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    Prinz-Eugen-Straße 27 (Oberes Belvedere, Kustodentrakt), Anton Bruckner (Sterbewohnung)


    Das Schloss Belvedere unterteilt sich in das „Obere Belvedere“ und „Untere Belvedere“ und wurde von Johann Lucas von Hildebrandt zwischen 1714 und 1723 erbaut. Hildebrandt ist auch für andere bedeutende Bauwerke bekannt wie etwa das Palais Schwarzenberg, die Piaristenkirche, die Peterskirche (alle in Wien) oder das Stift Göttweig. Auftraggeber war Prinz Eugen von Savoyen. Dieser hatte als Feldherr (Venezianisch-Österreichischer Türkenkrieg, Spanischer Erbfolgekrieg,…), Präsident des Hofkriegsrats sowie Diplomat ein abenteuerliches Leben und wie man sich anhand dieser Ämter vorstellen kann, konnte er ein beträchtliches Vermögen ansammeln. Das nutzte er nicht nur für sich selbst sondern förderte auch die Kunst und Wissenschaft. Unscheinbar, bei einem Seitentrakt des oberen Belvederes, verbrachte Anton Bruckner sein letztes Lebensjahr. Zu dieser Zeit residierte im Belvedere Erzherzog Franz Ferdinand (zur Erinnerung: seine Ermordung 1914 in Sarajevo löste Kettenreaktionen aus welche schließlich zum 1. Weltkrieg führten).


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    von dieser Perspektive geradeaus am Schloss vorbei befindet sich erwähnter „Kustodentrakt“ oder „Kustodenstöckl“ genannt.


    Bruckner erkrankte noch in seiner vorhergehenden Wohnung, im vierten Stock der Wiener Heßgasse 7 (ebenso noch erhaltenes Gebäude mit Gedenktafel) welche er von 1877 bis 1895 bewohnte. Schon ein paar Jahre vor dem Wohnungswechsel zeigte sich eine ernsthafte Krankheit


    Höre: Ich war seit Mitte Jänner an der Wassersucht erkrankt; die Füße schrecklich geschwollen; das Wasser drang bis an die Brust, daher bittere Atemnot! Prof. Schrötter kommandierte mich ins Bett und durfte ich durch Wochen nichts als Milch (ohne Brot) genießen (14. März 1893)


    Ob der Patient beabsichtigt im falschen Glauben gelassen werden sollte oder es sich um eine fachliche Fehleinschätzung handelte ist unklar, jedenfalls spielte Schrötter das Ganze gegenüber Bruckner runter. Bruckner nahm dies dankend an um sich schonungslos gewohnten Aktivitäten zu widmen (Reisen, Konzertaufführungen, Vorlesungen an der Universität,…). Zwar mit einem mittlerweile gebesserten Zustand, doch war das nur eine temporäre Pause, die Ruhe vor dem eigentlichen Sturm. Dezember 1894 waren die Symptome so gravierend, dass der Kranke schon die Sterbesakramente erhielt und die Ärzte einen baldigen Tod prognostizierten.


    Da bekam Bruckner unerwartet eine weitere, diesmal aber letzte Besserungsphase. Doch war mittlerweile klar, dass sein Gesundheitszustand nicht mehr das Stiegensteigen in den vierten Stock zuließ. Da kam ihm die Erzherzogin Marie Valerie zu Hilfe, die schon 1886 (erst 18-jährig) für eine Gehaltserhöhung um 300 Gulden, sowie einen Franz Joseph-Orden eintrat. Bruckner bedankte sich persönlich bei der kaiserlich königlichen Hoheit und Förderin im Dezember 1886 in der Hofburg. Diese Wertschätzung zu Bruckner blieb auch bis an sein Lebensende bestehen. So wurde er gebeten als Organist für die Vermählung mit Erzherzog Franz Salvator am 30. Juli 1890 in Ischl aufzutreten und konnte zudem an der kaiserlichen Festtafel teilnehmen. Bruckner wandte sich somit im Februar 1895 an die Erzherzogin und bat um eine ebenerdige, standesgemäße und komfortable Wohnung in bester Lage. Es kam ihm auch konkret das damals unbewohnte Kustodenstöckl in den Sinn. Durch Marie Valeries Fürsprache erteilte ihr Vater Kaiser Franz Joseph I. dem Komponisten nicht nur ein kostenloses Wohnrecht in den 9 Zimmern, sondern soll auch täglich frische Blumen für Bruckners neues Heim gespendet haben. Vielleicht auch sein baldiges Ende vorausahnend.


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    So bezog er schließlich seine neue Wohnung im Juli 1895 mit seiner Haushälterin Katharina Kachelmaier. Später pflegte ihn auch sein Bruder Ignaz. Zwar musste Bruckner keine Miete zahlen, doch hatte er dennoch finanziell zu kämpfen, da ihn immerhin drei Ärzte behandelten.


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    Bildquelle: abruckner.com, Fritz Ehrbar


    von links nach rechts: Dr. Heller, Frau Kachelmaier, Bruckner, Bruckners Bruder Ignaz, Prof. Schrötter


    Das Foto wurde am 17. Juli 1896 vom Wiener Fotografen Fritz Ehrbar auf Veranlassung Bruckners Arztes Dr. Heller aufgenommen. Interessantes Detail am Rande: Da Bruckner angeblich nicht wollte dass man ihn fotografiert, wurden die Absichten Hellers (und Ehrbars) verschleiert um dann heimlich im richtigen Moment aus dem Hintergrund mittels „Schnappschuss“ (insofern dieser Begriff bei der damaligen Technik überhaupt passend ist) den greisen Mann zu überrumpeln.


    Das Foto in dem Bruckner angeblich im Sterbebett liegen soll ist auch von den bereits genannten Personen inszeniert und am gleichen Tag wie dieses Foto entstanden. Man überredete Bruckner sich für ein kleines Nickerchen hinzulegen um wieder auf den richtigen Moment zu lauern.


    Und den pikanten Details kein Ende: Ein paar Jahre darauf kamen dubiose Nachdrucke vom Gruppenfoto heraus. Plötzlich war hier Dr. Heller nicht mehr auf dem Foto zu sehen, quasi wegretuschiert oder besser gesagt im Farbton der Türe übermalt. Somit braucht es scheinbar nicht erst Photoshop und Instagram um das Verlangen nach Nachbearbeitungen und Inszenierungen im Menschen zu wecken.


    Wie die meisten wissen werden, arbeitete Bruckner in dieser Zeit am Finalsatz der 9. Sinfonie, von dem schließlich nur Fragmente erhalten sind (das der Reihenfolge zuvorgehende Adagio wurde schon vor dem Umzug beendet). Es ist nicht so, als hätte Bruckner nicht genug Zeit für die Vollendung der 9. Sinfonie gehabt, er ließ sie nur immer wieder für andere Kompositionen und Bearbeitungen von bereits vermeintlich abgeschlossenen Werken liegen um dann später wieder die Arbeit daran aufzunehmen. August 1887, also 9 Jahre vor Bruckners Tod, wurde die 9. begonnen. Als es dann den Anschein hatte, dass er gewillt war diese auch tatsächlich zu beenden, wurde ihm sein mittlerweile schlechter Gesundheitszustand zum Verhängnis. Aber der auf Wikipedia stehende Satz „Schließlich verstarb Bruckner während der Arbeiten am vierten Satz“ kann vermutlich eher als Mythos und nette Legende eingestuft werden (wenn man diese Aussage wortwörtlich nimmt). Juli 1896 kam eine Lungenentzündung hinzu, worauf es noch einmal zu einer deutlichen Verschlechterung seines Zustands kam. Laut Augenzeugen soll er danach gänzlich entrückt auf der Bank gesessen sein und Hugo Wolf berichtete dass Bruckner kurz vor seinem Tod am 11. Oktober 1896 nicht mehr bei klarem Bewusstsein war.


    Otte & Wink (2008) konstatieren aufgrund aller verfügbaren Informationen eine Linksherzinsuffizienz aus welcher dann schließlich die Lungenentzündung herrührte. Die heutigen Maßnahmen einer medikamentösen Therapie, wie etwa Abreichung von ausschwemmenden Medikamenten, gefäßerweiternden Substanzen usw. waren zu Bruckners Zeit und noch länger darüber hinaus unbekannt (diese Maßnahmen können angeblich das mit dieser Ursache zusammenhänge Sterberisiko um etwa ein Drittel reduzieren)


    Nichts das mit dieser Zeit beim Schloss Belvedere in Zusammenhang steht aber einer meiner Lieblingssätze Bruckners, das Adagio des F-Dur Streichquintett von dem (bzw. dem ganzen Werk) es aber nicht wenige Einspielungen mit größerem Streicherensemble zu geben scheint (hier Amsterdam Sinfonietta)


    Streichquintett F-Dur WAB 112 (Andante [Adagio])


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    u.a. herangezogene Quellen:


    Beiche, M. (2017) Robert Schumann in Wien. In: Correspondenz, Mitteilungen der Robert-Schumann-Gesellschaft E.V. Düsseldorf (Hg.: Knechtges-Obrecht, I.). Aachen


    Eismann, G. (Hg.) (1971) Robert Schumann Tagebücher, Bd. 1 & 2. Basel, Frankfurt a. M.


    Kalbeck, M. (1912) Johannes Brahms, Bd. 2 (1. Halb-Bd., 5. Kptl.). Berlin


    Otte, A. & Wink, K. (2008) Kerners Krankheiten großer Musiker, 6. Auflage. Stuttgart


    Schumann Briefedition (2013) Briefwechsel von Clara und Robert Schumann, Bd. 2, September 1838 bis Juni 1839 (Hg.: Synofzik, T.; Heinemann, M.). Köln


    Sourek, O. (Hg.) (1954) Antonin Dvorak Letters And Reminiscences. Prague


    und diverse Seiten wie abruckner.com, richard-strauss-ausgabe.de, deutsche-digitale-bibliothek.de, architektenlexikon.at,…

    Mozartgasse 4, Richard Strauss


    Das vom „Goldenen Lamm“ knapp über 5 Gehminuten entfernte späthistorische Palais wurde zwischen 1906 und 1909 (dazwischen verschiedene Angaben aus verschiedenen Quellen) vom Architekten Max Kaiser für Oscar Mayer von Gunthof, ein vermögender Textil-Großindustrieller, errichtet. Angeblich soll es später als Studentenheim adaptiert worden sein (ist es zum. aktuell nicht) Zwischen 1962 und 1964 errichteten die Architekten Raimund Abraham und Ottokar Uhl eine kleine Studentenkapelle im 1. Stock.


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    Der Mozartplatz Blickrichtung Mozartgasse / Wiedner Hauptstraße (quer dazu)


    Strauss wohnte hier zwischen 1919 und 1925. Er kam 55jährig nach Wien um (mit Franz Schalk) die Leitung der Wiener Hofoper zu übernehmen. Er wurde in Wien bereits seit 1895 als Konzert- und seit 1910 als Operndirigent wiederholt engagiert. Der bereits erfahrene und bekannte Komponist, Kapellmeister und Dirigent wurde am 15. November 1918 bestellt und sollte auch schon August 1919 sein Amt antreten, wozu es tatsächlich erst im Dezember 1919 kam. Am 1. Jänner 1920 erfolgte schließlich sein Debüt mit „Lohengrin“. Ebenso wie Mahler war auch er nicht unumstritten, wobei die Kritik aber jeweils auf andere Gründe fußte. Strauss wurde vor allem vorgeworfen keine modernen Opern, mit Ausnahme seiner eigenen, in seine Spielplangestaltung aufzunehmen. Während die Zusammenarbeit mit Schalk anfänglich noch von gegenseitiger Wertschätzung geprägt war, glitt das Verhältniss bis zur Gehässigkeit ab. In dieser Zeit war er nicht nur in Wien tätig sondern unternahm auch ausgiebige Konzertreisen wie etwa nach Südamerika (1920 und 1923) oder in die USA (1921). Auch wenn sein 60. Geburtstag im Jahr 1924 noch ausgiebig gefeiert wurde (wobei er sogar die Ehrenbürgerschaft der Stadt Wien am 16. Mai verliehen bekam) so zeichnete sich längst eine geplante Verdrängung (oder heute würde man Mobbing sagen) aus seinem Amt ab. Als schließlich Franz Schalk bei seiner Vertragsverlängerung umfangereichere Kompetenzen erhielt, zog sich Strauss enttäuscht zurück. Ab da arbeitete er bis zur Zeit des Nationalsozialismus als freischaffender Komponist und Dirigent.


    Kleiner Exkurs: Dennoch war es ihm wichtig in Wien ein Haus zu kaufen, wozu es auch 1925 kam. Das Grundstück „Kammergarten“ in der Jaquingasse (8-10) wurde zunächst noch gepachtet um später eine Villa darauf zu errichten (das heute sogennante „Strauss-Schlössel“). Er finanzierte sich diese Kosten durch den Verkauf der Originalpartituren vom „Rosenkavalier“ und „Schlagobers“, sowie Einkünfte von Konzerttourneen und ein Darlehen der Familie seiner Schwiegertochter. Heute befindet sich darin die niederländische Botschaft.


    An dem Haus in der Mozartgasse 4 ist zwar eine „Gedenktafel“ angebracht, die ich aber nicht fotografiert habe, da diese etwas lieblos gestaltete, bei mehreren um den Eingang angebrachten Firmentafeln nicht nur untergeht, sondern dessen Text auch ohne Strauss-Bezug anfängt (über den Bauherren des einstigen Palais).


    Es ist stark anzunehmen dass die Tätigkeit an der Oper herausfordernd genug war, so dass dieser etwa fünjährige Lebensabschnitt nicht zu den produktivsten gehörte was seine eigenen Kompositionen anbelangt. Das bedeutenste Werk welches teilweise in diese Zeit fällt ist wohl die Komödie Intermezzo op. 72, ansonsten ist noch das Ballett Schlagobers op. 70 erwähnenswert. Darüber hinaus entstanden wenige, relativ kleine Werke wie etwa drei Hymnen für hohe Stimme und Orchester, ein Hochzeitspräludium oder eine Wiener Philharmoniker Fanfare für Bläser und Pauke.


    Intermezzo op. 72, vier sinfonische Zwischenspiele: Reisefieber und Walzerszene, Träumerei am Kamin, Am Spieltisch und fröhlicher Beschluss (Mariss Jansons, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks)


    Intermezzo op. 72, sinfonische Zwischenspiele

    Wiedner Hauptstraße 7, Antonín Dvořák


    Vom ersten Bezirk kommend sieht man links am Anfang der Wiedner Hauptstraße ein Haus mit der Aufschrift „ehem. HOTEL GOLDENES LAMM“. Die Ursprünge gehen auf das Jahr 1760 zurück, nachdem am 24. Juni 1759 viele Häuser der Umgebung einem großen Brand zum Opfer fielen. 1823 wurde das noch im damaligen Vorort Wieden (heute Teil von Wien und gleichnamiger Bezirk) gelegene Gebäude vom Baumeister Josef Klee aufgestockt und bekam zwischen 1840 und 1860 eine frühhistorische Fassade.


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    Eine bedeutende Rolle hatte das Gebäude als anfänglich ein geschäftstüchtiger Großfuhrmann das Haus pachtete und neben seiner Tätigkeit als Gasthof auch Stellfuhren nach u.a. Mödling, Brunn am Gebirge, Eisenstadt und Hainburg anbot. Sozusagen ein kleiner Verkehrsbetrieb der damaligen Zeit. Das wurde schließlich nicht nur von Beethoven oder Schubert genutzt sondern hatte so regen Zulauf dass auch andere Hausbesitzer in der Gegend dieses Konzept kopierten, wie etwa das Haus „Drei goldene Kronen“ Nr.13 oder das auf dem Foto rechts befindliche Gebäude Nr. 9 „Zur Stadt Ödenburg“. Dieser Name war dann schließlich auch Programm. Heute befindet sich im Gebäude Nr.7 das Institut für Stochastik und Wirtschaftsmathematik der technischen Universität.


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    Nicht von den Hausnummern auf dem Plan von Max de Grimm irritieren lassen, denn diese haben sich längst geändert. Ein paar interessante Infos über den Kartenausschnitt: Bei der kleinen Kapelle neben der Karlskirche lag der bis 1784 genutzte Bürgerspital-Gottesacker auf dem auch am 28. Juli 1741 Antonio Vivaldi bestattet wurde (heute etwa Karlsplatz 12, ein im 19. und 20. Jahrhundert in mehreren Schritten erbautes Gebäude in welchem heute ein Teil der technischen Universität untergebracht ist). Das dem „Goldenen Lamm“ gegenüberliegende Gebäude ist das schon in „Mozarts Freunde in Wien“ vorgestellte Freihaus auf der Wieden (hier „Fürst Starhembergisches Freyhaus“ bezeichnet), der Uraufführungsort der Zauberflöte (man beachte hier die Bezeichnung „Schaubühne“). Bei den heutigen Nachfolgebauten handelt es sich ebenso um die Hauptgebäude der technischen Universität. Man merkt, diese hat sich in dieser Gegend gut ausgebreitet.


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    Von dem beim Vogelschauplan Hubers ersichtlichen Wienfluss ist schon längst nichts mehr zu sehen (überbaut und heute sozusagen Kanalcharakter) Hier nicht von der Himmelsrichtung täuschen lassen, da der Norden nicht oben, sondern eher rechts zu verorten ist. Somit verläuft die Strecke „Kärntner Thor“ über die Wiedner Hauptstraße (bzw. damalige Alt-Wiedner Hauptstraße oder Alte Wieden Hauptstraße) in Richtung Südwesten, wie man es auch auf dem Plan von Max de Grimm sehen kann.


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    Sicherheitshalber sei erwähnt: Die beiden Fenster haben keine exzentrische Gardinenvorrichtung mit Eisenstangen, sowie Blumenkasten mit Steinen gefüllt. Hier spiegelt sich das gegenüberliegende TU Wien „Freihaus“-Gebäude (in den späten 1970er-Jahren errichtet) mit derzeit davor befindlicher Baustelle wider.


    Zu welchen exakten Zeiträumen hier Dvořák zu Gast war, bzw. eine genaue Auflistung evtl. anderer Wohnstätten konnte ich leider nicht ermitteln. Bei verschiedenen Quellen wird lediglich die etwas schwammige Angabe eines wiederholten Logis angeführt und ich muss auch gestehen dass ich biographisch kein Dvořák-Experte bin oder tiefergehende Literatur über ihn besitze. Nach den Informationen die ich finden konnte stellte er 1874 in Wien seinen Antrag für ein staatliches Künstlerstipendium, wobei er nicht nur den Preis gewann, sowie für drei Jahre das Stipendium erhielt, sondern damit auch Eduard Hanslick und Johannes Brahms auf ihn aufmerksam machen konnte. Das war ein entscheidender Schritt in seiner Karriere, da sich dadurch auch die Möglichkeit ergab beim großen Berliner Verleger Fritz Simrock zu veröffentlichen. Dvořák gab in Wien nicht nur Konzerte sondern kam teils auch einfach nur um Konzertaufführungen von zeitgenössischen Komponisten zu hören (es verband ihn später auch eine Freundschaft mit dem mittlerweile in Wien lebenden Brahms) Als jemand in Wien Dvořáks Musik kritisierte soll Brahms ihm entgegnet haben „Ich möchte vor Neid aus der Haut fahren über das, was dem Menschen so ganz nebenbei einfällt. Der Kerl hat mehr Ideen als wir alle. Aus seinen Abfällen könnte sich jeder andere die Hauptthemen zusammenklauben.“


    Lieber Freund,


    ...Nur ein paar Zeilen, um Ihnen mitzuteilen, dass ich gerade in Wien war, nachdem ich ein Telegramm von Richter erhalten hatte; ich bin letzten Freitag abgereist und war bei der Aufführung meiner III. Rhapsodie, die sehr gut aufgenommen wurde und ich musste mich dem Publikum zeigen. Ich saß neben Brahms an der Orgel im Orchester und Richter zog mich heraus. Ich musste herauskommen. Ich muss Ihnen sagen, dass ich mit einem Schlag die Sympathie des ganzen Orchesters gewonnen habe und dass von allen Neuerungen, die sie ausprobiert haben, und es waren 60, wie mir Richter sagte, meine Rhapsodie am besten gefallen hat. Richter umarmte mich sogar auf der Stelle und war, wie er sagte, sehr glücklich, mich zu kennen, und versprach, die Rhapsodie bei einem außerordentlichen Konzert im Opernhaus zu wiederholen.


    Ich versprach, zur Aufführung der Serenade zu kommen, und musste den Philharmonikern versichern, dass ich ihnen für die nächste Saison eine Sinfonie schicken würde. Am Tag nach dem Konzert gab Richter in seinem Haus ein Bankett, sozusagen zu meinen Ehren, zu dem er alle tschechischen Mitglieder des Orchesters einlud. Es war ein großartiger Abend, den ich nicht so leicht vergessen werde, solange ich lebe. Es war so ähnlich wie bei Joachim im Sommer. Die Kritiken in den Wiener Zeitungen waren gut, bis auf ein oder zwei. Ich habe die Ausschnitte für Sie aufbewahrt. (Dvořák, November 1879)


    Es handelt sich hier um die 6. Sinfonie in D-Dur op. 60 die er für die Wiener Philharmoniker schrieb und dem Dirigenten Hans Richter widmete. Die Uraufführung sollte im Dezember 1880 in Wien stattfinden, doch gaben Richter und Orchester diverse Gründe einer derzeit nicht möglichen Aufführung an (wie etwa momentane Überlastung und für die Faschings- bzw. Karnevalssaison nicht geeignet), woraufhin Dvořák eine anti-tschechische Stimmung in Wien als eigentliche Ursache vermutete. So wurde sie ca. ein Quartal später in Prag uraufgeführt. Nach Dvořáks brieflicher Aussage soll ihn aber Richter beim ersten Vorspielen am Klavier nach jedem Satz begeistert umarmt haben.


    Es sieht auch danach aus, als hätte Dvořák zum. einen Aufenthalt lang bei Richter in der Sternwartestraße 56 (Bezirk Währing) gewohnt (1884 von Viktor Siedek erbaut, 1913-1914 von Emmerich Spielmann umgebaut), da Richter ihn im November 1887 brieflich dazu einlädt. Er solle bei ihm ein recht komfortables Zimmer vorfinden in dem er nicht gestört wird. Der Tscheche scheint seiner Antwort nach zu schließen zum. auch nicht abgeneigt gewesen zu sein („Wenn ich in Wien (Franz Joseph Bahn) um 10 Uhr abends ankomme kann ich dann noch eine Droschke zu Ihnen nach Währing bekommen? Aber ich möchte Sie nicht so spät belästigen“). Dvořák war übrigens ein glühender Eisenbahn-Fan.


    Kleiner Exkurs an dieser Stelle. Um mit möglicherweise falschen Vorstellungen mancher Leser aufzuräumen: Ich habe ja schon zu einigen bekannten Komponisten die Originalstätten recherchiert und es ist leider nicht so, dass hier immer alles schon am Präsentierteller vorliegt und ich das dann nur abschreiben brauche. Vor allem wenn Komponisten mehrere Wohnstätten in einer Stadt hatten sind in den meisten Fällen nicht alle bekannt, in manchen Fällen sogar nur ein Bruchteil. Manch bauernschlaue Tourismus-Marketingleute behaupten als selbsternannte Experten, dass der Komponist bei den Aufenthalten mit unbekannter Adresse einfach ebenso bei einer schon bekannten Originalstätte gewohnt hat. Die Laien werden es schon nicht überprüfen. Die Wahrheit ist, dass es in dieser Hinsicht noch einige Forschungslücken gibt und die Recherche über Internet hat seine Grenzen, da nur dort etwas stehen kann, dass schon zuvor in Originaldokumenten gefunden wurde (ausgenommen die wenigen bereits eingescannten, frei verfügbaren historischen Originaldokumente) Hier lässt sich nämlich gut zum Fall Tschaikowsky überleiten, da er auch bei zum. zwei Wien-Aufenthalten im „Goldenen Lamm“ gewohnt haben soll.


    Tchaikovsky Research listet insgesamt 15 Wien-Besuche, wovon laut der folgenden Seite nur zwei Mal die Wohnstätte bekannt ist (einmal Ende 1878, das andere Mal Anfang 1881) Zumindest sieht es danach aus, wenn hier nicht Informationen vorenthalten wurden:


    Tchaikovksy Research


    Wie man somit im Fall Dvořák sehen kann muss es nicht immer zwangsläufig das gleiche Quartier sein. Wer von den beiden Komponisten zuerst im „Goldenen Lamm“ war kann man somit nicht sagen, aber es ist nicht ausgeschlossen dass der Erstbesucher es dem anderen weiterempfohlen hat (vielleicht gibt es dazu sogar einen Brief und bitte um Verständnis dass ich nicht sämtliche Briefe der beiden für einen Forenbeitrag erwerbe und durchforste).


    Zurück zu Dvořák: Wie man aus den Briefen entnehmen kann, besuchte er die Stadt sein ganzes Leben lang immer wieder. Noch gegen sein Lebensende schreibt er


    Ich war am 16. Februar 1896 in Wien. Richter schickte mir ein Telegramm. Es war ein großer Erfolg und das Publikum gab mir einen großen Empfang. Ich saß mit Brahms in der Loge des Direktors. Der Beifall war so groß, daß ich mich nach dem Largo und nach dem Scherzo dreimal von der Loge aus verbeugen mußte, und nach dem Finale mußte ich in den Saal hinuntergehen und mich dem dankbaren Publikum vom Podium aus zeigen. Ich habe noch nie einen solchen Erfolg in Wien erlebt. Ich danke Gott dafür! (Dvořák an Simrock in Berlin, 19. Februar 1896)


    Ein sehr populäres Werk welches eng mit Wien verknüpft ist, ist die Streicherserenade in E-Dur op. 22, welche er in angeblich nur 12 Tagen (3. bis 14. Mai) schrieb, relativ kurz nachdem er das staatliche Künstlerstipendium 1875 von der Wiener Kommission erhielt. Hier der wohl bekannteste Satz des fünsätzigen Werkes (damit die Zeit wieder mal nicht überstrapatziert wird) (Norwegian Chamber Orchestra)


    Streicherserenade E-Dur op. 22 (2. Satz)

    Schönlaterngasse 7a, Robert Schumann, 3. Oktober 1838 – 5. April 1839


    3 Minuten Fußweg von der Postgasse 6 entfernt befindet sich die einstige temporäre Wohnstätte von Robert Schumann


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    Müsste ich die schönste Gasse bzw. Straße von Wien wählen, diese wäre auf jeden Fall ganz vorne mit dabei. Der neueste Umbau stammt hier aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, die ältesten Bauteile gehen auf das Hochmittelalter zurück. Mehrheitlich stammen die Fassaden aus der Barockzeit. Es verwundert nicht (oder sollte zum. nicht verwundern) dass hier auch bedeutende Szenen für den Teil „Der Wanderer“ für den von Fritz Lehners Film „Mit meinen heißen Tränen“, über das Leben von Franz Schubert, gedreht wurden (sieht man sehr gut bei den Szenen wo der mittlerweile an Syphilis erkrankte Schubert der betreffenden Prostituierten [oder sagt man heute politisch korrekt Sexdienstleisterin? :D] auflauert und sie mit seiner Krankheit konfrontieren will). Doch natürlich muss man etwas eingrenzend dazu sagen, dass auch hier der zweite Weltkrieg nicht spurlos an manchen Häusern vorbeigegangen ist. Man hat aber versucht die überschaubar zerstörten Teile der betroffenen Gebäude wieder originalgetreu zu rekonstruieren, wobei hier aber manche Details an der Fassade ausgelassen wurden. Doch das ist marginal und stört im Gesamteindruck dieser Gasse überhaupt nicht.


    "Mit meinen heißen Tränen" (Der Wanderer) Szene Schönlaterngasse

    Die Szene ab 22:09 bei der Schubert der Prostituierten auflauert (bei der anfänglichen Gesamtperspektive ist das Schumann-Haus das dritte von links) „Fun Fact“: In den darauffolgenden Szenen kann man im Hintergrund auch das Mozarthaus in der Domgasse sehen, nämlich während Schubert neben dem Sterbehaus von Vanhal die Blutgasse entlang läuft und von dem beeinträchtigten Mann verfolgt wird.


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    Zum Haus selbst: Dieses soll auf einen Teil eines Ziegelhofs aus dem Jahr 1342 zurückgehen. Somit besitzt das Haus in seinem Kern sogar noch gotische Bausubstanz. Die mittelalterliche Parzelle und das Giebeldach sind noch erkennbar. Der neueste Umbau erfolgte im 16. Jahrhundert. Eventuelle Beschädigungen während der Kriege scheinen bei diesem Gebäude zum. nirgendwo auf. Schumann wohnte im 1. Stock des Hauses.


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    Nebenbei ist das Nachbarhaus Schönlaterngasse 7 durch die zumindest in Österreich sehr bekannte Sage über den Basilisken (Kreuzung zwischen Hahn und Kröte) bekannt. Da sich die Sage jeder selbst bei Interesse raussuchen kann gehe ich hier nicht näher darauf ein. Für Besichtigungstouren sind übrigens die drei parallell zueinander liegenden Schönlaterngasse, Bäckerstraße und Sonnenfelsgasse (inklusive der schmalen Durchgangsgasse Jesuitengasse) empfehlenswert. Das moderne Kontrastprogramm, Architektur der 1960er mit Krankenhaus-Charme kommt dann spätestens bei Lugeck 1 (dieses Gebäude erstreckt sich bis zur Rotenturmstraße 10. Im Vor-Vorgängerbau „Zum schwarzen Bären“, wie ich schon bei „Mozarts Freunde in Wien“ erläutert habe, gab es private Aufführungen des Salzburgers bei den Ployers).


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    Die Schönlaterngasse Richtung Sonnenfelsgasse


    Schumann hatte eigentlich die Absicht in Wien ansässig zu werden. Einerseits war es eine Flucht vor dem Schwiegervater in spe Friedrich Wieck, mit welchem es zu einem Zerwürfnis kam (siehe auch meinen Beitrag dazu bei „Leipziger Komponisten-Wohnstätten“) zum anderen waren die Konzerterfolge von Clara Wieck in Wien noch nicht allzu lange her um auch daraus Hoffnung zu schöpfen. Mittlerweile hatte er durch Lähmungserscheinungen an der Hand eine Pianistenkarriere aufgegeben um sie durch andere ehrgeizige Pläne zu ersetzen. Er hoffte eine Professur am Wiener Konservatorium zu bekommen und seine „Neue Zeitschrift für Musik“ zukünftig in Wien herausgeben zu können.


    Großer Schmerz Clara's (W) wegen. Gestern einen Brief a.d. Alten [Wieck] geschrieben, der freilich seine Wuth aufs Höchste steigern wird (18. Oktober 1838, Schumanns Tagebucheintrag)


    Schumann reiste alleine nach Wien, auch weil Clara in wenigen Monaten eine Konzertreise nach Paris plante und der Zwickauer erstmal Fuß in der neuen Heimat fassen wollte bevor Clara dem Plan nach dazustoßen sollte (Die Parisreise die sie ganz alleine ohne dem Vater antrat dauerte von 8. Jänner bis 14. August 1839). Dank diesem Umstand gibt es einen regen Briefverkehr zwischen den beiden, welcher Schumanns Aufenthalt in Wien gut dokumentiert. Er ging nicht unvorbereitet nach Wien und versuchte schon vorab bereits dort bestehende Kontakte um Hilfe zu bitten. Aus seinen Tagebuchaufzeichnungen geht hervor, dass er sich regelmäßig mit Menschen traf die ihm eventuell nützlich sein könnten, wie etwa vor allem Josef Fischhof, welcher zu dieser Zeit zu den renommiertesten Klavierlehrern der Stadt zählte und allem Anschein nach auch ein guter Freund war. Fischhof konnte Schumann mit seinem großen Bekanntenkreis schließlich auch helfen. Unter anderem traf er hier Mozarts Sohn Franz Xaver Wolfgang, sowie Franz Schuberts Bruder Ferdinand. Einige werden sicher schon wissen, dass er von Ferdinand auf Schuberts Partitur der C-Dur Sinfonie D 944 aufmerksam gemacht wurde. Schumann war nach der Durchsicht so angetan, dass er sowohl beim Verlag Breitkopf & Härtel eine Veröffentlichung veranlasste, als auch Felix Mendelssohn Bartholdy zu einer Uraufführung bei einem der Leipziger Gewandhauskonzerte überzeugte, zu welcher es auch am 21. März 1839 kam (Zwei Jahre später hatte er seine Begeisterung in der Neuen Zeitschrit für Musik nochmals Ausdruck verliehen)


    Es kam auch zu einer persönlichen Vorsprache bei Staatskanzler Metternich, sowie Polizeipräsident und Zensor Sedlnitzky. Wie auch schon zu Beethovens und Schuberts Zeiten waren zu dieser Zeit die politischen Verhältnisse in Wien ziemlich prekär wie sicher die meisten Leser wissen werden (Verfolgung und Unterdrückung von Demokratie-, Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit). Clara schrieb in einem Brief dass sie bei ihren Konzerten in Wien Dezember 1837 sehr gute Erfahrungen mit Sedlnitzky gemacht hat


    Graf Sedlitzky (sic!) war ein Beschützer von mir und scheint mir ein guter Mann, und hat viel Macht. Er kann alles streichen was er will und Alles stehen lassen. Er ist es, der alle Blätter erst druchliest, ehe sie gedruckt werden dürfen


    Schumann durchlebt eine Hochschaubahn der Gefühle. Um nur ein paar Beispiele herauszugreifen. Es gibt Momente der Freude


    Wien entzückt mich, wahrhaftig seit vielen Jahren genieße ich zum erstenmal wieder. In der Natur ergehe ich mich so gern und was giebt es hier alles zu schauen, jetzt noch so schön im letzten Schmuck des Herbstes (23. Oktober 1838 an Clara Wieck)


    Momente des Optimismus


    Fester Entschluß, in Wien mit K.[lara] zu bleiben, u. ihn Klara mitgetheilt! (5. November 1838, Tagebucheintrag)


    Mein Urtheil über Wien fängt sich nach und nach zu ändern an. Das Kunsttreiben ist wenig nach meinem Geschmack; doch darf ich noch nicht öffentlich reden, später, wenn die Zeitschrift ganz hier erscheint, was wahrscheinlich bis Mitte des Jahres zu Stande zu bringen, werde ich wohl einmal hineinleuchten mit einem großen Schwerte (10. Jänner 1839 an Carl Montag)


    Momente der Enttäuschung


    Sehr traurig haben mich viele deiner Worte gestimmt – ich weiß nicht warum. Ich glaube, es sind Sorgen, die Dich drücken (2. November 1838 Clara Wieck an Robert Schumann)


    Daß Du mir meine letzte Hoffnung so plötzlich in Trümmer schlägst hatte ich nicht erwartet. Dachte ich doch mit Dir wenigstens ganz im Reinen zu sein und nun legst Du die Stirne in Falten, sprichst wieder von „Sorgen der Zukunft“ und hast mich so sehr entmuthigt und erschlafft in meinem Thun und Denken, daß ich gleich fort möchte wieder von hier (13. November 1838 an Clara Wieck)


    Diese Momente wechseln sich auch die nächsten Monate ab, Frustration folgt Hoffnung und dieser wieder Frustration und Enttäuschung und so fort.


    Laut Tagebucheinträgen bekam Schumann um die Jahreswende hin einen zunehmend melancholischen Zustand, möglicherweise auch durch die Jahreszeit und den damit zusammenhängenden überschaubaren Stunden an Tageslicht geschuldet.


    Friedrich Wieck war über die Pläne der Beiden derart erzürnt, dass er diese gekränkt und verbittert vereiteln wollte. Zunächst hielt er nicht sein Versprechen seine Tochter nach Paris zu begleiten und erfüllte auch nicht sein nächstes, nämlich ihr verspätet zu folgen. Er ließ Clara im Unklaren und schickte ihr auch keine schriftlichen Mitteilungen mehr.


    Was ich vom Vater denken soll, weiß ich nicht! Denk Dir, drei Briefe hat er schon von mir, und ich noch nicht Einen; alle meine Hoffnung stand auf Stuttgart. Läßt er mich so in der Fremde, ohne Nachricht, ohne Alles, ich weiß nicht, was ich machen soll, ob ich allein nach Paris soll, gar nichts weiß ich! Meine Lage ist wirklich schrecklich! (21. Jänner 1839 Clara Wieck an Robert Schumann)


    Langsam schien sich auch abzuzeichnen, dass Schumann seine Zeitschrift nicht in Wien herausgeben konnte. Der Musikalienhändler Tobias Haslinger (welcher schon Erstveröffentlichungen von etwa Schubert und Beethoven herausbrachte) erwies sich als einflussreicher, zu mächtiger Konkurrent und Widersacher.


    Wie malitiös dies von H. ist, siehst Du; ich glaube sogar, er hat ein Schreiben eingereicht, daß man mir die Concession verweigern sollte, weil es ihm in seinem Gewerbe schade. Sähe ich nun, daß die Zeitschrift, wenn sie hier erschiene, uns einen wirklich größern Vortheil brächte, so wollte ich es trotz H. dennoch durchsetzen, die Concession zu erlangen. Meine Ueberzeugung, daß hier keine gute Zeitschrift aufkommen kann, wächst immer mehr, und eine musicalische vollends nicht, da Wien so sehr außer Verbindung mit Mitteldeutschland (6. Februar 1839 an Clara Wieck)


    diese schwindende Zuversicht schlägt in einem vier Tage später verfassten Brief sogar noch in Kummer und Sorgen um


    Hätte ich Flügel, könnte ich zu Dir, nur eine Stunde mit Dir zu sprechen. Meine Lage hier wird immer bedenklicher und es überfällt mich manchmal eine heiße Angst um den Ausgang aller dieser Verwicklungen (10. Februar 1839 an Clara Wieck)


    Zudem schien Friedrich Wieck von Leizpig aus keinen Skrupel gehabt zu haben um durch perfide Intrigen Schumanns Pläne in Wien zu verhindern. Trotz scheinbar guter Kontakte des Wahl-Wieners zu bereits erwähntem Zensurchef Sedlnitzky, bekam Schumann die Absage welche auf Informationen eines „gediegenen Sachkenners“ in Leipzig beruhten.


    Mitte Februar 1839 kommt es auch zur Phase der Entscheidungsfindung. Gibt es für Schumann in Wien oder einer anderen Stadt einen Plan B, oder soll er nach Leipzig zurück um dort dann den Triumph von Friedrich Wieck über sich ergehen lassen zu müssen? Clara bekommt seine Briefe erst Wochen später, sobald sie von seinen gescheiterten Plänen erfährt ratet sie ihm


    Gehst du nach Leipzig zurück, so hast Du doch etwas Sicheres, aber in Wien gar nichts. Deine Zeitung darfst Du nicht eingehen lassen. Ach und so schön denke ich es mir, wenn Du wieder in Deinem Parkstübchen sitzen und arbeiten kannst. Du wirst wieder aufleben. In Leipzig brauchen wir kein großes Logis, können sehr angenehm in der Vorstadt leben und leben in Leipzig mehr in der Kunst als nirgendwo. Nur Muth, mein Lieber! Laß uns nur immer einander ermuthigen – es geht Alles (1. März 1839 Clara Wieck an Robert Schumann)


    Vielleicht ahnte jetzt Schumann auch dass er Clara nach all den sorgenvollen Briefen wieder etwas aufheitern musste, vielleicht war es aber auch mehr das von Otte & Wink (2008) konstatierte „latente Doppelwesen“ Schumanns, so dass er am 1. März 1839 wieder einen positiven, geradezu fröhlichen Ton angeschlagen hat. Während er noch um den Jahreswechel schrieb, dass selbst einfachste Stücke nicht vorangingen, scheint es plötzlich wieder aus ihm geradezu heraus zu fließen


    Die ganze Woche saß ich am Clavier und componierte und schrieb und lachte und weinte durcheinander; dies findest Du nun alles schön abgemalt in meinem Opus 20, der großen Humoreske, die auch schon gestochen wird. Sieh, so schnell geht es jetzt bei mir. Erfunden, aufgeschrieben und gedruckt. Und so hab ich’s gerne. Zwölf Bogen in acht Tagen fertig geschrieben


    Plötzlich glaubte er wieder Mitte März an eine Zukunftschance für seine Zeitschrift in Wien obwohl die Lage schon längst aussichtslos schien und auch bald darauf der endgültige Entschluss gefasst wurde nach Leipzig zurückzukehren. Am 30. März erfährt er von der schweren Erkrankung seines Bruders Eduard. Schumann wollte schnellstmöglich die Zelte in Wien abbrechen und trat am 5. April die Reise in seine Heimat an, konnte aber seinen Bruder nicht mehr lebend sehen, da dieser schon einen Tag nach Schumanns Abreise in Zwickau verstarb.


    Nach Michael Beiche (2017) schrieb Schumann in seiner Wiener Zeit an mehr Klavierwerken, als man zunächst anhand der schriftlichen Quellen vermuten würde (auch wenn es teils relativ kurze Stücke sind). Die Äußerungen in Briefen und Tagebucheinträgen schwanken permanent zwischen Unproduktivität und Schaffenskraft hin und her. Beiche bezeichnet diese Diskrepanz als „ambivalent“. Um nur ein Beispiel von vielen herauszugreifen, schrieb er Anfang Dezember an Clara


    Componirt hab’ ich hier nur sehr Weniges; mir ist’s, als könnte ich es gar nicht mehr.


    Etwa eine Woche zuvor schrieb er jedoch in sein Tagebuch


    Für die Zeitung ziemlich viel geschrieben, auch am Clavier gute Gedanken


    Beiches Auflistung nach komponierte bzw. vollendete er in der Schönlaterngasse folgende Werke: Arabeske op. 18, Blumenstück op. 19, Humoreske op. 20, Finalsatz für die zweite Klaviersonate in g-moll op. 22, Nachtstücke op. 23 (von Schumann zunächst „Leichenphantasie“ bezeichnet), Faschingsschwank aus Wien op. 26, Scherzo, Gigue und Romanze für op. 32 (insg. vier Sätze), die ersten beiden der „Drei Stücklein“ in die Bunten Blätter op. 99, „Vision“ in Albumblätter op. 124, sowie ein Fragment: ein angedachtes Konzert für Klavier und Orchester, welches die heutige Bezeichnung Konzertsatz in d-moll (RSW Anhang B5) trägt.


    Bunte Blätter op. 99 (Grigory Sokolov) Die ersten beiden „Stücklein“ bis ca. zur 3. Minute komponierte Schumann in Wien (somit wird hier nicht die Zeit überstrapaziert um hineinzuhören):


    Schumann - Bunte Blätter op. 99


    Dem Tagebuch nach schrieb Schumann diese beiden „Stücklein“ kurz vor Weihnachten 1838, in diesem noch als „Notturnis“ bezeichnet und noch als „Einiges Hübsche componirt“ befunden, während er eine Woche darauf in einem Brief an Clara, in dem er auf das bereits übermittelte erste Stücklein in A-Dur verwies, keine positiven Worte mehr darüber fand


    Von Musik wenig Bedeutendes. Ich verlebe oft ganze Tage am Clavier, bin aber unglücklich nichts fertig zu bringen – weiß nicht, woher das kömmt. Wohl zwanzig Sachen habe ich angefangen – ich wollte dem Stück, das ich Dir schickte, noch eilf dazu paßende anhängen und bin nur bis in das dritte gekommen seit acht Tagen, wo ich sonst sie zu Dutzenden in wenig Stunden mache.


    Diese Schwankungen in seiner Selbsteinschätzung ziehen sich wie ein roter Faden durch den ganzen Wien-Aufenthalt. Etwa klagte er Carl Montag noch über die mangelnde Qualität seines Schaffens und kurze Zeit darauf schrieb er Josef Fischhof: „Im Augenblick componire ich stark und möchte mich zum Leibcomponisten aller Wienerinnen emporschwingen“


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    Man könnte vielleicht glauben, die Aussagen wurden eventuell der jeweils empfangenden Person individuell zugeschnitten, doch diese Schwankungen zeigen sich auch in seinen Tagebucheinträgen.


    Teils schon in der Vergangenheit als in Wien entstandene Werke deklariert, sind tatsächlich falsche Zuschreibungen wie etwa die Fantasie op. 17, Kinderszenen op. 15, Kreisleriana op. 16 oder Novelletten op. 21


    März 1839 entstand in Wien auch eines der bekanntesten Schumann-Bilder vom Litographen Joseph Kriehuber (nach ihm wurde 1889 eine Gasse in Wien benannt)


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    Bildquelle: Wikiart.org


    Von meinen Bildern taugt keines viel, etwa das Kriehubersche ausgenommen


    1839 enstand auch in Wien das wohl bekannteste Porträt über Clara Schumann, die Litographie von Andreas Staub, welche von 1990 bis 2001 auf den 100-DM-Scheinen zu sehen war.


    Andreas_Staub_-_Clara_Wieck_%28Lithographie_1839%29.jpgBildquelle: Wikimedia.org

    Der aus dem Elsass stammende Staub ließ sich seit seinem Studium in Wien nieder. Tragischer Hintergrund: Er begang noch im gleichen Jahr in dem dieses Bild enstand Suizid. Er wurde nur 32 Jahre alt.

    Postgasse 6, Johannes Brahms, Ende Dezember 1866 – 2. August 1867


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    Plan Max de Grimm 1797


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    Vogelschauplan Huber 1778

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    Das Haus soll in seiner heutigen Gestalt von den Architekten Eduard van der Nüll und August Sicard von Sicardsburg (im frühhistorischen Stil) 1852 erbaut worden sein. Bekannt sind die beiden Architekten durch den Bau der Wiener Hofoper (heutigen Staatsoper) geworden, sowie mit der damit verbundenen tragischen Geschichte bei denen beide mit einer Welle an Kritik konfrontiert wurden. Van der Nüll erhängte sich kurze Zeit später, von Sicardsburg starb 10 Wochen darauf. Bei den zwei Vorgängerbauten wurde angeblich eines 1683, das andere 1773 erbaut, denen wiederum eine 1623 erbaut Landschaftsschule der Jesuiten (Latein-Schule, „Landschaft“ kommt von Ständen von denen sie finanziert wurde) zuvorging. Auf dem Plan von Max de Grimm sieht man, dass es beim heutigen Gebäude eine große Ähnlichkeit zum Grundriss der beiden Vorgänger gibt. Hier findet man eine Auflistung welche Teile der Universität für angewandte Kunst Wien derzeit in dem Haus untergebracht sind:


    Die Angewandte Standort Postgasse 6


    Zwar ist dieses Haus nicht mehr aus der Epoche der Wiener Klassik, doch unmittelbar in der näheren Umgebung befinden sich einige Gebäude und Häuserensembles aus dieser Zeit (etwa auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Gebäude Postgasse 7-9, Teile der im 17. Jahrhundert erbauten alten Universität, in dem noch erhaltenen Gebäudekomplex besuchte Franz Schubert das Akademische Gymniasium welches sich damals noch in der Bäckerstraße 20, eine der Postgasse anschließenden Straße befand. So nebenbei ist dieses Gymnasium seit 1866 am Beethovenplatz)


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    Das heutige Aussehen der daneben befindlichen Dominikanerkiche „Santa Maria Rotunda“ stammt weitestgehend aus dem 17. Jahrhundert. Die einstige Bastei davor (siehe Pläne) wurde zwar demoliert, doch die damalige Lage ist auch heute noch gut zu erkennen (die Kirche liegt etwas höher als die südöstlich davor befindlichen Häuser, abgegrenzt durch Treppen und und einen mauerartigen Vorbau). Auch hier gab es Vorgängerinnen. Die erste Kirche im gotischen Stil aus dem Jahr 1226 brannte schon wenige Jahrzehnte nach dem Bau ab. Der noch gegen Ende des selben Jahrhunderts errichtete Nachfolgebau hielt sich dann bis zur 1. Türkenbelagerung 1529, wo dieser dann stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ein weiteres Jahrhundert sollte es dauern, bis hier wieder eine neue Kirche errichtet wurde. Es gibt ein recht bekanntes um 1760 entworfenes Gemälde von Bernardo Bellotto „Canaletto“ (auch schon für diverse Covers von Klassik-CD’s verwendet, heute kunsthistorisches Museum Wien), auf welchem man diese Kirche sehen kann.


    KHM Bernardo Bellotto


    Um Brahms geht es natürlich auch noch. Dieses Gebäude ist neben seiner Einmietung von 1863 bis 1865 im Deutschordenshaus (Mozart-Kenner werden wissen, dass der Salzburger dort um die Entlassung bei Erzbischof Hieronymus von Colloredo bat) die einzige erhaltene Wohnstätte von Brahms in Wien (das weitaus am längsten bewohnte Haus und Sterbewohnung in der Karlsgasse 4 wurde 1905 mit drei angrenzenden Häusern demoliert)


    Als Brahms vor seiner Abreise nach Wien einen Brief zu seinem Vater von Mannheim aus schrieb, gab er als Postadresse eine Musikhandlung am Graben an


    Ich schreibe nur wenige Worte, damit Du erfährst, daß ich sehr vergnügt bin und im Begriff, nach Wien zu fahren. Adressiere: Wien, Musikhandlung des Herrn Spina, am Graben. Unsere Reise hier war höchst lustig und in jeder Beziehung erfreulich. Joachim mußte leider gestern nach Paris, sonst hätten wir uns noch lange erfreuen können, den Leuten hier vorzumusizieren. Meine Sachen sind hier sehr gekannt und geliebt, mein Spiel hört man gern, und nur zuviel Vergnügen macht so das Konzertgeben […]. Ich soll in wenig Stunden abfahren. Nächstens schreibe ich mehr. Lebe recht wohl und behalte lieb Deinen Johannes.


    Carl Spina übernahm vom Vater Anton Spina 1851 das Geschäft welches aus der einstigen Musikalienhandlung Diabelli hervorging. Das Vorgängergebäude am Graben wurde „Arkadenhaus“ bzw. „Selb’sches Haus“ bezeichnet (im Innenhof gab es markante Arkaden) Viele Besitzer wechselten im Laufe der Geschichte. Als dann schließlich 1873 die österreichische Militärbaugesellschaft und Wiener Baugesellschaft das Gebäude erwarb, ließen sie es bald darauf abreißen. Das heutige Gebäude (Nr.14-15) wurde 1873 – 1876 von Otto Thienemann und Otto Wagner (bekannt für seine Jugendstilbauten) entworfen. Heute kann man auf dem Haus die Bezeichnung „Graben-Hof“ lesen.


    Brahms kam schon Ende November 1866 in Wien an, wohnte aber zunächst noch bei Arthur und Bertha Faber mit denen er schon länger befreundet war. Als beim Wiener Ehepaar 1858 der zweite Sohn zur Welt kam, widmete er ihnen das mittlerweile auch bei der Masse sehr bekannte Wiegenlied „Guten Abend, Gute Nacht“ op. 49 Nr. 4. Das von Bertha Faber geschenkte Adressbuch wurde im Laufe der Jahre gut befüllt und ein Blick darin bestätigt mich wieder einmal dass Brahms ein sozial sehr umtriebiger Mensch war der einflussreiche und wichtige Kontakte hatte.


    Der Hamburger kam soweit sich aus Briefstellen herauslesen lässt, nicht einmal wegen konkreten Abmachungen bzw. Plänen nach Wien. Vielleicht um alte Freunde wieder zu sehen, da er auch später brieflich vor allem die Freude über seine Wiener Bekannten besonders hervorhob (und seinem Adressbuch zufolge waren das einige).


    Als Gepäck kam zwar auch die Partitur des Requiems mit, doch er hatte zu dem Zeitpunkt als er nach Wien fuhr noch die Absicht dieses in Basel uraufführen zu lassen. Manche Widrigkeiten die sich bei der schriftlichen Korrespondenz mit dem Basler Mäzen Riggenbach-Stehling abzeichneten brachten Brahms wieder davon ab. Das erste Halbjahr 1867 hatte er dann weitere Orte im Visier (wie etwa Pest, welches sich 6 Jahre später mit Buda vereinte) bis schließlich die ersten drei Sätze vom „Deutschen Requiem“ Dezember 1867 in einem Konzert der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien uraufgeführt wurden.


    Brahms wohnte im 4. Stock des „Geroldschen Hauses“ (im Vorgängerbau der Postgasse 6 befand sich bis 1810 die Buchdruckerei und Verlagsbuchhandlung von Joseph Gerold) und mietete ein dreifenstriges Eckzimmer bei Frau Favarger


    Er stellte sein Klavier ans Fenster, den Schreibtisch daneben, freute sich des weiten Ausblicks, der ihm ein Stück Alt-Wien mit den Türmen der Jesuitenkirche und dem Kahlenberge im Hintergrunde zeigte, besuchte regelmäßig das Café Deuerlein an der Ecke der Wollzeile, wo er mit Robert Volkmann und Goldmark zusammensaß, ging in den neuen Anlagen des Stadtparks spazieren und wäre sehr zufrieden gewesen, wenn ihn nicht die Trommler und Trompeter der allzu nahen Stubenringkaserne beim Eintritt der wärmeren Jahreszeit aus seiner gemütlichen Wohnung wieder vertrieben hätten. (Max Kalbeck)


    Die erwähnte Jesuitenkirche befindet sich westlich vom Gebäude und ein klein wenig kann man bei dem zuvor eingefügten Bild noch die beiden Turmspitzen erkennen. Postgasse 6 mit Blick auf das Brahms-Zimmer:


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    Brahms arbeitete in dieser Zeit vor allem an einer vollständigen Klaviertranskription des Requiems, welche er Clara Schumann für Gefälligkeiten schenken wollte (nicht zu verwechseln mit der Version bei der lediglich eine Transkritption beim Orchesterpart erfolgte doch die Singstimmen nach wie vor belassen wurden)


    Brahms Requiem Klavierfassung für 4 Hände


    Clara Schumann berichtete am 9. Dezember 1866 an Hermann Levi: Von Johannes hatte ich mehrere Briefe aus Wien; es gefällt ihm ganz wie sonst, das Leben, die Bekannten ganz gut. Über den Verfall des Theaters aber schreibt er sehr traurig und glaubt an baldigen gänzlichen Zusammensturz. Er macht jetzt den Klavierauszug vom Requiem, nennt es aber, eine bitterböse Arbeit!, da er doch keine der vielen Schönheiten auslassen mag


    Brahms hatte in dieser Zeit auch seine beiden Streichsextette op. 18 und 36, angeblich zunächst noch ohne großen Erfolg, aufführen lassen. Am 2. August ging er dann mit seinem Vater und dem Wiener Musikpädagogen Rudolf Gänsbacher (Brahms widmete ihm die Cellosonate Nr.1 e-moll) auf Reise ins Salzkammergut (welche ich schon kurz in meinen Beiträgen „Die komponierenden Gäste des Traunsees“ thematisiert habe) 1871 ließ sich er sich dann endgültig in Wien (in bereits erwähnter Karlsgasse 4) nieder, wo er über 25 Jahre bis zu seinem Tod bleiben sollte.


    Auf diesem Gebäude gibt es keine Gedenktafel.

    Vielleicht ahnte es ja Beethoven. Nicht nur dass sein Ruhm länger nachwirken könnte, sondern seine Behausungen mit der Zeit zunehmends den Zeitgeschmäckern und Bombentreffern zum Opfer fallen würden. Um die Wahrscheinlichkeit von authentischen Erinnerungsstätten für die Nachwelt zu erhöhen fasste er den raffinierten Plan so oft es nur ginge umzuziehen und bei etwa 70 verschiedenen Häusern im Laufe von etwa 30 Jahren sind dann doch tatsächlich ein paar den Kriegsschäden und Demolierungsfreunden entgangen. Der Plan ging auf.


    (Achtung, für alle die es nicht merken sollten, das ist tatsächlich nicht ernst gemeint.)


    Da sich Städte aufgrund von verschiedensten Gründen verändern kann man bei Komponisten sehr oft nur noch reizlose Nachfolgebauten an Stelle der einstigen Originalstätte sehen. Die wenigen erhaltenen Wohnstätten von den der Wiener Klassik zugeordneten bekannten Komponisten sind sicher kein Geheimtipp mehr und jeder Klassikfreund der einmal Wien besucht, wird diese ohne große Mühe herausfinden können. Seiten wie diese gibt es zur genüge


    Musikerwohnungen und Museen


    Mit dieser kleinen Auswahl möchte ich Beispiele nennen, welche die wenigsten Wien besuchenden Klassikfreunde (weiß ich auch aus eigener Erfahrung) auf ihrem Schirm haben. Sicher sind diese nicht als Museum begehbar, aber zum einen sind auch die als Museum betriebenen Originalstätten teils etwas suboptimal (so latscht man bei Beethovens Pasqualati-Haus eigentlich nicht durch dessen damalige Originalwohnung die eigentlich im Privatbesitz ist, in seltensten Fällen gibt es Originalmöbel, teils Modernisierungsmaßnahmen die mehr verkitschen als etwas authentisch zu vermitteln usw.)


    Zum anderen liegen vor allem die zwei zuerst genannten Häuser in einem Teil des Zentrums der im Grunde genommen sowieso für jeden Geschichts-, Kultur- und Klassikinteressierten ein Besichtigungsmuss sein sollte. Hier gibt es nicht das Massentouristen-Einkaufsflair der Kärntnerstraße, des Grabens oder Kohlmarkts, wo sich eine internationale Franchise-Kette nach der anderen reiht (und durch die enorm teuren Mieten jahrzehnte und teils sogar jahrhundertelang an diesem Standort befindliche Traditionsbetriebe zum aufgeben gezwungen wurden), sondern im Gegensatz dazu auch vorwiegend Altbestand aus dem 17., teils sogar 16. Jahrhundert. Das war im Großen und Ganzen (denkt man sich mal die Autos, modern gekleidete Menschen und andere kleinere Veränderungen mal weg) optisch in etwa das Wien, das noch Mozart, Haydn, Schubert oder Beethoven erlebte, während etwa die Kärntnerstraße fast nichts mehr damit zu tun (die Ringstraße und deren Bauten übrigens auch nicht… nur so nebenbei).


    Somit sollten die zwei erstgenannten Häuser für eine bestimmte Zielgruppe nur beiläufig auf dem Weg einer „Wiener-Klassik-Besichtigungstour“ liegen. Falls man den anderen zufällig begegnet auch gut, aber diese liegen nicht mehr im 1. Bezirk.


    Alle Gebäudefotos sind von mir und wurden diesen Sommer 2024 gemacht.


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    von der Sonnenfelsgasse in die Jesuitengasse Richtung Schönlaterngasse schauend


    Da zwischen meinen anderen Beiträgen größere Abstände liegen, möchte ich auch hier nochmals auf meine älteren Beiträge aufmerksam machen in welchen ich diverse Aufenthalte und Begebenheiten von Komponisten in Zusammenhang mit bestimmten Regionen bzw. Städte zusammengefasst habe.


    Leizpiger Komponisten-Wohnstätten


    Die komponierenden Gäste des Traunsees (Brahms, Schubert, Schönberg,…)


    Gustav Mahler – Wiener Wohnungen und Sterbestätte

    JOANNES CHRYSOSTOMUS WOLFGANGUS THEOPUHILUS MOZART (1756 - 1791)



    Als Mozart gemeinsam mit Fürst Karl Lichnowsky am 8. April 1789 die Reise nach Berlin antrat, war Leipzig neben Dresden und Prag nur eine Durchreisestation. Die Reise hat sozusagen auch die Not erzwungen, da die Einnahmequelle der einst so lukrativen Konzerte schon seit längerem versiegte und sich die Schulden (wie etwa bei Michael Puchberg) zunehmends anhäuften. Die Reise wurde also mit viel Zweckoptimismus begleitet, in Hoffnung eine Anstellung oder Aufträge am Hofe von Friedrich Wilhlem II. von Preußen zu bekommen. Mozart schrieb noch am 10. Aprifl 1789 aus Prag an Constanze:


    Noch was; – Ram (Anm.d.Verf.: Oboist Friedrich Ramm) ist erst vor 8 tagen von hier wieder nach Hause; er kamm von berlin, und sagte, daß ihn der könig sehr oft, und zudringlich gefragt hätte, ob ich gewis käme; – und da ich halt noch nicht kam, sagte er wieder; – ich förchte er kömt nicht. – Ram wurde völlig bange, er suchte ihn des gegentheils zu versichern; – Nach diesem zu schlüssen, sollten meine sachen nicht schlecht gehen.


    Die Ausbeute war dann zunächst ziemlich enttäuschend. Außer dem Austausch von Höflichkeiten, scheint nicht viel dabei herausgeschaut zu haben und Mozart bittet brieflich von Berlin aus seine Frau nichts von dieser Information weiter zu erzählen.


    Anders als in Berlin konnte er aber immerhin in Leipzig und Dresden positive Erfahrung in kultureller Hinsicht mitnehmen. Dem Leipziger Zeitzeugen Johann Friedrich Reichardt zufolge, hatte er auf der Orgel in der Thomaskirche improvisiert, worauf dem Kantor Johann Friedrich Doles sein Spiel so gefiel, dass er seinen altern Lehrer Bach wieder auferstanden glaubte. Doles scheint viel von Mozart gehalten zu haben. Er lud ihn auch zu einem musikalischen Abend nach Hause ein und überraschte ihn angeblich mit einer Aufführung einer Motette J.S.Bachs durch den Thomanerchor, als Mozart die Thomasschule besuchte. Sowohl bei der Hin- als auch Rückreise spielte er in Privathäusern wie etwa in dem von Universitätsrektor Dr. Ernst Platner, oder des Chirurgen Christian Friedrich Ludwig.


    Letztgenannte Einladung fand in Löhrs Hof statt (das stadtgeschichtliche Museum gibt dazu die Adresse Reichsstraße 12-22 an, Mozart-Sachsen.de hingegen Markt 8, ein geplanter Neubau mit exklusiven Wohnungen und unter selbigen Namen soll jedenfalls bei Reichsstraße 12 errichtet werden)


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    Bildquelle: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig


    Zukünftiges Gebäude an vermutlich gleicher Stelle des alten Hofes


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    Bildquelle: Loehrs-Hof.de, IB Immobilienberatung Leipzig GmbH


    Der erste Aufenthalt fand von 20. bis 23.04. der zweite Aufenthalt (bei seiner Rückreise) von 08.05. bis 17.05. statt. Er wurde so freundlich von verschiedenen Seiten aufgenommen, dass er sich beim zweiten Aufenthalt entschloss am 12.05. eine Akademie im alten Gewandhaus zu geben. Bei dem für heutige Verhältnise ausgiebigen Monsterprogramm, wurden die Prager- und Jupitersinfonie, 2 Konzertarien (von Josepha Duschek vorgetragen), die Klavierkonzerte B-Dur (KV 456) und C-Dur (KV 503), die Variationen KV 354 sowie eine freie Improvisation aufgeführt. Es war eher eine nette Geste bzw. auch Prestigeprojekt, da er etwa die Hälfte des Publikums mit Freikarten anlockte: „diese war von Seiten des beÿfalls und der Ehre glänzend genug, desto mägerer aber die Einnahme betreffend“ (Brief an Constanze, Leipzig 16. Mai 1789)


    Das alte Gewandhaus


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    Bildquelle: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig


    Möglicherweise war es auch der Verdienst des Leipziger Freimaurers Carl Immanuel Engel, dass er so gut in Leipzig aufgenommen wurde und Engel als Vermittler behilflich war. Zum Dank schenkte er ihm vor seiner Abreise noch eine „Kleine Gigue in G“ KV 574. Leipzig war schließlich auch sehr bedeutend bei der Vergrößerung und Festigung von Mozarts Ruhm. Nicht nur mit regelmäßigen Aufführungen seiner Werke, der Verlag Breitkopf & Härtel kaufte einen großen Teil des Nachlasses von Constanze und brachte u.a. die Mozart-Biographie Otto Jahns, sowie 1862 das Verzeichnis von Dr. Ludwig Ritter von Köchel heraus.


    Mozart kehrte danach noch einmal nach Berlin zurück, da er doch noch die Möglichkeit bekam vor dem König zu spielen. Zudem gab Prinzessin Friederike den Auftrag für 6 Streichquartette und 6 leichte Klaviersonaten. Bei der Rückreise nach Wien machte er nicht mehr in Leipzig Halt.

    JOHANNES BRAHMS (1833 - 1897)



    Mit Leipzig verbindet Brahms eine wechselvolle Geschichte. Laut Kalbeck ging Brahms angeblich nur mit dem größten Widerwillen hin. Schumann hatte schon große Vorschusslorbeeren in seiner Zeitung gesträut, für Brahms schon in zu überschwänglicher Weise. So schrieb Schumann etwa:


    Ich dachte, die Bahnen dieser Auserwählten mit dem größten Interesse verfolgend, es würde und müsse nach solchem Vorgang einmal plötzlich einer erscheinen, der den höchsten Ausdruck der Zeit in idealer Weise auszusprechen berufen wäre, einer, der uns die Meisterschaft nicht in stufenweiser Entfaltung brächte, sondern wie Minerva, gleich vollkommen gepanzert aus dem Haupte des Kronion entspränge. Und er ist gekommen, ein junges Blut, an dessen Wiege Grazien und Helden Wache hielten. Er heißt Johannes Brahms, kam von Hamburg, dort in dunkler Stille schaffend, aber von einem trefflichen und begeistert zutragenden Lehrer gebildet in den schwierigsten Satzungen der Kunst, mir kurz vorher von einem verehrten bekannten Meister empfohlen. Er trug, auch im Äußeren, alle Anzeichen an sich, die uns ankündigen, das ist ein Berufener. Am Klavier sitzend, fing er an, wunderbare Regionen zu enthüllen. Wir wurden in immer zauberischere Kreise hineingezogen. […]Wenn er seinen Zauberstab dahin senken wird, wo ihm die Mächte der Massen, im Chor und Orchester, ihre Kräfte leihen, so stehen uns noch wunderbarere Blicke in die Geisterwelt bevor. Möchte ihn der höchste Genius dazu stärken, wozu die Voraussicht da ist, da ihm auch ein anderer Genius, der der Bescheidenheit, innewohnt. Seine Mitgenossen begrüßen ihn bei seinem ersten Gang durch die Welt, wo seiner vielleicht Wunden warten werden, aber auch Lorbeeren und Palmen; wir heißen ihn willkommen als starken Streiter.


    Einerseits rührten Brahms diese Worte, andererseits wusste er als kluger Mann auch, dass damit eine dementsprechend erwartungsvolle Bringschuld verbunden war. Schumann fädelte auch den Kontakt zum Leipziger Verlag Breitkopf und Härtel ein.


    Euer Wohlgeboren erlaube ich mir hiermit einige meiner Kompositionen zu übersenden, mit der Bitte, dieselben durchzusehen und mir dann gütig sagen zu wollen, ob ich meine Hoffnung erfüllt sehen kann, dieselben durch Ihren Verlag zu veröffentlichen. Es ist nicht eigene Kühnheit, sondern mehr der Wunsch künstlerischer Freunde, denen ich meine Manuskripte mitteilte, welcher mich zu dem Schritte führt, mit denselben vor die Öffentlichkeit zu treten. Damit mögen Sie, hochgeehrter Herr, diese Zeilen entschuldigen, falls Ihnen deren Inhalt nicht willkommen ist. (Brahms am 8. November 1853 von Hannover)


    Schumann drängte Brahms zugehends persönlich nach Leipzig zu kommen und flehte seinen Freund Joachim an „Sonst verstümmeln sie seine Werke; er muß sie dort selbst vorführen. Es scheint mir dies ganz wichtig .... Noch einmal: ich bitte, bewegen Sie ihn, daß er auf acht Tage nach Leipzig geht.


    Schließlich kam dann Brahms auch am 17. November 1853, wohnte zunächst in einem schlichten Gasthof bis ein gewisser Heinrich von Sahr, selbst Komponist und wohlhabender Kunstmäzen, darauf aufmerksam wurde und ihn bat sich doch in seinem Haus bzw. in seiner Wohnung einzuquartieren. Diesem kam Brahms auch nach und Sahr schien den Hamburger auch ganz für sich zu vereinnahmen.


    Sahr nahm ihn gleich in seine Wohnung, um ihn gar nicht mehr von sich zu lassen, solange er hier war. Auch alle Kenner von Fach erklärten ihn für sehr bedeutend. Dabei ist er der liebenswürdigste und bescheidenste Mensch, voll gutem Herzen und kindlichem Humor. Alle seine Kompositionen wurden ihm gleich glänzend abgekauft. (Franz v. Holstein an Pastor Weber in Wolfenbüttel)


    Es ist ein himmlischer Mensch! Wie muß man Schumann dankbar sein, diesen Kerl ans Tageslicht gebracht zu haben! Die Tage, seitdem er hier ist, gehören zu den schönsten, die ich je erlebt. Er entspricht so ganz dem Ideal, wie ich es mir von einem Künstler gemacht. (Sahr über Brahms)


    Leider konnte ich die Adresse dieses Hauses trotz intensiver Internet-Recherche nicht ausfindig machen, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass dieses Haus wohl auch spätestens dem Bombenangriff Dezember 1943 zum Opfer fiel (da anzunehmen ist, dass die Stadt Leipzig schon aus Eigeninteresse eine noch bestehende Wohnstätte Brahms bewerben würde). Falls jemand mehr darüber weiß, bitte die Info hier ergänzen oder dem Admin Alfred per Leserpost zukommen lassen.


    Der Ort war jedenfalls ideal um Kontakte aufzubauen, man würde es heute „Netzwerken“ nennen, etwas dass Brahms sein ganzes Leben lang gut konnte. Er hatte hier nicht nur regen Austausch mit der Familie Schumann (dass Brahms sich in Clara verliebte ist eine andere Geschichte die hier thematisch den Rahmen sprengen würde), sondern kam u.a. auch mit Franz Liszt, Hector Berlioz, später auch mit dem Ehepaar Grieg in Kontakt. 1853 wurde zunächst in kleinem Kreise die Sonate C-Dur op.1 und das Scherzo es-moll op. 4 uraufgeführt.


    Sein erster großer Auftritt 1859 war jedoch eine herbe Enttäuschung für alle Beteiligten. Ob daran auch die hohe Erwartungshaltung aufgrund Schumanns Huldigungsschrift verantwortlich war?


    Es ist traurig, aber wahr, daß die im Verlaufe der diesjährigen Saison im Gewandhause vorgeführten neuen Compositionen wenig oder gar kein Glück gemacht haben; überhaupt erinnern wir uns nicht, je so viele und totale Componisten-Niederlagen erlebt zu haben, wie in dem bisherigen Abschnitt unsrer heurigen Concerte. [...] Das gegenwärtige vierzehnte Gewandhausconcert war nun wieder ein solches, in dem eine neue Composition zu Grabe getragen wurde – das Concert des Herrn Johannes Brahms. Es ist aber auch in Wahrheit dieses Stück gar nicht danach angethan, daß es irgend eine Befriedigung und einen Genuß gewähren könnte: nimmt man den Ernst des Strebens und die Tüchtigkeit der musikalischen Gesinnung hinweg [...], so bleibt eine Oede und Dürre, die wahrhaft trostlos ist. Die Erfindung hat auch an keiner einzigen Stelle etwas Fesselndes und Wohlthuendes; die Gedanken schleichen entweder matt und siechhaft dahin, oder sie bäumen sich in fieberkranker Aufgeregtheit in die Höhe, um desto erschöpfter zusammenzubrechen; ungesund mit einem Worte ist das ganze Empfinden und Erfinden in dem Stücke. Geben nun diese blassen und schemenhaften, nur hin und wieder von hectischer Röthe angehauchten Gedanken an sich schon einen traurigen Anblick, so wird die Sache noch trübseliger durch die Art und Weise, wie sie verarbeitet und verwendet werden. [...] Und dieses Würgen und Wühlen, dieses Zerren und Ziehen, dieses Zusammenflicken und wieder Auseinanderreißen von Phrasen und Floskeln muß man über Dreiviertelstunde lang ertragen! Diese ungegohrne Masse muß man in sich aufnehmen und muß dabei noch ein Dessert von den schreiendsten Dissonanzen und mißlautendsten Klängen überhaupt verschlucken! Mit vollstem Bewußtsein hat überdies auch Herr Brahms die Prinzipalstimme in seinem Concert so uninteressant wie möglich gemacht; (Kritik aus „Signale für die musikalische Welt“)


    Das im Leipziger Gewandhaus am 27. Jänner 1859 aufgeführte 1. Klavierkonzert in d-moll geriet zum Fiasko. Brahms berichtet an seinen Freund Joseph Joachim: „Zum Schluss versuchten drei Hände, langsam ineinander zu fallen, worauf aber von allein Seiten ein ganz klares Zischen solche Demonstrationen verbot“ Zudem war er mit dem Geschäftsgebaren bei Breitkopf & Härtel nicht zufrieden. Zwar gab er in den nächsten Jahren noch gelegentlich kleinere Konzerte im 1843 gegründeten Konservatorium, wie etwa ein gemeinsames Konzert mit Clara Schumann am 30. November 1860, oder die Uraufführung des Klavierquintetts f-moll op. 34 am 22. Juni 1866, doch ansonsten versuchte er bis zum Jahr 1874 Leipzig bestmöglich zu meiden. Durch eine sehr gute Aufnahme seines Deutschen Requiems 1873 in der Thomaskirche, ließ er sich wieder nach Leipzig locken um sich dort wieder öfters blicken zu lassen und Konzerte zu geben. Diesmal konnte er auch das Leipziger Publikum überzeugen. Es wurden seine ersten beiden Sinfonien und die Uraufführung des Violinkonzerts 1879 sehr gut aufgenommen.


    In diesem Jahr starb auch der Thomaskantor Ernst Friedrich Richter. Der mittlerweile berühmte und sehr geschätzte Komponist kam dem Bürgermeister Otto Georgi sofort als Nachfolger in den Sinn. Brahms wollte sich zunächst nicht festlegen, als es jedoch den Anschein hatte dass Georgi Brahms selbst gestreute Witze über Besuche in zwielichtigen Etablissments ernst nahm, fühlte sich der Komponist auf den Schlips getreten „Nicht gelacht habe ich über die Frage des Bürgermeisters wegen meines Lebenswandels“ Es dauerte auch nicht lange, dass Brahms offiziell absagte und Georgi den Thomasorganisten Wilhelm Rust empfahl. Dieser Empfehlung kam der Bürgermeister auch nach.


    Es kam auch zu einer Begegnung mit Tschaikowsky im Hause des Violinisten Brodsky. Tschaikowsky reiste am 31. Dezember 1887 aufgrund einer größeren Europa-Konzerttournee nach Leipzig um dort am 5. Jänner 1888 ein Konzert im zweiten Leipziger Gewandhaus zu geben. Adolph Brodsky hatte Tschaikwoskys Violinkonzert in Wien 1881 uraufgeführt. In seinem Konzerttagebuch berichtet Tschaikowsky


    Als ich um ein Uhr zu Brodsky zum Abendessen ging, hörte ich Klavier-, Violin- und Celloklänge. Sie probten für die Aufführung von Brahms‘ neuem Pianofortetrio [op. 100] am nächsten Tag, und der Komponist selbst saß am Klavier. So sah ich den berühmten deutschen Musiker zum ersten Mal. Brahms ist ein eher kleiner Mann, strahlt eine gewisse Fülle aus und hat ein sehr sympathisches Aussehen. Sein schöner Kopf, fast der eines alten Mannes, erinnert an den Typ eines gutaussehenden, gütigen älteren russischen Priesters. .  . Eine gewisse Weichheit der Konturen, angenehme Kurven, ziemlich langes und leicht ergrautes Haar, freundliche graue Augen und ein dichter, locker mit Weiß gesprenkelter Bart — all das erinnerte sofort an den Typ des reinrassigen Großrussen, den man unter unseren Geistlichen so häufig antrifft. .  . Brahms’ Art ist sehr einfach, frei von Eitelkeit, sein Humor heiter, und die wenigen Stunden, die ich in seiner Gesellschaft verbrachte, hinterließen mir eine sehr angenehme Erinnerung.


    Leider musste ich gestehen, dass ich trotz eines etwas längeren Aufenthalts unter ihnen in Leipzig mit den bedeutendsten Vertretern der modernen deutschen Musik nicht sehr gut zurechtkam. Der Grund: Wie alle meine russischen Musikerfreunde ohne Ausnahme respektierte ich Brahms nur als einen ehrenhaften, energischen Musiker mit starken Überzeugungen; aber trotz aller gegenteiligen Bemühungen konnte und kann ich seine Musik nie bewundern … Es gibt etwas Trockenes, Kaltes, Vages und Nebulöses in der Musik dieses Meisters, das russische Herzen abstößt. Aus unserer russischen Sicht besitzt Brahms keine melodische Erfindungsgabe. Seine musikalischen Ideen kommen nie auf den Punkt; kaum haben wir eine Anspielung auf eine greifbare melodische Phrase gehört, verschwindet sie … als ob es das besondere Ziel des Komponisten gewesen wäre, unverständlich und dunkel zu sein. So erregt und irritiert er sozusagen unsere musikalische Wahrnehmung, ist aber nicht bereit, ihren Ansprüchen gerecht zu werden; er scheint sich, um es deutlich zu sagen, zu schämen, klar zu sprechen und das Herz zu erreichen. . . .


    Es ist unmöglich, beim Anhören von Brahms‘ Musik zu sagen, sie sei schwach oder unauffällig. Sein Stil ist immer erhaben. Anders als alle unsere zeitgenössischen Musiker greift er nie auf rein äußerliche Effekte zurück; er versucht nie, uns mit einer neuen und brillanten Orchesterkombination zu überraschen, noch begegnen wir in seiner Musik irgendetwas Trivialem oder direkt Nachahmendem. Es ist alles sehr ernst, sehr vornehm, anscheinend sogar originell, aber trotz alledem fehlt das Wichtigste – Schönheit!


    Er berichtet darüber hinaus, dass ihn diese Empfindung auch abhielt mit Brahms warm zu werden und sich sogar als Fremder in Brodskys Haus fühlte, da er den Enthusiasmus der anderen Anwesenden nicht teilen konnte. Brahms schien das auch zu spüren und verhielt sich gegenüber Tschaikowsky ebenso mit zurückhaltender Höflichkeit. Grieg war an diesem Tage auch zu Gast und mußte sich angebilch zwischen den zwei anderen Komponisten setzen um als eine Art Puffer die Spannungen abzufedern.


    Brodskys Haus befand sich in der damaligen Kaiser-Wilhelm-Straße 21 (heute August-Bebel-Straße)


    Foto aus dem Jahr 1908


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    Bildquelle: Technologienpsychologie


    Im Hotel Hauffe an der Roßstraße 2/4 wohnte damals Tschaikowsky


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    Bildquelle: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig


    Als Brahms 1895 das letzte Mal nach Leipzig kam dirigierte er im Gewandhaus am 31. Jänner sein 1. und 2. Klavierkonzert (Pianist: Eugen d’Albert)


    Und Sie wissen ja, wie ich in demselben Leipzig mit demselben d-moll-Konzert anno dazumal durchgefallen bin. Ja, da haben sie mich ebenso niedergezischt, wie sie mich jetzt beklatscht haben. Dafür aber versicherte mir Joachim, daß seit Beethoven kein ähnliches Werk geschrieben worden sei, und ich gab mich zufrieden damit (Brahms im Gespräch mit Kalbeck)

    GUSTAV MAHLER (1860 - 1911)



    Als Mahler im Sommer 1886 26jährig von Prag nach Leipzig kam war er noch nicht auf der höchsten Sprosse seiner Karriereleiter angekommen. Er musste sich dort mit der Stelle als zweiter Kapellmeister am Leipziger Stadttheater zufrieden geben und sich seinem Vorgesetzten Arthur Nikisch unterordnen.


    Ich kann mich nach der absolut dominierenden Stellung in Prag nicht mehr drein finden, als blasser Mond hier das Gestirn Nikisch zu umkreisen. […]Mit seiner Person habe ich nie etwas zu tun; er ist kalt und verschlossen gegen mich – ob aus Eigenliebe oder aus Misstrauen – was weiß ich! Genug, wir gehen aneinander wortlos vorüber!


    Dabei wollte Mahler sogar an der für ihn vorteilhafteren Stelle in Prag bleiben. Doch ein längst unterschriebener Vertrag ließ ihm keine andere Wahl, da der Leipziger Direktor Max Staegemann auf dessen Erfüllung bestand


    Aus einer Dummheit falle ich in eine andere. So habe ich mir in dieser kurzen Pause ein Süppchen eingebrockt, an dem ich wieder eine Zeitlang zu essen haben werde (Brief an Friedrich Lohr, Prag 1886)


    Dabei bezog er sich auch auf eine kurze Affäre zur Sängerin Betty Frank.


    Aus einem anfänglich schlechten Verhältnis entwickelte sich mit der Zeit zwar keine Freundschaft, aber zumindest eine gegenseitige Akzeptanz der zwei Alphamännchen und Konkurrenten. Doch diese hatte er immer weniger bei den Orchestermusikern. Durch seine Strenge und Ungeduld (welche immer wieder auf seinen verschiedenen Lebensstationen bekritelt wurden) kamen zunehmende Spannungen auf.


    Dennoch konnte Mahler auch in dieser Zeit Erfolge feiern. Mahlers Ergänzung der Oper „Die drei Pintos“ von Carl Maria von Weber wurde bei der Premiere am 20. Jänner 1888 enthusiastisch gefeiert. Er komponierte in der Leipziger Zeit auch die erste Sinfonie. Nachdem er sich erfolgreich an der Budapester Oper als Operndirektor beworben hatte, bat Mahler Staegemann um Entlassung welcher dieser auch zustimmte.


    Als Mahler im Juli 1886 nach Leipzig kam bezog er zunächst eine Wohnung im 2. Stock der Gottschedstraße 4 (heute Nr. 25)


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    Bildquelle: Leipzig-Lese, Archiv U.u.H. Drechsel


    Am 1. Februar 1887 zog er dann in die Stadtvilla Gustav-Adolf-Straße 12


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    Bildquelle: Wikimedia


    Hier wohnte er als Untermieter bei den Kaufleuten Weil. Angeblich konnte er sich ungezwungen im ganzen Haus bewegen. Es kam in dieser Zeit ebenso zu einer kurzen Freundschaft mit Doris, der Tochter des Ehepaars Weil. Mai 1888 verließ Mahler Leipzig um nach Budapest zu gehen. Immerhin war es dann auch Arthur Nikisch der nach dem Tod Mahlers die Iniatitive übernahm ein Werk in das Programm aufzunehmen und er selbst dirigierte dann auch am 2. November 1911, etwa ein halbes Jahr nach Mahlers Tod, seine 2. Sinfonie im Gewandhaus zu Leipzig.

    ROBERT (1810 - 1856) UND CLARA SCHUMANN (1819 - 1896)


    Noch fremdbestimmt durch Vormund Gottlob Rudel (welcher das Erbe seines Vaters verwaltete) und seiner Mutter Johanne Christiane, inskribierte der 17jährige Robert Schumann gegen seinen Wunsch am 29. März 1828 am „Juridicum“ der Leipziger Universität (Schloßgasse)


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    Bildquelle: Wikimedia


    Seine Studenten-WG, welche er gemeinsam mit seinem Zwickauer Freund Emil Flechsig teilte, bezog er am 15. Mai 1828 und wohnte in der ersten Etage von Haus Nr. 454 in der Straße „Brühl“. Die selbe Straße in der 15 Jahre zuvor bei Haus Nr.3 Richard Wagner geboren wurde. Was der Vormund und die Mutter hier noch nicht ahnten: In Briefen gab er zwar vor regelmäßig die „Kollegien“ zu besuchen, doch insgeheim verfolgte Schumann ganz andere Pläne. Er begann bei Friedrich Wieck Klavierunterricht zu nehmen. Seine Tochter Clara galt zu dieser Zeit schon als pianistisches Wunderkind. Doch noch gab es keine klare Linie in seinem Leben. Auch den Unterricht bei Wieck kam Schumann zunehmends weniger nach, studierte dann wieder ab Mai 1829 ernsthafter Rechtwissenschaften an der Karls-Universität in Heidelberg für drei Semester. Es sieht nach einer Lebensfindungsphase aus, denn es folgten darauf Reiseaufenthalte in Italien und Frankfurt am Main.


    Erst 1830 kam es zu einer Entscheidung für die Musik.


    In Leipzig hab’ ich unbekümmert um einen Lebensplan so hingelebt, ... hier hab’ ich mehr gearbeitet, aber dort und hier immer innig und inniger an der Kunst gehangen. – Jetzt stehe ich am Kreuzwege und erschrecke bei der Frage: Wohin? – Folg’ ich meinem Genius, so weist er mich zur Kunst, und ich glaube, zum rechten Weg (Heidelberg, 30. Juli 1830)


    Dazu musste Friedrich Wieck der Mutter Schumanns versprechen aus Robert einen großartigen Klavierspieler zu formen. Schumann zog somit in das Haus der Wiecks ein, der „Selliers Hof“, heutige Reichsstraße / Ecke Grimmaische Straße.


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    Bildquelle: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig


    heutiger Zustand:


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    Bildquelle: Stefan Lang, Stimmungen.de


    Robert Schumann blieb hier nur etwa ein Jahr als Untermieter, da es zu Reibungen zwischen ihm und seinem Lehrer kam. Er zog hier zunächst in ein ebenso heute nicht mehr existierendes Gebäude in Rudolphs Garten (heutige Lage zwischen Rudlophsstraße und Bundesverwaltungsgericht). Schon zwischen 1828 und 1830 erwähnte er in Briefen mehrmals Probleme mit dem rechten Arm, welche sich schließlich zu chronischen Beschwerden und zunehmenden Lähmungserscheinungen entwickelten. Schumann bestritt jedenfalls Friedrich Wiecks Vermutungen, dass dies durch ein mechanisches Übungsgerät hervorgerufen sei. Seine Tochter Eugenie bekräftigte einst Wiecks Theorie, während Clara angab nichts von all dem zu wissen. Wahrscheinlicher ist, dass er an einer sogenannten fokalen Dystonie litt, welche von jahrelang geübten Bewegungsabläufen herrühren kann. Dies soll bei etwa 1-2 % aller professionellen Musiker zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr auftreten.


    Herbst 1833 folgte die nächste Studenten-WG, zusammen mit einem Jurastudenten im vierten Stock der Burgstraße 21 (auf dem 1. Bild linkes Gebäude). Aufgrund eines Etagenwechsels wegen Höhenangst in den 1. Stock, teilte er sich die Wohnung mit dem Pianisten und Komponisten Ludwig Schuncke, welcher dann auch zusammen mit Friedrich Wieck an der 1834 neu gegründeten „Neue Zeitschrift für Musik“ mitarbeitete.


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    Bildquelle: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig


    heutiger Zustand


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    Bildquelle: Research Uni Leipzig


    Ab dieser Zeit organisierte Robert Schumann auch regelmäßige Treffen seines selbst gegründeten Geheimbundes „Davidsbündler“, welche im Leipziger Lokal „Zum Arabischen Coffe Baum“ stattfanden. Da man allein über dieses Thema ausführlicher schreiben könnte (und somit einen eigenen Thread verdient hätte falls es den nicht schon gibt), soll nur nebenbei die Kuriosität erwähnt werden, dass er an diesen Veranstaltungen auch Personen mit einbezog die nie teilnahmen und ihnen obendrein Fantasienahmen gab. Leider waren diese aber weniger witzig wie die Spitznamen mit denen einst Mozart seine Mitmenschen zwangsbeglückt hatte.


    Angeblich sollen hier im Laufe der Geschichte auch einige andere Künstler zu Gast gewesen sein, wie etwa Telemann, J.S. Bach, Goethe, E. T. A. Hoffmann, Liszt, Wagner, Grieg, Mahler,…


    Ein Foto von 1924


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    Bildquelle: Wikimedia


    heutiger Zustand, Standort Kleine Fleischergasse 4


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    Bildquelle: Wikimedia


    Es kam von 1831 bis 1833 zu weiteren Dramen wie etwa zwei Liebesbeziehungen, wobei es eindeutige Indizien dafür gibt, dass es bei einer von diesen zu einer ungewollten Schwangerschaft kam. Daraus enstand auch eine erste psychische Krise und Verlobung mit Ernestine von Fricken, die aber von Schumann wieder gelöst wurde, nachdem sich rausstellte dass Ernestine nicht die leibliche Tochter des Barons und somit nicht erbberichtigt war. Ein paar Jahre darauf gesteht er seine Liebe zu der gebürtigen Leipzigerin Clara Wieck mit offensichtlich auch teils verklärenden Worten.


    Also vom Jahre 1830 an, Du warst damals ein kleines eignes Mädchen mit einem Trotzkopf, einem Paar schöner Augen, und Kirschen waren Dein höchstes. Sonst hatte ich niemanden als meine Rosalie. Ein paar Jahre vergingen. Schon damals um 1833 fing sich ein Trübsinn einzustellen an, von dem ich mich wohl hütete, Rechenschaft abzulegen; es waren die Täuschungen, die jeder Künstler an sich erfährt, wenn nicht alles so schnell geht, wie er sich's träumte. Anerkennung fand ich nur wenig; dazu kam der Verlust meiner rechten Hand zum Spielen. Zwischen allen diesen dunkeln Gedanken und Bildern hüpfte mir nun und allein Deines entgegen; Du bist es, ohne es zu wollen und zu wissen, die mich so gar eigentlich schon seit langen Jahren von allem Umgang mit weiblichen Wesen abgehalten.(Schumann an Clara Wieck, Leizpig 11. Februar 1837)


    In dieser Zeit der neu aufkeimenden Liebe wohnte Schumann von 1836 - 1840 im sogenannten „Roten Kolleg“ (heutige Lage zwischen Ritterstraße und Goethestraße)


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    Bildquelle: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig


    Er wohnte hier in einer Zweizimmer-Wohnung im ersten Stock. Das Gebäude wurde schon 1904 abgerissen. Clara wohnte damals in der Nikolaistraße.


    Als die Liebenden heiraten wollten kam es zur bekannten Auseinandersetzung mit Friedrich Wieck. Dieser sah eine zukünftige Pianistenkarriere Claras durch seinen mittlerweile in Ungnade gefallenen ehemaligen Klavierschüler gefährdet. Die Fronten verhärteten sich und schließlich wollte das heiratswillige Paar die Ehe vor Gericht durchsetzen, was dann auch gelang.


    Die beiden zogen 1840 in das heute noch erhaltene Gebäude Inselstraße 5 (heute Nr. 18).


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    Bildquelle: Wikimedia


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    Bildquelle: Stefan Lang, Stimmungen.de


    Heute befindet sich darin das Schumann-Museum inklusive kleinem Konzertsaal


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    Bildquelle: Wikimedia


    Friedrich Wiecks Sorgen waren nicht ganz unbegründet, denn Robert versuchte zunächst Clara in die Rolle der Hausfrau am Herd zu drängen, wollte sie aber dennoch zu Eigenkompositionen animieren. Es ging ihm in erster Linie darum, dass sie keine Konzerte mehr aufführen sollte. Musikalisch sah er sie durchaus auf Augenhöhe und lag großen Wert auf ihre Kritiken. Langsam schien sich auch die Lage mit dem Schwiegervater zu entspannen. Durch Geldsorgen kam es 1844 doch noch zu einer Konzerttournee von Clara Schumann, wobei beim Konzertpublikum das Paar teilweise in der Zusammensetzung „bekannte Pianistin mit begleitendem Gatten“ betrachtet wurde.


    Als Mendelssohn seine Anstellung als Kapellmeister und preußischer Generalmusikdirektor in Berlin antrat, spekulierte Schumann mit der Nachfolge seiner Stelle am Leipziger Gewandhaus. Als es nicht dazu kam, zog dieser enttäuscht am 15. Dezember 1844 mit seiner Familie nach Dresden und kehrte Leipzig bis zu seinem Lebensende 1856 den Rücken.


    In der Leipziger Zeit entstanden zahlreiche Werke von Robert Schumann, um hier nur eine kleine Auswahl zu nennen: Klavierkonzert a-moll op. 54, Sinfonie B-Dur „Frühlingssinfonie“, Sinfonie d-moll, Dichterliebe op. 48, Liederkreis op. 39, Kreisleriana op. 16, Davidsbündlertänze op. 6, drei Streichquartette op. 41, Klavierquintett op. 44, Klavierquartett op. 47, Das Paradies und die Peri,…


    Nicht zu vergessen sein Verdienst, in dieser Zeit bei seinem Wienbesuch (3. Oktober 1838 bis 5. April 1839) die Partitur von Franz Schuberts C-Dur Sinfonie D 944 bei seinem Bruder Ferdinand entdeckt zu haben. Dieser übergab sie Mendelssohn welcher das Werk in Leipzig am 31. März 1839 uraufgeführt hat.


    Clara Schumann komponierte in der Leipziger Zeit u.a. das Klavierkonzert a-moll op. 7, Sechs Lieder mit Begleitung des Pianoforte op. 13, oder Quatre Pièces fugitives für Klavier op. 15.

    FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY (1809 - 1847)



    Mendelssohns Leipziger Zeiten unterscheidet man zwischen dem ersten (1835 – 1841) und zweiten Aufenthalt, welcher zugleich auch seine letzten zwei Lebensjahre mit sich brachte (1845 – 1847). Unterbrochen wurde diese Zeit durch eine Anstellung als Kapellmeister und preußischer Generalmusikdirektor in Berlin beim preußischen König Friedrich Wilhelm IV., eine Reise nach England, sowie ein Aufenthalt in Frankfurt.


    Er stieg schon vor seiner ersten Anstellung in Leipzig zu einem sehr gefragten Künstler auf, ähnlich einem heutzutage erfolgreichen Fußballtrainer der von Spitzenvereinen umworben wird, lockte ihn Leipzig mit einem nahezu unwiderstehlichen Angebot vom Amt des Generamusikdirektors in Düsseldorf weg. Die Leitung der Gewandhauskonzerte war schließlich in musikalischer Hinsicht eine der renomiertesten Stellen in der deutschsprachigen Region.


    Am 4. Oktober 1835 dirigierte Mendelssohn sein erstes Konzert.


    Der Abend des Sonntags war wirklich curios, wo ich ihm mein Oratorium vorspielen mußte, während neugierige Leipziger sich verstohlen hereindrückten, um Chopin gesehen zu haben, und wie er zwischen dem ersten und zweiten Theile seine neuen Etüden und ein neues Concert den erstaunten Leipzigern vorras’te, und ich dann wieder in meinem Paulus fortfuhr, als ob ein Irokese und ein Kaffer zusammenkämen und conversirten […]Es war aber auch eine Aufmerksamkeit und Spannung im ganzen Orchester, wie ich sie nie größer gesehen, sie paßten auf wie Schießvögel, hätte Zelter gesagt. Nach dem Concert empfing und machte ich auf dem Orchester eine Masse Gratulationen, erst das Orchester, dann die Thomaner (welche Prachtjungen sind, und so pünctlich eintreten und loslegen, daß ich ihnen einen Orden versprochen habe) (Leipzig, 06. Oktober 1835)


    Von 1835 - 1837 wohnte er im ersten Stock von „Reichels Vorderhaus“, dass sich an der Stelle der heutigen Adresse Martin-Luther-Ring 13 befand.


    Ein Foto aus dem Jahr 1910, vier Jahre vor der endgültigen Demolierung


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    Bildquelle: Wikimedia


    heutiger Nachfolgebau „Lipanum“:


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    Bildquelle: Wikimedia


    In dieser Zeit dirigierte er nicht nur zahlreiche Konzerte sondern schrieb auch u.a. an einem Teil der Lieder ohne Worte (Heft 3, op. 38; Heft 7, op. 85) 6 Präludien und Fugen op. 35, oder 3 Präludien (Heft 1, op. 104) und erhielt am 20. März 1836 die Ehrendoktorwürde in Philosophie.


    Von 1837 - 1841 wohnte er in einem Wohngebäude des „Lurgensteins Garten“ (Bereich westlich vom Dittrichring Richtung Zentralstraße)


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    Bildquelle: Wikimedia


    Es wird Dir genügen wenn ich Dir erzähle, daß ich mit meiner Cécile seit 8 Tagen endlich in unsrer neuen, eignen Wohnung eingezogen bin, daß wir uns unser ganzes Hauswesen behaglich und nett eingerichtet haben, daß inzwischen schon 8 AbonnementConcerte und der Messias in der Kirche aufgeführt sind, daß ich mancherlei Arbeiten im Kopf und einige auf dem Papier habe, daß also meine Beschäftigungen immer dieselben die Unruhe manchmal größer ist, während mich das alles gar nicht mehr verwirrt oder beunruhigt, eben weil ich zu Hause ruhig und glücklich bin. (Leipzig, 12. Dec. 1837)


    Dieser Garten wurde samt seinen darin befindlichen Gebäuden nahezu vollständig während des zweiten Weltkriegs zerstört, so dass bei nachfolgender Überbauung heute kaum mehr etwas daran erinnert. In dieser Zeit komponierte er u.a. die „Variations sérieuses“ op. 54, Lieder ohne Worte Heft 4, op. 53, drei Streichquartette op.44, Klaviertrio d-moll op. 49, Cellosonate B-Dur op.45, „Ruy Blas“ op. 95, 42. Psalm „Wie der Hirsch schreit“ op. 42, das Klavierkonzert Nr. 2 d-moll op. 40, sowie Teile des Violinkonzerts e-moll op. 64.


    Auf Mendelssohns Iniatitive geht auch die Gründung der ersten Musikhochschule Deutschlands zurück, welche am 2. April 1843 eröffnet wurde. Diese trägt heute den Namen Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig und befindet sich an der Grassistraße 8.


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    Bildquelle: Wikimedia


    Hier lehrte auch Ignaz Moscheles (manchen durch Beethoven bekannt) und kurrzeitig Robert Schumann.


    Mendelssohns Sterbewohnung, welcher er somit von 1845 - 1847 bewohnte, war zu seinen Zeiten auf Königstraße 5 adressiert. Heute ist es der einzige erhaltene Bau seiner Leipziger Wohnstätten und bei der mittlerweile neuen Adresse Goldschmidtstraße 12 zu finden.


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    Bildquelle: Wikimedia


    Glücklicherweise behebergt das Gebäude seit 1997 auch ein Museum, in welchem man in der einstigen Wohnung des Komponisten sogar originales Mobiliar anfinden kann (und wer schon manch andere Originalstätten anderer Komponisten besucht hat weiß, dass das alles andere als selbstverständlich ist)


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    Bildquelle: Wikimedia


    In diesem Arbeitszimmer arbeitete Mendelssohn u.a. an „Elias“ op. 70, „Festgesang an die Künstler“ op. 68, oder an dem Streichquartett f-moll op. 80.


    Als er nach der Rückkehr seiner letzten England Reise am 14. Mai 1847 vom Tod seiner Schwester Fanny erfuhr schockte ihn dies so sehr, dass er in eine tiefe Krise verfiel. Er zog sich in die Schweiz zurück. Seine Freundin und Mezzosopranistin Elise Polko schreibt in ihren Erinnerungen:


    Schon in Interlaken zog er sich zurück, fremde Menschen waren ihm unterträglich. die Rückkehr nach Leipzig – Mitte September – regte ihn über alle Maßen auf: „Die Leipziger Luft drückt mich! Es ist so eng überall!“


    Mendelssohn war ab da nicht mehr der Gleiche wie früher, bekam auch zeitweise beunruhigende körperliche Zustände. Doch er fühlte sich noch knapp vor seinem Tod seinen vergangenen Vereinbarungen verpflichtet. Wohl auch in der Hoffnung einer baldigen Besserung. So wollte er ein geplantes Musikfest in Wien bei dem er den Elias dirigieren wollte, verschieben lassen, wie man im Brief vom 25. Oktober 1847 an seinen Bruder Paul erfährt


    In keinem Falle könnte ich vor Ablauf von acht Tagen an Reisen denken […] Kann ich nämlich nicht nach Wien, so muß ich aus denselben Gründen, die mich von dort abhalten, auch wenigstens noch vierzehn Tage bis drei Wochen hier bleiben und die Aufführung in Berlin bis spätestens Ende November verschieben, und gehe ich noch nach Wien, so muß das ohnehin sein


    Ende des Monats verschlechterte sich jedoch sein Zustand und der damals diagnostizierte „Nervenschlag“ führte dann schließlich auch am 4. November zum Tod.


    Viele (auch neuere) Biographien und Internetseiten geben als Todesursache „Schlaganfall“ an. In „Kerners Krankheiten großer Musiker“ wird das jedoch angezweifelt, denn für Otte & Wink erscheint der damalige Begriff „Nervenschlag“ sehr verschwommen. Spätere Untersuchen wie etwa von Cherington et al. (1999) oder Schmideler et al. (2006) haben unter Berücksichtigung aller Daten und heutiger neurolgisch-psychiatrischer Expertise als wahrscheinlichste Ursache eine „Subarachnoidalblutung“ identifiziert. Dies könne man heutzutage durch eine Computertomografie des Kopfes feststellen. Dabei wären neurochirurgische Operationen oder radiologisch-interventionelle Behandlungen die Maßnahmen unserer heutigen Zeit.


    Sein Grab befindet sich jedoch nicht in Leipzig sondern bei der Familiengrabstätte im Dreifaltigkeitsfriedhof in Berlin-Kreuzberg.

    JOHANN SEBASTIAN BACH (1685 - 1750)


    Kantorenwohnung, Thomasschule, Thomaskirchhof


    Als Bach am 22. Mai 1723 als 38jähriger Mann seine neue Wohnung in Leipzig bezog, hatte er schon mehrere berufliche Stationen hinter sich und sich überregional einen guten Ruf erarbeitet. Die Hamburger Zeitung schrieb:


    Leipzig, 29. Mai. Am vergangenen Sonnabend [22. Mai] zu Mittage kamen 4. Wagen mit Haus-Rath beladen von Göthen allhier an, so dem gewesenen dasigen Fürstl. Capell-Meister, als nach Leipzig vocirten Cantori Figurali, zugehöreten; Um 2 Uhr kam er selbst nebst seiner Familie auf 2 Kutschen an, und bezog die in der Thomas-Schule neu renovierte Wohnung


    Zuvorgegangen ist aber eine andere Geschichte, welche Bach erst diese Stelle ermöglichte. Nach einem Probespiel 1722 entschied man sich nämlich für Georg Philipp Telemann. Doch Glück für Bach, dass Telemann zum einen eine Gehaltserhöung bei seiner bisherigen Stelle in Hamburg bekam und diese beiden Komponisten zudem eine Freundschaft verband. Somit empfahl Telemann den gebürtigen Eisenacher für diese Position.


    Sein Amt als Kantor der Thomasschule und Musikdirektor der vier Stadtkirchen (St.Thomas, St. Nikolai, Peterskirche und Neue Kirche) trat er am 30. Mai 1723 in der Nikolaikirche an. Es war seine letzte und wohl wichtigste Station: 27 Jahre lang blieb er dort bis zu seinem Tod. Man erwartete von ihm nicht nur die üblichen Kantoren-Pflichten (wozu nicht nur das musikalische Betätigungsfeld sondern auch Lateinunterricht gehörte), sondern auch Reformen des Leipziger Musiklebens.


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    Bildquelle: Wikimedia


    Man nimmt an, dass Bach auch während einer Erweiterung des Schulhauses von Juni 1731 bis April 1732 als Untermieter des Juristen Dr. Christoph Donndorf in der Hainstraße 17 wohnte. Nach diesem Umbau sollen der Familie Bach etwa 250 m2 Wohnfläche zur Verfügung gestanden haben. 1902 wurde die Thomasschule demoliert und stattdessen die Superintendentur erbaut.


    Der Nachfolgebau:


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    Bildquelle: Pinterest, fotothek.slub-dresden.de


    Das einst an der Ecke Katharinenstraße 14/Böttchergässchen befindliche Zimmermannsche Kaffeehaus, in dem nicht nur Kaffee sondern auch alkoholische Getränke ausgeschenkt wurden, war ein belieber Ort an dem Bach musizierte. Er führte hier mit dem Collegium Musicum weltliche Kantaten und Instrumentalkompositionen auf. Im Dezember 1943 wurde das Gebäude durch Luftangriffe zerstört.


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    Bildquelle: jsbach, Bach-Archiv Leipzig


    Erhalten geblieben ist hingegen das Bosehaus welches an der Adresse Thomaskirchhof 16 zu finden ist. In diesem hat Bach nicht nur Musik gemacht, sondern das Gebäude beherbergt heute auch das Bach-Archiv und Bachmuseum. Es bestand sehr wahrscheinlich eine Freundschaft zwischen dem Hauseigentümer Georg Heinrich Bose und Johann Sebastian Bach.


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    Bildquelle: Wikimedia


    Bach widmete sich in dieser Zeit vermehrt den geistlichen Vokalwerken. Er schuf hier u.a. die Johannespassion, Matthäuspassion, das Weihnachts-, Himmelfahrts- und das Osteroratorium, die Lutherischen Messen, sowie h-Moll-Messe. Zudem schrieb er auch an Instrumentalwerken wie etwa das Wohltemperierte Klavier II oder die Cembalokonzerte BWV 1052-1059. Letzere wurden im bereits erwähnten „Zimmermannischen Caffee-Hauß“ aufgeführt.


    ….so fügte es Gott, daß zu hiesigem Directore Musices u. Cantore an der Thomas Schule vociret wurde. Ob es mir nun zwar anfänglich gar nicht anständig seyn wolte, aus einem Capellmeister ein Cantor zu werden, weßwegen auch meine resolution auf ein vierthel Jahr trainirete, jedoch wurde mir diese station dermaßen favorable beschrieben, daß endlich (zumahln da meine Söhne denen studiis zu incliniren schienen) es in des Höchsten Nahmen wagete, u. mich nacher Leipzig begabe, meine Probe ablegete, u. so dann die mutation vornahme. (Leipzig, den 28. Octobr. 1730)


    Bach wurde nach seinem Tod auf dem Leipziger Johannisfriedhof begraben. Fast 150 Jahre lang schien man sich auch nicht mehr sonderlich um einen Grabstein zu kümmern, was sicher auch auf die damalige schnelllebige Musiksszene des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts zurückzuführen ist (anders als heute verlangte man viel mehr nach neuen, dem Zeitgeist entsprechenden Kompositionen und verstorbene Komponisten konnten schnell in Vergessenheit geraten) Schlimmer noch erging es beispielsweise Vivaldi, beide vereint dennoch gegen Ende ihres Lebens außer Mode gekommen zu sein. 1894 entdeckte man beim Umbau der Johanniskirche und dem angrenzenden Friedhof einen Eichensarg, welcher zwar nicht beschriftet war, doch man nahm aufgrund bestimmter Indizien an, dass es sich um Bach handeln müsse. Beinahe wären aber diese Überreste doch noch auf einer Schuttdeponie entsorgt worden, als man nämlich nach dem Luftangriff am 4. Dezember 1943 schon u.a. den betreffenden Sarg abholen ließ und nur zufällig durch einen Bauarbeiter gerettet wurde. Den Kuriositäten kein Ende: Bachs Grab musste sogar zweitweise von der Polizei und Gemeindemitgliedern bewacht werden, da ein Streit über die Grabstätte entbrannte. Noch heute gibt es Zweifel um die Echtheit der Gebeine.


    Heute befindet sich das mutmaßliche Grab in der Thomaskirche


    Grave_of_Johann_Sebastian_Bach_Leipzig_03.JPG


    Bildquelle: Wikimedia

    Leipzig war neben Wien zweifellos die wichtigste Musikstadt der vergangenen Jahrhunderte im deutschsprachigen Raum. Das ist nicht nur durch die Prägung bedeutender Musiker entstanden, sondern wurde auch durch wichtige Institutionen gefestigt. Mit Breitkopf & Härtel, sowie später auch C. F. Peters gab es zwei überregional bedeutende Musikverlage, bei denen alles was zu dieser Zeit Rang und Namen in der deutschsprachigen Musikszene hatte, zumindest hin und wieder Werke herausbrachte. 1843 wurde zudem mit dem „Leipziger Konservatorium für Musik“ die erste höhere Musikschule Deutschlands gegründet, welche Zulauf aus verschiedensten Ländern bekam.


    Das erste Verlagsgebäude „Goldener Bär“ von Breitkopf & Härtel, Neumarkt (heute an der Stelle Universitätsstraße 11), welches 1732 von Bernhard Christoph Breitkopf erworben wurde. Foto von 1925


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    Das im 2. Weltkrieg zerstörte Gebäude


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    Bildquellen: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig


    In diesem Thread möchte ich die Leipziger Wohn- und teilweise auch Wirkungsstätten von Bach, Mendelssohn, Schumann, Mahler, Brahms (inkl. Tschaikowsky) und Mozart vorstellen. Das ist natürlich noch nicht vollständig und es fehlen noch etwa Wagner, Reger oder Grieg. Ich werde diese durch Zeitgründe (durch die im Netz verstreuten Infos, Bilder und Briefpassagen hatte ich schon an einem Komponisten mehrere Stunden recherchiert und geschrieben) und persönliche Vorlieben nicht mehr ergänzen, kann aber jeder der es möchte gerne tun (es ist ja kein persönlicher Blog sondern ein Forum)


    Für alle die gerne etwas über die Aufenthalte bestimmter Komponisten in bestimmten Regionen lesen möchte ich meine zwei älteren Beiträge ans Herz legen:


    Die komponierenden Gäste des Traunsees (Brahms, Schubert, Schönberg,...)


    Gustav Mahler - Wiener Wohnungen und Sterbestätte

    Noch ein kleiner Nachtrag, weil ich das in meinem vorherigen Beitrag vergessen habe zu erwähnen. Rosemary Brown selbst hat zumindest in dem Buch (oder in der Reportage die ich über sie gesehen habe) leider keine Stellung dazu bezogen warum sie nur kleinere Werke veröffentlicht hat (ich schreibe bewusst veröffentlicht weil ich es noch offen lassen will ob ihr solche diktiert wurden aber sie diese aus irgendeinem Grund zurückbehielt) Da Sie zum Zeitpunkt als sie das Buch schrieb noch nicht absehen konnte wann dieses "Projekt" (von wem auch immer) beendet sein wird, hat sie nur angedeutet dass noch mehr kommen wird. Heute wissen wir, dass der Hype nicht sehr lange angedauert hat und nichts Größeres mehr kam. Wie hier schon von ChKöhn erwähnt, sind Behauptungen zu wenig um etwas zu beweisen. Wobei es Brown oder diejenigen die hinter dem Projekt standen eigentlich klar gewesen sein sollte und vielleicht auch war, dass es nie um den endgültigen Beweis gehen kann. Diesen hätte es wohl auch nicht mit einem Klavierwerk in Format eines op.106 von Beethoven oder h-moll Sonate von Liszt gegeben, sondern es wäre sowieso nur um den Grad der Glaubwürdigkeit gegangen. Doch diese Glaubwürdigkeit wird natürlich abgeschwächt indem nur kleinere Klavierwerke veröffentlicht werden. Vielleicht findet sich ja noch irgendwo in den Weiten des Internets ein Interview mit Brown in welchem sie darüber gefragt wird. Ich fürchte nämlich dass sie wohl weniger von Leuten die mit Klassik bewandert sind sondern mehrheitlich von der Boulevardpresse befragt wurde (Stichwort Sensationsjournalismus). Da kommen dann natürlich eher so Fragen wie "Spricht Beethoven auch Englisch?" als kritische Fragen zur Qualität der Werke und warum es nie zu einer Veröffentlichung einer Klaviersonate kam.

    Ich habe mir mittlerweile das längst nur noch antiquarisch erhältliche Buch „Musik aus dem Jenseits“ bei einer Bücherbörse besorgt. Glücklicherweise zu einem annehmbaren Preis (um die 10,- Euro) weil im Regelfall werden hier schon Liebhaberpreise aufgerufen. Ich wollte mir einen Eindruck davon machen was Rosemary Brown im Detail dazu schildert, da auch hier im Forum berechtigte Fragen aufgeworfen wurden und diese vielleicht im Buch teilweise erklärt werden können.


    Sie selbst stellt es so dar, als wäre dieses ganze Projekt nie ihr eigener Wille gewesen, sondern eine Art sprituelle Berufung indem Franz Liszt sie aus dem Jenseits heraus kontaktierte und an eine ehemals getroffene Vereinbarung erinnerte. Er soll der Initator dieses Projekts gewesen sein und auch er war es der erst den Kontakt zu anderen bekannten Komponisten ermöglichte. Brown meint, auch wenn es sicher ein Privileg war mit diesen bekannten Komponisten zu arbeiten, war es unterm Strich eher eine Bürde. Nicht nur dass die Übermittlungen sich überwiegend als anstrengend erwiesen, so sei es nicht ihr Naturell sich permanent in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Zudem leidete sie darunter wenn sie teils als Spinnerin, teils als Betrügerin abgestempelt wurde. Angeblich konnte sie zwar von den Auftritten, LP- und Buchveröffentlichungen gut leben aber nicht reich damit werden. Soweit zumindest das was ihre eigene Darstellung anbelangt.


    Nach meinem Eindruck den ich aus einer damals produzierten Reportage gewinnen konnte, habe ich eher das Gefühl dass es sich hier nicht um eine narzisstische Persönlichkeit handelt. Brown wirkt im Interview zurückhaltend, antwortet meist nur knapp und das notwendigste. Ihr Erscheinungsbild ist unprätentiös, bieder und schlicht. Die musikalischen Fähigkeiten sollen begrenzt gewesen sein, was Brown zufolge von Liszt beabsichtigt war, denn bei einem musikalischeren Medium hätte die Gefahr bestanden dass sich die Gedanken der Komponisten mit denen des Mediums durchmischen. Das würde zumindest auch einleuchten.


    Für mich bleibt es auch vor allem aufgrund des hier schon öfter zu Recht aufgeworfenen Kritikpunkts


    Zitat

    Alfred: „unter den überlieferten Werken gibt es KEIN EINZIGES, das ÜBERRAGEND wäre“


    offen. Das bezeugt auch, dass kein einziges dieser Werke in Konzertprogrammen Einzug gefunden hat. Statt Brown etwa neue Klaviersonaten von Beethoven, Schubert oder Liszt veröffentlichte, was sicher zumindest eine viel nachdrücklichere Botschaft gewesen wäre, hat sie ausschließlich kleinere Klavierstücke, vergleichbar mit Schuberts Moments Musicaux oder Beethovens Bagatellen, herausgebracht (und selbst da hinken sie noch etwas hinterher). Das kann, muss aber nicht zwangsläufig eine Widerlegung sein. Theoretisch wäre die Übermittlung für größere Werke zu anstrengend für Brown gewesen, oder die Komponisten wollten mit Absicht ihre besseren Werke zumindest vorerst noch zurückhalten, weil sie fürchteten dass diese dann doch unter dem Namen „Rosemary Brown“ etikettiert werden.


    Zitat

    Alfred „Interessanterweise (und geradezu entlarvend) ist das Fehlen von Werken von Mozart und Bach, sowie Haydn...Hat sie sich mit den Betreffenden nicht vertragen ? Oder wär hier eine Stilkopie zu verräterisch ?“


    Zitat

    Moderato „Wieso nur bestimmte Komponisten Rosemary Brown erschienen sind, dafür habe ich keine Antwort“.


    Meiner Meinung nach macht es die Sache eher glaubwürdiger als zweifelhaft, wenn hier bestimmte große Namen fehlen (etwa auch Tschaikowsky, Mendelssohn oder Händel) Wenn es nämlich so war, wie Brown behauptet, dann ist davon auszugehen dass jeder der Komponisten weiterhin eine eigene Persönlichkeit und vielleicht auch eigene Ansichten zu diesem Projekt hat. Das darf man sich dann nicht wie willenlose Marionetten vorstellen die nur darauf warten einer englischen Hausfrau permanent Noten mitzuteilen. Und diejenigen die sich nicht beteiligt hatten (warum auch immer) wurden ja auch nicht eines Besseren belehrt. Das Projekt ist im Grunde genommen gescheitert. Skeptiker können diese kleinen Klavierstücke nicht überzeugen und diejenigen die es überzeugen konnte, sind auch schon ohne Brown von einem Leben im Jenseits überzeugt.


    Hinsichtlich der Zusammenarbeit gibt es aber eine interessante Buchstelle


    „Andere, wie Albert Schweitzer, kommen nur kurz, geben mir ein wenig Musik und kommen offenbar nicht wieder. Mozart, zum Beispiel, war nur dreimal hier“ (13)


    Etwas später kann man im Buch wohl einen möglichen Grund erahnen.


    „Meine erste Begegnung mit klassischer Musik hatte ich, als ich im Staatsdienst arbeitete. Eine meiner Bürokolleginnen war eine richtige Opernfanatikerin, und ich erinnere mich, daß sie eines Tages verzweifelt jemanden suchte, der mit ihr an diesem Abend ins Salders Wells gehen würde. Sie war eine sehr nette Person, und da sie nicht allein gehen wollte, nahm ich ihr die zweite Karte ab, nur um ihr eine Freude zu machen. Man gab Mozarts ‚Cosi fan tutte‘. Ehrlich gesagt, es gefiel mir nicht besonders. Ich fand die Oper recht amüsant, aber nicht besonders eindrucksvoll. Jedenfalls wurde ich nicht über Nacht zur Opernliebhaberin, und ich konnte einfach nicht verstehen, warum meine Kollegin so begeistert war. Aber selbst heute mag ich nicht jede Art von klassischer Musik. Poulence hat mich ein- oder zweimal besucht und unternommen, mir einige Musikstücke zu übermitteln, aber mir gefiel, ehrlich gesagt, diese Musik nicht, ich finde sie jedenfalls nicht attraktiv.“ (57 f)


    Wegen der These des heimlichen Komplizen, da Brown in den 80ern wegen Herzprobleme und Arthritis die Arbeit eingestellt hat. Ausschließen kann man das natürlich nicht. Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass Brown allmählich die Einsicht bekam, dass die kleinen Klavierstücke nicht ausreichen um die Skeptiker überzeugen zu können und da sie angeblich das Privatleben dem öffentlichen Leben um ein vielfaches vorzog, es dann auch damit belassen hat. Bei dieser These müsste aber Brown ein sehr gutes Gedächtnis haben, denn sie wurde ja auch schon vom Fernsehen live Tests unterzogen um spontan Werke mittels Übermittlung niederzuschreiben. Sie hat das erfolgreich bestanden was eine doch gute intellektuelle Leistung ist. Damit hätte aber Brown auch nur die etwas einfältig wirkende Hausfrau gespielt. Also das ganze ist schon ein Mysterium das viele Fragen aufwirft.


    Fest steht und das bestreiten auch nicht die Kritiker: Die Stücke haben auffällig stilistische Merkmale zu den zu Lebzeiten verfassten Werken der jeweiligen Komponisten. Andererseits sind diese nur blasse Schatten von deren besseren Werken. Rosemary Brown macht bei ihrer Außendarstellung auch nicht den Eindruck einer besonders gerissenen, intellektuell bewanderten Frau. Entweder war sie somit selbst Marionette einer solchen Person, oder war eine exzellente Schauspielerin, oder konnte tatsächlich Kontakt mit verstorbenen Komponisten aufnehmen (womit dann noch immer das Rätsel um die Qualität offen bliebe) Möglicherweise werden wir es ja selbst im Jenseits erfahren. ;)

    2


    Ich habe einst das Buch zu einem Anlass geschenkt bekommen und mittlerweile habe ich mich zeitweise damit befassen können. Viel mehr um vielleicht neues über Mahler zu erfahren, denn wie sich nämlich herausgestellt hat kannte ich die Informationen über Beethoven schon und Wagner interessiert mich nicht sonderlich. Es ist stark davon auszugehen, dass es sich hier um die Lieblingskomkponisten des Autors Hans-Georg Klemm handelt. Dieser wollte Verbindungsfäden zwischen den drei Komponisten anhand bestimmter Charaktermerkmale ziehen. Ich glaube jedoch dass sich dieses Spiel mit x-beliebigen Künstlern erfolgreich durchführen lassen würde. Man braucht notfalls nur lange genug suchen und findet zwischen irgendwelchen x-beliebigen Komponisten irgendwelche Gemeinsamkeiten. Bei Klemm ist es aber noch viel allgmeiner und geradezu trivial. Etwa wenn „Stimmungsschwankungen“ als ein besonders verbindendes Element herausgehoben wird, so kenne ich kaum eine Künsterlbiographie auf die das nicht zum. in gewissem Maße zutreffen würde. Ebenso die Naturliebe (spätestens seit der Biedermeierzeit kam ja die Natur und das Wandern generell sehr stark in Mode, mir fallen da spontan etwa Schubert, Mendelssohn oder Brahms ein von denen das ebenso bezeugt ist) oder die Empfindsamkeit (gibt es tatsächlich nicht empfindsame Künstler?).


    Man könnte das Spiel genauso gut umdrehen. Etwa könnten Wagners und Beethovens Kleidungsstil kaum weiter auseinander liegen. Während angeblich Wagner bei seiner Kleidung geradezu ein Seiden-Fetischist war, rannte Beethoven sehr oft mit einem Mantel durch die Gegend der in unseren heutigen Zeiten nur bei der Bettlermafia gefragt wäre. Wenn man zum. von einem der drei Komponisten noch nie eine ausführlichere Biographie gelesen hat könnte sich das Buch ja lohnen, aber die Anpreisungen des Verlags, welcher das Buch als „originellen Ansatz“ darstellt welcher dazu führe „…die drei großen Musiker in einem vollkommen veränderten Licht erscheinen zu lassen“ kann ich leider nicht nachvollziehen. Ich persönlich bevorzuge auf jeden Fall vollwertige Biographien in denen eine Person im Hauptfkokus steht. Aber ich halte es auch durchaus für schlüssig, dass es für solche Bücher eine Zielgruppe gibt: An klassischer Musik interessierte Menschen die nicht drei Biographien lesen aber trotzdem etwas über die Komponisten erfahren wollen. Positiv ist zum. hervorzuheben dass diese Untergliederung eine gewisse thematische Struktur erzeugt (Liebhaber der chronologischen Schilderung haben da natürlich ihr Nachsehen) und alles schnell und flüssig zu lesen ist.


    Es kommt immer auf den Kontext an, in dem eine solche Aussage steht. Einem Igor Levit, der Beethovens komplette Klaviersonaten aufgenommen hat, zu unterstellen, er hätte keine Ahnung vom Aufbau eines klassischen Sonatensatzes bzw. würde das für unwesentlich erachten, finde ich mit Verlaub gesagt etwas dreist!

    Lieber Holger,


    du hast nicht dazugeschrieben auf wen sich das bezieht aber mit großer Wahrscheinlichkeit wohl auf mich, da ich sonst keine andere Person erkennen kann, die seine Aussage Kritisch hinterfragt hat. Weil dann ist es eindeutig ein Strohmann-Argument. Ich habe das nie behauptet, im Gegenteil, ich habe geschrieben:


    Zitat von âme

    Mich irritiert das schon ein wenig, dass er, der sich sicherlich auch zum. mit den Klaviersonaten tiefergehend auseinandergesetzt hat


    und ich habe nirgendwo den von dir unterstellten Satz nur ansatzweise in irgendeiner Form geschrieben, sondern mich lediglich über diese Aussage gewundert, gerade weil ich ihn für kompetent halte. Ich hab zwar schon geahnt, dass so mancher Levit-Fan dieser kritischen Betrachtung widersprechen könnte, aber dass ich dann solche bissigen Reaktionen bekomme nicht. Ich denke es ist auch mein gutes Recht mir meine Meinung über gewisse Aussagen bilden zu können ohne dass man mir jetzt Dreistigkeit unterstellt, so viel Meinungsfreiheit sollte dieses Forum schon zulassen. Es bestätigt mich aber wieder dass solche Diskussionsthreads nichts für mich sind und werde mich auch endgültig zum. von solchen streitbaren, polarisierenden Themen zurückziehen und es zukünftig nur noch bei gelegentlichen Essays über historische Fakten (da gibt es halt nur den binären Zustand belegbar oder nicht) in größeren Abständen belassen (mehr lässt auch meine Zeit nicht zu) Von meiner Seite aus wurde alles gesagt, wenn etwas davon nicht der eigenen Meinung entsprechen sollte tut es mir leid, ich wollte keinen Levit-Fan damit vergrämen, aber das ist eben Meinungsvielfalt. Ich interpretiere halt gewisse Dinge anders, aber aufgrund von tatsächlich getätigten Aussagen, nicht aus reiner Aversion gegen einen Künstler. Und ich halte es natürlich auch für möglich dass ich ihn falsch interpretiere, ohne Möglichkeit mit ihm selbst darüber zu diskutieren wird sich das aber schwer auflösen lassen. Damit möchte ich es belassen.


    Sorry Alfred, ich weiß dir gefallen nicht Mitglieder die zu harmoniebedürftig sind, aber damit musst du bei mir leben. :P

    Hier möchte ich Einspruch einlegen. Ich bin gerade ungefähr im dritten kompletten Hördurchgang durch Levits GA der Beethoven-Sonaten, und Aufnahmen in dieser Qualität (bezüglich Aufbau, Gestaltung und Phrasierung) bekommt man nicht hin, wenn man Musik auf einprägsame Themen reduziert. Levit hat sich mit dieser Musik zweifelsohne akribisch auseinandergesetzt. Die besagte Doku kenne ich nicht und kann den erwähnten Ausschnitt daher nicht beurteilen, aber man tut der Fünften nicht vollkommen unrecht, wenn man auf die geniale Einprägsamkeit des "Tat-ta-ta-taaa" hinweist (wir dürfen Levit unterstellen, dass ihm die Präsenz einer Durchführung in dem Stück nicht entgangen sein dürfte). Was Künstler wie Levit bei irgendwelchen Promotion-Terminen machen, sollte man nicht allzu hoch hängen - das ist Vermarktung, kein Seminar über das Klavierwerk Beethovens.


    LG :hello:

    Ich hab ja gewusst warum ich mich weitestgehend aus solchen Diskussionsthreads seit längerem zurückgezogen habe :D Ist natürlich legtim hier Einspruch zu erheben und hier kann auch jeder andere Sichtweisen haben. Ich bleibe aber bei meiner dennoch, weil ich auch weiß was ich gesehen habe. Dass er sich mit den Werken befasst hat, habe ich ja nicht abgestritten. Das man aber etwas ohne jegliche Überzeugung sagt, egal in welchem Bezugsrahmen, halte ich für eher unwahrscheinlich. Und auf etwas hinweisen oder es als den Kern der Genialität des ganzen Satzes hinzustellen ist schon noch ein Unterschied. Ich weiß nicht mehr mit was er es gleichgesetzt hat, ich glaube mich erinnern zu können mit einem Song von Bob Dylan oder waren es die Rolling Stones? Aber ich bin mir da nicht sicher, soweit ich mich aber erinnern kann war für ihn beides in seiner Genialität gleichwertig. Was das jetzt für jeden Einzelnen bedeutet bleibt jedem subjektiv selbst überlassen, ich habe meine Sichtweise bereits dargelegt. ;)

    Ich habe darüber nachgedacht. Im Prinzip könnte es ja einem Klassikhörer egal sein ob eingängige Melodien der Klassik aus dem viel bedeutungsvolleren musikalischen Kontext genommen und zweckentfremdet werden. Soweit ich weiß ist hier bzgl. des Urheberrechts die Schutzfrist für Beareitungen nicht mehr gegeben. Es gäbe ansonsten zum. im österr. Recht § 21/1 UrhG das Änderungsverbot bzw. Entstellungsschutz und u.a. dem interessanten Satz "...wenn dadurch die geistigen Interessen (Aussagen, Intention) gefährdert werden." Aber fraglich ob es prinzipiell (mit Schutzfrist) ausreichen würde, wenn ein prägnantes Motiv bzw. Thema aus dem mehrstimmigen Satzbau, oder etwa aus einer Sonatenhauptsatzform herausgerissen wird. Obwohl als Beispiel u.a. Klingeltöne gelistet wird. Gut, viel besser ist das meiste aus dem "Easy Listening"-Bereich ja im Grunde genommen nicht (auf Wikipedia findet man folgende Definition: "...ist Musik, die nebenbei laufen kann und unterschiedliche Funktionen erfüllen soll: Zerstreuung, Ablenkung, Entspannung,...") Rieu & Co machen es ja auch nicht weil sie die edelmütige Absicht besitzen klassikferne Menschen an diese Musik heranzuführen, es ist ja recht offensichtlich, dass man sich hier mangels eigener kreativer Ideen sehr einfach bei Material bedient auf dem keine Schutzfrist mehr liegt. Außerdem ist es sicher wohl ganz förderlich am Start seiner Karriere mit klingenden Namen zu werben.


    Es ist halt aber so, "klassische Musik" ist ja kein geschützer, klar definierter Begriff und manche Menschen dehnen den halt leider auch ziemlich stark aus. Manche glauben vielleicht, das müsste ja klar sein, dass Rieu, die Crossover-Garrett-Alben, Einaudi, etc. nicht zur Klassik gehören. Aber zu meiner eigenen Überraschung ist dieser Irrglaube unter dieser Zielgruppe nicht mal so selten. Ich hörte bzw. las schon des Öfteren man höre ja u.a. auch Klassik wie etwa "Bocelli, Rieu, Einaudi,..." Zum. ich möchte als "Klassikhörer" nicht in die Schublade mit dieser Musik geworfen werden (wäre auch etwas mühsam meine Vorstellung davon immer extra zu erwähnen ;)) auch wenn ich nicht nur Klassik höre, aber halt eben nicht diesen "Kitsch" (was meine Empfindung davon anbelangt). Mich stört es auch ein wenig wenn klassische Musiker hier versuchen die Klassik nur auf einprägsame Melodien und Motive zu reduzieren. So schätze ich etwa Igor Levit als Klavierspieler durchaus, sah aber einmal in einer Doku wie er eben genau dieses macht und etwa den 1. Satz aus Beethovens 5. nur auf das Klopfmotiv reduziert und mit gewissen populären Songs gleichstellt. Kein Wort von irgendeiner Motiventwicklung, einer Durchführung mit zwei kontrastierenden Themen usw.,...welche sehr wichtig für diese Musik sind um deren Genialität erst möglichst vollumfassend erfassen zu können. So wundert es dann nicht, wenn er meist als Kostprobe im Fernsehen "Für Elise" spielt und das als eines der bedeutensten Werke Beethovens anpreist. Mich irritiert das schon ein wenig, dass er, der sich sicherlich auch zum. mit den Klaviersonaten tiefergehend auseinandergesetzt hat (und er machte ja auch mal eine Podcastreihe damit in der er aber auch mitunter solche Vergleiche tätigte), die besonderen Merkmale der Klassik außen vor lässt. In der Wirtschaft würde man das USP (Unique Selling Proposition) nennen, denn Melodien (mitunter auch einprägsame) findet man wie er es ja selbst dargestellt hat, auch in diversen anderen Musikrichtungen. Aber gut, das wird wohl sein Zugang zu der Klaviermusik sein, die einprägsamen Themen. Für mich kratzt so ein Zugang aber nur an der Oberfläche.


    Was ich eigentlich überlegt habe...sollte man Mainstreamhörer tatsächlich an die Klassik heranführen wollen, ob es dann nicht sinnvoller wäre den Ansatz eben gerade nicht bei der Melodie anzusetzen, sondern anhand der Struktur, die klanglichen Stilmittel aber belässt. Denn ich glaube hier liegt der eigentliche Anküpfungspunkt, die Hürde. Damit meine ich, das etwa Synthies, (E-)Gitarren, (E-)Schlagzeug, (E-)Bass, ein moderner Gesang und dergleichen genauso belassen werden, aber ein vollkommener Verzicht auf (Intro), Strophe, Refrain (evtl. Bridge), Strophe, Refrain stattfindet, hier etwa auch beispielsweise Anleihen an die Sonatenhauptsatzform gemacht werden, zwei kontrastierende Themen, oder zum. eine bestimmte Entwicklung wie in manchen klassischen Liedern, Arien. Der Klang für sich würde ja dann die Gewohnheit der Mainstreamhörer treffen, welche aber mit einem weitaus anspruchsvolleren Inhalt konfrontiert wären der nichts mit dem üblichen Schema "nette Melodie in das Song-Konzept pressen" zu tun hätte. Würde es diesen "Easy Listening/Crossover"-Musikern tatsächlich um eine Heranführung gehen wäre diese Herangehensweise weitaus sinnvoller, aber uns ist allen klar, das es eigentlich nicht darum geht. Ganz abseits davon, sollte es nicht unsere Aufgabe sein klassikferne Menschen missionieren zu wollen, aber es waren nur prinzipielle Gedanken wie eine Heranführung besser funktionieren würde, ein Gedankenspiel. :)

    Rondo Veneziano hat seinerzeit Eigenkompositionen des Gründers und Leiters Gianpiero Reverberi gespielt. An Klassik haben die sich in ihrer Blütezeit nicht rangemacht.

    Ich weiß nicht was Blütezeit hier bedeutet, da ich die nie verfolgt habe, aber ich weiß zum. dass sie so Art Medleys in ihrem üblichen Stil von Vivaldi, Bach und sogar Mozart gemacht haben, etwa:


    Rondo Veneziano - Mozart


    und deswegen dachte ich dass evtl. denen ihre Fans das auch inspiriert haben könnte. Ich habe übrigens Garrett nicht als Gesamtkonzept und Künstler bewertet, das bezog sich nur auf diese Veröffentlichung. Dem letzten Absatz kann ich uneingeschränkt zustimmen und ist auch das was ich mit der Reduzierung von Klassik meinte, man baut so viel an Substanz ab dass nur noch ein Skelett davon übrig bleibt, in solchen Fällen halt eine eingängige Melodie. Es wäre schon bedauerlich, wenn die Klassik nur auf diese reduziert werden würde. Im Grunde genommen wird sie in das Korsett von "Easy Listening" (auch bei Rieu) hineingezwängt, man kann also nicht wirklich davon sprechen dass solche Leute mit Klassik tatsächlich in Berührung kommen, sicher noch am ehesten bei Rondo Veneziano wenn auch da ziemlich abgeflacht (siehe Beispiel).


    :hello:

    Vielleicht macht sie die Klassik ja wirklich ein wenig populärer ....:/:rolleyes:

    Ich habe jetzt ein wenig in die Hörbeispiele hineingehört. Das Problem ist dass hier die Klassik auf ähnliche Längen der Popularmusik (3 bis 4 Minuten) und Melodien reduziert wird. Dazu wurde die ursprüngliche Instrumentierung durch neue Arrangements (mit etwa Gitarrenbegleitung) ersetzt und vorwiegend Stücke mit langsamen Tempi gewählt (was Kalli zu Recht als seicht, schmachtend bezeichnet). Das was beispielsweise mich an der Klassik fasziniert wird damit vollkommen außen vor gelassen, nämlich sich bei mehrsätzigen Werken (oder auch längeren Einzelstücken) einer vielschichtigen emotionalen Geschichte mit eventuell größeren Spannungsbögen, auf jeden Fall aber verschiedensten emotionalen sich ändernden Stimmungen und mitunter einfallenden Kontrasten hinzugeben (mal jetzt die detaillierten Rafinessen in der Ausarbeitung ganz beseite gelassen) Ich sehe somit nicht die eigentliche Stärke der Klassik damit repräsentiert...ohne leugnen zu wollen dass es hier auch großartige Melodien gibt, was ich aber weniger als Alleinstellungsmerkmal herausstreichen würde. Die Frage die sich dann stellen würde, ob ein Mensch der bislang nicht viel mit Klassik anfangen konnte, sich dadurch animiert fühlt etwa eine komplette Beethoven oder Mahlersinfonie, das Violinkonzert von Brahms oder selbst nur die kompletten vier Jahreszeiten von Vivaldi anzuhören? Es wäre interessant darüber einmal Studien durchzuführen, oder kennt schon jemand so eine? Gab es solche Effekte beispielsweise bei Rondo Veneziano (in Zusammenhang mit Vivaldi und Bach)?


    Ich glaube zum. nicht dass diese konkrete Veröffentlichung jüngere, sondern eher ältere Generationen ansprechen wird, denn die durchwegs langsamen Stücke, mit plattgedrückter Dynamik und soweit ich das rausgehört habe ohne irgendein Schlagzeug wird die DJ soundso, Katy Perry, Beyonce...und wie sie alle heißen-Hörer (selbst Helene Fischer) nicht sonderlich in Begeisterungsstürme versetzen. Es ist halt wie so oft, die Macht der Gewohnheit ist in vielen Bereichen des Lebens sehr schwer zu durchbrechen und nur unter gewissen Umständen möglich. Ich denke die Begeisterung für Klassik kann viel besser in der Kindheit im Elternhaus oder über mitreißenden Unterricht erfolgen, später wird die jahrzehntelange Gewohnheit und Prägung sehr schwer zum. erweitert bzw. ergänzt werden können.


    gut eigentlich wollte ich hier dazu nichts schreiben und hab mich jetzt dazu doch hinreißen lassen. :D Soll eine Ausnahme bleiben. ;)

    Mozart und Hoffmeister - und die Legende vom kommerziellen Misserfolg (Teil 2)


    Nach Nissens Überlieferung hatte Hoffmeister mit Mozart auch einen Vertrag geschlossen, demzufolge der gebürtige Salzburger drei Klavierquartette komponieren sollte. Die Biographie gibt an, dass diese Vereinbarung nach der Veröffentlichung des g-moll Quartetts KV 478 wieder gelöst wurde, obwohl Hoffmeister dennoch einen großen Anteil des Honorars für alle drei Werke ausgezahlt haben soll. Viele nachfolgenden Biographen nahmen somit an, dieses Werk sei damals ein kommerzieller Misserfolg gewesen, obwohl das nicht eindeutig aus der Nissen-Biographie hervorgeht. Noch heute ist es als eine gängige, oft nur wiedergekäute Behauptung (ohne empirische Evidenz) in vielen Werkbeschreibungen im Internet zu finden. So schreibt etwa der Kammermusikfuehrer.de :“ Dies mag erklären, warum der Verleger Franz Anton Hoffmeister, der den Komponisten ursprünglich um drei Klavierquartette zur Veröffentlichung gebeten hatte, von diesem Auftrag zurücktrat, als sich das erste von Mozart gelieferte Quartett in g-Moll nur schlecht verkaufte.“


    Eine zeitgenössische Kritik vermittelt jedoch einen anderen Eindruck (siehe auch Ridgewell 2010 „Biographical Myth and the Publication of Mozart’s Piano Quartets“), indem hier angegeben wurde, dass die Veröffentlichung schnell Neugier erregte und vielerorts aufgeführt wurde. Wenn man die bei Hoffmeisters erschienenen weiteren Mozart-Werke heranzieht, so könnte man argumentieren (wie es u.a. schon Einstein und Solomon taten) dass ihm ein gewisser künstlerischer Anspruch wichtig gewesen sein könnte. Zumindest kann man es so deuten, wenn man die ebenso von ihm publizierten Werke, das Streichquartett KV 499, oder Die Fuge in c-moll für zwei Klaviere KV 426 (sowie die Bearbeitung für Streichorchester KV 546) heranzieht und dem gegenüberstellt, dass die zur gleichen Zeit entstandenen eingängigeren Werke, die Klaviersonate C-Dur „Sonata facile“ KV 545, oder die Sonate für Klavier und Violine F-Dur KV 547, nicht bei Hoffmeister herauskamen. Mozart komponierte aber immerhin noch ein zweites Klavierquartett (Es-Dur KV 493) dessen Druck sein üblicher Verleger Artaria übernahm. Obwohl schon am 3. Juni 1786 fertig gestellt, wurde dieses erst im Juli 1787 veröffentlicht. Zu dem einst geplanten dritten kam es nie. Nach dem Mozart Handbuch (welches auch die These des „verlegerischen Fehlschlags“ vertritt) komponierte und brachte Hoffmeister zu dieser Zeit selbst sechs Klavierquartette heraus und es stellt sich für mich die Frage warum er dies tun sollte, wenn schon zuvor das g-moll-Quartett Mozarts keinen Anklang gefunden hätte. Ridgewell vermutet, dass Constanze mehr wusste und nach Ableben ihres zweiten Ehemanns nur vage Andeutungen an den Vervollständiger der Biographie, Johann Heinrich Feuerstein, weitergab. Zumindest ist in einem Fall durch Briefe belegt, dass Constanze noch zu Mozarts Lebzeiten in dessen Auftrag mit Hoffmeister verhandelte, als dieser auf Reisen war.


    Wenn man sich die Details zur Geschäftstätigkeit von Hoffmeister näher anschaut, so scheint es nämlich viel plausibler, dass die Ursachen in fehlenden Druckkapazitäten lagen. Dieser musste etwa hin und wieder seine Abonnenten vertrösten, er könne die geplanten Werke noch nicht veröffentlichen, da die Nachfrage die Druckkapazitäten weitaus übersteigen würde. Es kam zu Verspätungen von einigen Monaten. Zudem hatte der Verleger Anfang 1786 finanzielle Probleme. Des weiteren führt Ridgewell aus, dass es mehrere Indizien für eine weite und rasche Verbreitung von KV 478 gibt, welche er ausführlich in seiner Publikation behandelt.


    Das G-Dur Klaviertrio KV 496 wurde laut Mozarts selbst geführtem Werkverzeichnis am 8. Juli 1786 vollendet und wurde zusammen mit Haydns Trio Hob. XV:10 ebenso von Hoffmeister veröffentlicht. Auch wenn Hoffmeister noch weitere Werke Mozarts herausbrachte, blieb es auch nur bei diesem und somit einem Klaviertrio. Wie beim Klavierquartett Es-Dur KV 493, wurden die anderen Trios KV 502, KV 542 und KV 548 im November 1788 bei Artaria veröffentlicht. Interessant ist, dass das noch in dieser Reihe fehlende Trio KV 564 das erste Mal (durch Storace) in London publiziert wurde. Artaria hatte wohl die bessere Ausstattung und wäre allem Anschein nach immer eine Möglichkeit gewesen. Dass Mozart gelegentlich bei Hoffmeister drucken ließ, muss für Mozart andere Vorzüge gehabt haben. Ridgewell vermutet dass ein regelmäßiges Einkommen per Abonnementsystem gelockt habe, anderersetis dürfte aber gerade das nicht reibungslos funktioniert haben. Es sei denn Mozart sah den Vorteil darin, dass er leicht an Vorschüsse kommen konnte. Dann wären diese aber mündlich erbeten worden, oder Briefe an Hoffmeister haben sich nicht erhalten, da die oben erwähnte schriftliche Geldbitte (als Bettelbrief lässt es sich schwer deklarieren) die einzige zum. erhaltene ist. Somit entspringt die Aussage auf Wikipedia „Wolfgang Amadeus Mozart […] ersuchte Hoffmeister immer mal wieder um Vorschuss“ der reinen Fantasie des Verfassers. Belegt ist nur dieser Brief und aus diesem geht nicht einmal eindeutig hervor, ob es tatsächlich ein Vorschuss sein soll. Es ist lediglich eine Vermutung.


    Bei den Sonaten für Klavier und Violine in Es-Dur KV 481 und A-Dur KV 526, welche in Hoffmeisters Pränumerationsreihe inkludiert waren, ist hingegen eine recht erfolgreiche Zusammenarbeit zweifelsfrei erkennbar. Es erschienen noch innerhalb kürzester Zeit Nachdrucke bei diversen deutschen Verlagen. Interessant dazu eine zeitgenössische Kritik, aus der hervorgeht dass das anspruchsvolle Publikum Mozart wohl eher in Verdacht sah, dass dieser sich einem Mainstreamgeschmack anbiedern könnte „Nur wäre zu wünschen, Herr M. liesse sich weniger vom Modegeschmack unsers Zeitalters fesseln. Seine Arbeiten würden dadurch noch einen allgemeineren und zugleich dauerhafteren Werth erhalten.“


    Die Forschung nimmt an, dass das Streichquartett D-Dur KV 499 von Hoffmeister angeregt wurde. Dieses wurde mit jeweils einem Quartett von Vanhal sowie vom Verleger selbst beim achten Heft, 1. Jahrgang der „Musique de la chambre“ ergänzt und trägt heute den Beinamen „Hoffmeister-Quartett“. Das Quartett wurde nicht, wie auf Wikipedia behauptet, Hoffmeister gewidmet. Laut NMA weiß man nicht viel über die Entstehung. Mozart selbst trug es in sein „Verzeichnüß / aller meiner Werke“ lediglich mit „Ein Quartett für 2 Violin, Viola und Violoncello“ ein und irgendeine Dedikation geht auch nicht aus dem originalen Autograph hervor.


    Im Flötenquartett A-Dur KV 298 erlaubte sich Mozart auch einen Seitenhieb auf seinen Verleger. Im Dunstkreis der Familie Jacquin entstanden (mehr zu dieser in meinem ehemaligen Beitrag bei „Mozarts Freunde in Wien“) zog dieser in einer angedachten musikalischen Parodie, Hoffmeisters Lied „An die Natur“ heran, dessen Thema variiert und dem jeweiligen Charakter der Jacquin-Musikanten angepasst wurde.


    Insgesamt brachte Hoffmeister 11 Erstveröffentlichungen von Mozarts Werken heraus (KV 426, 478, 481, 496, 499, 501, 511, 521, 526, 533/494, 546), die Parodie auf sein Lied gehört nicht dazu. Schlussfolgernd zu dieser Thematik lässt sich feststellen, dass die Geschichte der kommerziell erfolglosen Veröffentlichungen unter Hoffmeister wohl denjenigen dient, die damit noch den Mythos des armen, verkannten Mozart befeuern wollen, haltbar ist diese jedoch nicht.


    Hoffmeister verlegte auch Werke Beethovens (u.a. die „Pathetique“ Klaviersonate op. 13). Der damals erst am Beginn seiner Karriere stehende schrieb dem Verleger am 15. Dezember 1800 u.a. die zum. für heutige Zeiten etwas seltsam anmutende Bemerkung „…da sie weder jud noch italiener, und ich auch kein's von Beyden bin, so werden wir schon zusammen kommen.“


    Am 9. Februar 1812 starb Franz Anton Hoffmeister im Haus Haarmarkt 778, heutige Rotenturmstraße 14. Angeblich befand sich hier auch einst das erste Wiener Kaffehaus, welches am 17. Jänner 1685 von Johannes Theodat eröffnet wurde. Die zwei an dieser Stelle gestandenen Gebäude wurden um 1840 herum demoliert, der Nachfolgebau ist bis heute erhalten geblieben.


    Bildquelle: wikimedia.org

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    Mozart und Hoffmeister - und die Legende vom kommerziellen Misserfolg (Teil 1)


    Hinsichtlich des morgigen 268. Geburtstags Hoffmeisters dachte ich mir ich schreibe auch einmal über ihn und seine damalige Verbindung zu Mozart.


    Hoffmeister begann mit seiner Verlagstätigkeit, indem er sich mit dem Buchverleger Rudolf Gräffer bzw. Graeffer zusammentat. Eine Anzeige der Wiener Zeitung vom 24. Jänner 1784 lautet:


    „Der Musikkapellmeister Franz Anton Hoffmeister hat die Ehre allen in- und ausländischen Musikkennern und Liebhabern anzuzeigen, daß er sich entschlossen habe, auf eigene Kosten und unter seiner Aufsicht alle seine musikalische Arbeiten gestochener heraus zu geben. Sein öffentlicher Verlag ist hier in Wien in der Rudolf Gräfferischen Buchhandlung am Jesuiterplätze.“


    Er selbst bezog zunächst ein Quartier in der Vorstadt Hungelbrunn, Haus No. 3 Gartengebäude (dürfte nach dem Plan von Nagel 1780 etwa Anfang der heutigen Johann-Strauß-Gasse, 4. Wiener Gemeindebezirk gelegen haben, quasi quer dazu, hinter sich nur Gärten. Heute alles verbaut) und übersiedelte 1789 in die Stadt (Herrengasse No. 26, 1819 mit Nachbargebäuden demoliert, diese befanden sich beim heutigen Gebäude Nr. 17, 1. Bezirk) um dort auch sein eigenes Geschäft aufzumachen.


    Ab 1785 verlegte er vereinzelte Werke von Mozart und anderen Komponisten. „Nunmehro aber habe ich mich entschlossen, den Liebhabern der Musik einen Plan vorzulegen, wodurch sie im Stande sind, sich in etlichen Jahren eine ganze Bibliothek von Originalmusikalien anzuschaffen […] Zu jedem Fache habe ich mich mit unsern besten hiesigen, Haydn, Mozart, Wanhall, Albrechtsberger, Pleyel, Mitscha, v. Ordonnez &. &. wie auch ausländischen Meistern nebst meinen eigenen Arbeiten bereits einverstanden, um von Monat zu Monat neue Produkten zu erhalten.“


    Hoffmeister ging es darum auf Vorauszahlungsbasis eine Abonnementserie mit monatlich neu erscheinenden Werken von bestimmten Komponisten herauszubringen. Er versprach, dass es sich ausschließlich um Erstveröffentlichungen und keine Nachdrucke handeln solle. Dieses Abonnementsystem war zum. für Wien damals neu. Den monatlichen Intervall musste der Verleger aber bald auf wesentlich größere Abstände abändern. Mehr dazu in weiterer Abfolge.


    Bei der Arbeit an dem am 23. Dezember 1785 uraufgeführten Es-Dur Klavierkonzert KV 482 zeigten sich erstmals finanzielle Schwierigkeiten bei Mozart. Ein am 20. November 1785 verfasster Brief ist nur auf den ersten Blick ähnlich zu den späteren Bettelbriefen an Mozarts „ächten Freund“ Michael Puchberg:


    liebster Hofmeister! –

    Ich nehme meine zuflucht zu ihnen, und bitte sie, mir unterdessen nur mit etwas
    gelde beÿzustehen, da ich es in diesem augenblick sehr nothwendig brauche. – dan bitte ich sie sich mühe zu geben mir so bald als möglich das bewusste zu verschaffen. – verzeihen sie daß ich sie imer überlästige, allein da sie mich kenen, und wissen wie sehr es mir daran liegt daß ihre sachen gut gehen möchten, so bin ich auch ganz überzeugt daß sie mir meine zudringlichkeit nicht übel nemen werden, son=dern mir eben so gerne behülflich seÿn werden, als ich ihnen.


    Mozart war sich wohl der gegenseitigen Abhängigkeit bewusst (anders als bei Puchberg, der nur hoffen konnte, dass er das geliehene Geld hoffentlich wieder zurückbekommt) So Sätze wie „dan bitte ich sie sich mühe zu geben mir so bald als möglich das bewusste zu verschaffen“ und „so bin ich auch ganz überzeugt daß sie mir meine zudringlichkeit nicht übel nehmen werden“ hätte sich Mozart bei Puchberg niemals herausgenommen. An den Wiener Tuchhändler wurden viel eher verzweifelt, mitleidserhaschende Apelle gerichtet. Somit unterstreicht das „…als ich ihnen“ am Schluss sehr gut, dass er Hoffmeister nochmal daran erinnern wollte, dass dieser ihn noch für seine Geschäfte braucht, oder ihm sogar etwas schuldig war.

    In der Hoffnung, dass es wenigstens Mitleser abseits der Tamino-Mitglieder gibt, welche sich für dieses Thema interessieren, möchte ich den noch versprochenen Nachtrag bzgl. des Schubert-Hauses in Gmunden nachreichen. Die sehr schlichte Fassade des Hauses, die in keinster Weise an die Biedermeier oder älteren Architekturstile erinnert, hat in mir Zweifel aufkommen lassen, ob es sich dabei tatsächlich um den Originalbau handelt.


    Oliver Woog beschreibt das Gebäude in „Diese göttlichen Berge und Seen – Franz Schuberts Aufenthalte in Oberösterreich , Salzburg und Umgebung“ folgendermaßen:


    „Original mit diversen Modernisierungen. Der historischen Bedeutung unangemessener schlechter, unrestaurierter Zustand. Schon 1913 bemerkte Otto Erich Deutsch, dass das Haus geschmacklos renoviert wurde.“


    Woog schreibt auch, dass Schubert möglicherweise schon 1819 oder 1823 zum ersten Mal Gmunden besuchte. Man erfährt in seinen Abhandlungen auch weitere interessante Details. So geht aus einem am 19. Mai 1828 verfassten Brief von Traweger an Schubert hervor, dass Schubert noch in seinem Todesjahr vorhatte Gmunden wieder zu besuchen. Die bereits schon in meinem Text erwähnte fehlerhafte Angabe der Gedenktafel, soll auf den ebenso bereits ausführlich abgehandelten Brahmsfreund Viktor Miller-Aichholz zurückgehen. Zunächst mit der bereits falschen Angabe 1825-1826, welche im Laufe der Zeit ausgetauscht wurde (aber nicht von Miller-Aichholz, möglicherweise von der Stadtgemeinde) um den Schwindel nochmals um ein Jahr zu erhöhen (1825-1827). Ein Schelm wer böses dabei denkt kann ich da nur sagen.


    Es gäbe noch mehr bzgl. Schubert zu ergänzen, was aber dem scheinbar recht bescheidenen Interesse an dem Thema nicht angemessen wäre. Außerdem lässt es sich für jeden Interessierten in der o.a. Publikation leicht nachlesen.

    Lieber "Hart",


    auch von mir ein Dankeschön, vor allem für die (zum. für ein Forum) ausführliche Lebensdarstellung von Anton Schindler. Wobei ich hier auch besonders die ausgewogen und wertfreie, aber dennoch wo notwendig auch kritische Betrachtung daran schätze. Da ich mich bisher mit Anton Schindler nur im näheren Beethoven-Kontext befasst habe sind mir manche biographischen Details auch neu. Noch ein paar Anmerkungen/Ergänzungen zu Schindlers Kontakt zu Beethoven. Vor allem ist eine Anstellung als Sekretär zum. bis 1820 schon von daher nicht plausibel, da bis zu diesem Jahr noch Franz Oliva Beethovens Sekretär war (und in den Konversationsheften der betr. Zeit geht auch ein sehr reger Kontakt mit Oliva hervor) Die Beethoven-Forschung geht auch eher davon aus, dass dies erst ab 1822 der Fall gewesen sein könnte, da sich herausstellte, dass der erste für echt befundene Eintrag in einem seiner Konversationshefte im November 1822 stattfand (also etwa 7 Jahre später als von Schindler vorgetäuscht wurde). Ab 1819 ist immerhin ein oberflächlicher, gelegentlicher Kontakt denkbar, da Schindler ab 1817 vom Rechtsanwalt Dr. Johann Baptist Bach angestellt wurde, welcher wiederum ab 1819 Beethoven in rechtlichen Angelegenheit beriet. Schindler ist für mich eine tragische Figur der Musikgeschichte, denn wie die Beethovenforschung Bonn auch feststellt: "In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch herausgestellt, daß viele seiner Angaben nicht korrekt sind und manche Fakten von ihm sogar ganz erfunden wurden". Das ist auch von dem her bedauerlich, da er das nicht notwendig gehabt hätte. Denn er hatte zweifellos in Beethovens letzten Lebensjahren (bis auf die Zeit, bei der Karl Holz von Beethoven als Sekretär bevorzugt wurde) einen engen Kontakt mit ihm und war ohnehin ein bedeutender Zeitzeuge und darüber hinaus nach seinem Tod Besitzer bedeutender Originaldokumente (wie auch von dir erwähnt, leider teilweise vernichtet). So aber hat man verständlicherweise ein generelles Misstrauen gegenüber seinen unbelegten Angaben, selbst wenn diese in manchen Fällen stimmen sollten.


    :hello:

    Karl (oder Carl) Goldmark


    Zu Zeiten Mahlers ein großer Name, werden wohl einige nichts oder kaum etwas von ihm kennen. Deswegen hier gleich eine Möglichkeit hineinzuhören: Seine 2. Sinfonie in Es-Dur op. 35, angeblich auch „Gmundner Sinfonie“ genannt. Zumindest behauptet das Gmunden selbst, ansonsten ließ sich das bei meinen Recherchen noch nicht bestätigen. Ich habe zufällig entdeckt, dass ich diese Einspielung kurioserweise in meiner Sammlung habe (zugegeben bis zu dieser Schrift ungehört) und im Booklet konnte ich auch keinerlei Hinweise darauf finden.


    Wenn ich beispielsweise den 1. Satz heranziehe, so ist eine Nähe zu Brahms vor allem in den Tuttis unüberhörbar, hingegen könnte das Seitenthema meiner Ansicht nach gut von einer verschollenen frühen Schubert-Sinfonie stammen. Kurz erinnern die Streicher-Legati in der Coda wiederum etwas an Richard Strauss (im Booklet werden andere Vergleiche gezogen wie etwa im Scherzo Mendelssohn). Die Sinfonie hat insgesamt sowohl ihre gelungenen, als auch durchwachsenen Momente. Zumindest bei mir hinterlässt sie insgesamt keine bleibenden Eindrücke (vielleicht auch ein wenig der Interpretation geschuldet?). Aber immerhin eine hörbare Alternative zu dem Klassik-Mainstream, nicht mehr nicht weniger.


    2. Sinfonie Es-Dur op. 35


    Um seine ehemalige Popularität und Anerkennung zu veranschaulichen ein Zitat aus dem Essay „Carl Goldmark und der Antisemitismus“ von Gerhard J. Winkler: Hätte man um 1910 einen Österreicher nach den größten Opernkomponisten seiner Gegenwart gefragt, hätte er neben Richard Strauss vermutlich seinen Landsmann Carl Goldmark genannt. Zeitgenossen wie der Brahms-Biograph Max Kalbeck standen nicht an, Goldmark eine ‚europäische Zelebrität‘ zu nennen; Richard Specht bezeichnete ihn zu dessen Tod sogar als den ‚Mittelpunkt‘, das ‚Herz‘ der österreichischen Musikszene; um die Jahrhundertwende war der Komponist Gegenstand eines wahren ‚Goldmark-Kultus‘, und selbst Karl Kraus bezeichnete ihn als den größten lebenden Musikdramatiker seit Richard Wagner“.


    Seit 1871 soll er angeblich bis zu seinem Tod jeden Sommer und Herbst in Gmunden, Herakhstraße 15 gewohnt haben. Somit war diese Wohnstätte im übertragenen Sinne schon wie eine Art Zweitwohnsitz, welcher er neben seinen Wiener Wohnungen über mehrere Jahrzehnte treu blieb (sein Sterbehaus liegt im 2. Wiener Gemeindebezirk, Josef-Gall-Gasse 5).


    Zu der folgenden dazu passenden Erinnerung kann ich leider wenig sagen. Bedauerlicherweise geht nämlich nicht genau hervor von welcher Person das beschrieben wird, eventuell die am Anfang der Abhandlung kurz erwähnte Schülerin Goldmarks, Karoline v. Gomperz-Bettelheim.


    „Mehr als vierzig Jahre lang ist er an den Traunsee gekommen und hat dort in einem an der Fahrstraße gelegenen Häuschen im Kranabeth zwei einfache, ebenerdige Zimmer bewohnt, die vermutlich ein tantiemenschwerer Operettenkomponist heutzutag zu gering für seinen Chauffeur finden würde. Goldmarks Liebe für dieses mehr als anspruchslose Quartier hat Gegenliebe gefunden. Sein vor ihm geschiedener Hausherr hatte zu seiner Überraschung letztwillig verfügt, daß Goldmark nie gekündigt werden dürfe, und es heißt, daß die Wohnung des Meisters nun in ein Museum verwandelt werden soll. Das erstemal kam Goldmark Anfang der Siebzigerjahre meiner Familie zuliebe nach Gmunden, und er fühlte sich da von Anbeginn so wohl, daß er fortan jahraus, jahrein bis tief in den Spätherbst und Vorwinter in seliger Abgeschlossenheit in seiner Kranabether Klause arbeitete. In besonders liebem Andenken steht mir der Sommer, in dem ich, zu meinem letzten Rigorosum rüstend, mit meiner guten Mutter bei der »Loderbäuerin« hauste. Vormittags wurde fleißig geschanzt, mittags trafen wir drei uns zu Tisch hoch über der brausenden Traun im »Goldenen Brunnen«. Dann kam Goldmark regelmäßig zum schwarzen Kaffee, zum »Dreier« und der sich immer erneuernden Zigarre in unser Puppenstübchen, Behagen verbreitend, wie kaum ein anderer. Nach dem Tarock ging's tagtäglich über den Gmundner Berg, dessen Sohle damals noch kein Schienenstrang durchschnitt. Bei hellem Himmel hob sich der Traunstein und das Tote Gebirge bis zum Hohen Priel immer gewaltiger heraus; bei besonderem Wolkenstand erlebten wir mehr als einmal Felsenglühen, das uns mächtiger packte als Alpenglühen in der Fusch. Der Riesenblock des Traunsteins glich minutenlang einem ungeheuren, über dem grünen Seespiegel purpurrot aufflammenden Eisenklumpen, bis er sich jählings aschgrau, leichenfahl entfärbte. Es fiel angesichts dieses einzigen Naturschauspiels keinem von uns ein, Worte zu machen. Mir genügte es, Goldmark im Auge zu behalten, wie er sich schweigend mit den Blicken förmlich festsaugte an dem Farbenspiel von See, Gebirge, Obstbäumen, Matten und Ackerland. Nicht weniger scharf achtete er auf die sauren Tagewerke und seltenen Lustbarkeiten der Bauernschaft, auf fluchende Fuhrleute, jodelnde Sennerinnen und so manchen auf dem Altmünsterer Tanzboden mit Schnadahüpfeln und Raufereien ausgehenden Festschmaus, so daß ich, wenn immer – das letztemal bei der Gedenkfeier des Tonkünstlerorchesters – seine gelungenste Symphonie »Ländliche Hochzeit« laut wird, an Goldmarks Gmundner Gänge denken muß. Wie Alpenluft weht es uns aus dieser 1875 entstandenen Schöpfung an: Jauchzen und Dörpertanz, Liebesklage und Liebeslust unseres Bergvolkes erneut sich künstlerisch gesteigert in Goldmarks Pastorale“.


    Es liegt natürlich nahe, dass sich Goldmark auch mit Brahms während der Sommeraufenthalte des Hamburger Komponisten traf. Sie machten schon 1878 eine gemeinsame Italienreise. In einem Brief vom 7. September 1890 an Olga von Millzer zu Aichholz antwortete Brahms auf deren Einladung: „Sehr geehrte Frau. Verbindlichen Dank, daß Sie mich so liebenswürdig erinnern. Wenn nichts Besonderes dazwischen kommt, denke ich am 12. mit dem 12 Uhr-Zug hinüber zu fahren und freue mich Sie alle und Goldmark zu sehen. Mit herzlichem Gruß. Ihr sehr ergebener Johannes Brahms.“


    Die beiden damals sehr bekannten Komponisten, wurden regelmäßig von der Familie Miller-Aichholz eingeladen, wie auch die Tagebucheinträge der Hausherrin bezeugen. Etwa am 8. September 1891: „Um 12 Uhr fuhren Victor und Gänsbacher am Bahnhof von wo sie um ½ 1 Uhr mit Brahms und Mandyczweski zurückkamen. Wir saßen noch etwa eine Stunde im Garten, dann kamen Goldmark, Holbein und Heß und es wurde gespeist.“ oder 27. September 1891: „ […] Nachdem Victor mit Brahms hier war, und wir etwa ¼ Stunde noch vor dem Haus saßen, erhob sich ein Wind der bald so arg wurde, daß wir in’s Zimmer gingen. Goldmark’s mit Schmerzen erwartet kamen gegen ¾ 2 Uhr, worauf natürlich gleich zu Tisch gegangen wurde. […]“ oder 11. Juni 1893: „Um 1 Uhr etwa, nachdem vorher schon Holbein gekommen war, kamen Brahms und Goldmark mit Victor, Franz kam natürlich wieder um eine Viertelstunde zu spät, […] Nach Tisch fuhren zuerst ich und die Kinder mit den Pony’s bis zur Bank wo uns dann endlich die Schimmeln einholten. Brahms, Goldmark und Victor fuhren in dem Wagen. Sie wollten nach Traunkirchen fahren, […]“ oder am 15. Juni 1893: „Victor schickte Goldmarks Bücher an Brahms und schrieb ihm eine, mit seiner kleinen Photographie versehene Karte, anfragend, ob es dabei bleibe, daß er Sonntag kommt.“ oder am 18. Juni 1893: „Der erste heiße Tag! Victor fuhr zur gewöhnlichen Zeit am Bahnhof um Brahms zu holen der richtig kam, dann fuhren beide um Goldmark und kamen erst ¼ 2 Uhr worauf bald zu Tisch gegangen wurde. […]“


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    Bild: âme


    Solcher Einträge gibt es noch einige weitere. Demnach kann man schließen, dass Brahms und Goldmark viel Zeit miteinander am Traunsee verbrachten und allem Anschein nach miteinander befreundet waren.


    Zwar ist dort heute nicht das vom damaligen Hausherrn der Goldmark-Wohnstätte angekündigte Museum, einen Vorteil hat das einstige Sommerquartier des Komponisten trotzdem. Etwas das sich sicher viele Bewunderer ihrer Lieblingskomponisten wünschen würden: Es gibt im gleichen Gebäude die Möglichkeit eine Ferienwohnung zu mieten. Aber soweit ich mich jetzt erinnern kann, ist auch das einstige Brahms-Quartier Schloss Leonstein in Pörtschach heute ein Hotel.


    Es könnten noch weitere Besuche anderer Komponisten abgehandelt werden, etwa Hugo Wolf der mehrmals in Altmünster wohnte, oder Anton Bruckner, welcher kurz vor seinem Tod seinen Freund Johann Evangelist Haber in seiner Gmundner Wohnung in der Habertstraße 2 besuchte.


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    Bild: âme


    Schön wäre es noch gewesen über einen Traunsee-Aufenthalt vom „Amadé“ oder „Ludwig“ zu schreiben. Bei Mozart wäre es ja bei den jugendlichen Wien-Aufenhalten, bzw. seinem Salzburg-Besuch 1783 von der Strecke her nicht mal so abwegig gewesen, einen kurzen Abstecher bei der Rückreise zu machen (obwohl es wohl nur beim 2. Wien-Aufenthalt mit Ende September halbwegs erträgliche Temperaturen gab). Doch reine Erholungsaufenthalte kamen erst zur Biedermeierzeit in Mode und selbst Schwester Nannerl wurde ab 1784 nicht in St. Gilgen besucht. Beethoven schien sich vor allem nach 1800 überwiegend mit dem Wienerwald zu begnügen (abgesehen von Mährisch-Schlesien 1806, Teplitz-Karlsbad-Franzensbrunn 1811 und 1812, Kurzaufenthalte in Retz, sowie der für mich noch mikrigeren Landschaft um Gneixendorf 1826. Diesen Aufenthalt hat er auch nur seinem Bruder zuliebe dort verbracht). Er wurde auch mal in einem Brief vom 15. November 1819 von Aloys Weißenbach in die Umgebung Salzburgs eingeladen. „Geht der Schnee wieder vor unsern Bergen weg – ich werde Ihnen keine Ruhe lassen – dann müßen Sie kommen. Sie werden sich in unsre große, herrliche Natur hinein leben und nicht mehr von ihr lassen. Wie der Singvogel <uber> der Berge mit den Blüthen <herüberfliegt uber das Gebirg und das stille> alle Jahre kommt, und das stille, dunkle Gebüsch aufsucht in den Klüften und an dem Bergbach, werden auch Sie heraufziehen in Fruhlingstägen und ein kehren in der Felsen hütte. wird Sie nimmer sehen. Dort ist wohl auch eine schone Natur; aber in Vergleich mit der unsrigen ist sie nur das Excrement dieser. Was soll Ihnen auch der Aufenthalt dort für Trost bringen? Im Grund ist Modling auch nur einer der Retiradewinkel wo die <Natur> Kaiserstadt im Sommer <Ih> ihre Winter-Infarctus absetzt. Es ist wahrlich nicht <erträ[g]lich und> erquicklich, auf den Hügeln und Matten dem Sündervolk aus der Stadt zu begegnen, im welchem nichts zu der Natur in jener Umgegend paßt, als die falschen Herzen zu den falschen Schlößern. Kommen Sie also gewiß und bringen Sie mit, ohne das Ihre Seele nimmer frey ist auf Erden – Ihren Neffen.“


    Bekanntlich hat sich Beethoven nicht darauf eingelassen, dafür war er dann wohl auch zu sehr Pragmatiker. Ein wichtiger Grund warum er sich, bis auf die bereits erwähnten wenigen Ausnahmen, nicht unweit von Wien bei seinen Sommerresidenzen entfernt hat, waren die dort schon bestehenden, für ihn wichtigen Kontakte. Gute Freunde, Verleger, Musiker, Verpflichtungen ggü. seinen Förderern, etc. Aber so naturliebend wie er war, hätte er beispielsweise dem Salzkammergut sicherlich auch viel abgewinnen können.


    Gustav Mahler war zwar im Salzkammergut, nämlich bei Steinbach am Attersee (Sommermonate 1893, 1894, 1895 und 1896). Nach den Schilderungen von Natalie Bauer-Lechner, dürfte er aber so verwurzelt mit dieser Umgebung, sowie in seine Kompositionsarbeit vertieft gewesen sein, dass es eher unwahrscheinlich erscheint, dass er auch einmal Ausflüge zu anderen Seen unternahm. Beispielsweise beträgt die kürzeste Verbindung von Steinbach zum Traunsee immerhin mehr als 20 km Wegstrecke, welche über Hügel- und Berglandschaft führt. Ohne Auto oder Bahn nicht so einfach zu bewältigen.


    Von links nach rechts: Gmunden, Grünberg und Traunstein


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    Bild: âme


    Ich freue mich natürlich über jegliche Ergänzungen und auch generelles Feedback.


    Wie man sich vorstellen kann, habe ich für diese Zusammenstellung einige Quellen hinzugezogen. Auch wenn das keine wissenschaftliche Arbeit ist möchte ich trotzdem gerne die besonders nützlichen gerne erwähnen:


    Arnbom, M.-T. (2019). Die Villen vom Traunsee: wenn Häuser Geschichten erzählen. Amalthea Verlag.


    Dürr, W., & Krause, A. (2015). Schubert Handbuch (ungek. Sonderausgabe). Bärenreiter Metzler.


    Kalbeck, M. (1914). Johannes Brahms IV. Erster Halbband: 1886-1891, Zweiter Halbband: 1891-1897. Berlin.


    Spitzbart, I. (1997) Brahms-Besuche bei der Familie Miller-Aichholz in Gmunden. Nach Quellen der Brahms-Sammlung des Kammerhofmuseums der Stadt Gmunden. In: Internationaler Brahms-Kongress Gmunden 1997, Seeschloss Ort 23-27. Oktober Programm.

    Erich Wolfgang Korngold


    Am 25. Februar 1933 kaufte das Ehepaar Korngold das alte Gut „Höselberg“ an der Adresse Gschwandt bei Gmunden, Schlossberg 1. Der Komponist hielt sich in der Vergangenheit schon des Öfteren als kurzweiliger Gast am Traunsee auf. Die Wahl hier auch ein Gut zu kaufen, scheint vielleicht ebenso durch die verwandtschaftliche Verbindung Luzi Korngolds zur Familie Löwenthal in Traunkirchen bekräftigt worden, oder mit ausschlaggebend gewesen zu sein. Sie hält ihre ersten Eindrücke folgendermaßen fest:


    „Es war später Nachmittag und bereits dunkel, als wir den ziemlich steilen Aufstieg, der durch ein Wäldchen führte, unternahmen. Als wir aus der Lichtung traten, lag auf dem Gipfel des Hügels das Gebäude vor uns: kein Schloss, sondern ein uralter, bezaubernd schöner, langgestreckter Bauernhof, auf dem ein vormaliger Besitzer, Fürst Sulkowski, an einer Seite ein Stockwerk samt kleinem Türmchen aufgebaut hatte. Wir arbeiteten uns durch den hohen, glitzernden Schnee voran. Vor dem alten Teil des Hauses stand die unvermeidliche große Linde, der >Schlosshof< warumrahmt von schweren alten Tannen. Als hätten wir all das schon erlebt, gingen wir >nach Hause<: und als wir dann erst vor der eichnen Türe standen, in die die Jahreszahl 1769 eingekerbt war, und in das niedrige, mit gotischen Bögen überdachte Vorhaus eintraten, da waren wir zu Hause. Ein merkwürdig modriger Geruch von alten Mauern und altem Holz schlug uns entgegen, eine vertraute, anheimelnde Atmosphäre umgab uns.“


    Weiters erfährt man in dieser Erinnerung, dass das Gebäude 18 Zimmer besaß und an diesem auch eine Hühnerfarm angrenzte.


    Die Zeiten wurden aber für die Korngolds aufgrund der sich immer stärker zuspitzenden politischen Lage, auch zunehmends prekärer. Erich Wolfgang Korngold hatte noch Glück im Unglück, indem ihm Max Reinhardt Angebote aus Hollywood verschaffen konnte. Zunächst pendelte er noch im ständigen Wechsel: Im Winter in Kalifornien, in der warmen Jahreszeit in Österreich. Die an der Wiener Staatsoper geplante Uraufführung seiner letzten Oper „Die Kathrin“, welche noch 1937 am Traunsee komponiert wurde, hatte man gestrichen. Korngold war zwar schon in Hollywood sehr erfolgreich, denn er erhielt schon 1936 die Oscar-Nominierung als beste Filmmusik für die Arbeit an „Captain Blood“ und im Folgejahr konnte er sogar die Goldstatue für „Anthony Adverse“ gewinnen. Doch hielten die Korngolds mit Zweckoptimismus und einer gewissen Verdrängung der Tatsachen, noch immer an der alten Heimat fest. „Wir glaubten immer noch – mehr mit dem Herzen als mit dem Verstand, daß wir eine Heimat hatten, in die wir zurückkehren konnten, die wir nicht verlassen wollten. Es war Selbstbetrug, eine holde Täuschung: das naiv-zuversichtliche >Uns-kann-nichts-Geschehen< glücklicher Menschen. So träumten wir im Winter bei strahlender kalifornischer Sonne von unseren regenfeuchten Wiesen daheim“, erinnerte sich Luzi Korngold.


    So retteten sie nicht selbst ihr Leben, sondern ein Telegramm aus Hollywood. Nur wenige Wochen vor dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich, bekam Korngold das Angebot die Filmmusik zu „Robin Hood“ zu schreiben. Noch während dieser in Hollywood daran arbeitete, versuchten die Nazis sein 1933 erworbenes Gut zu enteignen. Zwar versuchte Korngold diesen zuvorzukommen und es an einen gewissen Alfred Demelmayer zu verkaufen. Doch bei Erkundigungen über dessen Person lehnten diese den Verkauf ab, da Demelmayer sich sogar als Gegner der NSDAP entpuppte. 1941 kam es dann schließlich zur Enteignung. Das Anwesen war damit im Besitz des Deutschen Reichs und wurde als Quartier für im Reichsarbeitsdienst arbeitende Frauen umfunktioniert.


    Als die Korngolds 1949 wieder an diesen Ort zurückkamen, wurden sie diesmal als Gmundner Hotelgäste mit einem verwahrlosten Gut „Höselberg“ konfrontiert. „In jedem Zimmer vegetierte eine Familie, das Mobiliar bestand aus Kisten und dürftig zusammengetischlerten Betten. Von unseren Möbeln war kein einziges Stück übriggeblieben, die schöne uralte eichene Haustür war aus der Wand gerissen und wahrscheinlich verheizt worden, der Stuckplafond durch einen Rohrbruch traurig zerstört.“ Zwar wird diesen der Besitz wieder zugesprochen, doch die Korngolds möchten verständlicherweise nicht mehr darin wohnen.


    Erich Wolfgang Korngold wollte sich zunehmend wieder der absoluten Musik zuwenden und komponierte Werke wie das Violinkonzert D-Dur, Symphonische Serenade B-Dur, oder die Symphonie Fis-Dur. Bei Publikum und Kritikern fanden diese Werke damals jedoch großteils keinen Anklang. Eines seiner bekanntesten Werke ist die Oper „Die tote Stadt“ von 1920, welche auch das Zitat zu seinem Grabstein auf dem Hollywood Forever Cemetery in Los Angeles liefert: „Glück, das mir verblieb.“


    Das Schloss scheint es noch heute zu geben.


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    Bild: Kurier/Archiv Marie-Theres Arnbom

    „Glück, das mir verblieb“ (Mariettas Lied) aus „Die tote Stadt“

    Arnold Schönberg


    Insgesamt besuchte Schönberg den Traunsee zwischen 1905 und 1923 sechs Mal. Zunächst etwas abseits von Gmunden an der ruhigeren Ostseite des Sees. 1907 und 1908 war dies das „Preslgütl“ (Traunsteinstraße 189 rechtes Gebäude, scheint mit ein paar Modernisierungen in der Grundsubstanz noch erhalten zu sein). Die Besonderheit: Mehrere Schüler wie Zemlinsky, Webern, oder Horwitz wohnten im näheren Umkreis von wenigen hunderten Metern. Bei der ersten Hälfte dieser Aufenthalte können zwei bedeutende Ereignisse genannt werden. Das eine musikalischer, das andere privater Natur. Er komponierte hier teilweise das 2. Streichquartett op. 10. „Dieses Quartett spielte eine große Rolle in meiner Entwicklung. Jedoch der entscheidende Schritt zur sogenannten Atonalität war jetzt noch nicht getan“, schrieb später Schönberg. Was den entscheidenden Schritt anbelangt, so gibt es in Fachkreisen Diskussionen, inwieweit dieser von dem anderen Ereignis ausgelöst wurde. Denn Schönberg hatte 1907 nicht nur seine Schüler, sondern auch den damals aufstrebenden Maler Richard Gerstl nach Gmunden eingeladen. Nachdem es 1907 Skandale bei Konzertaufführungen mit seinen eigenen Werken gab, wollte Schönberg sein Leben ein Ende setzen und Gerstl konnte ihn wieder psychisch aufbauen. Daraus entstand eine Freunschaft, welche sich aber noch als verhängnisvoll erweisen sollte. Schönberg erwischte nämlich diesen am 26. August 1908 in flagranti mit seiner Ehefrau Mathilde. Diese reagierte alles andere als reumütig, sondern flüchtete mit dem neuen Liebhaber zunächst in ein Hotel in Gmunden. Am nächsten Tag reiste das sich neu gefundene Liebespaar nach Wien zurück. Nachdem Schönberg die Bilder seines Widersachers bis auf eine Ausnahme vernichtete, eilte er schnell hinterher, konnte auch schließlich die untreu gewordene nach drei Tagen finden und zur Rückkehr überreden. Für Schönberg sicherlich ein einschneidendes Erlebnis. Tragischer erging es aber dem Maler, auch wenn er versuchte so weit es ging Mathilde weiterhin heimlich zu treffen. Die Unmöglichkeit einer normalen Beziehung mit Mathilde und der Verlust Schönbergs als Freund, konnte dieser nicht mehr überwinden. Er beging noch im gleichen Jahr, am 4. November 1908 Selbstmord. Schönberg fürchtete um einen öffentlichen Skandal und bat den Bruder Gerstls als Motiv „…etwa Kränkung über Mißerfolge als Grund anzugeben.“


    2. Streichquartett op. 10


    Danach kam es auch unüberhörbar zu einer zunehmenden Atonalität in seiner Musik.


    Weniger aufreibend verliefen die drei späteren Aufenthalte, auch wenn hier ebenso nicht alles ungetrübt war.


    Arnolds Schönbergs Bruder Heinrich war mit der Wirtshaustochter Berta verheiratet. Da diese aus Mattsee kam, wollte der Komponist dort 1921 seinen Sommeraufenthalt mit seiner Familie verbringen. Jedoch herrschten dort schon deutliche antisemitische Tendenzen vor. Es wurde etwa von der Gemeindevertretung vor den „…Folgen einer etwaigen Verjudung“ gewarnt und startete einen öffentlichen Aufruf, Zimmer nicht an Juden zu vermieten. Schönberg wollte sich der gehässigen Gesinnung gegen ihn und seiner Familie verständlicherweise nicht weiter aussetzen und suchte somit einen anderen Aufenthaltsort. Durch seine Freundin Eugenie Schwarzwald, kam er in Kontakt mit Anka Löwenthals Villa „Josef“ in Traunkirchen, Alte Post 5.


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    Bild: âme


    Zu Zeiten des Biedermeiers waren es Max und Sophie Löwenthal, welche zu zahlreichen Wiener Kunstschaffenden, wie etwa Franz Schubert und dessen Freund Joseph von Spaun, einen guten Kontakt pflegten. Ihr Sohn Arthur ließ die neue Villa „Anka“, benannt nach seiner Ehefrau, in Traunkirchen bauen. Baronin Anka von Löwenthal war damals sehr umtriebig. Sie war professionelle Malerin, engagierte sich für wohltätige Zwecke und war Ehrenpräsidentin der Künstlergilde Salzkammergut. Als von den Löwenthals noch zwei weitere Villen im Ort gebaut wurden, hatte man diese nach den zwei Kindern „Josef“ und „Karl“ benannt.


    Schönberg schrieb dem Verleger Emil Hertzka am 17. Juli einen Brief aus Traunkirchen, in welchem auch die nicht sonderlich große Beliebtheit seiner Musik mit Galgenhumor thematisiert wird: „Liebster Freund, nun sind wir seit 14. hier. Es war zum Schluß sehr hässlich in Mattsee. Die Leute dort haben mich scheinbar so verachtet, wie wenn sie meine Noten kannten. Geschehen ist uns sonst nichts.“


    Die Schönbergs konnten zu der Villa „Josef“ auch einen Privatstrand und eine Bootshütte nutzen. Der Komponist hatte aber nicht nur Sonnenbaden und Rudern im Sinn. Er gibt Schülern Unterricht und veranstaltet auch ein Wohltätigkeitskonzert mit diesen.


    Den Sommer im Folgejahr kommt er wieder zum Traunsee, jedoch wählte er diesmal die Villa „Spaun“ im selben Ort. Wie bereits erwähnt, wohnte der Schubertfreund Joseph Spaun ebenso zeitweise an diesem Gewässer. Dieser hatte als Lottodirektor mittlerweile genug Vermögen, um 1848 das ehemalige Hofrichterhaus in Traunkirchen, Kalvarienberg 4 (meist wird fälschlicherweise Klosterplatz 4 angegeben, die Adresse des gegenüberliegenden Gebäudes) kaufen zu können. Dort gründete er auch eine Schwimmschule, welche im Laufe der Zeit auch zunehmend gefragt war, da es zu diesen Zeiten sehr viele Leute gab die nicht schwimmen konnten. Nach Joseph Spauns Tod erbte seine Frau Franziska das Haus. Diese versuchte es auch später zu verkaufen, kam dann aber auf die Idee das Anwesen am See besser zu vermieten. Auch mit Anka Löwenthal bestand eine sehr enge Freundschaft, welche sich sogar ein Zimmer in der Villa Spaun selbst gestaltete.


    Zu Schönbergs Zeiten besaß der Enkel von Joseph Spaun die Villa: Hermann Roner. Zu diesen Zeiten schmückte ihn auch der Baron-Titel und hatte als einstiger Geiger gute Kontakte zur Wiener Musikszene. Zudem schien er der modernen Musik gegenüber durchaus aufgeschlossen zu sein. Er brachte Arnold Schönberg dazu sich in den Sommermonaten der Jahre 1922 und 1923 in diesem Haus einzumieten. Wie bei Schönberg nicht unüblich, schrieb er auch Roner am 19. April 1923 seine Bedingungen in Form einer Auflistung:


    „1. Ich miete für die Saison 1923 (von Ende Mai bis Mitte Oktober) die Räume, die ich im vorigen Jahre in der Villa Roner bewohnt (unten: ein Zimmer und Küche, oben: 3 Zimmer, ein Saal und Nebenräume), bin jedoch damit einverstanden anstelle des vorjährigen Parterrezimmers, die beiden unter der Veranda gelegenen kleinen Zimmer (jedoch unbedingt beide!) zu akzeptieren.


    2. Unter der Voraussetzung, dass wirklich die Mietzinse im Ort heuer eine solche Höhe erreichen werden, bin ich auch bereit, den geforderten Zins von zweihundert holländischen Gulden (d.i. derzeit ungefähr 5 580 000 ö.K.) zu bezahlten, ersuch jedoch etwas Geschirr beizustellen, da das für mich sonst zu teuer kommt.


    3. Bitte ich Sie zur Kenntnis zu nehmen, dass mein Sohn als Schüler der Musikakademie Waldhorn lernt und, wie ich mir auch erlaubt habe mitzuteilen, doch zwei Stunden im Tag in einem unserer Wohnräume wird üben müssen (leider: es wird mich selbst stören); ich setze also voraus, dass alle in Betracht kommenden Mitbewohner ihre Zustimmung dazu geben un sich bereit erklären im gemeinsamen Einvernehmen diese Zeiten so zu wählen, dass auch mein Sohn nicht allzuviel von seiner Sommerfreiheit verliert.“


    Später erklärt Schönberg noch in einem Brief, dass er die kleinen Zimmer unter der Veranda haben wollte, da er dachte, dass „…vielleicht von dort aus Görgis Horngebläse keinen so grossen akustischen Schaden anrichten dürfte,…“


    Natürlich war Schönberg auch bei diesen Aufenthalten nicht tatenlos. Er schrieb am 26. Juli 1922 Alban Berg: „Lieber Berg, ich muss hier in Traunkirchen wieder ein Wohltätigkeitskonzert veranstalten. Voriges Jahr war das leichter, weil so viele meiner Schüler da waren. Heuer bin ich in einiger Verlegenheit.“ Schließlich konnte er doch noch die Sängerin Erika Stiedry-Wagner und den Cellist Wilhelm Winkler auf der Durchreise vom Salzburger Kammermusikfest nach Wien abfangen. Bei all den Konzerten seiner Sommeraufenthalte in Traunkirchen, standen übrigens nie Schönbergs eigene Werke auf dem Programm. Wahrscheinlich fürchtete er dann ähnliche Feindseligkeiten wie in Mattsee hervorrufen zu können. Dafür hat es nicht viel Paranoia gebraucht, da er in den Publimsreaktionen schon erfahren war. Vor allem das Skandalkonzert 1913, auch bezeichnenderweise „Watschenkonzert“ genannt, steht an der Spitze einiger - euphemistisch ausgedrückt - misslungener Werksaufführungen des Komponisten.


    Dem Arnold Schönberg Center zufolge, komponierte Schönberg im Juli 1921 sein erstes Zwölftonwerk in Traunkirchen.


    Das Präludium aus der Suite op. 25


    1922 entwarf er am selben Ort eine Transkription des Bach-Choral „Schmücke dich, o liebe Seele“ für großes Orchester.


    Die beiden Villen in der Schönberg sich einst in Traunkirchen einmietete, sind bis heute erhalten geblieben. In der ehemaligen Spaun-Villa lebt noch heute ein musikalischer Nachfahre der Spauns. Die Villa Josef ist im Besitz einer Wohnungseigentumsgesellschaft. Die Villa Spaun:


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    Bild: âme


    Das Preslgütl 1920 (im rechten Haus wohnte Schönberg, das linke Gebäude wurde mittlerweile durch ein anderes Gebäude ersetzt)


    Presgutl-1024x935.jpgBild: richardgerstl.com

    Schönberg in Traunkirchen 1922. Von links nach rechts Schwiegersohn Felix Greissle, Tochter Gertrud, Arnold Schönberg, Ehefrau Mathilde und Sohn Georg:

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    Béla Bártok


    Bártok wohnte von 9. August bis Ende September 1903 in Gmunden, Badgasse 5 (auch Graben 4). Wer diese Abhandlung nicht erst hier zu lesen begonnen hat, wird diese Gasse gleich in einen anderen Zusammenhang bringen. Im Gegensatz zu der ein paar Schritten entfernten Schubertstätte kann man hier aufgrund der Fassade tatsächlich einen, zum. bis zu diesem Bártok-Aufenthalt zurückreichenden, erhaltenen Zustand vermuten. Dieses Gebäude steht auch im Gegensatz zu der Badgasse 2 unter Denkmalschutz. Ein anderer Zusammenhang lässt sich mit diesem Aufenthalt ebenso herstellen. Der Aufenthalt wurde durch Brahms „Spezialfreund“ Viktor von Miller zu Aichholz veranlasst. Der Gmundner Kunstmäzen wurde auf den jungen Bártok aufmerksam und vermittelte darüber hinaus auch Hilfe bei der Instrumentenbeschaffung. Ludwig Bösendorfer lieh für diesen Aufenthalt, aber auch für seine Wiener Wohnungen seine Flügel. Der Komponisten bedankte sich dafür in einem Brief von 1903: „Ich freue mich wirklich sehr, endlich auf einem guten Flügel mit englischer Mechanik üben zu können.“


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    Bild: âme


    In den Chroniken aus Bártoks Leben kann man lesen:


    „9. August 1903


    Bartók fährt nach Gmunden und wohnt dort in der Badgasse 5. Er isst mit der Familie Dohnányi zu Mittag, mit Johannes Kössler macht er einen Ausflug nach Trautmannsdorf. […]Er schreibt am 9. August in einem Brief an Emsy Jurkovics über die wunderbare Wirkung der Berge auf ihn, aber auch über seine Sehnsucht nach der großen ungarischen Ebene. “


    Zunächst könnte man denken es handle sich um sein Tagebuch und Bártok schrieb von sich in dritter Person, was dem Ganzen einen etwas skurillen Beigeschmack geben würde. Ich bin kein Bártok-Experte aber es scheint als habe der Sohn eine Zusammenstellung aufgrund anderer Quellen verfasst und ist in Béla Bartók jr. „Apám életének krónikája“ nachzulesen (Die Chronik des Lebens meines Vaters).


    Angeblich beendete er hier am 18. August seine sinfonische Dichtung „Kossuth“.


    Kossuth

    Franz Schubert


    Schubert war im Haus Badgasse 2 / Theatergasse 8 vom 4. Juni bis 15. Juli 1825 in Gmunden zu Gast. Brieflich geht er in zwei Briefen nur recht kurz darauf ein. Einmal ist er an Spaun gerichtet und wurde am 21. Juli 1825 in Linz verfasst:


    „In Steyer hielt ich mich nur 14 Tage auf, worauf wir (Vogl u. ich) nach Gmunden gingen, wo wir 6 volle Wochen recht angenehm zubrachten. Wir waren bei Traweger einloschirt, der ein prächtiges Pianoforte besitzt, u. wie du weißt, ein großer Verehrer meiner Wenigkeit ist. Ich lebte da sehr angenehm u. ungenirt. Bei Hofrath v. Schiller wurde viel musicirt, unter andern auch einige von meinen neuen Liedern, aus Walter Scotts Fräulein am See, von welchen besonders die Hymne an Maria allgemein ansprach.“


    Ferdinand Traweger war ein Kaufmann und Franz Ferdinand Ritter v. Schiller Vorstand des k.k.-Salzoberamts in Gmunden. Zudem war Schubert auch im Hause des Lehrers Johann Nepomuk Wolf musikalisch beteiligt (Gmunden, Kirchenplatz 1). Mit dessen Tochter Anna (Nanette) spielte Schubert vierhändige Klavierstücke. Diese begleitete auch Johann Michael Vogl zum Gesang, welcher mit Schubert diese Reise unternahm. Johann von Gyra, welcher der Schwager des Sohnes von Traweger war, teilte einmal brieflich auf Nachfrage mit, dass Schubert mit ihm in Kontakt kam, weil sein Haus für alle Künstler offen stand und schon von manch Schubert-Freunden und -Bekannten wie etwa Holzapfel oder Bauernfeld empfohlen wurde.


    Am 25. Juli 1825 schreibt Schubert seinen Eltern aus Steyer:


    „Ich bin jetzt wieder in Steyer, war aber 6 Wochen in Gmunden, dessen Umgebungen wahrhaftig himmlisch sind, und mich, so wie ihre Einwohner, besonders der gute Traweger innigst rührten, und mir sehr wohl taten. Ich war bei Traweger wie zu Hause, höchst ungenirt. Bei nachheriger Anwesenheit des Hrn. Hofrath v. Schiller, der der Monarch des ganzen Salzkammergutes ist, speisten wir (Vogl und ich) täglich in seinem Hause, und musicirten sowohl da, als auch in Trawegers Hause sehr viel. Besonders machten meine neuen Leider, aus Walter Scotts Fräulein am See, sehr viel Glück. Auch wundert man sich über meine Frömmigkeit, die ich in einer Hymne an die heil. Jungfrau ausgedrückt habe, und, wie es scheint, alle Gemüther ergreift und zur Andacht stimmt. Ich glaube, das kommt daher, weil ich mich zur Andacht nie forcire, und, außer wenn ich von ihr unwillkürlich übermannt werde, nie dergleichen Hymnen oder Gebete componire, dann aber ist sie auch gewöhnlich die rechte und wahre Andacht.“


    Der zuvor erwähnte Sohn Ferdinand Trawergers, Eduard, schrieb seine Erinnerungen später nieder. Er war erst 4 Jahre alt als Schubert im Elternhaus wohnte, meinte aber, dass er sich an manche Begebenheiten dennoch gut erinnern könne. Diese Erinnerungen, welche im Buch „Schubert. die Erinnerungen seiner Freunde“ nachzulesen sind, machen immerhin 3 Seiten aus und ich möchte nur kurz etwas davon herausgreifen.


    „Wenn Vogl sang und Schubert am Fortepiano akkompagnierte, durfte ich immer zuhören. Zu diesen Genüssen waren mehrfach Verwandte und Bekannte geladen. Solche Kompositionen vorgetragen, mußten die Empfindungen zum Ausdruck bringen, und war das Lied zu Ende, so geschah es nicht selten, daß die Herren sich in die Arme stürzten und das Übermaß des Gefühls in Tränen sich Bahn brach. […] Die Herren waren immer sehr gemütlich und heiter; sie machten Land- und Segelpartien, und mein guter Vater, der viel Unterhaltungsgabe besaß und es gut verstand, etwas zu arrangieren, war ganz selig. Er sprach von Schubert stets mit Begeisterung und hing ihm mit ganzer Seele an. […] so war die Zeit, in welcher der Brief ankam, der Schuberts Told meldete, eine wahre Tränenzeit. Vater und Mutter weinten viel, und wir Kinder weinten mit. Eine Menge Besuche kamen zu meinen Eltern; der Jammer war unter den Gebildeten allgemein. Dieser Trauerfall war lange Stadtgespräch.“


    Manche verbinden vielleicht die Begriffe Gmunden und Schubert mit der sogenannten „Gmunden-Gasteiner-Sinfonie“ welche sich schließlich als die große C-Dur Sinfonie D 944 entpuppte. Nach der „Neue Schubert-Ausgabe“ legen mehrere Indizien es nahe, dass er während der ausgiebigen Sommerreise des Jahres 1825 an dieser Sinfonie schrieb. Da diese nämlich zunächst falsch datiert wurde (1828) nahm man lange an, eine im Sommer 1825 komponierte Sinfonie sei verschollen. So schrieb beispielsweise Anton Ottenwald am 19. Juli 1825 aus Linz, bei welchem Schubert auch kurz zu Gast war: „Übrigens hat er in Gmunden an einer Symphonie gearbeitet, die im Winter in Wien aufgeführt werden soll.“ Nach Otto Bibas Recherchen soll ein Manuskript zwischen dem 28. November und 31. Dezember 1826 bei der Gesellschaft der Musikfreunde eingelangt und Schubert ein Betrag von 100 fl. ausbezahlt worden sein. Zudem möchte ich einwerfen dass 1828 schon von Haus aus wenig Sinn ergibt, wenn man bedenkt an welchen Werken er in den letzten Lebensmonaten komponierte (z.B. Messe Es-Dur D 950, letzten drei Klaviersonaten D 958, D 959, D 960, Klaviertrio Nr. 2 D 929, Streichquintett C-Dur D 956 und noch einiges mehr). Das wäre auch für den schnell und eifrig komponierenden Schubert eine kaum zu schaffende Arbeitsmenge gewesen.


    „Große“ C-Dur Sinfonie D 944


    Ich habe vor allem beim ersten Satz schon immer innerlich eine Art Berglandschaft in Verbindung gebracht, vor allem das ruhige Thema der Posaunen bei 5:14, hier greift Schubert den 2. Takt (das Eingangsthema) wieder verarbeitend auf, klingt für mich als würde etwa der Traunstein kurz zu einem sprechen.


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    Bild: âme


    Die am Gebäude angebrachte Gedenktafel der betreffenden Adresse behauptet, dass Schubert hier gewohnt habe (statt „an dieser Stelle stand das Haus…“ oder „hier stand“ wie es etwa bei Mozarts einstigen Wien-Behausungen des Öfteren zu lesen ist). Auch wenn ich keine nähere, offizielle Geschichte zu dem Haus finden konnte, sieht für mich zum. die Fassade nicht nach Biedermeier oder älterer Architektur aus (ich würde es demnach eher Anfang bis Mitte des letzten Jahrhunderts verorten) Auf der Liste des Bundesdenkmalamtes (bda.gv.at) der denkmalgeschützten Gebäude in Gmunden, ist dieses Haus jedenfalls nicht. Zudem wird die Glaubwürdigkeit der Gedenktafel nicht gerade untermauert, indem sie Schubert gleich 2 Jahre in diesem Haus wohnen lässt. Wenn dieses Gebäude in seiner Substanz original sein sollte dann wurde es zum. zwischenzeitlich stark verändert. Auf meiner Wunschliste steht mittlerweile „Diese göttlichen Berge und Seen“ von Oliver Woog, welcher über Schuberts Aufenthalte in Oberösterreich angeblich gründlich recherchiert haben soll. Sollten hier nähere Informationen über das Gebäude zu finden sein, könnte ich es nachtragen.


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    Bild: Gmundens Schätze/Holger Höllwerth


    Die Gedenktafel bei Schloss Ebenzweier in Altmünster behauptet auch einen mehrwöchigen Aufenthalt Schuberts. Tatsächlich war er dort nur kurz zu Gast. Leider keine Einzelfälle bei Gedenktafeln. Gemäß dem Spruch „Papier ist geduldig“ kann man das umso mehr auf Gedenktafeln anwenden. Eine nicht geringe Anzahl an solchen Gedenktafeln haben dann kaum mehr Wahrhaftiges wie Mozarts Pinkelstein in Hollabrunn, den man als Art Satire auf diese Unart des legendenstrickenden Gedenktafel-Marketings verstehen kann.

    Blick von Gmunden in Richtung Süden:


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    Quelle: âme