr viel. Besonders machten meine neuen Leider, aus Walter Scotts Fräulein am See, sehr viel Glück. Auch wundert man sich über meine Frömmigkeit, die ich in einer Hymne an die heil. Jungfrau ausgedrückt habe, und, wie es scheint, alle Gemüther ergreift und zur Andacht stimmt. Ich glaube, das kommt daher, weil ich mich zur Andacht nie forcire, und, außer wenn ich von ihr unwillkürlich übermannt werde, nie dergleichen Hymnen oder Gebete componire, dann aber ist sie auch gewöhnlich die rechte und wahre Andacht.“
Der zuvor erwähnte Sohn Ferdinand Trawergers, Eduard, schrieb seine Erinnerungen später nieder. Er war erst 4 Jahre alt als Schubert im Elternhaus wohnte, meinte aber, dass er sich an manche Begebenheiten dennoch gut erinnern könne. Diese Erinnerungen, welche im Buch „Schubert. die Erinnerungen seiner Freunde“ nachzulesen sind, machen immerhin 3 Seiten aus und ich möchte nur kurz etwas davon herausgreifen.
„Wenn Vogl sang und Schubert am Fortepiano akkompagnierte, durfte ich immer zuhören. Zu diesen Genüssen waren mehrfach Verwandte und Bekannte geladen. Solche Kompositionen vorgetragen, mußten die Empfindungen zum Ausdruck bringen, und war das Lied zu Ende, so geschah es nicht selten, daß die Herren sich in die Arme stürzten und das Übermaß des Gefühls in Tränen sich Bahn brach. […] Die Herren waren immer sehr gemütlich und heiter; sie machten Land- und Segelpartien, und mein guter Vater, der viel Unterhaltungsgabe besaß und es gut verstand, etwas zu arrangieren, war ganz selig. Er sprach von Schubert stets mit Begeisterung und hing ihm mit ganzer Seele an. […] so war die Zeit, in welcher der Brief ankam, der Schuberts Told meldete, eine wahre Tränenzeit. Vater und Mutter weinten viel, und wir Kinder weinten mit. Eine Menge Besuche kamen zu meinen Eltern; der Jammer war unter den Gebildeten allgemein. Dieser Trauerfall war lange Stadtgespräch.“
Manche verbinden vielleicht die Begriffe Gmunden und Schubert mit der sogenannten „Gmunden-Gasteiner-Sinfonie“ welche sich schließlich als die große C-Dur Sinfonie D 944 entpuppte. Nach der „Neue Schubert-Ausgabe“ legen mehrere Indizien es nahe, dass er während der ausgiebigen Sommerreise des Jahres 1825 an dieser Sinfonie schrieb. Da diese nämlich zunächst falsch datiert wurde (1828) nahm man lange an, eine im Sommer 1825 komponierte Sinfonie sei verschollen. So schrieb beispielsweise Anton Ottenwald am 19. Juli 1825 aus Linz, bei welchem Schubert auch kurz zu Gast war: „Übrigens hat er in Gmunden an einer Symphonie gearbeitet, die im Winter in Wien aufgeführt werden soll.“ Nach Otto Bibas Recherchen soll ein Manuskript zwischen dem 28. November und 31. Dezember 1826 bei der Gesellschaft der Musikfreunde eingelangt und Schubert ein Betrag von 100 fl. ausbezahlt worden sein. Zudem möchte ich einwerfen dass 1828 schon von Haus aus wenig Sinn ergibt, wenn man bedenkt an welchen Werken er in den letzten Lebensmonaten komponierte (z.B. Messe Es-Dur D 950, letzten drei Klaviersonaten D 958, D 959, D 960, Klaviertrio Nr. 2 D 929, Streichquintett C-Dur D 956 und noch einiges mehr). Das wäre auch für den schnell und eifrig komponierenden Schubert eine kaum zu schaffende Arbeitsmenge gewesen.
Ich habe vor allem beim ersten Satz schon immer innerlich eine Art Berglandschaft in Verbindung gebracht, vor allem das ruhige Thema der Posaunen bei 5:14, hier greift Schubert den 2. Takt (das Eingangsthema) wieder verarbeitend auf, klingt für mich als würde etwa der Traunstein kurz zu einem sprechen.
Bild: âme
Die am Gebäude angebrachte Gedenktafel der betreffenden Adresse behauptet, dass Schubert hier gewohnt habe (statt „an dieser Stelle stand das Haus…“ oder „hier stand“ wie es etwa bei Mozarts einstigen Wien-Behausungen des Öfteren zu lesen ist). Auch wenn ich keine nähere, offizielle Geschichte zu dem Haus finden konnte, sieht für mich zum. die Fassade nicht nach Biedermeier oder älterer Architektur aus (ich würde es demnach eher Anfang bis Mitte des letzten Jahrhunderts verorten) Auf der Liste des Bundesdenkmalamtes (bda.gv.at) der denkmalgeschützten Gebäude in Gmunden, ist dieses Haus jedenfalls nicht. Zudem wird die Glaubwürdigkeit der Gedenktafel nicht gerade untermauert, indem sie Schubert gleich 2 Jahre in diesem Haus wohnen lässt. Wenn dieses Gebäude in seiner Substanz original sein sollte dann wurde es zum. zwischenzeitlich stark verändert. Auf meiner Wunschliste steht mittlerweile „Diese göttlichen Berge und Seen“ von Oliver Woog, welcher über Schuberts Aufenthalte in Oberösterreich angeblich gründlich recherchiert haben soll. Sollten hier nähere Informationen über das Gebäude zu finden sein, könnte ich es nachtragen.
Bild: Gmundens Schätze/Holger Höllwerth
Die Gedenktafel bei Schloss Ebenzweier in Altmünster behauptet auch einen mehrwöchigen Aufenthalt Schuberts. Tatsächlich war er dort nur kurz zu Gast. Leider keine Einzelfälle bei Gedenktafeln. Gemäß dem Spruch „Papier ist geduldig“ kann man das umso mehr auf Gedenktafeln anwenden. Eine nicht geringe Anzahl an solchen Gedenktafeln haben dann kaum mehr Wahrhaftiges wie Mozarts Pinkelstein in Hollabrunn, den man als Art Satire auf diese Unart des legendenstrickenden Gedenktafel-Marketings verstehen kann.
Blick von Gmunden in Richtung Süden:
Quelle: âme
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Ich weiß, es gibt auch den Thread „Komponisten & Urlaub?“, doch möchte ich diese Thematik abseits davon hervorheben, da es beim Traunsee eine besondere Konzentration an Komponisten der Romantik und Moderne gab und es mir auch zu schade wäre, dieses auf einen See konzentrierte umfangreiche Essay (ich bin auf 14 A4-Seiten ausschl. Text gekommen) möglicherweise in Teilen untergehen zu lassen. Denn ich kann mir vorstellen, dass es nicht wenige Leser gibt, die sich bei neuen Beiträgen eines schon bestehenden Threads meist nur auf den letzten Beitrag konzentrieren und die zuvorgehenden automatisch für älter halten.
Dass diese Abhandlung doch etwas länger wurde liegt nicht nur daran, dass ich sechs Komponisten herangezogen habe, sondern den auch manchmal interessanten Geschichten die damit verbunden sind. Wer an ausnahmslos belanglose Urlaubsepisoden denkt, liegt jedenfalls teilweise falsch. Es spielte sich hier etwa auch eine Liebestragödie mit späterem tödlichen Ausgang ab, eine Enteignung während des Nationalsozialismus, tiefe Trauer um einen verstorbenen Komponisten, oder ein etwas amüsantes Freundschaftsverhältnis ungleicher Männer. Eine der weltweit meist gespieltesten Sinfonien, oder das erste Zwölftonwerk in der Musikgeschichte wurden hier entworfen. Vorab: Keiner der hier präsentierten Wohnstätten ist als Museum besuchbar sondern in Privatbesitz, aber es sind noch einige Originalstätten vorhanden und von außen zu besichtigen. Es gibt in Gmunden auch ein Brahms-Museum, nämlich im Kammerhofmuseum. Im Folgenden werden die Aufenthalte von Brahms, Schubert, Bártok, Schönberg, Korngold und Goldmark behandelt.
Ein paar grobe Daten zum Traunsee: Dieser ist mit 24,35 km2 der viertgrößte und mit 191 m der tiefste See Österreichs. Am Ufer liegen vier Hauptorte bzw. Gemeinden. Im Norden Gmunden (mit 13.251 Einwohnern auch schon als Kleinstadt zu bezeichnen), im Süden Ebensee (7.515 Einwohner) und an der westlichen Uferseite Altmünster (9.857 Einwohner) und Traunkirchen (1.680 Einwohner), welche noch jeweils eigens benannte Ortsteile haben. Etwa „Siegesbach“ oder „Imwinkl“ bei Traunkirchen, oder „Traunlneiten“ bei Gmunden. Da an der östlichen Uferseite der 1.691 m ü.A. hohe Traunstein, Großer Sulzkogel (1.105 m), Kleiner Schönberg (894 m), Hochlindach (917 m), Seeturm (1.256 m), sowie Loser (1.144 m) größtenteils steil in den See abfallen, gibt es hier bis auf den nordöstlichen Gmundner Teil (vor dem Grünberg) keine Siedlungen. Eine biologische Besonderheit: In dem See gibt es eine endemische Fischart, der Riedling.
Johannes Brahms
Dieser wohnte nicht direkt am Traunsee sondern besuchte bei seinen Sommeraufenthalten in Ischl des Öfteren die befreundete Familie Miller-Aichholz in Gmunden, Lindenstraße 11. Hier trafen sich auch andere Künstler, sowie Kunstkritiker wie etwa Joseph Joachim oder Eduard Hanslick. Das kam daher, da die Familienmitglieder einerseits wohlhabende Industrielle, aber auch gleichzeitig Kunstmäzene waren.
Wie wurde aber Brahms zunächst auf diese Gegend aufmerksam? Mit 34 Jahren unternahm er im August 1867 gemeinsam mit seinem Vater Johann Jacob eine Reise um Österreich besser kennenzulernen. Dabei war er auch einige Tage im Salzkammergut unterwegs. Wahrscheinlich waren es diese Eindrücke die ihn dazu bewogen im Jahr 1880 zum ersten Mal in Ischl den sommerlichen Ausgleich von dem üblichen Wiener Stadtleben (er ließ sich ab 1871 endgütlig in Wien nieder) zu suchen. 1882 und schließlich alljährlich von 1889 bis 1896 war er dort wieder von Mai bis September ein Sommergast in der damaligen Salzburgerstraße 51, der heutige Vorsteherweg 3. Der Komponist und Dirigent Gustav Jenner (1865 – 1920) beschreibt die damaligen Umstände folgendermaßen:
„Er wohnte in einem der letzten Häuser, etwas erhöht über der Straße gelegen, gegen Strobl zu. Da es an der Berglehne steht, so trat man aus dem Brahm’schen im oberen Stockwerk gelegenen Zimmer nach hinten sofort ins Freie; einige Schritte hin stand eine Bank und in wenigen Minuten war man im Wald, der sich hinter dem Hause oben vom Berge herunterzieht […]Die idyllische Ruhe und Einsamkeit wurde freilich dadurch etwas gestört, daß die Wirtsleute, brave und einfache Menschen, die den unteren Teil des Hauses bewohnten, mit Kindern reich gesegnet waren. Dieser missliche Umstand und die übergroße Einfachheit der Wohnung, die Brahms zuweilen Besuchern gegenüber ein wenig peinlich werden konnte, veranlasste ihn einmal, sich […] nach einer anderen Sommerwohnung in Ischl umzusehen. […] Als ich ihn fragte, wie es ihm gegangen, erzählte er mir, er habe nach einigem Suchen eine Wohnung gefunden, die ihm in jeder Weise zusagte. Da ihm aber vor der Rückreise noch ein wenig Zeit zur Verfügung gestanden, sei er aus Anhänglichkeit zu seiner alten Wohnung hinaufgepilgert; und nun seien ihm seine Wirtsleute so freundlich entgegengekommen, insbesondere hätten sich die Kinder so über seinen Besuch gefreut, daß er es nicht übers Herz bringen konnte, ihnen zu sagen, daß er eine andere Wohnung genommen, vielmehr habe er es ihnen als selbstverständlich hingestellt, daß er zum Sommer wiederkommen werde. Und so geschah es. Brahms […] bezog […] wieder seine alte Wohnung, der er bis an sein Lebensende treu geblieben ist.“
Durch den Freund und Förderer Viktor von Miller zu Aichholz besuchte er dessen Villa in Gmunden zwischen 1890 und 1896 mehrmals. In diesen Sommeraufenthalten arbeitete er etwa am 2. Streichquintett C-Dur op. 111, an den sechs Quartetten für vier Singstimmen und Klavier „Zigeneuerlieder“ op. 112, an dem Trio für Klarinette, Violoncello und Klavier a-moll op. 114, an dem Quintett für Klarinette und Streichquartett h-moll op. 115, den sechs und vier Klavierstücken op. 118, op. 119 oder den Sonaten für Klarinette oder Viola und Klavier f-moll und Es-Dur op. 120.
Schon 1880 schrieb er an seinen Freund Theodor Billroth: „Ischl aber muss ich sehr loben und da nur mit dem einen gedroht wird, daß halb Wien sich hier zusammenfindet, so kann ich ruhig sein – mir ist das Ganze nicht zuwider. Ich wohne höchst behaglich […]. Vielleicht hält dich das Klima ab; es ist sehr warme weiche Luft und regnet viel. Dagegen aber sind die Wohnungen, Wege und auch die Wirtshäuser gut.“
Zu Viktor Miller-Aichholz verband Brahms wohl eine Art Hassliebe, denn der Kontakt zwischen den Beiden lief nicht immer reibungslos ab. Miller-Aichholz oder nach damaliger Schreibweise Miller zu Aichholz, war einst Klavierschüler des bekannten Julius Epstein und wurde dabei ausgewählt die Noten bei einer Probe eines Kammermusikwerkes von Brahms umzublättern. Angeblich tat sich dieser mit der schwer lesbaren Handschrift desjenigen schwer und traf dabei nicht immer den richtigen Zeitpunkt zum Umblättern. Brahms soll ihn daraufhin erzürnt weggejagt haben, woraufhin ihm der Gehilfe aus Scham nicht mehr begegnen wollte. Später kam es aber doch noch zu einer Zusammenkunft, welche die alten Wunden scheinbar vergessen ließen. Doch die Verbindung blieb, nach der Erinnerung Max Kalbecks, allem Anschein nach weiterhin recht speziell. Dieser war als Sommergast des Jahres 1893 in Ischl Augenzeuge folgender Begegnung:
„Nachdem er sie mir alle neun – die Rhapsodie in Es-Dur Nr. 10 war noch nicht fertig – zweimal, und so mächtig, klangvoll, groß und zart, wie nur er es verstand, vorgespielt hatte, und wir aus dem Musikzimmer wieder in die Vorderstube hinüber gegangen waren, klopfte es. Brahms rief ein wenig ärgerlich ‚Herein‘! Zu unserer Freude erschien Miller zu Aichholz in der Türe, ließ sich aber nicht bewegen, Platz zu nehmen, trotzdem ihm von uns Beiden immer wieder versichert wurde, daß wir nichts weiter vorhätten, und er uns herzlich willkommen sei. Ohne Zweifel wäre er gern geblieben, denn er war eigens von Gmunden herübergekommen, um uns zu sich einzuladen, wie wir bald darauf erfuhren, wenn nicht Brahms mit der Faust auf den Tisch geschlagen, ihm den Rücken zugedreht und geschrien hätte: ‚Also denn nich‘! Miller zu Aichholz erschrak und verschwand. Als wir Beiden dann miteinander ins Hotel Elisabeth zu Tisch gingen, sagte Brahms, der seine Hitze bereits bereute: ‚Der Miller ist doch ein ganz famoser Kerl, wenn er nicht nur immer um Entschuldigung bäte, daß er überhaupt vorhanden ist. Ich habe mich vorhin höllisch zusammen nehmen müssen, um nicht grob zu werden‘“.
Der Schilderung nach spielte Brahms hier seine sechs op. 118 und vier Klavierstücke op. 119. Als letztes Stück von op. 119 befindet sich die erwähnte Rhapsodie Es-Dur, Allegro risoluto. Resolut, das war dann wohl auch die musikalische Vorwegnahme von Brahms Reaktion gegenüber Miller-Aichholz.
op. 119 Rhapsodie Es-Dur, Allegro risoluto
Diese Stücke komponierte er während deses Sommeraufenthaltes zwischen etwa Mai und Anfang Juli, da er Clara Schumann die einzelnen Stücke je nach Fertigstellung separat zuschickte. Uraufgeführt wurden diese jedoch von der damals jugendlichen Ilona Eibenschütz die sich später 60jährig an den Sommer 1893 erinnerte:
„Es war ein unvergessliches Vergnügen für mich, als Brahms eines Tages im Sommer 1893 nach dem Abendessen zu mir sagte: ‚Ich werde Ihnen vorspielen, was ich gerade komponiert habe. Ich möchte, dass Sie es einstudieren.’ Nur meine Familie durfte zuhören, aber nicht im Musikzimmer, sondern von draußen, auf der Treppe. Er probierte nur kurz das Klavier aus und begann zu spielen, die g-Moll-Ballade, die Intermezzi, schließlich alle Klavierstücke Opus 118 und 119. Er spielte, als würde er improvisieren, mit Herz und Seele, manchmal vor sich hin summend, alles um sich herum vergessend. Sein Spiel war alles in allem groß und edel, wie seine Kompositionen. Es war natürlich die wundervollste Sache für mich, diese Stücke zu hören, von denen noch niemand etwas ahnte. Ich war die erste, für die er sie spielte. Als er fertig war, war ich sehr aufgeregt, und wusste kaum, was ich sagen sollte. Ich murmelte nur, ich müsse sofort darüber an Frau Schumann schreiben. Er sah mich an und sagte: ‚Aber sie haben Ihnen doch gar nicht gefallen! Wie können sie etwas darüber schreiben?’ Und mit einem Augenzwinkern fügte er hinzu: ‚Sie haben nicht ein einziges Stück Da Capo verlangt!’ Ich war geistesgegenwärtig genug zu antworten: ‚Ich würde sie am liebsten alle Da Capo hören, aber nicht heute!’ Er lachte und spielte sie mir ein paar Tage später noch einmal vor. Einige Monate danach spielte ich die Uraufführung der Stücke in den Monday Popular Concerts in London.“
Mein Lieblingsstück und soweit ich das mitbekommen habe, auch das allgemein beliebteste von den 10 Stücken op. 118, op. 119. Man kann sich hier besonders gut die musikalisch verarbeiteten Gefühle zu Clara Schumann vorstellen.
op. 118, Intermezzo. Andante teneramente
Was zu Beethovens Zeiten Baden war, dass war Ischl (das heutige „Bad Ischl“) gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Durch die Wahl des Kaisers (Franz Joseph I.) als alljährliche Sommerresidenz entwickelte sich der damals etwa 8.000 Einwohner zählende Kurort zum Hotspot für die Wiener High Society. Die angesagteste Adresse für die erholungssuchenden „Promis“ wie man heute sagen würde. Weitere Komponisten wie Franz Lehár, Anton Bruckner, oder Johann Strauß Sohn kamen regelmäßig dorthin. Hier ist auch das bekannte Foto aus dem Jahr 1894 entstanden, auf welchem Brahms auf der Veranda des Letztgenannten zu sehen ist und Beide einen eher unerfreulichen Gesichtsausdruck zum Besten geben, als hätte sie gerade ein Paparazzi erwischt.
Bild:redd.it/Colorized History
In dieser Strauss-Villa haben sich Ilona Eibenschütz und Johannes Brahms kennengelernt. Deren Familie war dort ebenso öfters zu Gast und diese spielte bei einem der musikalischen Zusammenkünfte auch den Klavierpart von op. 25. Brahms konnte wohl damals recht gut Netzwerken wie man es heute nennen würde. Kalbeck erinnert sich: „Wie in Hietzing, wo die hannoveranische Königsfamilie den Winter zuzubringen pflegte, ging Brahms in Gmunden gelegentlich mit Joachim zu Hofe, spielte den hohen Herrschaften seine Violinsonate vor und frischte, animiert von dem alten Freunde, der jeden Sommer in Gmunden vor sprach, Reminiszenzen von 1853 und 1854 auf.“
Nur 3 Jahre nach dem Tod von Johannes Brahms gründete 1900 besagter Viktor Miller-Aichholz das weltweit erste Brahms-Museum in einem adaptierten Gartenhaus in Gmunden. Dieses bestand aus sieben Ausstellungsräumen und enthielt Artefakte wie etwa einfache Möbel aus der Ischler Sommerwohnung, Briefe, Partituren, oder private Fotos. Doch zukünftige Ereignisse haben sich einem Fortbestand entgegengestellt. Zuerst starb zehn Jahre darauf Viktor und seine Frau Olga bekam finanzielle Schwierigkeiten. Als diese schließlich auch 1931 starb, mussten die Erben mehrere Villen in Gmunden verkaufen. Das Brahms-Museum blieb zwar vorerst noch bestehen, aber verkam in zunehmend schlechteren Zustand. Hier waren Viktor und Olga Miller-Aichholz schon vor ihrem Tod weitsichtig und haben die Ausstellungsstücke der Stadt mit der Auflage „... weder zur Gänze noch teilweise entgeltlich oder unentgeltlich zu veräußern...“ geschenkt. Während der Kriegs- und deren Folgejahre, haben die Erben schließlich eine neue Unterbringung mit der Stadt vereinbaren können. Seit 1968 ist in dem Gebäude eine Volksschule, während die einstigen dort befindlichen Erinnerungsstücke im Kammerhofmuseum Gmunden aufbewahrt werden.
Streichquintett Nr.2 G-Dur op. 111
Johannes Brahms und Victor von Miller zu Aichholz am 04. August 1894 beim Eingang der Lindenstraße 11:
Bild: Meinbezirk.at/Eugen Miller-Aichholz
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Lieber Moderato,
vielen Dank für die interessanten Ausführungen. Es bestätigt sich was ich wie bereits beschrieben vermutet habe. Fritz Lehner hat sich auf jeden Fall mit Schubert näher auseinandergesetzt. Sein Schubert-Bild ist mit einigen Ausführungen seiner Freunde in bestimmten Aspekten druchaus stimmig wenn auch in gewisser Weise selektiv, einseitig in Richtung Tragödie radikalisiert. Der von dir eingebrachte Satz beschreibt das recht gut:
Erst danach hat er sich an der historischen Faktenlage orientiert und den Film in künstlerischer Freiheit geschaffen.
Die künstlerische Freiheit die eben auch mit sich bringt gewisse Merkmale übertreibend darzustellen und wiederum andere außen vor zu lassen. Vielleicht war das wie bereits schon geschrieben bei dem damals noch gängigen Schubert-Klischee auch notwendig. Es musste wohl ein Film sein der polarisiert und Aufmerksamkeit erzeugt, sonst wäre er vielleicht schnell wieder in Vergessenheit geraten und hätte sich auch nicht deutlich genug vom anderen Schubert-Bild distanziert. Und in seiner Machart und seinem angedachten Weg ist er schon sehr konsquent. Alfred schrieb über die "Passione" von Haydn sinngemäß wenn man nicht schon depressiv ist dann wird man es spätestens beim anhören dieser Musik. So ähnlich ist es wohl bei diesem Film, keine einfache Kost aber genau das will er auch sicher nicht sein. Wahrscheinlich versteht er sich auch nur als Alternativvorschlag und nicht als akkurat, historische Persönlichkeitsdarstellung. Glaube das war Lehner schon bewusst, er war ja sicher bei Sinnen und wusste was er tat und wie sehr er nur all die Fakten heranzog die seiner Idee dienlich waren. Wie hier schon an anderer Stelle geschrieben wird es immer nur dann problematisch wenn Menschen (ähnlich wie bei anderen Verfilmungen historischer Persönlichkeiten) dies auch als 100%ig wahrheitsgetreue Lebensverfilmung betrachten. Solche gibt es nämlich nach meiner Erfahrung halt auch.
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Hallo Helmut Hofmann,
was ich damit sagen wollte ist, dass man bei seiner musikalischen Analyse hinsichtlich des Menschen Schubert auch an seine Grenzen stößt und sich tatsächlich wie du es selbst schreibst in bestimmte spekulative Mutmaßungen begibt, begeben muss.
Es ist zum Beispiel umstritten, wie weit und in welchem Grad der Verlauf von Schuberts Leben Einfluss auf sein kompositorisches Werk hatte. (...) Meines Erachtens verfährt er dabei zuweilen arg spekulativ.
Auch wenn ich es natürlich auch in meinem vorletzten Satz getan habe, denn hätte die Musik rein garnichts mit der Persönlichkeit des Komponisten zu tun so müsste ja zum. Komponisten gleicher Epoche ja vom emotionalen Ausdruck ziemlich identisch klingen und auch wenn das bei Leuten mit wenig Hörerfahrung vielleicht so sein mag ist es ja nicht wirklich so. Aber mehr Evidenz über gewisse Wesensmerkmale, Eigenheiten im Alltag und im sozialen Umgang mit anderen bieten natürlich schon mehr solche Überlieferungen der Zeitgenossen wie in der von mir erwähnten Zusammenstellung von Deutsch. Zumal es bei ähnlichen Urteilen mehrerer Personen zu intersubjektiven Rückschlüssen hinsichtlich dieser genannten Aspekte kommen kann. Deren Basis sind schließlich direkte Beobachtungen, während ja die Musik ein künstlerischer und konstruierter (kein spontaner) Ausdruck des Menschen ist, also hier andere Maßstäbe bei einer Analyse angelegt und auch anders eingeordnet werden müssen.
Da es ja um den Film ging und sich Fritz Lehner allem Anschein nach auch auf solche Aussagen bezogen hat, wollte ich ihn auch daran messen, denn von der Musik alleine kann man meiner Meinung nach schwer bestimmte, vor allem soziale Verhaltensmuster die in eine Filmhandlung präsentiert werden im Detail herausarbeiten. Weil hier Biographie mit ins Spiel gebracht wurde. Ich ordne solche schriftlichen bzw. mündlich geäußert und schriftlich festgehaltenen Erinnerungen nicht zwingend als biographisch ein. Zumindest was mein persönliches Verständnis davon betrifft. Für mich haben rein biographische Daten immer einen faktischen, zweifellosen Quellenbezug, etwa durch verschiedenste Lebensdokumente aus Archiven (zB Schriftstücke von Schubert selber oder in denen von Behörden etwas festgehalten wurde) Wie bereits thematisiert ist der Wahrheitsgehalt von Anekdoten immer fraglich und kann nur umso wahrscheinlicher angenommen werden, je mehr übereinstimmende ähnliche Aussagen verschiedener Personen gemacht wurden. Eine übliche Biographie ist diese Sammlung von solchen Anekdoten ja nicht, denn würden alle Biographen die darin vorkommenden, umfassenden Details einbauen (das ist ja nicht gerade ein kleines Büchlein) müssten deren Biographien ja im Regelfall dicke Wälzer im vierstelligen Seitenbereich sein, da ja noch die bereits erwähnten gesicherten Fakten ja erst noch hinzukommen. Deutsch hat sich zwar im Anhang immer zu den jeweiligen Überlieferungen auch geäußert, aber das betrifft natürlich immer nur das was in diesen Erzählungen thematisiert wurde und ist bekanntlich auch nicht auf dem aktuellsten Stand der Forschung. Somit bleib ich dabei, um Schubert als sozialen Menschen näher zu kommen (das tiefste Innere kann ja möglicherweise auch ergänzend anhand der Musik erschlossen werden) ist das die beste Möglichkeit die man hat.
Und ich werde irgendwann wenn ich wieder mehr Zeit habe sicher auch die erwähnte Publikation von Gruber zulegen. Ich habe übrigens auch darüber nachgedacht, was Fritz Lehner eigentlich an einem Schuberbild vermittelt, kann man eigentlich auch als einen Confirmation Bias, einen Bestätigungsfehler bezeichnen. Darunter versteht man wenn man seine Informationen nach den eigenen Vorannahmen selektiv auswählt bzw. interpretiert. Ich glaube er wollte bewusst mit frontaler Härte dem damals noch stärker vorherrschenden "Schwammerl"-Image von Schubert etwas entgegensetzen, einen Kontrast dazu schaffen. Da wäre ein ausgewogeneres Bild wohl nicht dientlich dafür gewesen. Wo die Wahrheit genau liegt ist schwer zu sagen, zwar in keinem der beiden überzeichneten Darstellungen aber sicher wohl eher Tendenz zur Lehner-Darstellung.
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Mein bestes Schubert-Bild bekam ich von dem bereits hier von Alfred an anderer Stelle empfohlenen „Schubert – Die Erinnerungen seiner Freunde“ ,herausgegeben auf fast 600 Seiten von Otto Erich Deutsch (leider nicht beim Werbepartner gefunden). Ich kenne nicht die o.a. Bücher. Nichts gegen Gernot Gruber, den ich schon immer für manche Radiobeiträge und interessante Kommentare in bestimmten Podcasts schätzte. Aber er kann sich zwecks eines Schubert-Bildes auch nur vorwiegend auf solche Überlieferungen, sowie den Briefverkehr beziehen, es sei denn er hat ähnliche Fähigkeiten wie einst Rosemary Brown.
So bekomme ich Eindrücke von Menschen die mit ihm persönlich in Kontakt standen. Natürlich lassen solche Andekdoten auch immer den nicht unberechtigten Einwand zu, dass hier Verfälschungen (bewusst oder durch Irrtümer und falsche Erinnerungen auch unbewusst) nicht ausgeschlossen sind. Aber bei so vielen Erinnerungen verschiedenster Personen gibt es doch auch voneinander unabhängige, übereinstimmende Aussagen hinsichtlich bestimmter Merkmale seiner Person betreffend.
Von daher lässt sich auch vermuten, dass auch Fritz Lehner sich auf diese Sammlung verschiedenster Dokumente (Briefe, Tagebuchnotizen, Gastkommentare in Zeitungen,…) gestützt hat, da er bestimmte darin beschriebene Wesenszüge zumindest in gewisser Weise mit berücksichtigt zu haben scheint. Schubert wird von mehreren Freunden bzw. Bekannten als nicht sonderlich redseliger, sondern als ein eher tief in seinen Gedanken versunkener, aber auch nicht unfreundlicher Mensch beschrieben. Mit Geld konnte er nicht umgehen und auf Hygiene scheint er angeblich nicht sonderlich viel Wert gelegt zu haben (nun ja da wäre er ja in beiden Punkten nicht der einzige bekannte Komponist) Wenn ihn etwas aus der Fassung bringen konnte, dann musikalische Urteile die er nicht teilen konnte. Aber auch eine gewisse Labilität und Hörigkeit gegenüber vertrauten Freunden (Stichwort Schober) wird hier in manchen Erinnerungen thematisiert. Lehner hat sich eventuell darauf bezogen, als er im Film zeigte, wie Schober (der auch in Deutsch seiner Publikation von mind. zwei Personen als schlechter Einfluss bezeichnet wird) seinen Freund ins Rotlichtmilieu mitschleppte und Schubert sich darauf die Syphilis zuzog. Das ist natürlich Fantasie, da man natürlich nicht weiß, wo genau Schubert sich diese eingehandelt hat. Aber man kann sagen, dass diese Möglichkeit zumindest nicht vollkommen unrealistisch erscheint.
Das soll jetzt aber nicht als Plädoyer für diesen Film verstanden werden, denn ich stehe diesem insgesamt auch eher kritisch gegenüber. Ich habe den Eindruck dass er sich, wohl auch der Dramaturgie und dem künstlerischen Anspruch Lehners geschuldet, zu sehr nur auf die negativen Aspekte konzentriert. Wenn Schubert aus seiner überwiegend schweigsamen Innenwelt wieder in die Außenwelt tritt, dann sind es meist gleich Tobsuchtsanfälle oder einer „Biedermeier-Swingerparty“ und dem begleitenden Vollrausch geschuldete Übermütigkeiten (wonach es zum. im Film aussieht). Da bekommt der Begriff „Schubertiade“ eine ganz neue Definition.
Lichtblicke und normale Konversationen gibt es selten. Schubert, sein Leben als ein einziges Requiem bzw. Trauerspiel verfilmt. Ist eine Möglichkeit das so im Film darzustellen. Aber auch wenn Lehner sich gut informiert zu haben scheint, spielt trotzdem seine subjektive, man muss sagen selektive Deutung sehr hinein (Quasi, sein Leben eine einzige Winterreise). Ich halte mich dann lieber an Schuberts Musik und diesem speziellen Charakteristikum dass viele seiner Werke durchzieht, das dichte beeinander und Wechelspiel von Melancholie und Heiterkeit bzw. Zuversicht. So stelle ich mir persönlich Schubert vor.
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Nochmals zum Thema
WÖRTHERSEE, BRAHMS, WERZER
(# 12, 11)
Brahms war in Pörtschach, also am Nordufer, die Wallfahrtskirche Maria Wörth liegt am Südufer des Sees. An dieser Küste gibt es keine Bahnlinie, gab es meines Wissens auch keine (vielleicht eine kleine Stichbahn von Klagenfurth her). Insoweit dürfte sich Brahms mit dem Namen der Bahnstation geirrt haben Die Werzerfamilie mit ihren Zweigen betreibt m.W. in Pörtschach kein Hotel mehr, der familiäre Touch ist schon einige Jahre her (spätestens seit dem Neubau des "Werzer`s Hotel Resort" seit ca. 15 Jahren).
Ich habe diesen Beitrag der sich auf meinen bezieht erst jetzt entdeckt.
Bezüglich der Familie Werzer: Danke für den Hinweis. Ich bin wohl etwas vorschlüssig automatisch davon ausgegangen dass aufgrund des noch bestehenden Namens das Hotel tatsächlich noch von Nachfahren der Werzer-Dynastie geführt wird. Dem scheint also nicht so zu sein und vermutlich wird der Name wohl aus markenstrategischen Gründen noch belassen.
Bezüglich des Namens der Bahnstation: Ich habe mich zunächst auch gewundert, dass Brahms "Maria Wörth" schrieb. Das scheint aber kein Irrtum zu sein. Ich konnte nach flüchtigen Recherchen keine umfassendere Quelle als "Woerthersee-Architektur" finden auf deren Zeittafel steht
"1864 K.u.K. Südbahn - Eröffnung Bahnhof Velden, Maria Wörth(so hieß damals die Station Pörtschach) und Krumpendorf". 1884 erfolgte angeblich die Umbenennung in "Pörtschach am See", also nach Brahms seinen Aufenthalten. Ich habe versucht eine Karte aus dieser Zeit zu finden, auf der diese Station auch eingezeichnet ist, aber leider habe ich überhaupt keine historische Karte aus dieser Region gefunden. Ich vertraue mal dieser Information und habe auch eine plausible Erklärung dafür: Es ist sehr stark anzunehmen dass zu dieser Zeit Maria Wörth, als einer der wichtigsten Wallfahrtsorte Kärntens, einen höheren Stellenwert als Pörtschach hatte. Wie ja schon in meinem Beitrag erwähnt, war Pörtschach zu Brahms-Zeiten noch nicht richtig touristisch erschlossen (erste umfassende Investitionen in diese Richtung gab es auch erst ab den 1880er Jahren) und so verwies der Name vermutlich auf eine weiterführende Fährenverbindung von Pörtschach nach Maria Wörth. Zumindest erscheint nur dies den Namen schlüssig zu erklären.
Im September werde ich dann einen Aufenthalt in der Nähe eines Ortes machen der von zwei sehr bekannten Komponisten als Urlaubsaufenthalt genutzt wurde (wer will kann ja raten, aber Auflösung und möglicherweise auführlicher Bericht über die Aufenthalte der Beiden kommt erst Ende September
). Privatfotos kann man hier ja nicht auf diese Seite hochladen oder? Das hat zum. beim o.a. Beitrag nicht funktioniert.
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Eberl war ja mit Mozart befreundet und war vermutlich sogar ein Schüler von ihm, was aber lt Booklet nicht belegt istDieses Gerücht mag vielleicht daher kommen, da es angeblich Korrekturen von Mozarts Handschrift im Autograph der C-Dur Sinfonie zu geben scheint, welche 1785 komponiert wurde. Noch Mitte des letzten Jahrhunderts erschien diese fälscherlicherweise unter Mozarts Namen als KV Anh. C 11.14 im Druck (wie hier bereits erläutert nicht der einzige Fall dieser Art).
Bei Zuschreibungen muss man öfters skeptisch sein, so wurden manchmal auch schon Carl Czerny und Ferdinand Ries als Kompositionsschüler Beethovens bezeichnet (tatsächlich ausschließlich Klavierschüler). Nachweislich hatte Mozart nur Barbara Ployer (1784), Thomas Attwood (August 1785 – Februrar 1787), sowie Franz Jakob Freiystädtler (1786/87) tiefergehenden Kompositionsunterricht gegeben, da es nur hier und nicht darüber hinaus irgendwelche Unterrichtsaufzeichnungen gibt (NMA X/30; Bd. 1: Thomas Attwods Theorie- und Kompositionsstudien bei Mozart; Bd. 2: Barbara Ployers und Franz Jakob Freystädtlers Theorie- und Kompositionsstudien bei Mozart) Nach der Erinnerung von Michael O’Kelly (erster Basilio in Le Nozze di Figaro) soll Mozart über Attwood gesagt haben: „Attwood ist ein junger Mann, vor dem ich aufrichtige Zuneigung und Achtung empfinde. Er benimmt sich geziemend und ich freue mich sehr, ihnen sagen zu können, daß er von meinem Stil mehr annimmt als alle Schüler, die ich je hatte.“
Darüber hinaus gibt es ja noch die interessante Briefstelle aus Paris (14.05.1778) in der er wohl seiner scheinbar nicht sonderlich zur Komposition begabten Klavierschülerin etwas in dieser Sache beibringen wollte:
„Ich glaube ich habe ihnen schon im lezten brief geschrieben, das der Duc de guines, dessen Tochter meine scolarin in der Composition ist, unvergleichlich die flöte spiellt, und sie magnifique die Harpfe; sie hat sehr viell Talent, und genie, besonders ein unvergleichliches gedächtnüß, indem sie alle ihre stücke, deren sie wircklich 200 kan, auswendig spiellt. sie zweifelt aber starck ob sie auch genie zur Composition hat – besonders wegen gedancken – idéen; – ihr vatter aber, der | unter uns gesagt, ein bischen zu sehr in sie verliebt ist | sagt, sie habe ganz gewis idéen; es seÿe nur blödigkeit – sie habe nur zu wenig vertrauen auf sich selbst. Nun müssen wir sehen. wen sie keine idéen oder gedancken bekömt | den izt hat sie würcklich gar – keine | so ist es umsonst, den – ich kan ihr weis gott keine geben. die intention vom vatter ist, keine grosse Componistin aus ihr zu machen, sie soll, sagte er, keine opern, keine arien, keine Concerten, keine Sinfonien, sondern nur, grosse Sonaten für ihr instrument und für meines, schreiben. heüte habe ich ihr die 4:te Lection gegeben, und was die Regln der Composition, und das sezen anbelangt, so bin ich so ziemlich mit ihr zufrieden – sie hat mir zu den Ersten Menuett den ich ihr aufgesezt, ganz gut den Bass dazu gemacht. nun fängt sie schon an 3stimig zu schreiben. es geht; aber sie Ennuirt sich gleich; aber ich kan ihr nicht helfen; ich kan ohnmöglich weiter schreiten. es ist zu fruh, wen auch wircklich das genie da wäre, so aber ist leider keines da – man wird alles mit kunst thun müssen. sie hat gar keine gedancken. es kömt nichts. ich habe es auf alle mögliche art mit ihr Probirt; unter andern kam mir auch in sin, einen ganz simplen Menuett aufzuschreiben, und zu versuchen, ob sie nicht eine variation darüber machen könte? – ja, das war umsonst – Nun, dachte ich, sie weis halt nicht, wie und was sie anfangen soll – ich fieng also nur den ersten tact an zu variren, und sagte ihr, sie solle so fortfahren, und beÿ der idèe bleiben – das gieng endlich so ziemlich. wie das fertig war, so sprach ich ihr zu, sie möchte doch selbst etwas anfangen – Nur die erste stime, eine Melodie – ja, sie besan sich eine ganze viertl stund – und es kam nichts.“
Bei Franz Xaver Süßmayr gibt es auch keine Dokumente, die irgendeinen Unterricht belegen können. Offiziell galt er als Assistent (Kopist, Hilfe bei den Rezitativen zu La clemenza di Tito und dergleichen) oder „Lichterputzer“ wie ihn Mozart gerne in Briefen nannte (damalige Berufsbezeichnung für Leute die im Theater mit Hilfe der scherenartigen Lichtputze die Kerzendochte abgeschnitten haben). Constanze behauptete einmal er wäre Schüler gewesen, was aber auch eine Taktik gewesen sein könnte um das vervollständigte Requiem aufzuwerten (sind die Angaben einer Person zu trauen, die nach Mozarts Tod auch Komponisten wie etwa Maximilian Stadler beauftragte, um Mozarts Fragmente zu vervollständigen und nachfolgend Verlagen als gänzlich originale Mozartwerke zu verkaufen?). Sollten die Erzählungen Kellys stimmen, konnte Mozart auch davon abraten Kompositionsunterricht zu nehmen wenn er dafür gute Gründe erkannte („Bedenken sie: Ein bischen Wissen ist ein gefährlich‘ Ding – Falls ihre Kompositionen Irrtümer enthalten, werden sie auf der ganzen Welt hunderte von Musikern finden, die sie zu korrigieren im Stande sind.“)
Um wieder zu Eberl zurückzukommen, so ist es sicher möglich dass er auch etwas Unterricht in Komposition erhielt, aber allein Korrekturen in einem von Eberl zu Ende gebrachten Werk beweisen das noch lange nicht. Ein Lektorat ist ja schließlich auch kein Deutschunterricht.
Und bezüglich der Thematik mit der Bevorzugung seiner Es-Dur Sinfonie ggü. der Eroica. Aus heutiger Sicht scheint das zu verwundern, aber für mich gibt es dafür eine einfache Erklärung: Zeitgeschmack.
Ich bilde mir ein ich habe die CD mit dem oben gesuchten Bey Mozarts Grabe, und wenn ich mich nicht täusche damals beim ORF-Shop bezogen was es dort dann aber nicht mehr zu geben scheint. Für meinen Geschmack kann man es hören aber nichts weltbewegendes.
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Vielen Dank für die Ergänzungen und Kommentare. Eine möchte ich auch noch nachreichen, da auch die Umstände wie er sterbenskrank nach Wien kam etwas unzureichend abgehandelt wurden. Ich habe dazu nochmal das Mahler-Kapitel in Kerners Krankheiten großer Musiker gelesen. Hier wird diese Zeit genau auf mehreren Seiten beschrieben. Ich möchte natürlich nur das Wesentlichste ergänzend herausgreifen.
Am 20. Februar 1911 gab er sein letztes Konzert in der New Yorker Carnegie Hall. Hier hatte er schon Fieber, Halsschmerzen und eine belegte Zunge. Etwas später folgten Kreislaufzusammenbrüche. Eine Blutuntersuchung bestätigte den Verdacht auf Streptokokkensepsis. Der Arzt Joseph Fraenkel (1867-1920) war zu dieser Zeit Mahlers behandelnder bzw. beratender Arzt. Mehrere Ärzte in New York kamen schließlich zum Entschluss dass er eine Weiterbehandlung bei dem Bakteriologen André Chantemesse in Paris bräuchte, weswegen Mahler noch gemeinsam mit Busoni in sehr schlechtem Zustand die Schiffsreise antrat. Die physisch und psychischen Zustände schwankten dort noch, bis es schließlich nach einer Stadtrundfahrt zu einer deutlichen Verschlechterung kam. Hier sprach Mahler schon weinend vom Begräbnis und das auf dem Stein stehen solle: "Die mich suchen, wissen, wer ich war, und die anderen brauchen es nicht zu wissen." Zunächst überwies Chantemesse Mahler noch zum Kollegen Dr. Dupès. Mahler kam hier vollkommen kraftlos und erschöpft an. Eine Serumbehandlung blieb aber auch dort erfolglos. Dann holte man den österr. Arzt Franz Chvostek nach Paris (vielleicht auf Wunsch Mahlers? Im Buch steht dazu nichts), in dem hoffnungslosen Zustand wohl viel eher eine seelische Stütze als ein medizinischer Hoffnugsschimmer. Er war es auch der den Transport in das Sanatorium in Wien veranlasste. Da er schon hier zu Alma Mahler sagte "Hoffnungslos! Man kann nur wünschen, dass es schnell geht." ging es somit nicht mehr um bessere Behandlungsmöglichkeiten in Wien. Vermutlich dass er sich noch von seinen Wiener Freunden verabschieden konnte. Dort kamen diese auch und schmückten sein Zimmer mit zahlreichen Blumen aus. Die letzten Tage traten noch urämische Symptome auf. Nach einer Morphiuminjektion begann dann die Agonie, bis der Patient dann um Mitternach des 18. Mai 1911 verstarb. Erklärte Todesursache: tonsillogene Sepsis. Heute würde man wahrscheinlich streptogenes toxisches Schocksyndrom dazu sagen (erst Ende der 1980er genau erforscht). Eine Rettung wäre auch heute nur möglich, wenn frühzeitig eine Antibiotikatherapie begonnen, sowie weitere intensivmedizinische Maßnahmen eingeleitet werden würden. Also eine nach wie vor schwer zu behandelnde Krankheit mit schlechten Erfolgsaussichten.
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Das hätte wohl eher in "die beeindruckensten Filme"-Kategorie gepasst, doch ich habe gerade gesehen, dass dies im Regelfall eher eine Aufzählung von mehreren Filmen ist.
Der hier vorgestellte Film würde eigentlich einen eigenständigen Thread verdienen. Er ist einer meiner Lieblingsfilme, unter den mir bekannten Filmen, einer der wenigen der sich für mich wie eine herausragende Sinfonie unter Strauß-Walzern abhebt (gut solche Vergleiche haben die Hinkgefahr aber nur um es ganz grob zu versinnbildlichen) Warum? Der Film baut nicht auf vordergründige, offensichtliche Effekte, schnelle Schnitte und Szenenwechsel, die Handlung ist nicht rein auf einer oberflächlichen, grob strukturierten Ebene angesiedelt sondern die interessanten Aspekte liegen subtil im Detail. Er atmet langsam, ist auch sehr auf Ästhetik bedacht (die geschmackvoll ausgewählten Schauplätze in Norditalien, Prag, Wien und Niederösterreich, dazu die nicht minder geschmackvolle Musik Ennio Morricones) Die Handlung spielt ja auch in der Kunstszene und an diese hat er sich auch sehr gut angepasst. Kein Film für Leute die sich nur mal schnell unterhalten lassen wollen. Auch wenn man diesen Film oberflächlich betrachten kann, aber dann geht einem auch viel daran verloren. Der Haupthandlungsstrang ist dann sogar eher vorhersehbar. Es kommt hier also sehr auf die Details an.
Es geht um den Film „Das höchste Gebot“ im Original „La Migliore Offerta“ aus dem Jahr 2013, vom sizilianischen Regisseur Giuseppe Tornatore, welcher auch das Drehbuch geschrieben hat. Da ich schon mehrere Filme von ihm gesehen habe, weiß ich mit welchen Stilmitteln er gerne arbeitet. So lässt er gerne auch mal polyseme Deutungen zu, spielt mitunter mit versteckten Hinweisen, Metaphern und Symbolik. Wie man es dem Klischee nach auch kulturell vermuten könnte, haben einige seiner Filme auch eine gewisse eigene Sentimentalität (die er vielleicht weniger in diesem Film, aber in manch anderen auch mit einem schwarzen Humor verbindet)
Ich möchte hier nicht allzu viel für Diejenigen spoilern welche ihn noch nicht gesehen haben und neugierig geworden sind (es ist dann auch nicht zu empfehlen die Inhaltsangabe auf Wikipedia zu lesen, da hier schon alles verraten wird, selbst der Trailer verratet leider schon etwas zu viel).
Nur so viel vorab der grobe Handlungsstrang und auf welche Details man achten sollte: Es geht um einen wohlhabenden Auktionator und Kunstexperten Virgil Oldman (hervorragend gespielt von Geoffrey Rush) welcher zwar beruflich sehr erfolgreich und gefragt ist, abseits dessen aber ein Misanthrop zu sein scheint (selbst bei seinem besten Freund Billy spart er nicht mit Kritik, gespielt von Donald Sutherland im Herr der Ringe-Look) und immer Handschuhe trägt um von anderen nicht berührt zu werden…ein Verhalten, das wohl in heutigen Corona-Zeiten einen speziellen Beigeschmack bekommt
In seiner Villa (die Außendarstellung ist das Palais Pallavicini am Josefsplatz in Wien) hat er einen großen Tresorraum wo er all seine selbst ersteigerten, wertvollen Bilder aufbewahrt. Die Besonderheit: Es sind darauf nur porträtierte Frauen zu sehen, welche er oftmals durch seinen Freund und Komplizen Billy unter ihren Wert ersteigert hatte, indem er sie als Auktionator offiziell als Fälschung des Originals deklarierte. Eines Tages möchte eine junge Frau (Claire Ibbetson, gespielt von Sylvia Hoeks) die Möbel ihrer alten Villa bewerten lassen, da sie diese verkaufen möchte (sie gibt vor ihre Eltern seien gestorben und dass sie keine Verwendung mehr dafür hätte) Oldman kommt nur mit anfänglichem Widerwillen in die Villa um sich diese anzuschauen. Er findet es bald sonderbar, dass sich Claire Ibbetson nie zeigt und immer nur den Verwalter schickt um Oldman die Räumlichkeiten zu zeigen. Beinahe hätte er auch schon diesen Auftrag rückgängig gemacht, wenn er nicht am Fußboden des Kellers rätselhafte Zahnräder entdeckt hätte. Er zeigt sie dem Mechaniker Robert (Jim Sturgess), welcher diesen bald einen antiquarischen Wert zuschreibt. Er bräuchte aber mehr dieser Teile um eventuell das große Ganze dahinter wieder rekonstruieren zu können. Das löste im Kunstexperten Oldman eine große Neugier aus. Somit ließ er sich darauf ein die Bewertung der Villa vorzunehmen um die restlichen Teile zu finden, obwohl er das Verhalten Claire Ibbetsion äußert sonderbar fand. Soviel sei schon vorweggenommen ohne zuviel zu verraten, das ist schon einer der vielen Metaphern indem er eigentlich dabei war das Geheimnis um Claire Ibbetson zu rekonstruieren. Die Zahnräder spielen öfter eine Rolle in diesem Film, denn Virgil Oldman war selber nur eines in Relation zu dem Gesamtkonstrukt.
Mehr sollte nicht verraten werden aber für alle die sich ihn anschauen möchten, sind hier ein paar Tipps von einem der den Film schon mehrmals gesehen hat (und wahrscheinlich muss man ihn mehrmals sehen um alle Details zu erkennen):
In welchen Situationen zieht Virgil Oldman seine Handschuhe aus?
In welchen Situationen sieht Oldman nur ein Auge? (Zusammenhang)
Der Mechaniker Robert macht indirekte Hinweise was tatsächlich vor sich geht, man muss sie nur richtig einordnen, nur ein Beispiel: er spricht beim Zusammenbau der Zahnräder von einem im 18. Jahrhundert erbauten Automaten in dem sich ein Zwerg versteckte und alles was er sagte wahr ist. Das ist die (vom Autor beabsichtigte) Verbindung zu der kleinwüchsigen Frau in der Bar welche scheinbar ein Savant-Syndrom zu haben scheint und alles in der Umgebung genau beobachtet und mitzählt. Man beachte auch gegen Ende des Films die eine Zahl die sie mehrmals laut ausspricht und vergleicht sie mit der Auflösung ganz am Ende.
Man merkt, das ist nicht nur einfach ein Film den man mal einfach vor sich vorbeirieseln lässt, aber gerade das macht ihn auch besonders. Von der einfachen Unterhaltungssorte gibt es ja schon genug. Schön ist es auch, dass er einem genug Spielraum lässt um selbst seine Rückschlüsse zu ziehen, denn er zeigt nicht eine definitive Wahrheit, er lässt es jedem Menschem über darauf seine eigene Perspektive zu haben. Er regt zum beobachten und nachdenken an und von solchen Filmen sollte es auf jeden Fall mehr geben.
Ein Bild dass man in der Realität nicht finden wird. Das Steirereck sollte sich dem Film nach fiktiv im Gebäude der tatsächlichen Wiener Staatsoper befinden (tatsächlich war es nie dort und befindet sich derzeit beim Stadtpark)
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Falls ich in diesem Unterforum eher deplatziert bin bitte verschieben.
Ich möchte einmal nicht die für mich üblichen Verdächtigen behandeln (gewissen Komponisten aus der Wiener Klassik bis Frühromantik), dennoch mit einem Komponisten den ich sehr schätze. Da ich mit der Biographie Mahlers aber noch nicht so sehr wie mit manch anderen vertraut bin, birgt es auch die Gefahr dass ich gewisse Dinge übersehe. Falls es Vervollständigungen gibt bitte ich darum diese erwünschten Ergänzungen hier vorzunehmen (betreffend der Wiener Aufenthalte). Ich möchte mich zunächst um den Arbeitsaufwand in Grenzen zu halten, nur auf die Wiener Wohnstätten bzw. die Sterbestätte und nicht auf Wirkungsstätten und Freundeskreise konzentrieren (kann aber gerne von anderen ergänzt werden). Ebenso werden nicht die Urlaubs- und Reiseaufenthalte in der betreffenden Zeit abgehandelt.
Meist wird die sicher bedeutenste, noch bestehende Wohnstätte im 3. Bezirk, Auenbruggergasse 2 genannt, welche Mahler etwa 10 Jahre lang besaß (mit „bewohnte“ wäre ich bei seinen vielen Reisen eher vorsichtig). Doch es gibt noch andere Wohnungen, vor allem aus seiner Studienzeit von etwa 1875 – 1880, welche aber meist jeweils nur relativ kurz bewohnt wurden. Biographen unterteilen die Wiener Aufenthalte gerne in „Studienzeit“, sowie die Zeit in welcher er als Operndirektor tätig war. Dazwischen war er nahezu zwei Jahrzehnte als Kappellmeister in mehreren Städten Deutschlands, sowie Olmütz, Prag und Budapest (Operndirektor) tätig.
09.1875 – 10.1877, Fünfhausgasse 7 (Rudolfsheim-Fünfhaus)
Die in dieser Gasse damals befindlichen Bauten aus der Biedermeier-, und frühen Gründerzeit mussten um 1830 herum Gemeindebauten weichen. Die folgende Perspektive wurde in etwa vom Standort Nr. 7 aus fotografiert:
Mahler kam hier als 15jähriger an um am Wiener Konservatorium Klavier und Komposition zu studieren. In dieser Zeit entstand auch das Klavierquartett a-moll von dem leider nur der 1. Satz und ein Fragment eines Scherzo-Satzes übrig blieb. Alle anderen aus dieser Zeit stammenden Werke, wie etwa auch eine Klaviersonate, gingen entweder verloren oder wurden vernichtet (Er war äußerst kritisch mit einigen seiner frühen Werke).
„Neues Wiener Journal“ brachte einst einen Artikel in welcher Gustav Schwarz über seine Erinnerungen befragt wurde: „Herr Schwarz traf püktlich mit dem jungen Mahler zusammen, sie fuhren nach Wien und hier suchten sie sofort Professor Epstein auf.... ‚Ich erkannte sofort die eminente Begabung Mahlers,‘ sagte Herr Schwarz ‚als ich zu Professor Epstein kam, war er gar nicht entzückt, das Klavierspiel Mahlers imponierte ihm nicht. Erst als Mahler eigene Kompositionen zum besten gab, wurde Epstein warm, erklärte ein über das andermal, die Sachen seien direkt wagnerisch und fragte mich, warum ich ihn denn nicht telegraphisch nach Wien berufen habe.‘”
Epstein erteilte schließlich Unterricht im Klavier. Später wurde er auch von Robert Fuchs in Harmonielehre, von Franz Krenn in Komposition, sowie von Adolf Prosniz in Musikgeschichte unterrichtet. Ab 1877 nahm er auch an Vorlesungen der Universität Wien teil, wo er unter anderem die Vorträge in Musikgeschichte von Eduard Hanslick und Anton Bruckner besuchte.
10.1877, Beatrixgasse 19, Stiege 4, 1. Stock (Landstraße)
Das heutige an diesem Standort befindliche Gebäude wurde angeblich ein Jahr später errichtet. Wenn die beiden Angaben (Aufenthalt und Demolierung) so stimmen sollten, hat Mahler also noch im Vorgängerbau gewohnt. Vielleicht gerade auch wegen dieses Bauvorhabens nur so kurz, da er noch im gleichen Jahr zum Franzensring (heutige Dr. Karl Renner-Ring) wechselte. Die Nummer ist nicht bekannt und der Aufenthalt war auch nicht von langer Dauer, da er schon im Mai nächsten Jahres ein anderes Quartier bezog.
10.05.1878 – 02.1879, Florianigasse 16, Ecke Lammgasse (Josefstadt)
Hier lebte Mahler angeblich mit dem Maler (schönes Wortspiel) Gustav Frank (1859-1923) zusammen. Hier ein Bild vom ein Jahr älteren WG-Kollegen, welches mit 1880 datiert ist:
Gustav Frank - Dame mit schwarzem Hut
Ungefähr in dieser Zeit wurde die unvollendete und ebenso verloren gegangene Oper „Die Argonauten“ (basierend auf das gleichnamige Stück von Franz Grillparzer) entworfen. Mahler bewarb sich 1878 mit deren Ouvertüre zum Wettbewerb der „Beethoven-Stipendiumstiftung“ wurde aber schließlich nicht angenommen, da er zu spät sein Kompositionsstudium abschloss und somit eine bestimmte Frist verabsäumte.
Die heute an dem Haus befindliche Gedenktafel hat jedoch nichts mit Mahler zu tun, sondern erinnert an den Erfinder eines speziellen Waffensystems, Ferdinand von Mannlicher (1848-1904), welcher weitaus länger in diesem Haus als Mahler wohnte.
Quelle: Viennatouristguide
02.1879 - 04.1879, Opernring 23, 4. Stock
Im selben Haus ist 16 Jahre später Franz von Suppè verstorben.
Quelle: Mahlerfoundation.org
Aus den Wiener Studienjahren gibt es eine recht bemerkenswerte Beschreibung des Literaten Friedrich Ecksteins: „Einer von ihnen war eher klein von Gestalt; schon in der sonderbar wippenden Art seines Ganges machte sich eine ungewöhnliche Reizbarkeit bemerkbar, sein geistig gespanntes, überaus bewegtes und schmales Gesicht war von einem braunen Vollbart umrahmt, sein Sprechen sehr pointiert und von stark österreichischer Klangfarbe. Er trug immer einen Pack Bücher oder Noten unter dem Arm und die Unterhaltung mit ihm ging zumeist stoßweise vor sich. Sein Name war Gustav Mahler.“
Nach nur etwa 2 Monaten zog es ihn in eine Gegend, in der er es bei seinem zweiten Wien-Aufenthalt mit Abstand am längsten aushielt, nämlich am Rennweg. Diesmal war es aber nochmals nur sehr kurz.
16.04.1879, Rennweg 3, 1. Stock (Landstraße)
Zu Mahlers Aufenthalt hat die Deutsche Arcièren-Leibgarde das Haus Rennweg 3-5 genutzt. Dieses war ein Teil des ehemaligen Dreifaltigkeitsspitals. Es dürften hier aber schon Wohnungen für private und berufliche Zwecke vergeben worden sein, da 1881 der spätere Wiener Bürgermeister Dr. Karl Lueger in diesem Gebäude seine Notariatskanzlei hatte. 1889 erwarb Otto Wagner das Gebäude und ließ darauf drei Zinshäuser errichten, unter anderem das Palais Hoyos.
Der stetige Quartierswechsel zog sich weiter, es folgten 1880:
18.02.1880 – 26.03.1880, Windmühlgasse 39, 1. Stock, Tür 18 (Mariahilf)
Hier komponierte er u.a. an „Der Spielmann“ aus „Das klagende Lied.“ Um 1880 arbeitete er auch an der Märchenoper „Rübezahl“, doch auch hier ist wie bei den Argonauten musikalisch nichts mehr vorhanden.
„[…] Im Zimmer nebenan hauset eine Jungfrau, die den ganzen Tag auf ihrem Spinett ruht. Sie weiß allerdings nicht, daß ich deshalb schon wieder wie Ahasverus meinen Wanderstab ergreifen muß. Das weiß der Himmel, ob ich einmal irgendwo ansässig sein werde. Immer bläst mich irgend ein windiger Gesell aus meiner Stube in eine andere hinein. Meine jetzige befindet sich: VI., Windmühlgasse Nr. 39, 1. St. Th[ür] 18.“ (Brief vom 18.02.1880 an Anton Krisper)
Quelle: Mahlerfoundation.org
Die Unruhe, die Mahler laut Zeitgenossen generell besaß, zeigte sich wohl auch anhand seiner permanenten Umzüge. Hätte er so auch bei seinem zweiten Wiener Aufenthalt weitergemacht, hätte er wohl Beethoven hinsichtlich einer Umzugsbesessenheit ernsthaft die Stirn bieten können.
um 27.04.1880, Floragasse 7, 4. Treppe, 3. Stock (Wieden)
Heute steht hier ein potthässlicher Bau der zum anderen Häuserensemble der Straße wie die Faust aufs Auge passt (in der ursprünglich negativen Bedeutung).
Durch die Vermittlung von Epstein bekam er das Angebot als Kapellmeister in Bad Hall, welche er noch im gleichen Jahr antrat. Mahler war auf diese Stelle nicht besonders stolz und verschwieg diese Station später in seinen Lebensläufen. Als er 1897 wieder nach Wien zurückkehrte, zog es ihn aus scheinbar nostalgischen Gründen, wieder zur gleichen Adresse wie 1879. Wobei hier schon aber das Palais Hoyos gestanden haben müsste. In einem Brief von Gustav Mahler an Anton Krisper (1858-1914) wird die Adresse mit Rennweg 3, Parterre, Tür 10 B angegeben.
„Mein lieber Anton! Soeben bin ich in Wien angekommen und habe die Stätte aufgesucht, wo wir zusammen so oft Freud und Leid geteilt haben. Ich bin der unglücklichste Glückliche, der sich je unter Rosen gewunden. Nun steht ein neuer Name in meinem Herzen neben dem Eurigen; zwar nur flüsternd und errötend aber nicht weniger mächtig – Wann kommst Du nach Wien? Schreibe sofort. Ich ziehe jetzt in eine bekannte Wohnung. Ach, ich möchte den alten Zeiten näher sein. Bin wohl ein rechter Tor. Sei es doch! Kinder sind besser als Greise. Ich bin zu unruhig, um mehr schreiben zu können. Meine Eltern grüßen Dich herzlich sowie auch Dein treuer Gustav Mahler.“
Auch hier blieb er nicht lange.
10.08.1897 – 18.11.1898, Bartensteingasse 3, 1. Stock
Das Gebäude (Nr.1-5) ist noch erhalten und wurde in den Jahren 1873-1874 von Jusef Hudetz, Bernhard Freudenberg und Moritz Hinträger auf dem ehemaligen Glacis (Parade- und Exerzierplatz) erbaut. Er bewohnte die Wohnung zusammen mit seiner Schwester Justine Rose-Mahler (1868-1936), und bekam hier bereits Besuch von Bruno Walter.
Quelle: Wikimedia, Nr.3 das Haus mit der hellbraunen Fassade
Danach zog es ihn dann für den Rest seiner Zeit als Operndirektor zurück an den Rennweg, das Nebengebäude des bereits zwei Mal bewohnten Rennweg 3.
19.11.1898 – 07.10.1909, Auenbruggergasse 2 (Eingang), 4. Stock, Blickrichtung Strohgasse. Gebäude zwischen Rennweg 5, Auenbruggergasse 2 und Strohgasse (Landstraße)
Seine Schwester war hier zunächst ebenso Haushaltshilfe, bis Alma Mahler nach der Heirat am 09.03.1902 (in der Karlskirche) einzog. Es wurde ebenso wie Rennweg 3-5 von Otto Wagner 1891 erbaut. Diese Wohnung kann wohl eher mit seiner Tätigkeit als Operndirektor, weniger hinsichtlich seiner Kompositionstätigkeit in Verbindung gebracht werden (auch wenn die Gedenktafel an diesem Haus anderes behauptet). Ich bin biographisch kein Mahler-Experte um zu beurteilen inwieweit er hier an Werken arbeiten konnte, aber was ich bislang so gelesen habe, war die Tätigkeit an der Wiener Hofoper (heutigen Staatsoper) herausfordernd genug, so dass nicht mehr viel Zeit für andere Dinge blieb. Somit mussten die Sommeraufenthalte in den spielfreien Zeiten für die Kompositionen genutzt werden. Dazu gehörten etwa die Komponierhäuschen bei Maiernigg am Wörthersee, Steinbach am Attersee, oder Toblach in Südtirol. In dieser Zeit arbeitete Mahler u.a. an den Sinfonien 4 bis 9, Revisionen zur 2. und 3. Sinfonie, sowie am „das Lied von der Erde“. Nicht zu vergessen, dass Mahler in dieser Wiener Zeit auch einige Konzertreisen unternahm.
Mahler polarisierte in jeglicher Hinsicht. Bei seiner Tätigkeit als Hofoperndirektor wussten gewisse Leute Mahlers große Ambitionen und anspruchsvollen Aufführungen durchaus zu schätzen, aber andererseits kam sein teils despektierlicher Führungsstil, sowie seine zunehmenden Abwesenheiten immer mehr in Verruf. 1907 war dann ein Schicksalsjahr für Mahler. Er musste sich vermehrt antisemitischer Pressekampagnen aussetzen, wurde mit dem Tod seiner ältesten Tochter, sowie einer Entfremdung zwischen ihm und seiner Ehefrau konfrontiert. Er beendete schließlich in diesem Jahr die Zusammenarbeit mit der Hofoper, behielt die Wohnung aber noch für etwa zwei weitere Jahre.
Quelle: Viennatouristguide
Es sah dann so aus als würde Mahler, dessen Gesundheitszustand sich in New York zunehmenend verschlechterte, für immer Wien den Rücken kehren. Doch als er totkrank war setzte er noch einmal seine Hoffnungen auf die Wiener Ärzte.
12.05.1911 – 18.05.1911, Mariannengasse 20 „Löw Sanatorium“, Raum 82
Quelle: Mahlerfoundation.org
Mahler ließ sich hier schon 1901 operieren. Vielleicht machte er dabei so gute Erfahrungen, dass er in sehr schlechtem Zustand noch so weit zu diesem Sanatorium reisen wollte. Der Legende nach soll das letzte das er dort sagte „Mozart“ gewesen sein. Das Gebäude ist meines Wissens noch, eher schlecht als recht, erhalten. Mit dem Nationalsozialismus musste Getrud Löw, die Enkelin des Gründers, das Sanatorium 1938 aufgeben. Etwa ab 1960 wurde die ÖBB Eigentümer und hatte dort für längere Zeit auch die Generaldirektion. Letztstand 2020 wollte die ÖBB Infrastruktur das schon für etwa ein Jahrzehnt leer stehende Gebäude verkaufen. Das um 1895 erbaute Haus steht nicht unter Denkmalschutz und somit scheint die Zukunft dafür sehr ungewiss. Wer Mahlers Sterbehaus noch von Außen original sehen möchte sollte sich wohl besser beeilen.
Eine öffentlich zugängliche Mahlerstätte (wie etwa bei Mozart, Beethoven, Schubert, Haydn,…) gibt es in Wien nicht. Die drei Letztgenannten sind derzeit alle in Privatbesitz. Schwacher Trost für Mahlerfreunde: Es gibt einen kleinen Mahler-Gedenkraum im Haus der Musik.
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Ich kann mich da in Helmut Hofmann auch sehr gut einfühlen. Es darf nicht außer Acht gelassen werden dass es verschiedenste Typen von Mitgliedern gibt und ebenso verschiedenste Motivationen Beiträge zu schreiben. Gerade wenn ausführliche Beiträge keine Reaktionen bekommen leben Sie von der Leserschaft. Das habe ich ja schon zu dir Alfred am Telefon gesagt, dass es mich mittlerweile nicht mehr so sehr stört wenn ich keine Antworten bekomme (natürlich ist Feedback immer gut, aber es ist nicht mehr so dass ich bei fehlenden Reaktionen entmutigt werde), da die Motivation hauptsächlich darin besteht gelesen zu werden, wenn man so will ein eher journalistischer Ansatz, der weniger den Fokus auf den direkten Austausch legt. Ich hätte auch befürchtet, dass bei einem Entgelt für Lesende die Leserschaft deutlich reduziert wird und das hätte mir vor allem für Mitglieder wie Helmut Hofmann und all die anderen die hier einfach nur erworbenes Wissen teilen möchten sehr leid getan (ich beziehe mich da nicht ein da ich dafür zu selten etwas schreibe). Darum finde ich die Entscheidung sehr gut. Vielleicht gibt es auch andere Ideen um Lesende zum bezahlen zu motivieren? Nur so ganz spontan zB ein eigener Bereich wo Lesende gegen geringe Bezahlung fachspezifische Fragen an die Mitglieder stellen können (deren Einnahmen zum Erhalt des Forums genutzt werden), aber k.A. wie gut das dann angenommen werden würde und nur ein Gedanke, vielleicht gibt es da noch andere Ideen.
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Teil 2
LANGANHALTENDE FREUNDSCHAFTEN (Bonn und darüber hinaus auch in Wien)
Franz Anton Ries (1755 – 1846) / Ferdinand Ries (1784 – 1838)
Ich sehe das als eine langanhaltende Verbindung, da Beethoven Ferdinand Ries vorwiegend aufgrund der freundschaftlichen Kontakte zu seinem Vater, als Klavierschüler aufnahm. Für die damaligen beschwerlichen Reisebedingungen war Ferdinand meiner Ansicht nach schon ein Globetrotter, so ließ er sich allein von 1802 bis 1813, also innerhalb von 11 Jahren in mind. neun verschiedenen Gegenden nieder (lässt man jetzt mal die verlängerten Reiseaufenthalte auf der Strecke nach Russland beiseite) Aufgrund Basis seiner zwei Wien-Aufenthalte gibt es sehr unterhaltsame und interessante Notizen über den Kontakt mit Beethoven. Daraus sind schon mittlerweile legendere Anekdoten und Zitate entstanden, wie etwa der oft zitierte Ausspruch „Für solche Schweine spiele ich nicht!“ Glaubt man Ries in seinen Ausführungen, so war dieser Kontakt von gegenseitiger Wertschätzung und Vertrauen geprägt, aber der talentierte Klavierschüler kann andererseits auch als eine Art Vorgänger von Anton Schindler (und Franz Oliva) betrachtet werden, denn er wurde von Beethoven ebenso für diverse Erledigungen (Botengänge, Korrespondenzen, Besorgungen,…) zugeteilt. Als Ries nach London zog bestand weiterhin ein schriftlicher Kontakt, wobei auch hier Beethoven Ries ständig um Gefälligkeiten bat (etwa Vermittlung zu Londoner Verlegern und Gesellschaften) Da somit Beethoven meist einen gewissen Nutzen aus dem Kontakt mit Ries beziehen wollte, bin ich mir über dieses Verhältnis nicht ganz im klaren. Passend zu der Josephine-Geschichte schrieb er ihm in einem Brief vom 8. Mai 1816 nach London "leider habe ich keine [Frau], ich fand nur eine, die ich wohl nie besizen werde, bin aber deswegen kein weiberfeind".
Franz Gerhard Wegeler (1765 – 1848)
Wegeler war nicht nur ein Jugendfreund aus der Bonner Zeit. Der in Bonn geborene Mediziner hielt auch noch später sowohl den Kontakt zu Beethoven, als auch zu Stephan von Breuning. Zunächst floh dieser 1794 aufgrund französischer Truppenbelagerung in Bonn ebenso nach Wien, kehrte aber zwei Jahre darauf wieder in seine alte Heimat zurück. Somit sahen sie sich nie mehr wieder, behielten aber die schriftliche Korrespondenz bis zu Beethovens Tod bei. Darin lässt sich ein recht herzlicher, inniger Umgang erahnen. Es ist auch bezeichnend und spricht für das Vertrauensverhältnis, dass er auch eine der ersten Personen war, welche von Beethovens Hörleiden erfuhren. „Mein guter Wegeler! ich danke dir für den Neuen Beweiß deiner sorgfalt um mich, um so mehr, da ich es so wenig um dich verdiene – du willst wissen, wie es mir geht, was ich brauche, so ungerne ich mich von dem Gegenstande überhaupt unterhalte, so thue ich es doch noch am liebsten mit dir…“ Hier fällt später ebenso der berühmte Ausspruch „ich will dem schicksaal in den rachen greifen“.
Die Breunings
Wie schon im Einleitungstext erwähnt bestand zu der Familie Breuning seit 1784 in Bonn ein bis zu Beethovens Tod andauernder freundschaftlicher, persönlicher Kontakt. Vielleicht kann man dies als die tiefgehenste Freundschaft in Beethovens Leben bezeichnen. Einen recht bemerkenswerten Brief schrieb Beethoven an Stephan von Breuning von Baden aus Anfang November 1804, worin er ihn um eine Versöhnung bittet. „…Boßheit wars nicht, was in mir gegen dich vorgieng, nein ich wäre deiner Freundschaft nie mehr würdig, Leidenschaft bey dir und bey mir – aber Mißtrauen gegen dich ward in mir rege – Es stellten sich Menschen zwischen unß – die deiner und meiner nie würdig sind; – mein Portrait war dir schon lange bestimmt, du weißt es ja, daß ich es immer jemand bestimmt hatte, wem könnte ich es wohl mit dem wärmsten Herzen geben als dir treuer, guter, edler Steffen – verzeih mir, wenn ich dir wehe that, ich litte selbst nicht weniger, als ich dich so lange nicht mehr um mich sah, empfand ich es erst recht lebhaft, wie theuer du meinem Herzen bist, und ewig seyn wirst. (…) du wirst wohl auch wieder so zutraulich in meine Arme fliehen, als sonst“.
Die vertrauensvolle Freundschaft hielt bis zu seinem Tod, das bezeugt auch, dass Stephan von Breuning an Beethovens Totenbett als Vormund Karls bestimmt wurde. Von Mai bis November 1804 gab es auch eine WG im „Roten Haus“, einem großen Zinshauskomplex welches zum damaligen Zeitpunkt Fürst Nikolaus Esterházy gehörte. Der Grund von Beethovens plötzlicher Flucht ist im schon genannten Brief ersichtlich. Die emotionalen Eindrücke des gemeinsamen Haushalts schilderte Breuning am 13. November 1804 an Wegeler: „Sie glauben nicht, lieber Wegeler, welchen unbeschreiblichen, und ich möchte sagen: schrecklichen Eindruck die Abnahme des Gehörs auf ihn gemacht hat. Denken Sie sich das Gefühl unglücklich zu sein, bei seinem heftigen Charakter, hierbei Verschlossenheit, Mißtrauen, oft gegen seine besten Freunde, in vielen Dingen Unentschlossenheit! Größtenteils, nur mit einigen Ausnahmen, wo sich sein ursprüngliches Gefühl ganz frei äußert, ist Umgang mit ihm eine wirkliche Anstrengung, wo man sich nie selbst überlassen kann. Seit dem Mai bis zu Anfang dieses Monats haben wir in dem nämlichen Hause gewohnt, und gleich in den ersten Tagen nahm ich ihn in mein Zimmer. Kaum bei mir, verfiel er in eine heftige, am Rande der Gefahr vorübergehende Krankheit, die zuletzt in ein anhaltendes Wechselfieber überging. Besorgnis und Pflege haben mich da ziemlich mitgenommen. Jetzt ist er wieder ganz wohl. Er wohnt auf der Bastey, ich in einem vom Fürsten Esterházy neuerbauten Hause vor der Alster-Kaserne, und da ich meine eigene Haushaltung führe, so ißt er täglich bei mir."
Die Breunings dürften wohl nicht so oft die Behausung wie ihr guter Freund gewechselt haben, denn aus den von August 1825 beginnenden Erinnerungen Gerhard von Breunings (also 21 Jahre später), erfährt man, dass Beethoven ihnen beim Treffen mitteilte „…daß er bald - Ende Septembers – in unsere unmittelbare Nachbarschaft: das Schwarzspanierhaus (wir wohnten in dem rechtwinkelig gegenüberstehenden fürstlich Esterházy’schen Rothen Hause) ziehen werde, welche Mittheilung gesteigertes Interesse hervorrief; daß er dann recht oft und viel mit uns wieder zu verkehren gedenke; …“
Das besagte „Rothe Haus“ befand sich in der damaligen Alservorstadt, dem heutigen 9. Wiener Gemeindebezirk. Unter dem Besitz Esterházys wurde der Komplex ausgebaut und umfasste 4 Höfe, 20 Stiegenhäuser und mehr als 150 Wohnungen. Wie so viele Gebäudekomplexe aus dem 17. und 18. Jhdt. in Wien wurde auch dieses im Laufe der Zeit demoliert. Das Ende wurde im Jahr 1861 eingeleitet, als die mittlerweile überschuldeten Esterházys Das Rote Haus an einen gewissen Leopold Popper um 60.000 (österr.) Gulden verkauften. Zum Abriss kam es aber unter einem anderen Hausbesitzer, der Union-Baugesellschaft, welche den Komplex 1876 erwarben und schrittweise bis 1889 demolierten. Eine der Straßen welche auf dem Areal des ehemaligen Komplexes errichtet wurden, hat man auch Rotenhausgasse benannt. Mehr zum Roten Haus, wie etwa zu seiner damaligen Lage und heutigen Überresten auf dieser Seite:
Rotes Haus - Geschichte und Funde
Bildquelle: Beethoven-Haus Bonn, NE 81, Band II, Nr. 373
Bildquelle: ONB, 198.291B POR MAG
Im Vordergrund das "Rote Haus" welches an die Alser-Kaserne anschloss. Rechts ist noch die Schwarzspanierkirche zu sehen, welche an das Schwarzspanierhaus (weiter rechts, nicht mehr im Bild) angebaut war. Die letzte Wohnstätte Beethovens in der er auch am 26. März 1827 verstarb.
Bildquelle: Beethoven-Haus Bonn, B 198/a
Eine der ältesten Fotografien des Gebäudes aus den 1870er Jahren. Deshalb sieht man noch ungefähr die Situation wie zu Beethovens Zeiten. 1903 wurde das Schwarzspanierhaus demoliert. Gerhard von Breuning beschrieb dieses Quartier folgendermaßen: "Zur Wohnung gelangte man über die schöne Haupttreppe. Im zweiten Stockwerke links durch eine einfache, etwas niedere Türe entretend, befand man sich in einem geräumigen Vorzimmer mit einem Fenster...nach dem Hofe. Aus diesem Vorzimmer geradeaus kam man in die Küche und in ein großes Dienstbotenzimmer,... links aber in ein sehr geräumiges Kabinett mit einem Fenster auf die Straße hinaus. Die beiden Gemächer rechts vom Eintrittszimmer waren nun erst eigentlich Beethoven's Aufenthalt, und zwar das erste sein Schlaf- und Clavierzimmer, das letzte, das Kabinett, sein Kompositionszimmer. In Mitten des ersten (zweifenstrigen) Zimmers standen in einander, Bauch an Bauch gesetzt, zwei Claviere. Mit der Claviatur gegen den Eintritt zu jener englische Flügel, welcher ihm einst von den Philharmonikern aus England zu Geschenke gemacht worden war... Nach der andern Seite - mit der Claviatur gegen die Thüre des Kompositionszimmer sehend - stand ein Flügel des Clavierfabrikanten Graf in Wien, Beethoven zur Benutzung überlassen... Auf dem Pfeiler zwischen beiden Fenstern dieses Zimmers stand ein Schubladkasten, und auf demselben die Wand hintan eine vierfächerige, schwarz angestrichene Bücherstellage mit Büchern und Schriften, vor derselben auf dem Kasten aber lagen mehrere Hörrohre und zwei Geigen; all dieß in Unordnung und arg verstaubt. Beethovens Bett, Nachtkästchen, ein Tisch und Kleiderstock nächst des Ofens machten den Rest dieser Zimmereinrichtung aus. Das letzte (wieder einfenstrige) Zimmer war Beethovens Arbeitsstube. Hier saß er an einem etwas abseits vom Fenster, gerade vor die Eingangsthüre gestellten Tische, mit dem Gesichte nach der Thüre zum großen Zimmer gewendet, die rechte Körperseite dem Fenster zugekehrt."
Heute erinnert an diesen Ort nur noch die übriggelassene Fassade der Schwarzspanierkirche:
Quelle: Wikimedia, Public Domain
Wie geschrieben kann diese Auflistung nur selektiv und subjektiv sein, hoffe aber zumindest doch, hier die wichtigsten Personen berücksichtigt zu haben. Einige andere Kontakte habe ich mit Absicht nicht in meine Auswahl genommen, wie etwa der schon angeführte Anton Schindler, oder auch Erzherzog Rudolph: auf mich persönlich wirkt diese Verbindung zu zweckmäßig (voneinander stark profitierend), wahrscheinlich auch durch Rudolphs Stellung zu formell um hier tiefere Freundschaft zuzulassen. Zudem schrieb Beethoven in manchen Briefen auch nicht vorteilhaft über ihn (wie etwa 1818 an Ries: „…Durch meine unglückliche Verbindung mit diesem Erzherzog bin ich beynahe an den Bettelstab gebracht.“), Carl Czerny: viel weiß man nicht, sind drei Jahre als Klavierschüler ein überzeugendes Argument für eine Freundschaft?, Johann Baptist Pasqualati: ein glühender Verehrer der von Beethoven auch nur recht förmlich kontaktiert wurde, wenn dieser bei ihm Hilfe oder Ratschlag suchte, Franz Oliva: der direkte Vorgänger Anton Schindlers, also Mädchen für Alles von 1809 bis 1820. Zwar widmete ihm Beethoven 1809 ein Werk schrieb aber später einmal Pasqualati: „Der Lumpenkerl Oliva (jedoch kein edler L–k–l) kommt nach Ungarn, gib Dich nicht viel mit ihm ab; ich bin froh, daß dieses Verhältniß, welches blos die Noth herbeiführte, hierdurch gänzlich abgeschnitten wird. – Mündlich mehr…“. Leute wie Anselm Hüttenbrenner, Tobias Haslinger, Franz Grillparzer,… wie gut war hier der Kontakt, wie groß die gegenseitige Zuneigung? Möglicherweise können hier noch Vorschläge, oder Argumente dafür oder dagegen gemacht werden. Schließlich sind alles nur Einschätzungen aufgrund gewisser schriftlicher Quellen und meinem persönlichen Empfinden über den freundschaftlichen Begriff. Wenn man den heutigen Freundschaftsbegriff auf Social Media, wie etwa Facebook heranzieht, waren sie dann wohl alle Freunde. Aber ein simples „sich kennen“ bzw. voneinander Notiz zu haben, kann ja hoffentlich nicht die Messlatte sein. Für mich steht dahinter schon eine stärkere gegens. Sympathie und Wertschätzung, bei der nicht vordergründig funktional, eigennützige Beweggründe im Vordergrund stehen. Eine Person die einem menschlich fehlt, wenn man diese schon länger nicht gesehen hat.
Liebe Grüße
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Es ist nicht einfach sich ein konkretes Bild über Beethovens Freundschaften zu machen und würde eine relativ umfangreiche Beschäftigung mit dieser Thematik benötigen die über einen herkömmlichen Forenbeitrag weit hinausgeht. Zum einen stellt sich die Frage wie intensiv die jeweilige Freundschaft tatsächlich war. So könnte etwa ein reger Kontakt zu einer Person zwar bestanden haben, dieser aber vordergründig dadurch zustande gekommen sein, indem sich Beethoven gewisse pragmatische Vorteile davon versprochen hatte, was sich wiederum natürlich auch nicht bei der Kontaktperson ausschließen lässt. Doch es muss auch nicht zwangsläufig immer so sein, dass hier bei jedem Verleger, Grafen oder Fürsten ein rein wirtschaftliches Kalkül dahinter stand. Somit ist die Häufigkeit der Begegnungen oder Anzahl der Briefe kein sicheres Indiz dafür wie freundschaftlich Beethoven mit dieser Person tatsächlich verbunden war. Ein anderes Merkmal wäre die Dauer des persönlichen oder schriftlichen Kontaktes. Manche hielten einen überwiegenden Teil seines Lebens, während andere nur von relativ kurzer Dauer waren (auch hier die Problematik inwieweit nur flüchtige Bekanntschaft oder schon freundschaftliche Verbundenheit für kurze Dauer). Es würde sich hier somit bzgl. einer groben Übersicht eine vertikale und horizontale Sichtweise anbieten, auf der horizontalen Achse die Zeitspanne, auf der vertikalen die Intensität des Kontaktes. Ich werde mich hiermit aber mit einer groben zeitlichen Zuordnung bestimmter Personen begnügen, da eine halbwegs seriöse grafische Darstellung schon eine weitaus umfangreichere Recherche benötigen würde. Ich möchte die Kontakte in 3 grobe Kategorien zusammenfassen: Die Bonner Freunde, mit denen in Wien (meines Wissens) kein Kontakt mehr bestand, die Wiener Freunde, mit welchen Beethoven noch keinen Kontakt in Bonn hatte, sowie alle Freundschaften welche schon in Bonn bestanden, aber auch in seiner Wiener Zeit noch gepflegt wurden.
Die Auflistung soll im Grunde genommen platonische Freundschaften enthalten, aber es ist natürlich schwer hier bei Beethovens umworbener aristokratischer Damenwelt immer so genau zu unterscheiden, sowieso bei der historischen Distanz und den der Nachwelt verborgen gebliebenen Details. Außerdem können sich auch Zustände ändern und Grenzen sind hier bekanntlich auch fließend. Ich erhebe aber auf keinen Fall den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern dies soll nur eine grobe und mangels der schon benannten Nachteile auch eine teils subjektive Darstellung bieten.
Eine wichtige Zuordnung bieten natürlich die Briefe auf die ich mich hauptsächlich stütze, eine vorwiegende Freundschaft von Angesicht zu Angesicht ist, insofern nicht andere Quellen dies nahe legen, nachträglich nicht belegbar und wäre nur rein spekulativ. Eine sehr interessante Quelle ist darüber hinaus auch die Erinnerung von Gerhard von Breuning „Aus dem Schwarzspanierhause. Erinnerungen an L. van Beethoven aus meiner Jugendzeit.“ Mit den Breunings kam Beethoven schon in Bonn im Jahr 1784 in Kontakt, indem er als Klavierlehrer für die Kinder seines langjährigen Freundes Stephan von Breuning, Eleonore und Lorenz, tätig war. Da die Breunings 1801 nach Wien zogen, bestand noch bis zu Beethovens Tod ein freundschaftlicher Kontakt. Der 1813 in Wien geborene Gerhard von Breuning, hatte in den letzten Lebensjahren Beethovens wertvolle Erinnerungen gesammelt, welche er niederschrieb. Sein Vater konnte nicht mehr seine mit Schindler und Wegeler geplante Biographie schreiben, denn er starb nur wenige Monate nach Beethoven (nach den Erinnerungen seines Sohnes war hier angeblich der Tod Beethovens zum. nicht ganz unbeteiligt daran). Das ist auch für die Nachwelt sehr bedauerlich, da dadurch gleichzeitig die Erinnerungen verloren gingen, welche Stephan von Breuning noch auf Papier festhalten wollte.
Teil 1
BONNER FREUNDE
Je nachdem wie man Freundschaft definiert, können die hier drei genannten u.U. kritisch gesehen werden. Zumindest riss bei den tiefergehenden Freundschaften aus der Bonner Zeit auch darüber hinaus nicht der Kontakt ab.
Gottfried Fischer (1780 – 1864)
Fischer war ein Bonner Bäckermeister welcher in seiner Kindheit einige Zeit mit dem musikalischen Talent verbrachte, da die Beethovens Untermieter bei den Fischers waren. Wobei ich persönlich eine wahre Freundschaft zu Gottfried bei diesem Altersunterschied eher anzweifle (Beethoven wird sich in seiner Pubertät wohl weniger permanent mit Kleinkindern abgegeben haben) Als Beethoven nach seinem Tod zunehmend populärer wurde, hatte Fischer die Idee diese ehemalige Verbindung auszunutzen und gemeinsam mit seiner älteren Schwester Cäcilia Erinnerungen herauszubringen, das heute sog. „Fischersches Manuskript“. Darin werden recht banale Erlebnisse geschildert, wie etwa Beethoven als Eierdieb der auf frischer Tat ertappt entgegnet „Mein Bruder Casper hat mir mein Taschentuch da reingeworfen, das will ich wieder rausholen!“ Wie glaubwürdig diese Schilderungen sind ist natürlich wieder eine andere Frage. Untermauert wird diese Glaubwürdigkeit jedenfalls nicht gerade, indem die in den 1850er Jahren verfasste Reinschrift teils stark von der Ursprungsfassung aus den 1830er Jahren abweicht.
Christian Gottlob Neefe (1748 – 1798)
Er war der erste bedeutende Kompositionslehrer Beethovens und gab zudem Unterricht im Cembalo-, Orgel- und Generalbassspiel. Es ist natürlich bis zu einem gewissen Grad spekulativ, inwieweit darüber hinaus eine Freundschaft zu dem deutlich älteren Neefe bestand. Vielleicht war er ja für Beethoven zum. anfänglich der väterliche Freund den er in seinem leiblichen Vater weniger fand. Caeyers schreibt in „Beethoven – Der einsame Revolutionär“: „Sein Verdienst ist es, Beethovens intellektuellen und musikalisch-kulturellen Horizont erweitert und die Grundlage zu einem ausgeprägten Berufsethos geschaffen zu haben. Sein Eifer erklärt sich nicht zuletzt durch eine Art Sendungsbewusstsein, das vor allem von freimaurerischem Gedankengut bestimmt war.“ Nach Caeyers kühlte jedoch angeblich das Verhältnis aufgrund einer zunehmend geistigen Entfremdung um 1785 ab.
Wilhelmine von und zu Westerholt-Gysenberg (um 1774 – 1852)
Laut Wheelock Thayer angeblich die erste große Liebe Beethovens. Doch vielleicht war es doch nur eine Schwärmerei da sich zu dem Zeitpunkt als sich beide kennenlernten Beethoven 15 und Westerholt-Gysenberg 12 war. Die Briefanschrift spricht auch eher für eine platonische Freundschaft („ma très chere amie“ -> „meine sehr liebe Freundin“) Franz Gerhard Wegeler, sein Jugendfreund aus Bonner Zeit, bringt hingegen den Namen Johanna von Honrath ins Spiel wenn es um Beethovens erste Liebe geht. Die damals in Köln wohnhafte Honrath verbrachte aber auch nur einige Wochen in Bonn, als sie zu Gast bei den Breunings war. Somit bleibt alles in allem eher der Eindruck von einer höchstens kurz aufflammenden Liebschaft.
WIENER FREUNDE
Carl bzw. Karl Amenda (1771 – 1836)
Dieser kann wohl ohne Zweifel tatsächlich als enger Freund Beethovens betrachtet werden. Das geht auch eindeutig aus der schriftlichen Konversation hervor. Der Theologe und Violinist war auch einer der Ersten der von Beethovens Ertaubung im Brief vom 01. Juli 1801 erfuhr und dieser darin auch gebeten wurde „…als ein großes Geheimniß aufzubewahren“. „mein lieber, mein guter Amenda , mein herzlicher Freund!“ und lässt weiterfolgend auch interessante Einblicke in gewisse, verschiedenste menschliche Naheverhältnisse zu: „… - jezt ist zu meinem Trost wieder ein Mensch hergekommen mit dem ich das Vergnügen des Umganges und der uneigennüzigen Freundschaft theilen kann, er ist einer meiner JugendFreunde (Anm. d. Verf.: Stephan von Breuning), ich habe ihm schon oft von dir gesprochen, und ihm Gesagt, daß seit ich mein Vaterland verlaßen du einer derjenigen bist, die mein Herz ausgewählt hat, auch ihm kann der Z. [meskall] nicht gefallen, er ist und bleibt zu schwach zur Freundschaft, ich betrachte ihn und S. [chuppanzigh] als bloße Instrumente, worauf ich, wenn's mir gefällt, spiele, aber nie können sie edle Werkzeuge meiner innern und aüßern Thätigkeit, eben so wenig als wahre theilnehmer Von mir werden, ich taxire sie nur nach dem, was sie mir leisten“.
Das ist auch insofern interessant, da auch Schuppanzigh und Zmeskall von diversen Autoren der Klassikwelt als Freunde bezeichnet werden und es mir deswegen auch wichtig ist, gerade bei Beethoven sehr vorsichtig mit diesem Begriff umzugehen. Hier kann oft der äußere Schein trügen und auf keinen Fall darf ausschließlich nach der Häufigkeit des Kontaktes gegangen werden. So bin ich mir auch ziemlich sicher, dass etwa Anton Schindler aus Beethovens Perspektive kein Freund, sondern viel eher das „bloße Instrument“ war, für das sich aber Schindler aufgrund seiner berechnenden, eigentlich schon zudringlich erscheinenden Verehrung auch nicht zu Schade war. Beethoven selbst bezeichnete ja einmal Schindler in einem Brief vom 19. August 1823 an seinen Bruder Johann als „…diesen niederträchtigen verachtungswürdigen Menschen.“
Joseph Carl Bernard (1780 – 1850)
Der Schriftverkehr hinterlässt auch hier den Eindruck eines freundschaftlichen Verhältnisses. Immerhin vertraut er ihm die zeitweise Obhut über seinen Neffen Karl an, was schon ein gewisses Vertrauensverhältnis voraussetzt. Die Briefe an den Journalisten, Schriftsteller und Librettisten sind aber nicht ganz so herzlich geschrieben wie etwa an Amenda oder Breuning, weswegen ich hier eine nicht so tiefergehende Freundschaft dahinter vermute.
Karl Holz (1799 – 1858)
Bei Holz bin ich mir noch unsicher. Es bestand zumindest ein häufiger Kontakt, da es einige Einträge von Holz in Beethovens Konversationshefte gibt und der Neffe Karl schon spöttelte er sei „jährlich 365 mahl zu Mittag eingeladen“. Der zweite Geiger im Schuppanzigh-Quartett wurde aber mit den Aufgaben Anton Schindlers betraut, als Beethoven mit dem Vorgänger zunehmend unzufriedener wurde und fürchtete „…daß mir einmal ein Großes Unglück durch Sie bevorsteht.“ Aufgrund dieser Zurückweisung fälschte Schindler auch einige unvorteilhafte Konversationseinträge über Holz, welche erst einige Jahrzehnte später als Fake entlarvt wurden. Nach dem Urteil der Beethovenforschung in Bonn ist er als Freund und enger Vertrauter zu sehen, inwieweit er aber dennoch, bei all den für Beethoven nützlichen Erledigungen, nicht auch zumindest teilweise ein „Instrument“ war, muss letztendlich doch offen bleiben. Natürlich sollte auch andersherum in Betracht gezogen werden, dass sich der damals noch relativ junge Holz Vorteile für seine weitere Karriere versprach, wenn er einem schon damals äußerst prominenten Komponisten zur Hand geht. Zumindest glaube ich aber schon, dass Beethoven größere Zuneigung für Holz als für Schindler übrig hatte.
Nannette Streicher (1769 – 1833) / Andreas Streicher (1761 – 1833)
Durch die briefliche Konversation kann man hier wieder relativ zweifellos eine tiefergehendere Freundschaft herauslesen. Das Ehepaar Streicher hat auch eine recht interessante Biographie. Nannette ist die Tochter vom berühmten Klavierbauer Johann Andreas Stein, heiratete Johann Andreas Streicher und zog bald darauf mit ihm nach Wien wo sie den Betrieb des zwei Jahre zuvor verstorbenen Vaters gemeinsam mit ihrem Bruder übernahm. Sie waren zudem im damaligen Musikleben von Wien ein wichtiger Bestandteil, indem sie regelmäßig Konzerte veranstalteten und sich schon allein durch ihre berufliche Tätigkeit ein sehr gutes Netzwerk an Künstlern aufbauen konnten. Man könnte deswegen in Versuchung kommen, auch hier Beethoven ein eigennütziges Interesse zu unterstellen. In den vielen erhaltenen Briefen wird aber eine nicht unbedingt dafür notwendige intime, offene Unterhaltung geführt, bei der auch teils äußerst private Dinge anvertraut, aber auch Nannettes Ratschläge in Haushaltsfragen erbeten wurden.
Die zu Beethovens Zeiten in der heutigen Ungargasse 46 befindliche Streichersche Fabrik mit Konzertsaal ("Alte Streicherhof" bzw. das Haus "Zum heiligen Florian) musste aufgrund von starken Kriegsschäden vom zweiten Weltkrieg, schließlich 1959 abgerissen werden.
Bildquelle: Wien Geschichte Wiki
Ignaz Freiherr Gleichauf von Gleichenstein (1778 – 1828)
Ab etwa 1807 kam Beethoven in Kontakt mit dem Juristen aus Staufen in Breisgau. Es macht den Eindruck als wäre dieser auch einer der nahestehenden Freunde gewesen. So war Beethoven einmal gegen Ende des Jahres 1807 in Sorge um seinen Freund Stephan von Breuning und bat Gleichenstein schriftlich sich um diesen zu kümmern. Sätze wie „…ich bitte dich ich beschwöre dich daher im Namen der guten Edeln Gefühle, die du gewiß besizest“, oder „…doch dein Edles Herz, das ich recht gut kenne, braucht wohl hierin keine Vorschriften…“, machen den Eindruck einer größeren Wertschätzung als bei schriftlichen Konversationen zu gewissen anderen Personen bei denen Beethoven etwas zurückhaltender mit solchen Komplimenten war.
Therese Malfatti (1792 – 1851)
Stellenweise kann man lesen, dass Beethoven mit ihr erstmals im Jahr 1810 durch Gleichenstein in Kontakt kam, welcher auch im darauffolgenden Jahr ihre jüngere Schwester Anna heiratete. Das stimmt so wohl nicht, da Beethoven schon im Jahr 1808 den Onkel Thereses (nicht Cousin wie in Wikipedia fälschlicherweise behauptet), den Arzt Johann Baptist Malfatti kennenlernte und es somit wahrscheinlicher erscheint, dass dieser schon zuvor den Kontakt herstellte. Man kann darüber streiten ob sie in einer Auflistung platonischer Freundschaften nicht deplatziert ist, denn es geht hier schon mehr in die Richtung seiner Liebschaften. Beethovens (angebliche) Annäherungsversuche als Klavierlehrer blieben aber fruchtlos und über den Grund gibt es zwei verschiedene Versionen. In einer soll es Gleichenstein gewesen sein, welcher ihn dabei zurückhielt, in der anderen hatte angeblich Therese keine Empfindungen für Beethoven. Sie kommt auch als mögliche „Elise“ der bekannten Bagatelle in Betracht, da es möglich erscheint, dass sich der damalige Entdecker des Autrographs, Ludwig Nohl, verlesen hatte (was ja hinsichtlich der teils problematischen Lesbarkeit von Beethovens Schrift ja nicht ganz abwegig erscheint) Noch dazu wo die originale Partitur aus dem Umfeld Malfattis stammte. Die zwischenzeitlich aufkeimende These der Elisabeth Röckel wurde jedenfalls schon von dem Forscher Michael Lorenz stichhaltig widerlegt (siehe folgende Abhandlung: https://homepage.univie.ac.at/….lorenz/beethovens_elise/). Jedenfalls bezeichnete sich Beethoven in der schriftlichen Konversation mit Therese als „ergebenster Diener und Freund“ und bezüglich der Inhalte gibt es schon wesentlich eindeutigere Liebesbeweise (wie etwa manche an Josephine Brunsvik bzw. Deym gerichtete Briefe)
Graf Moritz von Lichnowsky (1771 – 1837)
Normalerweise bin ich bei Mitgliedern der Aristokratie vorsichtig, da hier ein vorwiegend zweckorientierter Kontakt, von dem letztendlich beide Seiten profitieren, recht wahrscheinlich erscheint. Doch bei Graf Moritz von Lichnowsky möchte ich eine der wenigen Ausnahmen machen. Die Einträge des Sohnes Karl von Lichnowskys in Beethovens Konversationshefte, zeugen von einem recht vertrauten Umgang. Der von Beethoven an Moritz gerichtete Kanon „Bester Herr Graf, sie sind ein Schaf“ scheint ebenso ein Indiz für eine nähere und unverkrampfte Verbindung der Beiden zu sein. Immerhin widmete er dem Grafen auch einen Kanon mit einem weniger anzüglichen Titel, welcher auch als ein Zeichen seiner Zuneigung verstanden werden kann: „Freundschaft ist die Quelle wahrer Glückseligkeit“. Das schließt natürlich nicht aus, dass diese Bindung für Beethoven auch teilwese von Nutzen war, wie etwa als er 1818 ein Geschenk, einen Flügel von Thomas Broadwood von London erhielt und Lichnowsky schriftlich bat, seine Beziehungen beim Zoll spielen zu lassen. „Mein sehr werther Freund, mein lieber Graf! (…) ich warte nun das Resultat von ihren gütigen Bemühungen oder Nachforschungen ab, alsdenn wird wohl nichts besseres seyn, als mich an Se. Exzellenz den gr. Stadion selbst schriftlich oder Mündlich zu wenden. – ich hoffe bald des vergnügens, sie zu sehen,,[sic] Theilhaftig zu werden; – mit inniger Liebe u. Verehrung - ihr Freund Beethowen.“ Ganz ohne Reibungen verlief der Kontakt aber nicht ab wie eine kurze Mitteilung von Anfang April 1824 zeigt: „Falschheiten verachte ich – besuchen sie mich nicht mehr, keine Akademie wird seyn – B — — vn A Monsieur le Comte Maurice Lichnowsky.“
Gräfin Anna Maria (Marie) Erdödy (1778 – 1837)
Beethoven bezeichnete seine damalige Förderin als „Beichtvater“ und wohnte von 1808 bis 1809 in ihrer Wohnung, welche sich in der Krugerstraße Nr. 1074 (nebenbei bemerkt eine Etage tiefer unter den Lichnowskys. In dem Haus wohnten gegen Ende des 18. Jhdt. auch Konstanze Mozart und Joseph Haydn) befand, also im heutigen 1. Wiener Gemeindebezirk an der heutigen Stelle Krugerstraße 10/Walfischgasse 9. Es kam dann auch zu einem Streit, weswegen Beethoven auszog, dieser sich aber bald darauf entschuldigte: „Meine lieber gräfin ich habe gefehlt, das ist wahr – verzeihen sie mir, Es ist gewiß nicht <vorgesezte> vorsäzliche Boßheit von mir, wenn ich ihnen wehe gethan habe – erst seit gestern Abend weiß ich recht wie alles ist, und es thut mir sehr leid, daß ich so handelte – lesen sie <aber> ihr Billet kaltblütig, und urtheilen sie selbst, ob ich das verdient habe, und ob sie damit nicht alles Sechsfach mir wiedergegeben haben, <wenn> indem ich sie beleidigte ohne es zu wollen schicken sie mir noch heute <ihr> mein Billet zurück, und schreiben mir nur mit einem Worte, daß sie wieder gut sind, ich leide unendlich dadurch, wenn sie dieses nicht thun, ich kann nichts thun, wenn das so fortdauren soll – ich erwarte ihre Verzeihung.“ Der freundschaftiche Kontakt hielt noch länger an wie man auch aus der schriftlichen Korrespondenz erfährt. 1817 schreibt er in einem vertrauensvollen Brief „Tausendmal habe ich an sie liebe verehrte Freundin gedacht.“
Da das damalige Gebäude schon 1824 abgerissen und an der Stelle ein neues Palais erbaut wurde (welches dann nach Kriegsschäden ebenso 1965 demoliert wurde) gibt es nicht einmal Fotos des damals von Beethoven bewohnten Gebäudes. Man kann nur einen sehr groben Eindruck beim Vogelschauplan von Huber bekommen.
Bildquelle: Huber Plan Edition Winkler Hermaden
(die spitz zugehende Häuserzeile ganz links direkt bei der Stadtmauer und hier beim dritten Hausdach von unten)
Antonie Brentano (1780 – 1869) / Franz Brentano (1765 – 1844)
Es sollte auch Antonie Brentano in dieser Liste sein, da es nach meinem Eindruck nicht allein um körperliche Anziehung, sondern auch um gegenseitige große Wertschätzung ging. So schrieb sie in ihr Tagebuch von einer „Wahlverwandschaft“ und der Kontakt riss nach dem ersten Kennenlernen 1810 auch nie ab (es gab bis in seine letzten Lebensjahre einen Briefverkehr zu den Brentanos nach Frankfurt) Somit möchte ich auch garnicht auf die Diskussionen um die unsterbliche Geliebte eingehen. Ihr Ehemann Franz Brentano unterstützte auch Beethoven in verschiedenen Belangen (unter anderem als Vermittler für den Verlag Simrock). Als Beethoven Maximiliane, der Tochter der Beiden, die Klaviersonate op. 109 widmete, entschuldigte er sich in einem Brief nicht vorher das Einverständnis geholt zu haben „…mögten Sie dieses als ein Zeichen meiner immerwährenden Ergebenheit für Sie u. ihre ganze Famil[i]e aufnehmen – geben Sie aber dieser Dedikation keine üble Deutung auf irgend ein Intereße oder gar auf eine Belohnung – dies Würde mich sehr kränken, Es gibt ja wohl noch edlere Beweggründe, denen man d.g. zuschreiben kann, wenn man schon durchaus Ursachen finden wollte.“
Familie von Cajetan Giannatasio del Rio (1764 – 1828)
Cejetan Giannatsio del Rio war der Leiter eines Erziehungsinstitutes in Wien, welches der Neffe Karl von 1816 bis 1818 besuchte. Dadurch enstand ein freundschaftlicher Kontakt. Vor allem die Tochter Fanny war eine glühende Verehrerin des damals schon berühmten Komponisten. Wahrscheinlich war die Verbindung aber doch eher nur oberflächlicher Natur, denn vor allem als Karl das Institut verließ, schien die gegenseitige Kontaktaufnahme nur gelegentlich zu erfolgen, riss aber nicht gänzlich ab. Fanny schrieb darüber auch ihre Erinnerungen auf: „Es war im Jahre 1816, da kam er zum erstenmal in unser Haus, um seinen geliebten Karl in das Institut zu geben, welches mein Vater schon seit dem Jahre 1798 errichtet hatte. Dieses Begebnis war für die Töchter besonders erfreulich, und ich sehe noch, wie Beethoven mit Beweglichkeit sich hin und her drehte und wie wir, auf seine dolmetschende Begleitung, Herrn Bernard, später Redakteur der ‚Wiener Zeitung‘ nicht achtend, uns gleich zu Beethovens Ohr wandte; denn schon damals mußte man ihm ganz nahe sein, um sich ihm verständlich machen zu können. Von dieser Zeit an hatten wir das Vergnügen, ihn oft zu sehen, und später, als mein Vater mit dem Institut in die Vorstadt zog, Landstraß-Glacis, nahm auch er sich eine Wohnung in der Nähe, und den nächsten Winter war er fast alle Abende in unserm häuslichen Kreise…"
Das erwähnte Institut auf dem Landstraß-Glacis befand sich in der heutigen Reisnerstraße 3. Der heutige Bau ist aus dem Jahr 1836, also nicht die Originalstätte.
Franz Brunsvik (1777 – 1849) / Therese Brunsvik (1775 – 1861) / Josephine Brunsvik (1779 – 1821)
Franz Brunsvik soll recht gut Violoncello gespielt haben und kam 1799 durch seine Schwestern mit Beethoven in Kontakt. Er war zwar auch wie Erdödy oder Lichnowsky adeliger Abstammung, im Gegensatz zu diesen Beiden, haben sich aber Brunsvik und Beethoven gegenseitig geduzt. Das könnte möglicherweise für ein noch näheres Verhältnis sprechen. Im Brief vom 4. Juli 1811 kann man so eines auch hineindeuten. Beethoven ersuchte darin Brunsvik zu einem Kuraufenthalt zu begleiten: „Freund deine Absagung kann ich nicht annehmen, ich habe Oliva fortreisen laßen allein und zwar wegen dir, ich muß jemand vertrauten an meiner Seite haben, soll mir das Gemeine Leben nicht zur Last werden, ich erwarte dich spätestens bis 12ten dieses Monaths auch meinetwegen bis 15ten dieses Monaths, doch ohne widerrede[.] Es ist allerhöchster Befehl dieser kann nicht ohne schwere Ahndung und strafe verspottet werden, sondern Es heißt ihm ohne alle Bedingung folge leisten - hiermit gehabt euch wohl lieber Getreuer, den wir gott bitten in seine gnädige Obhuth zu nehmen - gegen Morgens gleich Nach Aufstehen vom Kaffetisch.“ Andererseits versiegte etwa vier Jahre später, im Gegensatz zu manch anderen Kontakten Beethovens, auch die schriftliche Korrespondenz, als Brunsvik nach Martonvásár zog, um hier das Familiengut zu verwalten.
Therese und Josephine waren bekanntlich Klavierschülerinnen von Beethoven und diese Unterrichtsstunden gab er zeitweise sogar täglich und unentgeltlich (er verlangte aber auch kein Honorar bei Ries und Czerny, auffällig war wohl eher die Häufigkeit). Die große Wertschätzung war aber sicherlich gegenseitig. "Dem seltnen Genie / dem grossen Künstler / dem guten Menschen / von T.B." schrieb Therese auf ein ihm gewidmetes Bild. Besonders populär ist jedoch die Liebesbeziehung zu Josephine, welche seit jeher durch den berühmten Brief an die unsterbliche Geliebte alle Romantiker in ihren Bann zieht. Aus damals rechtlichen Gründen war eine Heirat schwer möglich, denn Josephine hätte ihren Adel aufgeben müssen und in weiterer Folge das Sorgerecht über ihre adeligen Kinder aus erster Ehe verloren. Sie distanzierte sich zunehmend, hatte aber mit ihrem zweiten Ehemann Christoph von Stackelberg nur Unglück und Leid erfahren, während Beethoven resignierte. Therese schrieb später treffenderweise in ihr Tagebuch: „Beethoven! ist es doch wie ein Traum, dass er der Freund, der Vertraute unseres Hauses war – ein herrlicher Geist! warum nahm ihn meine Schwester Josephine nicht zu ihrem Gemahl als Witwe Deym? Sie wäre glücklicher geworden als mit St[ackelberg]. Mutterliebe bestimmte sie – auf eigenes Glück zu verzichten“
Der erwähnte Klavierunterricht fand sehr wahrscheinlich im Palais Deym statt. Ein paar Informationen und Bilder gibt es dazu auf dieser Seite:
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Ich finde hier kann man sehr gut einem sonst abstrakten, schwer erfassbaren Begriff, nämlich dem der "Inspiration" näher kommen. Der Computer bzw. die Software wurde natürlich mit Werken Beethovens gefüttert, was die KI macht ist diese heranzuziehen und in variierender Weise möglichst passende Verknüpfen herzustellen. Was sie nicht machen kann? Nehmen wir Beethovens 9 Sinfonien her. Jede kann sich im Vergleich deutlich zu den anderen abgrenzen. Hätte eine KI etwa nur die ersten beiden Sinfonien zur Verfügung, würde sie deswegen eine "Eroica" kreieren? Das Spiel kann man so weiterführen. Bei den anderen Werkgattungen ähnlich, eine op. 106 Sonate hätte eine KI in ihrer Originalität nicht annähernd entwerfen können wenn es bis op. 101 gefüttert worden wäre. Es hätte immer alles Bruchstückweise an verschiedenste zuvorgehende Sonaten erinnert. Das ist und wird wohl auch noch lange die Grenze einer KI bleiben, nämlich trotz stilistischer Identifikation mit einem bestimmten Komponisten etwas zu schaffen, dass sich in besonderer Originalität und einer gewissen Weiterentwicklung zu zuvorgehenden Werken abhebt. Mozarts große g-moll von einer KI wenn diese nur die Sinfonien bis KV 543 Es-Dur kennt? Die Frage ist jetzt natürlich rein rhetorisch weil die Antwort schon jeder kennt. Aber es soll verdeutlichen, dass das alles nur höchstens ein Experiment sein kann. Denn das was dieser KI hauptsächlich fehlt ist nunmal die Inspiration, über das was sie weiß in gewisser Weise hinauszugehen, für Überraschungen schaffen,... Jetzt werden vielleicht manche einwerfen, es gäbe ja angeblich diese Skizzen zur 10. Hier muss man entgegenhalten, dass diese Bruchstücke teils schon ein paar Jahre vor Beethovens Ableben entstanden und wie Johannes richtig angemerkt hat, war gerade Beethoven in seinem Schaffensprozess sehr labil. Man kann das heute gut anhand seiner Skizzenbücher und den letztendlich fertigen Werken nachvollziehen. Viele einst angedachte Skizzen wurden garnicht mehr berücksichtigt oder so stark verändert, dass sich ein Zusammenhang nur noch mit viel Fantasie herstellen lässt.
Ich habe mir die Rekounstruktion der 10. Beethovens nicht angehört, aber vor einigen Monaten einmal in der von Schuberts h-moll hineingehört. Auch wenn deutlich hörbar auf vorhandene Satzteile variierend zurückgegriffen wurde, war es insgesamt stilistisch nicht vollkommen überzeugend, manche Youtube-Kommentare haben nicht zu Unrecht gemeint, das würde sie eher an Filmmusik erinnern. Die Experimente sind legitim, sicher auch in gewisser Weise interessant (wobei hier der Komponistenname nur unter Anführungszeichen stehen dürfte) aber Meisterwerke auf ähnlichem Niveau darf man sich, zum. noch nicht, erwarten. Ich denke noch lange nicht, denn das was ich hier beschrieb, das ist die eigentliche große Hürde.