Warum ist "klassische Musik" nicht "populär"

  • Beispiel 2 gefällt mir deutlich besser als der Schund aus Nr.1.

    Mir auch! Es hat was und zeigt tatsächlich die Begeisterung, die die Musik bei Jung und Alt erzeugen kann ...

    Solche Sendungen sind ein Beispiel für die Unkultur der extrem gescripteten TV-Shows, und ich fürchte oder unterstelle, das Rieu auf dieser Klaviatur ebsno virtuos spielt wie sein Landsmann Rudi Carell, dem sein Vater auf den Unterhaltungsweg mitgab: "Bringe die Leute am Abend euinmal zum Lachen und einmal zum Weinen.

    Wenn diese ergriffenen Gesichter gestellt sind, ist es definitiv unappetitlich. Dieses "Dirigieren" andeutende Gezappel ist sowieso grenzwertig. Das macht im zweiten Video der Junge auf der Laterne besser ... :)


    Und ganz nebenbei, im zweiten Video hören wir Beethoven und keine "verbesserte" Version...

  • Ich habe darüber nachgedacht. Im Prinzip könnte es ja einem Klassikhörer egal sein ob eingängige Melodien der Klassik aus dem viel bedeutungsvolleren musikalischen Kontext genommen und zweckentfremdet werden. Soweit ich weiß ist hier bzgl. des Urheberrechts die Schutzfrist für Beareitungen nicht mehr gegeben. Es gäbe ansonsten zum. im österr. Recht § 21/1 UrhG das Änderungsverbot bzw. Entstellungsschutz und u.a. dem interessanten Satz "...wenn dadurch die geistigen Interessen (Aussagen, Intention) gefährdert werden." Aber fraglich ob es prinzipiell (mit Schutzfrist) ausreichen würde, wenn ein prägnantes Motiv bzw. Thema aus dem mehrstimmigen Satzbau, oder etwa aus einer Sonatenhauptsatzform herausgerissen wird. Obwohl als Beispiel u.a. Klingeltöne gelistet wird. Gut, viel besser ist das meiste aus dem "Easy Listening"-Bereich ja im Grunde genommen nicht (auf Wikipedia findet man folgende Definition: "...ist Musik, die nebenbei laufen kann und unterschiedliche Funktionen erfüllen soll: Zerstreuung, Ablenkung, Entspannung,...") Rieu & Co machen es ja auch nicht weil sie die edelmütige Absicht besitzen klassikferne Menschen an diese Musik heranzuführen, es ist ja recht offensichtlich, dass man sich hier mangels eigener kreativer Ideen sehr einfach bei Material bedient auf dem keine Schutzfrist mehr liegt. Außerdem ist es sicher wohl ganz förderlich am Start seiner Karriere mit klingenden Namen zu werben.


    Es ist halt aber so, "klassische Musik" ist ja kein geschützer, klar definierter Begriff und manche Menschen dehnen den halt leider auch ziemlich stark aus. Manche glauben vielleicht, das müsste ja klar sein, dass Rieu, die Crossover-Garrett-Alben, Einaudi, etc. nicht zur Klassik gehören. Aber zu meiner eigenen Überraschung ist dieser Irrglaube unter dieser Zielgruppe nicht mal so selten. Ich hörte bzw. las schon des Öfteren man höre ja u.a. auch Klassik wie etwa "Bocelli, Rieu, Einaudi,..." Zum. ich möchte als "Klassikhörer" nicht in die Schublade mit dieser Musik geworfen werden (wäre auch etwas mühsam meine Vorstellung davon immer extra zu erwähnen ;)) auch wenn ich nicht nur Klassik höre, aber halt eben nicht diesen "Kitsch" (was meine Empfindung davon anbelangt). Mich stört es auch ein wenig wenn klassische Musiker hier versuchen die Klassik nur auf einprägsame Melodien und Motive zu reduzieren. So schätze ich etwa Igor Levit als Klavierspieler durchaus, sah aber einmal in einer Doku wie er eben genau dieses macht und etwa den 1. Satz aus Beethovens 5. nur auf das Klopfmotiv reduziert und mit gewissen populären Songs gleichstellt. Kein Wort von irgendeiner Motiventwicklung, einer Durchführung mit zwei kontrastierenden Themen usw.,...welche sehr wichtig für diese Musik sind um deren Genialität erst möglichst vollumfassend erfassen zu können. So wundert es dann nicht, wenn er meist als Kostprobe im Fernsehen "Für Elise" spielt und das als eines der bedeutensten Werke Beethovens anpreist. Mich irritiert das schon ein wenig, dass er, der sich sicherlich auch zum. mit den Klaviersonaten tiefergehend auseinandergesetzt hat (und er machte ja auch mal eine Podcastreihe damit in der er aber auch mitunter solche Vergleiche tätigte), die besonderen Merkmale der Klassik außen vor lässt. In der Wirtschaft würde man das USP (Unique Selling Proposition) nennen, denn Melodien (mitunter auch einprägsame) findet man wie er es ja selbst dargestellt hat, auch in diversen anderen Musikrichtungen. Aber gut, das wird wohl sein Zugang zu der Klaviermusik sein, die einprägsamen Themen. Für mich kratzt so ein Zugang aber nur an der Oberfläche.


    Was ich eigentlich überlegt habe...sollte man Mainstreamhörer tatsächlich an die Klassik heranführen wollen, ob es dann nicht sinnvoller wäre den Ansatz eben gerade nicht bei der Melodie anzusetzen, sondern anhand der Struktur, die klanglichen Stilmittel aber belässt. Denn ich glaube hier liegt der eigentliche Anküpfungspunkt, die Hürde. Damit meine ich, das etwa Synthies, (E-)Gitarren, (E-)Schlagzeug, (E-)Bass, ein moderner Gesang und dergleichen genauso belassen werden, aber ein vollkommener Verzicht auf (Intro), Strophe, Refrain (evtl. Bridge), Strophe, Refrain stattfindet, hier etwa auch beispielsweise Anleihen an die Sonatenhauptsatzform gemacht werden, zwei kontrastierende Themen, oder zum. eine bestimmte Entwicklung wie in manchen klassischen Liedern, Arien. Der Klang für sich würde ja dann die Gewohnheit der Mainstreamhörer treffen, welche aber mit einem weitaus anspruchsvolleren Inhalt konfrontiert wären der nichts mit dem üblichen Schema "nette Melodie in das Song-Konzept pressen" zu tun hätte. Würde es diesen "Easy Listening/Crossover"-Musikern tatsächlich um eine Heranführung gehen wäre diese Herangehensweise weitaus sinnvoller, aber uns ist allen klar, das es eigentlich nicht darum geht. Ganz abseits davon, sollte es nicht unsere Aufgabe sein klassikferne Menschen missionieren zu wollen, aber es waren nur prinzipielle Gedanken wie eine Heranführung besser funktionieren würde, ein Gedankenspiel. :)

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Mich stört es auch ein wenig wenn klassische Musiker hier versuchen die Klassik nur auf einprägsame Melodien und Motive zu reduzieren. So schätze ich etwa Igor Levit als Klavierspieler durchaus, sah aber einmal in einer Doku wie er eben genau dieses macht und etwa den 1. Satz aus Beethovens 5. nur auf das Klopfmotiv reduziert und mit gewissen populären Songs gleichstellt. Kein Wort von irgendeiner Motiventwicklung, einer Durchführung mit zwei kontrastierenden Themen usw.,...welche sehr wichtig für diese Musik sind um deren Genialität erst möglichst vollumfassend erfassen zu können. So wundert es dann nicht, wenn er meist als Kostprobe im Fernsehen "Für Elise" spielt und das als eines der bedeutensten Werke Beethovens anpreist. Mich irritiert das schon ein wenig, dass er, der sich sicherlich auch zum. mit den Klaviersonaten tiefergehend auseinandergesetzt hat (und er machte ja auch mal eine Podcastreihe damit in der er aber auch mitunter solche Vergleiche tätigte), die besonderen Merkmale der Klassik außen vor lässt. In der Wirtschaft würde man das USP (Unique Selling Proposition) nennen, denn Melodien (mitunter auch einprägsame) findet man wie er es ja selbst dargestellt hat, auch in diversen anderen Musikrichtungen. Aber gut, das wird wohl sein Zugang zu der Klaviermusik sein, die einprägsamen Themen. Für mich kratzt so ein Zugang aber nur an der Oberfläche.


    Hier möchte ich Einspruch einlegen. Ich bin gerade ungefähr im dritten kompletten Hördurchgang durch Levits GA der Beethoven-Sonaten, und Aufnahmen in dieser Qualität (bezüglich Aufbau, Gestaltung und Phrasierung) bekommt man nicht hin, wenn man Musik auf einprägsame Themen reduziert. Levit hat sich mit dieser Musik zweifelsohne akribisch auseinandergesetzt. Die besagte Doku kenne ich nicht und kann den erwähnten Ausschnitt daher nicht beurteilen, aber man tut der Fünften nicht vollkommen unrecht, wenn man auf die geniale Einprägsamkeit des "Tat-ta-ta-taaa" hinweist (wir dürfen Levit unterstellen, dass ihm die Präsenz einer Durchführung in dem Stück nicht entgangen sein dürfte). Was Künstler wie Levit bei irgendwelchen Promotion-Terminen machen, sollte man nicht allzu hoch hängen - das ist Vermarktung, kein Seminar über das Klavierwerk Beethovens.


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Hier möchte ich Einspruch einlegen. Ich bin gerade ungefähr im dritten kompletten Hördurchgang durch Levits GA der Beethoven-Sonaten, und Aufnahmen in dieser Qualität (bezüglich Aufbau, Gestaltung und Phrasierung) bekommt man nicht hin, wenn man Musik auf einprägsame Themen reduziert. Levit hat sich mit dieser Musik zweifelsohne akribisch auseinandergesetzt. Die besagte Doku kenne ich nicht und kann den erwähnten Ausschnitt daher nicht beurteilen, aber man tut der Fünften nicht vollkommen unrecht, wenn man auf die geniale Einprägsamkeit des "Tat-ta-ta-taaa" hinweist (wir dürfen Levit unterstellen, dass ihm die Präsenz einer Durchführung in dem Stück nicht entgangen sein dürfte). Was Künstler wie Levit bei irgendwelchen Promotion-Terminen machen, sollte man nicht allzu hoch hängen - das ist Vermarktung, kein Seminar über das Klavierwerk Beethovens.


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    Ich hab ja gewusst warum ich mich weitestgehend aus solchen Diskussionsthreads seit längerem zurückgezogen habe :D Ist natürlich legtim hier Einspruch zu erheben und hier kann auch jeder andere Sichtweisen haben. Ich bleibe aber bei meiner dennoch, weil ich auch weiß was ich gesehen habe. Dass er sich mit den Werken befasst hat, habe ich ja nicht abgestritten. Das man aber etwas ohne jegliche Überzeugung sagt, egal in welchem Bezugsrahmen, halte ich für eher unwahrscheinlich. Und auf etwas hinweisen oder es als den Kern der Genialität des ganzen Satzes hinzustellen ist schon noch ein Unterschied. Ich weiß nicht mehr mit was er es gleichgesetzt hat, ich glaube mich erinnern zu können mit einem Song von Bob Dylan oder waren es die Rolling Stones? Aber ich bin mir da nicht sicher, soweit ich mich aber erinnern kann war für ihn beides in seiner Genialität gleichwertig. Was das jetzt für jeden Einzelnen bedeutet bleibt jedem subjektiv selbst überlassen, ich habe meine Sichtweise bereits dargelegt. ;)

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  • Ich weiß nicht mehr mit was er es gleichgesetzt hat, ich glaube mich erinnern zu können mit einem Song von Bob Dylan oder waren es die Rolling Stones?

    Selbstverständlich ist Bob Dylan ein genialer Künstler, aber es ist schwierig von ihm einen Weg zur Klassik zu finden und das wäre ja die eigentliche Frage. Ich tue mich schwer eine Kunst gegen die andere auszuspielen und sehe auch keinen Sinn darin. Ich bin froh, wenn es viel Kunst und viele Künstler gibt!


    Neben Igor Levit halte ich auch Gautier Capuçon für einen wirklichen Künstler und frage mich schon, was ihn da treiben mag.


    Manche glauben vielleicht, das müsste ja klar sein, dass Rieu, die Crossover-Garrett-Alben, Einaudi, etc. nicht zur Klassik gehören. Aber zu meiner eigenen Überraschung ist dieser Irrglaube unter dieser Zielgruppe nicht mal so selten.

    jpc ordnet sowohl das Garrett Album (Seite 1!) wie auch das Album von Capuçon der Klassik zu. Diese Frage ist also geklärt :)


    Gibt es nun einen Weg von gängigen Melodien der Klassik zur klassischen Musik selbst oder stellt man eher umgekehrt irgendwann fest, dass die Beatles ja auch schöne Melodien geschrieben haben und wechselt dann gerade dahin.


    Klassische Musik (eigentlich finde ich den Begriff nicht gelungen, weil er ja auch auf eine bestimmte Epoche zeigt) weist eine Reflexionsschicht auf, die der populären Musik fehlt. Auch dem Blues und dem Jazz geht sie ab, ohne diese Musik in ihrer Qualität schmälern zu wollen. Klassische Musik geht eben nicht direkt ins Blut. Wer sich dieser Schicht verschließt oder verschließen möchte kommt eventuell über ein "Best of" nicht hinaus.


    Daran ist ja dann grundsätzlich auch nichts Schlechtes.

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  • IUnd auf etwas hinweisen oder es als den Kern der Genialität des ganzen Satzes hinzustellen ist schon noch ein Unterschied. Ich weiß nicht mehr mit was er es gleichgesetzt hat, ich glaube mich erinnern zu können mit einem Song von Bob Dylan oder waren es die Rolling Stones? Aber ich bin mir da nicht sicher, soweit ich mich aber erinnern kann war für ihn beides in seiner Genialität gleichwertig.


    Nur hast Du uns leider keinen Kontext zu diesem Filmschnipsel geliefert. Was war denn die Frage an ihn? Wenn man ihn um eine Analyse des Kopfsatzes von Beethovens Fünfter gebeten haben sollte, wäre das in der Tat etwas dürftig. Wenn man ihn gefragt haben sollte, wie er einem Klassik-Laien leicht verständlich die Genialität dieses Satzes in wenigen Worten vermitteln würde, sähe es schon etwas anders aus.


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  • Igor Levit kann man nun wirklich nicht als "Populisten" der Klassik hinstellen, der sie auf das Seichte und Eingänge reduzieren will. Das ist schlicht absurd!


    Ganz sicher himmelweit von Kuschel-Klassik entfernt und nun selbst für Klassik-Freunde sperrige Werke sind...



    oder



    oder auch der Henze auf seiner neuesten Tristan-CD:



    Sein Podcast zu den Beethoven-Sonaten ist hier zu Recht schon sehr gelobt worden von Beethoven-Kennern. "Für Elise" ist ein Stück, an denen sich die nicht gerade hoch begabten auf dem Klavier herumklimpernden Töchter aus bürgerlichem Haushalt vergreifen, so dass es einem einfach zum Halse raushängt (ich spreche da aus Erfahrung ^^ ). Von Igor Levit habe ich es auch gehört und war wirklich begeistert: So gut gespielt habe ich das bisher noch nie gehört, so dass ich es auf einmal sehr anhörenswert fand (bedauerlicher Weise hat er das nicht auf CD eingespielt). :) Das "Schicksalsmotiv" aus Beethovens 5. ist nun mal populär, eine idee fixe, die im Kopf hängen bleibt - jedes Kind kennt es, von Komponisten angefangen, die es exklusiv zitieren (Brahms in der Sonate op. 5 z.B.) bis hin zum Normalmenschen, der relativ wenig Bezug zur "Klassik" hat. Das ist schlicht einprägsam und "populär" - warum soll man es nicht auch mit einer eingängigen Pop-Melodie vergleichen dürfen unter diesem Aspekt? Es kommt immer auf den Kontext an, in dem eine solche Aussage steht. Einem Igor Levit, der Beethovens komplette Klaviersonaten aufgenommen hat, zu unterstellen, er hätte keine Ahnung vom Aufbau eines klassischen Sonatensatzes bzw. würde das für unwesentlich erachten, finde ich mit Verlaub gesagt etwas dreist!


    Schöne Grüße

    Holger

  • Es gibt allerdings schon seit längerem eine Tendenz im Klassik-Bereich, diese zu POPularisieren. Früher ging es um die Werke, heute werden "Alben" mit Titeln produziert. Mal mehr und mal weniger anspruchsvoll. Das jüngste Beispiel ist Vinkigur Olafsson - alles Stücke zum Träumen und Schmusen. Das finde ich schon grenzwertig:



    Warum macht er sowas?


    Olga Scheps - mit einigen "soundigen" populären Sachen, aber auch einer wirklich toll gespielten "Wut über den verlorenen Groschen":



    Lang Lang, wieder bei der DGG, bei der wohl die Kasse jetzt zu Weihnachten so richtig klingeln wird - geht aktuell zurück zu seinen Ursprüngen, sage ich dazu nur ironisch:



    Selbst meine Lieblingsgeigerin Lisa Batiashvili hat ein "Album" mit Filmmusiken gemacht - bei ihr natürlich auf musikalisch hohem Niveau. Die CD habe ich mir trotzdem nicht gekauft:



    Helene Grimaux fährt schon länger auf dieser Schiene - versucht diesem Konzept Anspruch zu geben. Leider gehen hier Anspruch (es wird sogar Heidegger bemüht) und Wirklichkeit dann doch ein klein wenig auseinander:



    Über Sinn und Unsinn dieser Klassik-"Alben" hatte ich mich in meinem Kolumnen-Beitrag über diese Produktion ausgelassen:



    Die Klassikaufnahme als Pop-Album? Alice Sara Ott: Nightfall


    Schöne Grüße

    Holger

  • Warum macht er sowas?

    Genau diese Frage stellt sich. Ist das Label daran interessiert und der Interpret macht dann mit, oder kommt die Sache von den Interpreten?


    Und vor allem: Macht das klassische Musik populär? Oder wird die Musik einfach für Kassenschlager instrumentalisiert?



    Bei japanischen Interpreten finde ich diese Tendenz auch, wenn auch gefühlt auf einem anderen Niveau. Das ist so ein Eindruck, den ich als kompletter Ignorant dieser Kultur immer empfunden habe, dass dort in anderen "Kategorien" gedacht und empfunden wird. Yu Kosuge hat ihre Beethovensonaten nach Lebensgefühlen eingeteilt. Das kann schon interessant sein, wenn man der Interpretin zu folgen bereit ist.


    Manchmal hat man aber bloß das Gefühl einem Marketing-Gag auf den Leim zu gehen ....


    PS: Als Freund von Zusammenstellungen von Musik liebe ich manche solcher Alben, weil sie mir schon wie ein "Konzert" im weiteren Sinne vorkommen. Manche Interpreten spielen Ravel zum Beispiel auch anders, wenn sie ihn z.B.mit Sciarrino paaren (oder der Interpret sieht Ravel sowieso an einer anderen Stelle) Bei Gelingen kitzeln solche Alben Aspekte der Musik heraus, die bei den "üblichen" Interpretationen schon mal untergehen können

  • Das finde ich schon grenzwertig:

    ... ich finde das alles gar nicht so grenzwertig.


    a) Sehe ich diese Aufnahmen als evtl. Starthilfen für Klassikfremde. "Ah, das ist Klassik! Gar nicht so schlecht wie ich dachte..." . So, der Anfang ist gemacht. Wahrscheinlich nicht viele, aber der eine oder andere wird den Weg in die Klassik vertiefen.

    b) Die Klassiklabel haben zu kämpfen, die Zeit der sprudelten Verkaufszahlen ist lange vorbei. Und ja, auch hier muss Umsatz generiert werden. Die Produktionskosten würde ich bei diesen Projekten eher als gering beziffern, umgekehrt sind die Verkauszahlen höher als bei "normalen" Aufnahmen, so meine Vermutung. Für die Konzerne also eine Win-win-Situation.


    Eine wirtschaftliche Mischkalkulation, nichts anderes. Anspruch hin oder her.

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  • Es ist halt aber so, "klassische Musik" ist ja kein geschützer, klar definierter Begriff und manche Menschen dehnen den halt leider auch ziemlich stark aus. Manche glauben vielleicht, das müsste ja klar sein, dass Rieu, die Crossover-Garrett-Alben, Einaudi, etc. nicht zur Klassik gehören. Aber zu meiner eigenen Überraschung ist dieser Irrglaube unter dieser Zielgruppe nicht mal so selten.

    Mir ist auch nicht klar, was mit "Klassik" gemeint ist, gehören da Ablinger oder Landini dazu? Ist das nicht ohnehin eher eine am Mainstream orientierte Kategorie - was wieder dafür spräche, dass Rieu dazugehört? Ich verwende lieber "Kunstmusik" oder "ernste Musik".

  • Es kommt immer auf den Kontext an, in dem eine solche Aussage steht. Einem Igor Levit, der Beethovens komplette Klaviersonaten aufgenommen hat, zu unterstellen, er hätte keine Ahnung vom Aufbau eines klassischen Sonatensatzes bzw. würde das für unwesentlich erachten, finde ich mit Verlaub gesagt etwas dreist!

    Lieber Holger,


    du hast nicht dazugeschrieben auf wen sich das bezieht aber mit großer Wahrscheinlichkeit wohl auf mich, da ich sonst keine andere Person erkennen kann, die seine Aussage Kritisch hinterfragt hat. Weil dann ist es eindeutig ein Strohmann-Argument. Ich habe das nie behauptet, im Gegenteil, ich habe geschrieben:


    Zitat von âme

    Mich irritiert das schon ein wenig, dass er, der sich sicherlich auch zum. mit den Klaviersonaten tiefergehend auseinandergesetzt hat


    und ich habe nirgendwo den von dir unterstellten Satz nur ansatzweise in irgendeiner Form geschrieben, sondern mich lediglich über diese Aussage gewundert, gerade weil ich ihn für kompetent halte. Ich hab zwar schon geahnt, dass so mancher Levit-Fan dieser kritischen Betrachtung widersprechen könnte, aber dass ich dann solche bissigen Reaktionen bekomme nicht. Ich denke es ist auch mein gutes Recht mir meine Meinung über gewisse Aussagen bilden zu können ohne dass man mir jetzt Dreistigkeit unterstellt, so viel Meinungsfreiheit sollte dieses Forum schon zulassen. Es bestätigt mich aber wieder dass solche Diskussionsthreads nichts für mich sind und werde mich auch endgültig zum. von solchen streitbaren, polarisierenden Themen zurückziehen und es zukünftig nur noch bei gelegentlichen Essays über historische Fakten (da gibt es halt nur den binären Zustand belegbar oder nicht) in größeren Abständen belassen (mehr lässt auch meine Zeit nicht zu) Von meiner Seite aus wurde alles gesagt, wenn etwas davon nicht der eigenen Meinung entsprechen sollte tut es mir leid, ich wollte keinen Levit-Fan damit vergrämen, aber das ist eben Meinungsvielfalt. Ich interpretiere halt gewisse Dinge anders, aber aufgrund von tatsächlich getätigten Aussagen, nicht aus reiner Aversion gegen einen Künstler. Und ich halte es natürlich auch für möglich dass ich ihn falsch interpretiere, ohne Möglichkeit mit ihm selbst darüber zu diskutieren wird sich das aber schwer auflösen lassen. Damit möchte ich es belassen.


    Sorry Alfred, ich weiß dir gefallen nicht Mitglieder die zu harmoniebedürftig sind, aber damit musst du bei mir leben. :P

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  • Mir ist auch nicht klar, was mit "Klassik" gemeint ist, gehören da Ablinger oder Landini dazu? Ist das nicht ohnehin eher eine am Mainstream orientierte Kategorie - was wieder dafür spräche, dass Rieu dazugehört? Ich verwende lieber "Kunstmusik" oder "ernste Musik".

    Eigentlich tue ich mich mit diesem Begriff auch schwer. Aber ich halte zum Beispiel Blues und Jazz auch für ernste Musik (oder auch Kunst - ja nachdem) , würde sie aber trotzdem trennen wollen von der "Klassik". Natürlich hat man dann mit Kollegen wie Gershwin, Kapustin schon Schwierigkeiten und sogar mit Schulhoff und Strawinsky, wenn man denn so will.


    Aber wie der Kollege âme schon an anderer Stelle sagte, sind ja gerade die architekturiellen Gedanken (Harmonie und Rhythmus inbegriffen, aber eben auch Großstrukturen) ganz zentral für die Rezeption "klassischer" Musik, was sie für mich häufig einfacher und auch dauerhafter rezipierbar macht, als Musik die sich improvisatorisch über einfachen Grundmustern entfaltet. Ich bin weit von einem wirklichen Verständnis entfernt, aber mir geht es tatsächlich so, wenn iih es einfach fließen lassen will (mit den Worten Leif Segerstams) greife ich zum Jazz, wenn ich die Auseinandersetzung benötige, meistens zur "Klassik" (eben keineswegs nur die Musik der so bezeichneten historischen Periode) Brauche ich emotionale Aufregung sind die Rockmusik und der Blues geeignet .... um es mal ganz platt zu formulieren...

  • du hast nicht dazugeschrieben auf wen sich das bezieht aber mit großer Wahrscheinlichkeit wohl auf mich, da ich sonst keine andere Person erkennen kann, die seine Aussage Kritisch hinterfragt hat. Weil dann ist es eindeutig ein Strohmann-Argument. Ich habe das nie behauptet, im Gegenteil, ich habe geschrieben:

    Lieber Ame,


    ich hatte mich absichtlich nicht allein auf Deinen Beitrag kapriziert, sondern mich auch auf das bezogen, was sich daraus weiter entsponnen hat. ^^ Gegenüber diesem ganzen Diskurs wollte ich einfach eine deutliche Zäsur sezen. Wenn Du weiter einbeziehst, was Du an (kritischen) Reaktionen auch von Anderen bekommen hast, dann zeigt das doch, dass man Deinen Beitrag in dieser Richtung wahrgenommen hat. Da ist es immer gut, wenn man dann noch einmal klarstellt, was man eigentlich sagen wollte, als sich gleich beleidigt zurückzuziehen. ;)

    und ich habe nirgendwo den von dir unterstellten Satz nur ansatzweise in irgendeiner Form geschrieben, sondern mich lediglich über diese Aussage gewundert, gerade weil ich ihn für kompetent halte. Ich hab zwar schon geahnt, dass so mancher Levit-Fan dieser kritischen Betrachtung widersprechen könnte, aber dass ich dann solche bissigen Reaktionen bekomme nicht. Ich denke es ist auch mein gutes Recht mir meine Meinung über gewisse Aussagen bilden zu können ohne dass man mir jetzt Dreistigkeit unterstellt, so viel Meinungsfreiheit sollte dieses Forum schon zulassen.

    Die Verwunderung setzt aber voraus, dass es dafür einen Grund gibt. Man unterstellt damit, dass Levit hier auf Abwegen wandelt. Jürgen Uhde schreibt als Analytiker, dass Beethoven einerseits sehr komplex ist, es aber auch diese Beethoven charakteristischen "Primitivismen" immer wieder gibt. Die kann man sich natürlich herauspicken und fragen, ob das nicht "populistische" Tendenzen sind in dem Bemühen, eine musikalische Sprache zu sprechen, die von nahezu Jedem verstanden wird: "Alle Menschen werden Brüder..." Damit wird man Beethoven natürlich nicht als Gesamtphänomen gerecht, aber solche Tendenzen gibt es. Deshalb sollte man doch bei einem seriösen Interpreten, auch wenn man ihn an dieser Stelle nicht ganz versteht, wohlwollend davon ausgehen, dass er selbst das richtig einzuordnen versteht was er sagt und doch den Kontext berücksichtigen, in dem eine solche Aussage steht. Das hatte ich ja auch zu bedenken gegeben...

    Sehe ich diese Aufnahmen als evtl. Starthilfen für Klassikfremde. "Ah, das ist Klassik! Gar nicht so schlecht wie ich dachte..." .

    Mir ist schon klar, dass das eine Mode ist. ^^ Und die großen Labels, die ihre Stars vermarkten, springen auf diesen Zug auf. Nur Moden kommen und gehen. Für den Künstler ist das ein nicht geringes Risiko, dass er irgendwann nicht mehr Ernst genommen, sondern als Paradiesvogel angesehen wird. Und das ist ein irreparabler Schaden. Da gibt es doch immer noch einen Unterschied zwischen Sängern, deren Ausflüge ins "Seichte" man gerne verzeiht, und Instrumentalisten wie Pianisten.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Das "Schicksalsmotiv" aus Beethovens 5. ist nun mal populär, eine idee fixe, die im Kopf hängen bleibt - jedes Kind kennt es, von Komponisten angefangen, die es exklusiv zitieren (Brahms in der Sonate op. 5 z.B.) bis hin zum Normalmenschen, der relativ wenig Bezug zur "Klassik" hat. Das ist schlicht einprägsam und "populär" - warum soll man es nicht auch mit einer eingängigen Pop-Melodie vergleichen dürfen unter diesem Aspekt?

    An diesem berühmtesten aller musikalischen Motive ist vieles bemerkenswert: Zunächst einmal ist da die Tatsache, dass es nicht einfach ein "Einfall" war sondern (wie die Skizzen zeigen) das Ende eines Entstehungsprozesses darstellt. Rhythmisch ist zunächst unklar, ob es triolisch oder in duolischen Achteln zu verstehen ist (was sich dann ab Takt 7 als richtig herausstellt). Im ersten Fall müsste von den drei repetierten Tönen der erste am stärksten sein, im zweiten Fall der zweite. Beethoven hat aber keinen Akzent o.ä. notiert, lässt also den rhythmischen Rahmen zunächst bewusst unklar. Komplizierter wird die Sache noch dadurch, dass im Laufe der Symphonie in allen Sätzen ähnliche viertönige Klopfmotive vorkommen, die dann aber auf der ersten Note betont sind. Und auch der harmonische Bezug ist zunächst unklar: Die fallende Großterz g-es könnte auch eine Es-Dur-Symphonie einleiten. Dieses kleine Motiv ist also nicht nur einprägsam und populär sondern durchaus auch komplex...

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

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  • Mir ist schon klar, dass das eine Mode ist. ^^ Und die großen Labels, die ihre Stars vermarkten, springen auf diesen Zug auf. Nur Moden kommen und gehen.

    Die Mode hält sich allerdings, seit es LPs gibt. Was tummelt sich da nicht alles an Platten in meiner Sammlung, von "Im Land der Mitternachtssonne" über "Konzert für Millionen" zu "Zauber des Barock", "Festliches Intermezzo" oder "Bolero", alles Klassiksampler, die freilich die Werkauszüge unfrisiert spielen, teilweise in guten bis sehr guten Aufnahmen. Gepflegte Musik zum Sonntag-Morgen-Frühstück (so war's in meinen Kindertagen bei uns zuhause), die mir so manche Lust auf mehr gemacht hat. Auch die personalisierte Variante gab es, vor allem von Publikumslieblingen wie Herbert von Karajan ("Das Beste von Herbert von Karajan"; hat der Vogel eigentlich komponier?). Das sind nun alles Dinge, die ich ebensowenig verwerflich finde wie die aktuellen Platten von Vigingur Olafson, Alicia Ott oder Helene Grimaux. Das hat ein wenig was von einem Recital, was ja auch immer die Möglichkeit bietet, wenig Bekanntes bei Bekanntem unterzuheben (auch das schon seit den 1950ern geübte LP-Praxis.


    Ebensowenig stören mich gut gemachte Adaptionen, Duke Ellingtons Nutcracker Suite etwa, John Lewis Auseinandersetzung mit Bach oder Uri Caines Annäherung an Wagner et altri. Sky hat eine nete Mozartplatte gemacht, ebenso in Holland Louis van Dijk, Jaap van Zweeden, Anneke und Han de Vries mit ihren Ode aan Amadeus I und II. Nigel Kennedy kombiniert Jazz-Rock mit Bartok, spielt in Konzert als Zugabe Jimi Handrix. All das finde ich aller Ehren wert.


    Axels astewes Idee von der Reflektionsebene fand ich bedenkenswert. Fast möchte ich meinen, dass sie bei all den gerade genannten Werken und Künstlern existiert hat und die Grundlage war für die Trasnsformationen. Rondo Veneziano ersetzt den Generalbass durch E-Bass und Schlagzeug, benutzt wiedererkennbar die Oboe als Melodieinstrument und schaftt damit eine moderne Idee von Barockmusik (wenngleich Gianpiero Reverberi nach 1991 merklich die Ideen ausgegangen sind, zumindest hätten die dann schon keine neuen Platten mehr produzieren sollen geschweige denn diese fürchterlich Mozart-Beethoven-Vivaldi-Weihnachtszeug, das ist wirklich allerunterste Schublade).


    Ich versuche damit aber auch einzukreisen, was für ein Problem ich mit Rieu oder Garret habe: da ist nix. Gar nichts. Nix Reflektion oder künstlerische Kreativität. Es ist Show und Unterhaltung auf dem Rücken klassischer Musik. Garret vermarktet sich als Gesamtkunstwerk, hat eine eigene Modekollektion, eine eigene Schmuckkollektion etc, Rieu beschwört die gute (ur-)alte Zeit, gewandet sich wie ein Zeitreisender aus dem späten 19.Jh und bei den Konzertausstrahlungen liefern die Hauptarbeit die Kameras und die Cutter mit dem Ziel etwas zu illusionieren, was sich so gar nicht ereignet. Hier sehe ich das Riesengap zwischen den beiden Letztgenannten und allen zuvorgenannten.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ich weiß nicht, ob es dazu hier schon einen Thread gibt, aber wirklich geniale populäre Bearbeitungen klassischer Werke spielt meiner Meinung nach das slowakische Janoska-Ensemble. Vielleicht komme ich demnächst mal dazu, etwas mehr über die Musiker, ihre Arrangements, deren Stil usw. zu schreiben, für heute erst einmal als Appetithappen diese witzige, geistreiche und mit unglaublichem Können vorgetragene Fledermaus-Ouvertüre:



    Es gibt inzwischen bei der Deutschen Grammophon drei CDs mit dem Ensemble.

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  • Die Mode hält sich allerdings, seit es LPs gibt.

    Genau mein Gedanke. Danke für die Beispiele aus der LP-Ära. Aus dem Stegreif fand ich bei Discogs auf Anhieb nicht so viel. Leider auch nicht die englische Platte mit "leichter Klassik", die ich vor einiger Zeit mal bei irgendeiner Recherche durch reinen Zufall sah. Da stand auf der Hülle tatsächlich etwas drauf wie "Von Jimmy Savile empfohlen", inklusive dessen gruseligem Konterfei. Jedenfalls gab es diese Sachen schon seit mindestens den 1960er Jahren. Für nicht wenige waren sie wohl der Einstieg in die seriösere Beschäftigung mit der klassischen Musik.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Klassische Musik (eigentlich finde ich den Begriff nicht gelungen) ...

    So geht es mir schon lange und ich hätte mehrere Gründe anzuführen neben Deinem weiter oben. Das habe ich auch im Forum hier schon getan. Im Augenblick möchte ich es bei der Zustimmung bezüglich Deines Beitrags belassen, Axel. Vor allem aus zeitlichen Gründen - dringende Aufräumungsarbeiten ... Vielleicht ein ander Mal noch einmal ;)


    :) Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • An diesem berühmtesten aller musikalischen Motive ist vieles bemerkenswert: Zunächst einmal ist da die Tatsache, dass es nicht einfach ein "Einfall" war sondern (wie die Skizzen zeigen) das Ende eines Entstehungsprozesses darstellt. Rhythmisch ist zunächst unklar, ob es triolisch oder in duolischen Achteln zu verstehen ist (was sich dann ab Takt 7 als richtig herausstellt). Im ersten Fall müsste von den drei repetierten Tönen der erste am stärksten sein, im zweiten Fall der zweite. Beethoven hat aber keinen Akzent o.ä. notiert, lässt also den rhythmischen Rahmen zunächst bewusst unklar. Komplizierter wird die Sache noch dadurch, dass im Laufe der Symphonie in allen Sätzen ähnliche viertönige Klopfmotive vorkommen, die dann aber auf der ersten Note betont sind. Und auch der harmonische Bezug ist zunächst unklar: Die fallende Großterz g-es könnte auch eine Es-Dur-Symphonie einleiten. Dieses kleine Motiv ist also nicht nur einprägsam und populär sondern durchaus auch komplex...

    Nicht zufällig wählt Arnold Schönberg ja dieses "Schicksalsmotiv" und demonstriert daran exemplarisch das Verfahren, was er "entwickelnde Variation" nennt. ;) Eine sehr schöne Analyse ist auch die von August Halm, der an diesem Beispiel den Vorgang der Verselbständigung eines zunächst unselbständigen Motivs zu einem selbständigen Thema beschreibt. Beethovens Schicksalsmotiv ist zunächst "wie der kleine Ganymed in den Klauen des Adlers", bevor es sich in die hohen Lüfte aufschwingt, heißt es bei ihm. Es ist wohl gerade diese Formelhaftigkeit, welche die Variabiliät des folgenden Prozesses begründet. Nichts desto trotz ist diese aber auch das, was sich ins Gedächtnis regelrecht einhämmert und seine Bedeutung entsprechend darauf reduziert wird. Das Schicksalsmotiv ist ein exklusives Prägemotiv mit unbedingtem Wiedererkennungswert, das sich eben deshalb so gut dafür eignet, aus dem musikalischen Zusammenhang, in dem es steht, herausgerissen zu werden. Bei Brahms ("das Schicksal klopft immer wieder an die Pforte") hämmert und hämmert dieser nackte Klopfrhythmus - zum Schluss endet dieses Intermezzo dann mit dem wörtlichen Zitat. Jeder, der das hört, weiß sofort, worum es geht:




    Die Mode hält sich allerdings, seit es LPs gibt. Was tummelt sich da nicht alles an Platten in meiner Sammlung, von "Im Land der Mitternachtssonne" über "Konzert für Millionen" zu "Zauber des Barock", "Festliches Intermezzo" oder "Bolero", alles Klassiksampler, die freilich die Werkauszüge unfrisiert spielen, teilweise in guten bis sehr guten Aufnahmen. Gepflegte Musik zum Sonntag-Morgen-Frühstück (so war's in meinen Kindertagen bei uns zuhause), die mir so manche Lust auf mehr gemacht hat. Auch die personalisierte Variante gab es, vor allem von Publikumslieblingen wie Herbert von Karajan ("Das Beste von Herbert von Karajan"; hat der Vogel eigentlich komponier?). Das sind nun alles Dinge, die ich ebensowenig verwerflich finde wie die aktuellen Platten von Vigingur Olafson, Alicia Ott oder Helene Grimaux. Das hat ein wenig was von einem Recital, was ja auch immer die Möglichkeit bietet, wenig Bekanntes bei Bekanntem unterzuheben (auch das schon seit den 1950ern geübte LP-Praxis.

    Es gibt da nun doch einen sehr entscheidenden Unterschied: "Konzert für Millionen" usw. damals waren "Verschnittprogramme", wie ich sie nenne. Da hat die Plattenfirma gekramt in ihren Beständen und Verschiedenes zusammengestoppelt: "Für Elise" gespielt von Kempff, dazu ein Chopin-Nocturne, das Barenboim zum Besten gibt, nur den 1. Satz aus der "Mondscheinsonate" vielleicht von Gilels, dann die "Moldau" mit Friscay und die "Kleine Nachtmusik" mit Karajan. Alles so kleine Appetithäppchen, die zu dem Kitsch-Klischee-Idiom von "Klassik zum Träumen und Genießen" passten von unterschiedlichen Künstlern. Bezeichnend wäre aber keiner der Künstler, weder Karajan, noch Kempff, noch Barenboim usw., jemals auf die Idee gekommen, so ein Verschnittprogramm extra aufzunehmen und als "Album" herauszugeben. Diese Machwerke gingen allein auf das Konto der Plattenfirma, die da ihre Rechte wahrnahm und so Kasse machte. Genau das ist heute anders. Warum? Ich riskiere mal die These: Das ist der Zeitgeist, wo es offenbar ein großes Bedürfnis nach Sentimentalität gibt. Man sucht sehnsüchtig danach, dass der "Star", mit dem man sich identifiziert, seine ganz privaten Bedürfnisse befriedigt. So wird "Klassik", die eigentlich "Weltmusik" ist, privatisiert, das Sperrige und Große verkleinert auf die kleinlichen Bedürfnisse des eigenen Zuhause und damit populär. Ein Beispiel - Vergleich damals und heute:


    Damals

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    Heute:


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    Beide Platten haben was Scriabin angeht ein vergleichbares Programm: Die Klaviersonate Nr. 3 und kleinere lyrische Stücke (etliche der Preludes). Während das alte RCA-Cover mit Horowitz einfach die nackte Information präsentiert, um welchen Komponisten es geht - Scriabin - orientiert sich DECCA bei Anna Gourari vermarktungsstrategisch an Pop-Alben: Da ist erst einmal ein hübsches Weibchen zu sehen, das den Betrachter anblickt, nicht anders wie auf bekannten Covern von Pop-Stars oder Schlager-Sternchen. :P Und dann unterstreicht der Album-Titel auch noch erotisch anzüglich das, was auf dem Cover zu sehen ist, ein Objekt der Begierde: "Desir" - Verlangen. :love: Also "Schönes", Anziehendes gespielt von einer attraktiven jungen Frau... Die Ironie der Geschichte ist, dass "Desir" ein ganz kleines Stückchen von Scriabin ist, von dem sogar eine Rollenaufnahme des Komponisten existiert. Das ist auf der CD drauf und wird so zum "Motto". Nur freilich: Über das Programm auf der CD, also den musikalischen Inhalt, sagt das reichlich wenig aus, ist geradezu unpassend. Die 3. Klaviersonate von Scriabin ist ein hoch dramatisches Stück und die Gubaidulina-Sonate unverdauliche Moderne. Statt dessen wird suggeriert, es ginge hier allein und ausschließlich um lyrische Ergüsse zum Dahinschmelzen... Unter dem Cover-Titel "Desir" sind dann die Komponistennamen geradezu verschwindend klein gedruckt, dass man sie kaum sieht. :D Das ist eine im Grunde hoch peinliche Anbiederung an sentimentimentale Bedürfnisse des möglichen Käufers. Anna Gourari soll damit offenbar als Klassik-Pop-Star des Labels etabliert werden. Was aber offenbar nicht aufging. Verdächtig ist, dass sich die Labels für diese Marketing-Masche vornehmlich attraktive "Weibchen" mit lyrischer Begabung aussuchen. Das ist für die Interpret/innen aber sehr misslich - denn sie werden damit in eine bestimmte Ecke gedrängt, aus der sie schließlich nicht mehr rauskommen. Die lyrische Begabung hat Anna Gourari ganz sicher in hohem Maße. Die lyrischen Stücke von Scriabin sind auch wirklich hervorragend gespielt. Die Sonate gelingt ihr aber leider weniger - womit sie dem Klischee, was das Cover bedient, unfreiwillig auch noch entspricht...

    Ebensowenig stören mich gut gemachte Adaptionen, Duke Ellingtons Nutcracker Suite etwa, John Lewis Auseinandersetzung mit Bach oder Uri Caines Annäherung an Wagner et altri. Sky hat eine nete Mozartplatte gemacht, ebenso in Holland Louis van Dijk, Jaap van Zweeden, Anneke und Han de Vries mit ihren Ode aan Amadeus I und II. Nigel Kennedy kombiniert Jazz-Rock mit Bartok, spielt in Konzert als Zugabe Jimi Handrix. All das finde ich aller Ehren wert.

    Das sind nun aber Beispiele für klassisches Cross-Over - und nicht für "Fremdgänger" aus dem Pop-Bereich, die nach ein bisschen Kuschel-Klassik suchen. Dazu taugt der Bartok bei Nigel Kennedy nun wirklich nicht! :D

    Axels astewes Idee von der Reflektionsebene fand ich bedenkenswert. Fast möchte ich meinen, dass sie bei all den gerade genannten Werken und Künstlern existiert hat und die Grundlage war für die Trasnsformationen. Rondo Veneziano ersetzt den Generalbass durch E-Bass und Schlagzeug, benutzt wiedererkennbar die Oboe als Melodieinstrument und schaftt damit eine moderne Idee von Barockmusik (wenngleich Gianpiero Reverberi nach 1991 merklich die Ideen ausgegangen sind, zumindest hätten die dann schon keine neuen Platten mehr produzieren sollen geschweige denn diese fürchterlich Mozart-Beethoven-Vivaldi-Weihnachtszeug, das ist wirklich allerunterste Schublade).

    Den Sinn dieser Sachen werde ich nie verstehen. Einen Kontrabass durch eine E-Gitarre zu ersetzen ist genauso ästhetisch überflüssig, wie den Pop-Song statt mit der üblichen Band mit einem Symphonieorchester zu begleiten. Das ist für mich reiner Kommerz - und sonst nichts! :D


    Schöne Grüße

    Holger

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  • Alles so kleine Appetithäppchen, die zu dem Kitsch-Klischee-Idiom von "Klassik zum Träumen und Genießen" passten von unterschiedlichen Künstlern. Bezeichnend wäre aber keiner der Künstler, weder Karajan, noch Kempff, noch Barenboim usw., jemals auf die Idee gekommen, so ein Verschnittprogramm extra aufzunehmen und als "Album" herauszugeben.

    Also bei Karajan kann ich mich noch gut erinnern, dass es damals so eine Reihe "Hifi Karajan" gab, die genau diese Verschnitte anbot. Ich kann mir kaum vorstellen, dass da Herbert seine Finger nicht im Spiel hatte. Das hätte sich die DG bei ihrem Superstar nicht getraut ... Tatsächlich fanden sich diese Verschnitte auch bei nicht wenigen unser damaligen Bekannten, die mit Klassik wenig im Sinn hatten.


    Diese Reihe war offensichtlich so erfolgreich, dass es Resonance Wiederveröffentlichungen gab


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    Ich hatte damals auch so eine Scheibe mit einem ungarischen Tanz für Orchester ;). Sicher erfüllt das in meinen Augen nicht höchste ästhetische Ansprüche, aber irgendwie hat es klassische Musik (wenn auch nur in Schnipseln) in vielen Haushalten platzieren können.


    Den Sinn dieser Sachen werde ich nie verstehen. Einen Kontrabass durch eine E-Gitarre zu ersetzen ist genauso ästhetisch überflüssig, wie den Pop-Song statt mit der üblichen Band mit einem Symphonieorchester zu begleiten. Das ist für mich reiner Kommerz - und sonst nichts! :D

    Das kann man doch so pauschal nicht behaupten. Da gibt es sicher einige, die die Musik nehmen und dem Ganzen einen massentauglichen Verschnitt verpassen, um damit beim Publikum zu punkten. Umgekehrt gibt es auch viele (wenn ich mir so youtube anschaue), die Interesse haben, diese Musik mehr oder weniger frei für ihr Instrument zu adaptieren. Das scheint mir das gute Recht jedes Musikers zu sein. Da kommen dann auch mal E-Gitarren vor ... :)

  • Eigentlich sollte der Grundsatz gelten: Erfolg hat recht!

    Ich bin überzeugt, daß Garrett, Rieu oder auch früher Rondo Veneziano einem weitaus größeren Teil der Bevölkerung bekannt sind als Karajan, Mutter oder Horowitz oder.....

    Da hilft auch keine Diskussion.

    Fragt mal im Bekanntenkreis nach Musik von Strauß (oder Strauss). Klassikfreunde werden zuerst an den Richard denken. Leute, die sich für Klassikfreunde halten meinen einen Johann, Josef oder Eduard.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Also bei Karajan kann ich mich noch gut erinnern, dass es damals so eine Reihe "Hifi Karajan" gab, die genau diese Verschnitte anbot. Ich kann mir kaum vorstellen, dass da Herbert seine Finger nicht im Spiel hatte. Das hätte sich die DG bei ihrem Superstar nicht getraut ... Tatsächlich fanden sich diese Verschnitte auch bei nicht wenigen unser damaligen Bekannten, die mit Klassik wenig im Sinn hatten.


    Diese Reihe war offensichtlich so erfolgreich, dass es Resonance Wiederveröffentlichungen gab

    Karajan war sicher gerade was vermarktungstechnische Gründe angeht seiner Zeit voraus. :) Allerdings glaube ich kaum, dass er die Stücke extra für diese Scheibe aufgenommen hat. Sie werden auch da das Programm aus diversen Produktionen zusammengerafft haben und er gab - natürlich - seine Zustimmung, mediengeil, wie er war. :D

    Das kann man doch so pauschal nicht behaupten. Da gibt es sicher einige, die die Musik nehmen und dem ganzen einen massentauglichen Verschnitt verpassen umd damit beim Publikum zu punkten. Umgekehrt gibt es auch viele (wenn ich mir so youtube anschaue), die Interesse haben, diese Musik mehr oder weniger frei für ihr Instrument zu adaptieren. das scheint mir das gute Recht jedes Musikers zu sein. Da kommen dann auch mal E-Gitarren vor ... :)

    Dann sag doch mal positiv, was der große Erkenntnisgewinn sein soll, einen Pop-Song mit dem Symphonieorchester zu begleiten oder einfach eine E-Gitarre in demselben zu platzieren, außer dass einem Publikum das Ungewohnte im Gewand des zumindest teilweise Gewohnten angeboten wird, was nur eine Anpassung an gewisse Hörgewohnheiten/Bedürfnisse ist aber eben nichts wirklich Neues, was da entsteht - anders als etwa bei einer Jazz-Improvisation über ein klassisches Stück oder bei einer echten Transkription oder Paraphrase.


    Schöne Grüße

    Holger

  • anders als etwa bei einer Jazz-Improvisation über ein klassisches Stück oder bei einer echten Transkription oder Paraphrase.

    Genau. Manchmal können mich solche Sachen begeistern. Offensichtlich hat Johann Pachelbels Kanon ja so einen massenwirksamen Kern :).


    Hier einmal vier Versionen zum drüber nachdenken


    Auf Originalinstrumenten der zeit:



    Als Jazz Improvisation



    Als Transkription für E-Gitarre und Rockgruppen Titel: Canon Rock (ein Arrangement des Taiwanesischen Gitarristen Jerry C)



    oder in einer "vermatschten" Version von André Rieu mit den offensichtlich immer bewegten "Claqueuren"



    Die letzte Version habe ich im Internet noch von einem Fan mit mit feucht erotischen Träumen angereichert gefunden ;). das hat also auch ein Publikum ...



    Dann sag doch mal positiv, was der große Erkenntnisgewinn sein soll, einen Pop-Song mit dem Symphonieorchester zu begleiten oder einfach eine E-Gitarre in demselben zu platzieren,


    So wie das hier jetzt formuliert ist, wird es mir schwerfallen .... Aber Du siehst ja oben. Es gibt da ganz unterschiedliche Herangehensweisen. Und natürlich gibt es auch viel Kitsch ....

  • Eigentlich sollte der Grundsatz gelten: Erfolg hat recht!

    Warum sollte dieser Grundsatz gelten?

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

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  • ein Objekt der Begierde: "Desir" - Verlangen. :love: Also "Schönes", Anziehendes gespielt von einer attraktiven jungen Frau...

    In der Beziehung schießt ja wohl die allseits geschätzte (außer von mir) Yuya Wang den Vogel ab.


    Bezeichnend wäre aber keiner der Künstler, weder Karajan, noch Kempff, noch Barenboim usw., jemals auf die Idee gekommen, so ein Verschnittprogramm extra aufzunehmen und als "Album" herauszugeben.

    Freigegeben haben sie's dennoch, bei "Konzert für Millionen" angeblich für einen guten Zweck. Glaubst Du ernsthaft, dass die ganzen Karajan-Verschnittplatten ohne dessen ausdrückliche Billigung auf den Markt gekommen wären? Gerade bei dem unterstelle ich, dass er sich medien- und umsatzwirksam aus seinem Aufnahmenpool geeignete Sampler zusammengestellt hat. Aber der ist ohnehin ein besonderer Fall. Der von mir sehr geschätzte Arthur Rubinstein machte 1971 eine Platte "The Brahms I love" . Sehr schöne Platte übrigens. Es folgte"The Chopin I love". Diese Liebe wuchs sich dann in drei LPs aus. In der Frühzeit seiner Karriere spielte er vor den europäischen Fürstenhäusern, namentlich Spanien, das, was die Leute hören wollten, meist schmissig-virtuoses. Wie sein deutsches Pendant Backhaus übrigens auch. Frühe Pop-Stars, möchte man meinen.


    Die Cover der Altstars lasse ich mal unkommentiert. Wenn De einmal allein die Entwicklung des Künstlerphotos von den 1950er bis in die 1960er Jahre anschaust, dominieren s/w weltabgewandet Verbildlichungen, gelegentlich der freundliche Herr in Strickjacke (Karl Böhm). Karajan ändert das und tritt als sportlich alerter Typ auf. Im Grunde also nichts anderes, als das, was heute mit den Covern passiert, eben der damaligen Zeit angepasst. Und wie pflege ich doch immer wieder zu sagen: Früher ist gottseidank lange vorbei. Deine Plattenbeschreibung läuft jedenfalls darauf hinaus, was man fairerweise zu einer Platte sagt: das eine macht sie gut, das andere nicht ganz so, und ich nehme an, dass sie beides auf hohem Niveau spielt, somit nehme ich Deine Beschreibung durchaus als Empfehlung.


    und nicht für "Fremdgänger" aus dem Pop-Bereich

    Leider sind Rieu und Garret keine Fremdgänger, sondern m.W. beides ausgebildete klassische Geiger (mit "Klassik" hat Garret ja auch angefangen, Rieu sr. war ein reputierlicher Geiger und spezialisiert auf Barockmusik).


    Ich glaube, dass das Schubladendenken hier zu kurz greift. Ganz grundsätzlich sehe ich, dass Musik, in welcher Form auch immer eine Unterhaltungsanspruch hat. Die guten Tanzorchester der 1920er Jahre haben das so gehandhabt und spielten wie selbstverständlich Unterhaltungsklassisches und Tanzmusik gleichberechtigt. Das Orchester Marek Weber hatte eine Qualität, dass Franz Lehar es sich für die Auführung seiner Operetten ausbat (bis sie dann in dunkler Zeit auswanderten). Vergleichbar auch Dajos Bela. Man sollte in dem Zusammenhang ach die Bearbeitungen von Opern für Salonorchester erwähnen. Das war eine probate Möglichkeit, neue Opern oder Operetten einem breiteren Publikum vorzustellen, jedenfalls solange, bis das Werk dann auf die jeweiligen Bühnen kam.


    In den 1950er Jahren gab's dann die Klassiksingles, Klassik konsumierbar in 7 min pro Seite Da konnte Furtwänglers Aufnahme der kleinen Nachtmusik durchaus ein kleiner Glückbringer sein (ich spreche da aus Erfahrung, auch wenn ich die Platte als Kind erst in den 60ern in die Finger bekam), Stars wie Prey-Schock-Rothenberger, die sowohl Volksmusik, Unterhaltungsmusik und "Klassik" sangen (was Puristen ihnen verübelten, vielen Leuten aber eine Idee von Oper verschafften). Da ich selbst in den 1960ern groß geworden bin habe ich die Wahrnehmung, dass das die Zeit bis in die späten 1970er war, in der Klassik ein Höchstmaß an Popularität hatte (nein, Pli selon Pli bestimmt nicht). Mann müsstejetz eine rezeptionsästhetische Diskussion aufmachen, wenn man ergründen wollte, wer was wie gehört hat (ich komme da wieder auf Axels Reflektionsebene zurück). Irgendwann kippte das Ganze in eine schmalzige Beliebigkeit (James Last machte da den immerhin noch anhörbaren Anfang), Emmerson, Lake and Palmer war packend, aber spätestens mit London Symphony Orchestra und der Classicrock-Serie setzte das Grausen ein. Und: kann es Schlimmeres geben, als einen Peter Hofmann, der "The sun is gonna shine anymore" singt?


    Wir müssen also auch in diesem Bereich uns über Qualitäten verständigen, schließlich ist auch das Neujahrskonzert ein netter Unterhaltungsmischmasch.


    Lang Lang, wieder bei der DGG, bei der wohl die Kasse jetzt zu Weihnachten so richtig klingeln wird - geht aktuell zurück zu seinen Ursprüngen, sage ich dazu nur ironisch:

    Den nehme ich nicht ernst, insofern kann ich dazu nichts sagen. Das Thema liegt aber in der LuftIn Wuppertal wurden jüngst Filmmusikabende im dortigen Konzerthaus gegeben. Vom Wuppertaler Orchester. Einige Orchestermitglieder rümpften die Nase und verweigerten das Mitspielen, die anderen warn mit Begeisterung dabei. Die Abende waren auverkauft, es gab standig Ovations seitens des Publikums und einen Überschuss auf der Einnahmenseite, mit dem dringend benötigte Instrumente (im Perkussions-Bereich) angeschafft werden konnten In Dortmund wird die Filmmusik von Harry-Potter im Konzerthaus aufgeführt, und schon länger gibt es jene Matineen, bei denen ein Stummfilm gezeigt wird und die Filmmusik live aufgeführt.


    Das ist der Zeitgeist, wo es offenbar ein großes Bedürfnis nach Sentimentalität gibt. Man sucht sehnsüchtig danach, dass der "Star", mit dem man sich identifiziert, seine ganz privaten Bedürfnisse befriedigt.

    DAs waren schon immer so und durchaus nicht ehrenrührig. Auch diejenigen, die die Musik hören, haben Bedürfnisse, in diesen fordernden Zeiten gewiss noch einmal mehr. Das sind freilich keine privaten Bedürfnisse sondern eher verbindende, solche, die eine größer Menge an Hörern teilt. Alicia Ott ist so gesehen kein "Star", Herbert Schuch, der ähnlich unterwegs ist, genausowenig wie Vikingur Olafson oder Alexandre Tharaud. Das von Dir angesprochene Phänomen würde eher von den beiden Fiddlern for millions bedient, bei den genannten Pianist:innen sind es feinsinnige Zusammenstellungen, die ein eher anspruchsvolleres Publikum bedienen.Dass die Cover in einer zeitgemäßen Bildsprache daherkommen sollte ja wohl zu erwarten sein. Immerhin lassen sie sich nicht halbnackt ablichten wie weiland Vanessa Mae, der Graus an der Fidel.


    Um das Threadthema einmal umzudrehen: Klassik könnte durchaus populärer sein, wenn nicht deren Gralshüter auf das Einhalten der reinen Lehre pochen würden. Für den einzelnen Musikinterressierten gilt dann der abschließende Satz von Kafkas Türhüter. "Dies Tür war allein für dich bestimmt. Ich gehe jetzt und schließe sie". Den alttestamentlichen Jonas könnte ich jetzt auch bemühen,unterlasse es aber.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Um das Threadthema einmal umzudrehen: Klassik könnte durchaus populärer sein, wenn nicht deren Gralshüter auf das Einhalten der reinen Lehre pochen würden.

    Das verstehe ich nicht. Wer pocht worauf?

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Das verstehe ich nicht. Wer pocht worauf?

    Ich überspringe jetzt mal die Kritik in den Medien, die in Formulierung und Meinung viele neugierige Interessiere zu Außenseitern macht. Und wir Musikliebhaber sind ja auch nicht immer gnädig mit denen, die ihre eigenen Zugänge zur Musik finden wollen. Unstreitig, es gibt Phänomene, die mir die Zornesröte auf die Stirn treiben, dies zu artikulieren fällt mir indes schwer, wenn ich im persönlichen Umfeld sehe, dass mit der heilen Welt jenseits der echten Menschen erreicht werden.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Um Holgers CD-Liste noch ein wenig zu ergänzen, hier ein paar Platten, von denen ich die meisten kenne und schätze (die neue Schuch-Plate und Trifonof fehlen in meiner Sammlung):









    Besonders die letztgenannte Platte von Anne Queffelec zählt zu meinen oft gehörten, durchaus im Sinne ihres Titels (es gibt ein Gegenstück mit Musik von Händel, die aber keinen Motto-Titel hat, sondern schlicht "Cembalowerke" heißt).


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat von La Roche Eigentlich sollte der Grundsatz gelten: Erfolg hat recht!

    Warum sollte dieser Grundsatz gelten? das fragt im Beitrag #205 ChKöhn.


    Weil mir nicht bekannt ist, daß Mißerfolg positiv ausgelegt ist.

    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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