Die komponierenden Gäste des Traunsees (Brahms, Schubert, Schönberg,…)

  • Ich weiß, es gibt auch den Thread „Komponisten & Urlaub?“, doch möchte ich diese Thematik abseits davon hervorheben, da es beim Traunsee eine besondere Konzentration an Komponisten der Romantik und Moderne gab und es mir auch zu schade wäre, dieses auf einen See konzentrierte umfangreiche Essay (ich bin auf 14 A4-Seiten ausschl. Text gekommen) möglicherweise in Teilen untergehen zu lassen. Denn ich kann mir vorstellen, dass es nicht wenige Leser gibt, die sich bei neuen Beiträgen eines schon bestehenden Threads meist nur auf den letzten Beitrag konzentrieren und die zuvorgehenden automatisch für älter halten.


    Dass diese Abhandlung doch etwas länger wurde liegt nicht nur daran, dass ich sechs Komponisten herangezogen habe, sondern den auch manchmal interessanten Geschichten die damit verbunden sind. Wer an ausnahmslos belanglose Urlaubsepisoden denkt, liegt jedenfalls teilweise falsch. Es spielte sich hier etwa auch eine Liebestragödie mit späterem tödlichen Ausgang ab, eine Enteignung während des Nationalsozialismus, tiefe Trauer um einen verstorbenen Komponisten, oder ein etwas amüsantes Freundschaftsverhältnis ungleicher Männer. Eine der weltweit meist gespieltesten Sinfonien, oder das erste Zwölftonwerk in der Musikgeschichte wurden hier entworfen. Vorab: Keiner der hier präsentierten Wohnstätten ist als Museum besuchbar sondern in Privatbesitz, aber es sind noch einige Originalstätten vorhanden und von außen zu besichtigen. Es gibt in Gmunden auch ein Brahms-Museum, nämlich im Kammerhofmuseum. Im Folgenden werden die Aufenthalte von Brahms, Schubert, Bártok, Schönberg, Korngold und Goldmark behandelt.


    Ein paar grobe Daten zum Traunsee: Dieser ist mit 24,35 km2 der viertgrößte und mit 191 m der tiefste See Österreichs. Am Ufer liegen vier Hauptorte bzw. Gemeinden. Im Norden Gmunden (mit 13.251 Einwohnern auch schon als Kleinstadt zu bezeichnen), im Süden Ebensee (7.515 Einwohner) und an der westlichen Uferseite Altmünster (9.857 Einwohner) und Traunkirchen (1.680 Einwohner), welche noch jeweils eigens benannte Ortsteile haben. Etwa „Siegesbach“ oder „Imwinkl“ bei Traunkirchen, oder „Traunlneiten“ bei Gmunden. Da an der östlichen Uferseite der 1.691 m ü.A. hohe Traunstein, Großer Sulzkogel (1.105 m), Kleiner Schönberg (894 m), Hochlindach (917 m), Seeturm (1.256 m), sowie Loser (1.144 m) größtenteils steil in den See abfallen, gibt es hier bis auf den nordöstlichen Gmundner Teil (vor dem Grünberg) keine Siedlungen. Eine biologische Besonderheit: In dem See gibt es eine endemische Fischart, der Riedling.


    Johannes Brahms


    Dieser wohnte nicht direkt am Traunsee sondern besuchte bei seinen Sommeraufenthalten in Ischl des Öfteren die befreundete Familie Miller-Aichholz in Gmunden, Lindenstraße 11. Hier trafen sich auch andere Künstler, sowie Kunstkritiker wie etwa Joseph Joachim oder Eduard Hanslick. Das kam daher, da die Familienmitglieder einerseits wohlhabende Industrielle, aber auch gleichzeitig Kunstmäzene waren.


    Wie wurde aber Brahms zunächst auf diese Gegend aufmerksam? Mit 34 Jahren unternahm er im August 1867 gemeinsam mit seinem Vater Johann Jacob eine Reise um Österreich besser kennenzulernen. Dabei war er auch einige Tage im Salzkammergut unterwegs. Wahrscheinlich waren es diese Eindrücke die ihn dazu bewogen im Jahr 1880 zum ersten Mal in Ischl den sommerlichen Ausgleich von dem üblichen Wiener Stadtleben (er ließ sich ab 1871 endgütlig in Wien nieder) zu suchen. 1882 und schließlich alljährlich von 1889 bis 1896 war er dort wieder von Mai bis September ein Sommergast in der damaligen Salzburgerstraße 51, der heutige Vorsteherweg 3. Der Komponist und Dirigent Gustav Jenner (1865 – 1920) beschreibt die damaligen Umstände folgendermaßen:


    „Er wohnte in einem der letzten Häuser, etwas erhöht über der Straße gelegen, gegen Strobl zu. Da es an der Berglehne steht, so trat man aus dem Brahm’schen im oberen Stockwerk gelegenen Zimmer nach hinten sofort ins Freie; einige Schritte hin stand eine Bank und in wenigen Minuten war man im Wald, der sich hinter dem Hause oben vom Berge herunterzieht […]Die idyllische Ruhe und Einsamkeit wurde freilich dadurch etwas gestört, daß die Wirtsleute, brave und einfache Menschen, die den unteren Teil des Hauses bewohnten, mit Kindern reich gesegnet waren. Dieser missliche Umstand und die übergroße Einfachheit der Wohnung, die Brahms zuweilen Besuchern gegenüber ein wenig peinlich werden konnte, veranlasste ihn einmal, sich […] nach einer anderen Sommerwohnung in Ischl umzusehen. […] Als ich ihn fragte, wie es ihm gegangen, erzählte er mir, er habe nach einigem Suchen eine Wohnung gefunden, die ihm in jeder Weise zusagte. Da ihm aber vor der Rückreise noch ein wenig Zeit zur Verfügung gestanden, sei er aus Anhänglichkeit zu seiner alten Wohnung hinaufgepilgert; und nun seien ihm seine Wirtsleute so freundlich entgegengekommen, insbesondere hätten sich die Kinder so über seinen Besuch gefreut, daß er es nicht übers Herz bringen konnte, ihnen zu sagen, daß er eine andere Wohnung genommen, vielmehr habe er es ihnen als selbstverständlich hingestellt, daß er zum Sommer wiederkommen werde. Und so geschah es. Brahms […] bezog […] wieder seine alte Wohnung, der er bis an sein Lebensende treu geblieben ist.“


    Durch den Freund und Förderer Viktor von Miller zu Aichholz besuchte er dessen Villa in Gmunden zwischen 1890 und 1896 mehrmals. In diesen Sommeraufenthalten arbeitete er etwa am 2. Streichquintett C-Dur op. 111, an den sechs Quartetten für vier Singstimmen und Klavier „Zigeneuerlieder“ op. 112, an dem Trio für Klarinette, Violoncello und Klavier a-moll op. 114, an dem Quintett für Klarinette und Streichquartett h-moll op. 115, den sechs und vier Klavierstücken op. 118, op. 119 oder den Sonaten für Klarinette oder Viola und Klavier f-moll und Es-Dur op. 120.


    Schon 1880 schrieb er an seinen Freund Theodor Billroth: „Ischl aber muss ich sehr loben und da nur mit dem einen gedroht wird, daß halb Wien sich hier zusammenfindet, so kann ich ruhig sein – mir ist das Ganze nicht zuwider. Ich wohne höchst behaglich […]. Vielleicht hält dich das Klima ab; es ist sehr warme weiche Luft und regnet viel. Dagegen aber sind die Wohnungen, Wege und auch die Wirtshäuser gut.“


    Zu Viktor Miller-Aichholz verband Brahms wohl eine Art Hassliebe, denn der Kontakt zwischen den Beiden lief nicht immer reibungslos ab. Miller-Aichholz oder nach damaliger Schreibweise Miller zu Aichholz, war einst Klavierschüler des bekannten Julius Epstein und wurde dabei ausgewählt die Noten bei einer Probe eines Kammermusikwerkes von Brahms umzublättern. Angeblich tat sich dieser mit der schwer lesbaren Handschrift desjenigen schwer und traf dabei nicht immer den richtigen Zeitpunkt zum Umblättern. Brahms soll ihn daraufhin erzürnt weggejagt haben, woraufhin ihm der Gehilfe aus Scham nicht mehr begegnen wollte. Später kam es aber doch noch zu einer Zusammenkunft, welche die alten Wunden scheinbar vergessen ließen. Doch die Verbindung blieb, nach der Erinnerung Max Kalbecks, allem Anschein nach weiterhin recht speziell. Dieser war als Sommergast des Jahres 1893 in Ischl Augenzeuge folgender Begegnung:


    „Nachdem er sie mir alle neun – die Rhapsodie in Es-Dur Nr. 10 war noch nicht fertig – zweimal, und so mächtig, klangvoll, groß und zart, wie nur er es verstand, vorgespielt hatte, und wir aus dem Musikzimmer wieder in die Vorderstube hinüber gegangen waren, klopfte es. Brahms rief ein wenig ärgerlich ‚Herein‘! Zu unserer Freude erschien Miller zu Aichholz in der Türe, ließ sich aber nicht bewegen, Platz zu nehmen, trotzdem ihm von uns Beiden immer wieder versichert wurde, daß wir nichts weiter vorhätten, und er uns herzlich willkommen sei. Ohne Zweifel wäre er gern geblieben, denn er war eigens von Gmunden herübergekommen, um uns zu sich einzuladen, wie wir bald darauf erfuhren, wenn nicht Brahms mit der Faust auf den Tisch geschlagen, ihm den Rücken zugedreht und geschrien hätte: ‚Also denn nich‘! Miller zu Aichholz erschrak und verschwand. Als wir Beiden dann miteinander ins Hotel Elisabeth zu Tisch gingen, sagte Brahms, der seine Hitze bereits bereute: ‚Der Miller ist doch ein ganz famoser Kerl, wenn er nicht nur immer um Entschuldigung bäte, daß er überhaupt vorhanden ist. Ich habe mich vorhin höllisch zusammen nehmen müssen, um nicht grob zu werden‘“.


    Der Schilderung nach spielte Brahms hier seine sechs op. 118 und vier Klavierstücke op. 119. Als letztes Stück von op. 119 befindet sich die erwähnte Rhapsodie Es-Dur, Allegro risoluto. Resolut, das war dann wohl auch die musikalische Vorwegnahme von Brahms Reaktion gegenüber Miller-Aichholz.


    op. 119 Rhapsodie Es-Dur, Allegro risoluto


    Diese Stücke komponierte er während deses Sommeraufenthaltes zwischen etwa Mai und Anfang Juli, da er Clara Schumann die einzelnen Stücke je nach Fertigstellung separat zuschickte. Uraufgeführt wurden diese jedoch von der damals jugendlichen Ilona Eibenschütz die sich später 60jährig an den Sommer 1893 erinnerte:


    „Es war ein unvergessliches Vergnügen für mich, als Brahms eines Tages im Sommer 1893 nach dem Abendessen zu mir sagte: ‚Ich werde Ihnen vorspielen, was ich gerade komponiert habe. Ich möchte, dass Sie es einstudieren.’ Nur meine Familie durfte zuhören, aber nicht im Musikzimmer, sondern von draußen, auf der Treppe. Er probierte nur kurz das Klavier aus und begann zu spielen, die g-Moll-Ballade, die Intermezzi, schließlich alle Klavierstücke Opus 118 und 119. Er spielte, als würde er improvisieren, mit Herz und Seele, manchmal vor sich hin summend, alles um sich herum vergessend. Sein Spiel war alles in allem groß und edel, wie seine Kompositionen. Es war natürlich die wundervollste Sache für mich, diese Stücke zu hören, von denen noch niemand etwas ahnte. Ich war die erste, für die er sie spielte. Als er fertig war, war ich sehr aufgeregt, und wusste kaum, was ich sagen sollte. Ich murmelte nur, ich müsse sofort darüber an Frau Schumann schreiben. Er sah mich an und sagte: ‚Aber sie haben Ihnen doch gar nicht gefallen! Wie können sie etwas darüber schreiben?’ Und mit einem Augenzwinkern fügte er hinzu: ‚Sie haben nicht ein einziges Stück Da Capo verlangt!’ Ich war geistesgegenwärtig genug zu antworten: ‚Ich würde sie am liebsten alle Da Capo hören, aber nicht heute!’ Er lachte und spielte sie mir ein paar Tage später noch einmal vor. Einige Monate danach spielte ich die Uraufführung der Stücke in den Monday Popular Concerts in London.“


    Mein Lieblingsstück und soweit ich das mitbekommen habe, auch das allgemein beliebteste von den 10 Stücken op. 118, op. 119. Man kann sich hier besonders gut die musikalisch verarbeiteten Gefühle zu Clara Schumann vorstellen.


    op. 118, Intermezzo. Andante teneramente


    Was zu Beethovens Zeiten Baden war, dass war Ischl (das heutige „Bad Ischl“) gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Durch die Wahl des Kaisers (Franz Joseph I.) als alljährliche Sommerresidenz entwickelte sich der damals etwa 8.000 Einwohner zählende Kurort zum Hotspot für die Wiener High Society. Die angesagteste Adresse für die erholungssuchenden „Promis“ wie man heute sagen würde. Weitere Komponisten wie Franz Lehár, Anton Bruckner, oder Johann Strauß Sohn kamen regelmäßig dorthin. Hier ist auch das bekannte Foto aus dem Jahr 1894 entstanden, auf welchem Brahms auf der Veranda des Letztgenannten zu sehen ist und Beide einen eher unerfreulichen Gesichtsausdruck zum Besten geben, als hätte sie gerade ein Paparazzi erwischt.


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    Bild:redd.it/Colorized History

    In dieser Strauss-Villa haben sich Ilona Eibenschütz und Johannes Brahms kennengelernt. Deren Familie war dort ebenso öfters zu Gast und diese spielte bei einem der musikalischen Zusammenkünfte auch den Klavierpart von op. 25. Brahms konnte wohl damals recht gut Netzwerken wie man es heute nennen würde. Kalbeck erinnert sich: „Wie in Hietzing, wo die hannoveranische Königsfamilie den Winter zuzubringen pflegte, ging Brahms in Gmunden gelegentlich mit Joachim zu Hofe, spielte den hohen Herrschaften seine Violinsonate vor und frischte, animiert von dem alten Freunde, der jeden Sommer in Gmunden vor sprach, Reminiszenzen von 1853 und 1854 auf.“


    Nur 3 Jahre nach dem Tod von Johannes Brahms gründete 1900 besagter Viktor Miller-Aichholz das weltweit erste Brahms-Museum in einem adaptierten Gartenhaus in Gmunden. Dieses bestand aus sieben Ausstellungsräumen und enthielt Artefakte wie etwa einfache Möbel aus der Ischler Sommerwohnung, Briefe, Partituren, oder private Fotos. Doch zukünftige Ereignisse haben sich einem Fortbestand entgegengestellt. Zuerst starb zehn Jahre darauf Viktor und seine Frau Olga bekam finanzielle Schwierigkeiten. Als diese schließlich auch 1931 starb, mussten die Erben mehrere Villen in Gmunden verkaufen. Das Brahms-Museum blieb zwar vorerst noch bestehen, aber verkam in zunehmend schlechteren Zustand. Hier waren Viktor und Olga Miller-Aichholz schon vor ihrem Tod weitsichtig und haben die Ausstellungsstücke der Stadt mit der Auflage „... weder zur Gänze noch teilweise entgeltlich oder unentgeltlich zu veräußern...“ geschenkt. Während der Kriegs- und deren Folgejahre, haben die Erben schließlich eine neue Unterbringung mit der Stadt vereinbaren können. Seit 1968 ist in dem Gebäude eine Volksschule, während die einstigen dort befindlichen Erinnerungsstücke im Kammerhofmuseum Gmunden aufbewahrt werden.


    Streichquintett Nr.2 G-Dur op. 111


    Johannes Brahms und Victor von Miller zu Aichholz am 04. August 1894 beim Eingang der Lindenstraße 11:


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    Bild: Meinbezirk.at/Eugen Miller-Aichholz

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Franz Schubert


    Schubert war im Haus Badgasse 2 / Theatergasse 8 vom 4. Juni bis 15. Juli 1825 in Gmunden zu Gast. Brieflich geht er in zwei Briefen nur recht kurz darauf ein. Einmal ist er an Spaun gerichtet und wurde am 21. Juli 1825 in Linz verfasst:


    „In Steyer hielt ich mich nur 14 Tage auf, worauf wir (Vogl u. ich) nach Gmunden gingen, wo wir 6 volle Wochen recht angenehm zubrachten. Wir waren bei Traweger einloschirt, der ein prächtiges Pianoforte besitzt, u. wie du weißt, ein großer Verehrer meiner Wenigkeit ist. Ich lebte da sehr angenehm u. ungenirt. Bei Hofrath v. Schiller wurde viel musicirt, unter andern auch einige von meinen neuen Liedern, aus Walter Scotts Fräulein am See, von welchen besonders die Hymne an Maria allgemein ansprach.“


    Ferdinand Traweger war ein Kaufmann und Franz Ferdinand Ritter v. Schiller Vorstand des k.k.-Salzoberamts in Gmunden. Zudem war Schubert auch im Hause des Lehrers Johann Nepomuk Wolf musikalisch beteiligt (Gmunden, Kirchenplatz 1). Mit dessen Tochter Anna (Nanette) spielte Schubert vierhändige Klavierstücke. Diese begleitete auch Johann Michael Vogl zum Gesang, welcher mit Schubert diese Reise unternahm. Johann von Gyra, welcher der Schwager des Sohnes von Traweger war, teilte einmal brieflich auf Nachfrage mit, dass Schubert mit ihm in Kontakt kam, weil sein Haus für alle Künstler offen stand und schon von manch Schubert-Freunden und -Bekannten wie etwa Holzapfel oder Bauernfeld empfohlen wurde.


    Am 25. Juli 1825 schreibt Schubert seinen Eltern aus Steyer:


    „Ich bin jetzt wieder in Steyer, war aber 6 Wochen in Gmunden, dessen Umgebungen wahrhaftig himmlisch sind, und mich, so wie ihre Einwohner, besonders der gute Traweger innigst rührten, und mir sehr wohl taten. Ich war bei Traweger wie zu Hause, höchst ungenirt. Bei nachheriger Anwesenheit des Hrn. Hofrath v. Schiller, der der Monarch des ganzen Salzkammergutes ist, speisten wir (Vogl und ich) täglich in seinem Hause, und musicirten sowohl da, als auch in Trawegers Hause sehr viel. Besonders machten meine neuen Leider, aus Walter Scotts Fräulein am See, sehr viel Glück. Auch wundert man sich über meine Frömmigkeit, die ich in einer Hymne an die heil. Jungfrau ausgedrückt habe, und, wie es scheint, alle Gemüther ergreift und zur Andacht stimmt. Ich glaube, das kommt daher, weil ich mich zur Andacht nie forcire, und, außer wenn ich von ihr unwillkürlich übermannt werde, nie dergleichen Hymnen oder Gebete componire, dann aber ist sie auch gewöhnlich die rechte und wahre Andacht.“


    Der zuvor erwähnte Sohn Ferdinand Trawergers, Eduard, schrieb seine Erinnerungen später nieder. Er war erst 4 Jahre alt als Schubert im Elternhaus wohnte, meinte aber, dass er sich an manche Begebenheiten dennoch gut erinnern könne. Diese Erinnerungen, welche im Buch „Schubert. die Erinnerungen seiner Freunde“ nachzulesen sind, machen immerhin 3 Seiten aus und ich möchte nur kurz etwas davon herausgreifen.


    „Wenn Vogl sang und Schubert am Fortepiano akkompagnierte, durfte ich immer zuhören. Zu diesen Genüssen waren mehrfach Verwandte und Bekannte geladen. Solche Kompositionen vorgetragen, mußten die Empfindungen zum Ausdruck bringen, und war das Lied zu Ende, so geschah es nicht selten, daß die Herren sich in die Arme stürzten und das Übermaß des Gefühls in Tränen sich Bahn brach. […] Die Herren waren immer sehr gemütlich und heiter; sie machten Land- und Segelpartien, und mein guter Vater, der viel Unterhaltungsgabe besaß und es gut verstand, etwas zu arrangieren, war ganz selig. Er sprach von Schubert stets mit Begeisterung und hing ihm mit ganzer Seele an. […] so war die Zeit, in welcher der Brief ankam, der Schuberts Told meldete, eine wahre Tränenzeit. Vater und Mutter weinten viel, und wir Kinder weinten mit. Eine Menge Besuche kamen zu meinen Eltern; der Jammer war unter den Gebildeten allgemein. Dieser Trauerfall war lange Stadtgespräch.“


    Manche verbinden vielleicht die Begriffe Gmunden und Schubert mit der sogenannten „Gmunden-Gasteiner-Sinfonie“ welche sich schließlich als die große C-Dur Sinfonie D 944 entpuppte. Nach der „Neue Schubert-Ausgabe“ legen mehrere Indizien es nahe, dass er während der ausgiebigen Sommerreise des Jahres 1825 an dieser Sinfonie schrieb. Da diese nämlich zunächst falsch datiert wurde (1828) nahm man lange an, eine im Sommer 1825 komponierte Sinfonie sei verschollen. So schrieb beispielsweise Anton Ottenwald am 19. Juli 1825 aus Linz, bei welchem Schubert auch kurz zu Gast war: „Übrigens hat er in Gmunden an einer Symphonie gearbeitet, die im Winter in Wien aufgeführt werden soll.“ Nach Otto Bibas Recherchen soll ein Manuskript zwischen dem 28. November und 31. Dezember 1826 bei der Gesellschaft der Musikfreunde eingelangt und Schubert ein Betrag von 100 fl. ausbezahlt worden sein. Zudem möchte ich einwerfen dass 1828 schon von Haus aus wenig Sinn ergibt, wenn man bedenkt an welchen Werken er in den letzten Lebensmonaten komponierte (z.B. Messe Es-Dur D 950, letzten drei Klaviersonaten D 958, D 959, D 960, Klaviertrio Nr. 2 D 929, Streichquintett C-Dur D 956 und noch einiges mehr). Das wäre auch für den schnell und eifrig komponierenden Schubert eine kaum zu schaffende Arbeitsmenge gewesen.


    „Große“ C-Dur Sinfonie D 944


    Ich habe vor allem beim ersten Satz schon immer innerlich eine Art Berglandschaft in Verbindung gebracht, vor allem das ruhige Thema der Posaunen bei 5:14, hier greift Schubert den 2. Takt (das Eingangsthema) wieder verarbeitend auf, klingt für mich als würde etwa der Traunstein kurz zu einem sprechen.


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    Bild: âme


    Die am Gebäude angebrachte Gedenktafel der betreffenden Adresse behauptet, dass Schubert hier gewohnt habe (statt „an dieser Stelle stand das Haus…“ oder „hier stand“ wie es etwa bei Mozarts einstigen Wien-Behausungen des Öfteren zu lesen ist). Auch wenn ich keine nähere, offizielle Geschichte zu dem Haus finden konnte, sieht für mich zum. die Fassade nicht nach Biedermeier oder älterer Architektur aus (ich würde es demnach eher Anfang bis Mitte des letzten Jahrhunderts verorten) Auf der Liste des Bundesdenkmalamtes (bda.gv.at) der denkmalgeschützten Gebäude in Gmunden, ist dieses Haus jedenfalls nicht. Zudem wird die Glaubwürdigkeit der Gedenktafel nicht gerade untermauert, indem sie Schubert gleich 2 Jahre in diesem Haus wohnen lässt. Wenn dieses Gebäude in seiner Substanz original sein sollte dann wurde es zum. zwischenzeitlich stark verändert. Auf meiner Wunschliste steht mittlerweile „Diese göttlichen Berge und Seen“ von Oliver Woog, welcher über Schuberts Aufenthalte in Oberösterreich angeblich gründlich recherchiert haben soll. Sollten hier nähere Informationen über das Gebäude zu finden sein, könnte ich es nachtragen.


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    Bild: Gmundens Schätze/Holger Höllwerth


    Die Gedenktafel bei Schloss Ebenzweier in Altmünster behauptet auch einen mehrwöchigen Aufenthalt Schuberts. Tatsächlich war er dort nur kurz zu Gast. Leider keine Einzelfälle bei Gedenktafeln. Gemäß dem Spruch „Papier ist geduldig“ kann man das umso mehr auf Gedenktafeln anwenden. Eine nicht geringe Anzahl an solchen Gedenktafeln haben dann kaum mehr Wahrhaftiges wie Mozarts Pinkelstein in Hollabrunn, den man als Art Satire auf diese Unart des legendenstrickenden Gedenktafel-Marketings verstehen kann.

    Blick von Gmunden in Richtung Süden:


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    Quelle: âme

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Béla Bártok


    Bártok wohnte von 9. August bis Ende September 1903 in Gmunden, Badgasse 5 (auch Graben 4). Wer diese Abhandlung nicht erst hier zu lesen begonnen hat, wird diese Gasse gleich in einen anderen Zusammenhang bringen. Im Gegensatz zu der ein paar Schritten entfernten Schubertstätte kann man hier aufgrund der Fassade tatsächlich einen, zum. bis zu diesem Bártok-Aufenthalt zurückreichenden, erhaltenen Zustand vermuten. Dieses Gebäude steht auch im Gegensatz zu der Badgasse 2 unter Denkmalschutz. Ein anderer Zusammenhang lässt sich mit diesem Aufenthalt ebenso herstellen. Der Aufenthalt wurde durch Brahms „Spezialfreund“ Viktor von Miller zu Aichholz veranlasst. Der Gmundner Kunstmäzen wurde auf den jungen Bártok aufmerksam und vermittelte darüber hinaus auch Hilfe bei der Instrumentenbeschaffung. Ludwig Bösendorfer lieh für diesen Aufenthalt, aber auch für seine Wiener Wohnungen seine Flügel. Der Komponisten bedankte sich dafür in einem Brief von 1903: „Ich freue mich wirklich sehr, endlich auf einem guten Flügel mit englischer Mechanik üben zu können.“


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    Bild: âme


    In den Chroniken aus Bártoks Leben kann man lesen:


    „9. August 1903


    Bartók fährt nach Gmunden und wohnt dort in der Badgasse 5. Er isst mit der Familie Dohnányi zu Mittag, mit Johannes Kössler macht er einen Ausflug nach Trautmannsdorf. […]Er schreibt am 9. August in einem Brief an Emsy Jurkovics über die wunderbare Wirkung der Berge auf ihn, aber auch über seine Sehnsucht nach der großen ungarischen Ebene. “


    Zunächst könnte man denken es handle sich um sein Tagebuch und Bártok schrieb von sich in dritter Person, was dem Ganzen einen etwas skurillen Beigeschmack geben würde. Ich bin kein Bártok-Experte aber es scheint als habe der Sohn eine Zusammenstellung aufgrund anderer Quellen verfasst und ist in Béla Bartók jr. „Apám életének krónikája“ nachzulesen (Die Chronik des Lebens meines Vaters).


    Angeblich beendete er hier am 18. August seine sinfonische Dichtung „Kossuth“.


    Kossuth

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Arnold Schönberg


    Insgesamt besuchte Schönberg den Traunsee zwischen 1905 und 1923 sechs Mal. Zunächst etwas abseits von Gmunden an der ruhigeren Ostseite des Sees. 1907 und 1908 war dies das „Preslgütl“ (Traunsteinstraße 189 rechtes Gebäude, scheint mit ein paar Modernisierungen in der Grundsubstanz noch erhalten zu sein). Die Besonderheit: Mehrere Schüler wie Zemlinsky, Webern, oder Horwitz wohnten im näheren Umkreis von wenigen hunderten Metern. Bei der ersten Hälfte dieser Aufenthalte können zwei bedeutende Ereignisse genannt werden. Das eine musikalischer, das andere privater Natur. Er komponierte hier teilweise das 2. Streichquartett op. 10. „Dieses Quartett spielte eine große Rolle in meiner Entwicklung. Jedoch der entscheidende Schritt zur sogenannten Atonalität war jetzt noch nicht getan“, schrieb später Schönberg. Was den entscheidenden Schritt anbelangt, so gibt es in Fachkreisen Diskussionen, inwieweit dieser von dem anderen Ereignis ausgelöst wurde. Denn Schönberg hatte 1907 nicht nur seine Schüler, sondern auch den damals aufstrebenden Maler Richard Gerstl nach Gmunden eingeladen. Nachdem es 1907 Skandale bei Konzertaufführungen mit seinen eigenen Werken gab, wollte Schönberg sein Leben ein Ende setzen und Gerstl konnte ihn wieder psychisch aufbauen. Daraus entstand eine Freunschaft, welche sich aber noch als verhängnisvoll erweisen sollte. Schönberg erwischte nämlich diesen am 26. August 1908 in flagranti mit seiner Ehefrau Mathilde. Diese reagierte alles andere als reumütig, sondern flüchtete mit dem neuen Liebhaber zunächst in ein Hotel in Gmunden. Am nächsten Tag reiste das sich neu gefundene Liebespaar nach Wien zurück. Nachdem Schönberg die Bilder seines Widersachers bis auf eine Ausnahme vernichtete, eilte er schnell hinterher, konnte auch schließlich die untreu gewordene nach drei Tagen finden und zur Rückkehr überreden. Für Schönberg sicherlich ein einschneidendes Erlebnis. Tragischer erging es aber dem Maler, auch wenn er versuchte so weit es ging Mathilde weiterhin heimlich zu treffen. Die Unmöglichkeit einer normalen Beziehung mit Mathilde und der Verlust Schönbergs als Freund, konnte dieser nicht mehr überwinden. Er beging noch im gleichen Jahr, am 4. November 1908 Selbstmord. Schönberg fürchtete um einen öffentlichen Skandal und bat den Bruder Gerstls als Motiv „…etwa Kränkung über Mißerfolge als Grund anzugeben.“


    2. Streichquartett op. 10


    Danach kam es auch unüberhörbar zu einer zunehmenden Atonalität in seiner Musik.


    Weniger aufreibend verliefen die drei späteren Aufenthalte, auch wenn hier ebenso nicht alles ungetrübt war.


    Arnolds Schönbergs Bruder Heinrich war mit der Wirtshaustochter Berta verheiratet. Da diese aus Mattsee kam, wollte der Komponist dort 1921 seinen Sommeraufenthalt mit seiner Familie verbringen. Jedoch herrschten dort schon deutliche antisemitische Tendenzen vor. Es wurde etwa von der Gemeindevertretung vor den „…Folgen einer etwaigen Verjudung“ gewarnt und startete einen öffentlichen Aufruf, Zimmer nicht an Juden zu vermieten. Schönberg wollte sich der gehässigen Gesinnung gegen ihn und seiner Familie verständlicherweise nicht weiter aussetzen und suchte somit einen anderen Aufenthaltsort. Durch seine Freundin Eugenie Schwarzwald, kam er in Kontakt mit Anka Löwenthals Villa „Josef“ in Traunkirchen, Alte Post 5.


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    Bild: âme


    Zu Zeiten des Biedermeiers waren es Max und Sophie Löwenthal, welche zu zahlreichen Wiener Kunstschaffenden, wie etwa Franz Schubert und dessen Freund Joseph von Spaun, einen guten Kontakt pflegten. Ihr Sohn Arthur ließ die neue Villa „Anka“, benannt nach seiner Ehefrau, in Traunkirchen bauen. Baronin Anka von Löwenthal war damals sehr umtriebig. Sie war professionelle Malerin, engagierte sich für wohltätige Zwecke und war Ehrenpräsidentin der Künstlergilde Salzkammergut. Als von den Löwenthals noch zwei weitere Villen im Ort gebaut wurden, hatte man diese nach den zwei Kindern „Josef“ und „Karl“ benannt.


    Schönberg schrieb dem Verleger Emil Hertzka am 17. Juli einen Brief aus Traunkirchen, in welchem auch die nicht sonderlich große Beliebtheit seiner Musik mit Galgenhumor thematisiert wird: „Liebster Freund, nun sind wir seit 14. hier. Es war zum Schluß sehr hässlich in Mattsee. Die Leute dort haben mich scheinbar so verachtet, wie wenn sie meine Noten kannten. Geschehen ist uns sonst nichts.“


    Die Schönbergs konnten zu der Villa „Josef“ auch einen Privatstrand und eine Bootshütte nutzen. Der Komponist hatte aber nicht nur Sonnenbaden und Rudern im Sinn. Er gibt Schülern Unterricht und veranstaltet auch ein Wohltätigkeitskonzert mit diesen.


    Den Sommer im Folgejahr kommt er wieder zum Traunsee, jedoch wählte er diesmal die Villa „Spaun“ im selben Ort. Wie bereits erwähnt, wohnte der Schubertfreund Joseph Spaun ebenso zeitweise an diesem Gewässer. Dieser hatte als Lottodirektor mittlerweile genug Vermögen, um 1848 das ehemalige Hofrichterhaus in Traunkirchen, Kalvarienberg 4 (meist wird fälschlicherweise Klosterplatz 4 angegeben, die Adresse des gegenüberliegenden Gebäudes) kaufen zu können. Dort gründete er auch eine Schwimmschule, welche im Laufe der Zeit auch zunehmend gefragt war, da es zu diesen Zeiten sehr viele Leute gab die nicht schwimmen konnten. Nach Joseph Spauns Tod erbte seine Frau Franziska das Haus. Diese versuchte es auch später zu verkaufen, kam dann aber auf die Idee das Anwesen am See besser zu vermieten. Auch mit Anka Löwenthal bestand eine sehr enge Freundschaft, welche sich sogar ein Zimmer in der Villa Spaun selbst gestaltete.


    Zu Schönbergs Zeiten besaß der Enkel von Joseph Spaun die Villa: Hermann Roner. Zu diesen Zeiten schmückte ihn auch der Baron-Titel und hatte als einstiger Geiger gute Kontakte zur Wiener Musikszene. Zudem schien er der modernen Musik gegenüber durchaus aufgeschlossen zu sein. Er brachte Arnold Schönberg dazu sich in den Sommermonaten der Jahre 1922 und 1923 in diesem Haus einzumieten. Wie bei Schönberg nicht unüblich, schrieb er auch Roner am 19. April 1923 seine Bedingungen in Form einer Auflistung:


    „1. Ich miete für die Saison 1923 (von Ende Mai bis Mitte Oktober) die Räume, die ich im vorigen Jahre in der Villa Roner bewohnt (unten: ein Zimmer und Küche, oben: 3 Zimmer, ein Saal und Nebenräume), bin jedoch damit einverstanden anstelle des vorjährigen Parterrezimmers, die beiden unter der Veranda gelegenen kleinen Zimmer (jedoch unbedingt beide!) zu akzeptieren.


    2. Unter der Voraussetzung, dass wirklich die Mietzinse im Ort heuer eine solche Höhe erreichen werden, bin ich auch bereit, den geforderten Zins von zweihundert holländischen Gulden (d.i. derzeit ungefähr 5 580 000 ö.K.) zu bezahlten, ersuch jedoch etwas Geschirr beizustellen, da das für mich sonst zu teuer kommt.


    3. Bitte ich Sie zur Kenntnis zu nehmen, dass mein Sohn als Schüler der Musikakademie Waldhorn lernt und, wie ich mir auch erlaubt habe mitzuteilen, doch zwei Stunden im Tag in einem unserer Wohnräume wird üben müssen (leider: es wird mich selbst stören); ich setze also voraus, dass alle in Betracht kommenden Mitbewohner ihre Zustimmung dazu geben un sich bereit erklären im gemeinsamen Einvernehmen diese Zeiten so zu wählen, dass auch mein Sohn nicht allzuviel von seiner Sommerfreiheit verliert.“


    Später erklärt Schönberg noch in einem Brief, dass er die kleinen Zimmer unter der Veranda haben wollte, da er dachte, dass „…vielleicht von dort aus Görgis Horngebläse keinen so grossen akustischen Schaden anrichten dürfte,…“


    Natürlich war Schönberg auch bei diesen Aufenthalten nicht tatenlos. Er schrieb am 26. Juli 1922 Alban Berg: „Lieber Berg, ich muss hier in Traunkirchen wieder ein Wohltätigkeitskonzert veranstalten. Voriges Jahr war das leichter, weil so viele meiner Schüler da waren. Heuer bin ich in einiger Verlegenheit.“ Schließlich konnte er doch noch die Sängerin Erika Stiedry-Wagner und den Cellist Wilhelm Winkler auf der Durchreise vom Salzburger Kammermusikfest nach Wien abfangen. Bei all den Konzerten seiner Sommeraufenthalte in Traunkirchen, standen übrigens nie Schönbergs eigene Werke auf dem Programm. Wahrscheinlich fürchtete er dann ähnliche Feindseligkeiten wie in Mattsee hervorrufen zu können. Dafür hat es nicht viel Paranoia gebraucht, da er in den Publimsreaktionen schon erfahren war. Vor allem das Skandalkonzert 1913, auch bezeichnenderweise „Watschenkonzert“ genannt, steht an der Spitze einiger - euphemistisch ausgedrückt - misslungener Werksaufführungen des Komponisten.


    Dem Arnold Schönberg Center zufolge, komponierte Schönberg im Juli 1921 sein erstes Zwölftonwerk in Traunkirchen.


    Das Präludium aus der Suite op. 25


    1922 entwarf er am selben Ort eine Transkription des Bach-Choral „Schmücke dich, o liebe Seele“ für großes Orchester.


    Die beiden Villen in der Schönberg sich einst in Traunkirchen einmietete, sind bis heute erhalten geblieben. In der ehemaligen Spaun-Villa lebt noch heute ein musikalischer Nachfahre der Spauns. Die Villa Josef ist im Besitz einer Wohnungseigentumsgesellschaft. Die Villa Spaun:


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    Bild: âme


    Das Preslgütl 1920 (im rechten Haus wohnte Schönberg, das linke Gebäude wurde mittlerweile durch ein anderes Gebäude ersetzt)


    Presgutl-1024x935.jpgBild: richardgerstl.com

    Schönberg in Traunkirchen 1922. Von links nach rechts Schwiegersohn Felix Greissle, Tochter Gertrud, Arnold Schönberg, Ehefrau Mathilde und Sohn Georg:

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    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Erich Wolfgang Korngold


    Am 25. Februar 1933 kaufte das Ehepaar Korngold das alte Gut „Höselberg“ an der Adresse Gschwandt bei Gmunden, Schlossberg 1. Der Komponist hielt sich in der Vergangenheit schon des Öfteren als kurzweiliger Gast am Traunsee auf. Die Wahl hier auch ein Gut zu kaufen, scheint vielleicht ebenso durch die verwandtschaftliche Verbindung Luzi Korngolds zur Familie Löwenthal in Traunkirchen bekräftigt worden, oder mit ausschlaggebend gewesen zu sein. Sie hält ihre ersten Eindrücke folgendermaßen fest:


    „Es war später Nachmittag und bereits dunkel, als wir den ziemlich steilen Aufstieg, der durch ein Wäldchen führte, unternahmen. Als wir aus der Lichtung traten, lag auf dem Gipfel des Hügels das Gebäude vor uns: kein Schloss, sondern ein uralter, bezaubernd schöner, langgestreckter Bauernhof, auf dem ein vormaliger Besitzer, Fürst Sulkowski, an einer Seite ein Stockwerk samt kleinem Türmchen aufgebaut hatte. Wir arbeiteten uns durch den hohen, glitzernden Schnee voran. Vor dem alten Teil des Hauses stand die unvermeidliche große Linde, der >Schlosshof< warumrahmt von schweren alten Tannen. Als hätten wir all das schon erlebt, gingen wir >nach Hause<: und als wir dann erst vor der eichnen Türe standen, in die die Jahreszahl 1769 eingekerbt war, und in das niedrige, mit gotischen Bögen überdachte Vorhaus eintraten, da waren wir zu Hause. Ein merkwürdig modriger Geruch von alten Mauern und altem Holz schlug uns entgegen, eine vertraute, anheimelnde Atmosphäre umgab uns.“


    Weiters erfährt man in dieser Erinnerung, dass das Gebäude 18 Zimmer besaß und an diesem auch eine Hühnerfarm angrenzte.


    Die Zeiten wurden aber für die Korngolds aufgrund der sich immer stärker zuspitzenden politischen Lage, auch zunehmends prekärer. Erich Wolfgang Korngold hatte noch Glück im Unglück, indem ihm Max Reinhardt Angebote aus Hollywood verschaffen konnte. Zunächst pendelte er noch im ständigen Wechsel: Im Winter in Kalifornien, in der warmen Jahreszeit in Österreich. Die an der Wiener Staatsoper geplante Uraufführung seiner letzten Oper „Die Kathrin“, welche noch 1937 am Traunsee komponiert wurde, hatte man gestrichen. Korngold war zwar schon in Hollywood sehr erfolgreich, denn er erhielt schon 1936 die Oscar-Nominierung als beste Filmmusik für die Arbeit an „Captain Blood“ und im Folgejahr konnte er sogar die Goldstatue für „Anthony Adverse“ gewinnen. Doch hielten die Korngolds mit Zweckoptimismus und einer gewissen Verdrängung der Tatsachen, noch immer an der alten Heimat fest. „Wir glaubten immer noch – mehr mit dem Herzen als mit dem Verstand, daß wir eine Heimat hatten, in die wir zurückkehren konnten, die wir nicht verlassen wollten. Es war Selbstbetrug, eine holde Täuschung: das naiv-zuversichtliche >Uns-kann-nichts-Geschehen< glücklicher Menschen. So träumten wir im Winter bei strahlender kalifornischer Sonne von unseren regenfeuchten Wiesen daheim“, erinnerte sich Luzi Korngold.


    So retteten sie nicht selbst ihr Leben, sondern ein Telegramm aus Hollywood. Nur wenige Wochen vor dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich, bekam Korngold das Angebot die Filmmusik zu „Robin Hood“ zu schreiben. Noch während dieser in Hollywood daran arbeitete, versuchten die Nazis sein 1933 erworbenes Gut zu enteignen. Zwar versuchte Korngold diesen zuvorzukommen und es an einen gewissen Alfred Demelmayer zu verkaufen. Doch bei Erkundigungen über dessen Person lehnten diese den Verkauf ab, da Demelmayer sich sogar als Gegner der NSDAP entpuppte. 1941 kam es dann schließlich zur Enteignung. Das Anwesen war damit im Besitz des Deutschen Reichs und wurde als Quartier für im Reichsarbeitsdienst arbeitende Frauen umfunktioniert.


    Als die Korngolds 1949 wieder an diesen Ort zurückkamen, wurden sie diesmal als Gmundner Hotelgäste mit einem verwahrlosten Gut „Höselberg“ konfrontiert. „In jedem Zimmer vegetierte eine Familie, das Mobiliar bestand aus Kisten und dürftig zusammengetischlerten Betten. Von unseren Möbeln war kein einziges Stück übriggeblieben, die schöne uralte eichene Haustür war aus der Wand gerissen und wahrscheinlich verheizt worden, der Stuckplafond durch einen Rohrbruch traurig zerstört.“ Zwar wird diesen der Besitz wieder zugesprochen, doch die Korngolds möchten verständlicherweise nicht mehr darin wohnen.


    Erich Wolfgang Korngold wollte sich zunehmend wieder der absoluten Musik zuwenden und komponierte Werke wie das Violinkonzert D-Dur, Symphonische Serenade B-Dur, oder die Symphonie Fis-Dur. Bei Publikum und Kritikern fanden diese Werke damals jedoch großteils keinen Anklang. Eines seiner bekanntesten Werke ist die Oper „Die tote Stadt“ von 1920, welche auch das Zitat zu seinem Grabstein auf dem Hollywood Forever Cemetery in Los Angeles liefert: „Glück, das mir verblieb.“


    Das Schloss scheint es noch heute zu geben.


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    Bild: Kurier/Archiv Marie-Theres Arnbom

    „Glück, das mir verblieb“ (Mariettas Lied) aus „Die tote Stadt“

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

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  • Karl (oder Carl) Goldmark


    Zu Zeiten Mahlers ein großer Name, werden wohl einige nichts oder kaum etwas von ihm kennen. Deswegen hier gleich eine Möglichkeit hineinzuhören: Seine 2. Sinfonie in Es-Dur op. 35, angeblich auch „Gmundner Sinfonie“ genannt. Zumindest behauptet das Gmunden selbst, ansonsten ließ sich das bei meinen Recherchen noch nicht bestätigen. Ich habe zufällig entdeckt, dass ich diese Einspielung kurioserweise in meiner Sammlung habe (zugegeben bis zu dieser Schrift ungehört) und im Booklet konnte ich auch keinerlei Hinweise darauf finden.


    Wenn ich beispielsweise den 1. Satz heranziehe, so ist eine Nähe zu Brahms vor allem in den Tuttis unüberhörbar, hingegen könnte das Seitenthema meiner Ansicht nach gut von einer verschollenen frühen Schubert-Sinfonie stammen. Kurz erinnern die Streicher-Legati in der Coda wiederum etwas an Richard Strauss (im Booklet werden andere Vergleiche gezogen wie etwa im Scherzo Mendelssohn). Die Sinfonie hat insgesamt sowohl ihre gelungenen, als auch durchwachsenen Momente. Zumindest bei mir hinterlässt sie insgesamt keine bleibenden Eindrücke (vielleicht auch ein wenig der Interpretation geschuldet?). Aber immerhin eine hörbare Alternative zu dem Klassik-Mainstream, nicht mehr nicht weniger.


    2. Sinfonie Es-Dur op. 35


    Um seine ehemalige Popularität und Anerkennung zu veranschaulichen ein Zitat aus dem Essay „Carl Goldmark und der Antisemitismus“ von Gerhard J. Winkler: Hätte man um 1910 einen Österreicher nach den größten Opernkomponisten seiner Gegenwart gefragt, hätte er neben Richard Strauss vermutlich seinen Landsmann Carl Goldmark genannt. Zeitgenossen wie der Brahms-Biograph Max Kalbeck standen nicht an, Goldmark eine ‚europäische Zelebrität‘ zu nennen; Richard Specht bezeichnete ihn zu dessen Tod sogar als den ‚Mittelpunkt‘, das ‚Herz‘ der österreichischen Musikszene; um die Jahrhundertwende war der Komponist Gegenstand eines wahren ‚Goldmark-Kultus‘, und selbst Karl Kraus bezeichnete ihn als den größten lebenden Musikdramatiker seit Richard Wagner“.


    Seit 1871 soll er angeblich bis zu seinem Tod jeden Sommer und Herbst in Gmunden, Herakhstraße 15 gewohnt haben. Somit war diese Wohnstätte im übertragenen Sinne schon wie eine Art Zweitwohnsitz, welcher er neben seinen Wiener Wohnungen über mehrere Jahrzehnte treu blieb (sein Sterbehaus liegt im 2. Wiener Gemeindebezirk, Josef-Gall-Gasse 5).


    Zu der folgenden dazu passenden Erinnerung kann ich leider wenig sagen. Bedauerlicherweise geht nämlich nicht genau hervor von welcher Person das beschrieben wird, eventuell die am Anfang der Abhandlung kurz erwähnte Schülerin Goldmarks, Karoline v. Gomperz-Bettelheim.


    „Mehr als vierzig Jahre lang ist er an den Traunsee gekommen und hat dort in einem an der Fahrstraße gelegenen Häuschen im Kranabeth zwei einfache, ebenerdige Zimmer bewohnt, die vermutlich ein tantiemenschwerer Operettenkomponist heutzutag zu gering für seinen Chauffeur finden würde. Goldmarks Liebe für dieses mehr als anspruchslose Quartier hat Gegenliebe gefunden. Sein vor ihm geschiedener Hausherr hatte zu seiner Überraschung letztwillig verfügt, daß Goldmark nie gekündigt werden dürfe, und es heißt, daß die Wohnung des Meisters nun in ein Museum verwandelt werden soll. Das erstemal kam Goldmark Anfang der Siebzigerjahre meiner Familie zuliebe nach Gmunden, und er fühlte sich da von Anbeginn so wohl, daß er fortan jahraus, jahrein bis tief in den Spätherbst und Vorwinter in seliger Abgeschlossenheit in seiner Kranabether Klause arbeitete. In besonders liebem Andenken steht mir der Sommer, in dem ich, zu meinem letzten Rigorosum rüstend, mit meiner guten Mutter bei der »Loderbäuerin« hauste. Vormittags wurde fleißig geschanzt, mittags trafen wir drei uns zu Tisch hoch über der brausenden Traun im »Goldenen Brunnen«. Dann kam Goldmark regelmäßig zum schwarzen Kaffee, zum »Dreier« und der sich immer erneuernden Zigarre in unser Puppenstübchen, Behagen verbreitend, wie kaum ein anderer. Nach dem Tarock ging's tagtäglich über den Gmundner Berg, dessen Sohle damals noch kein Schienenstrang durchschnitt. Bei hellem Himmel hob sich der Traunstein und das Tote Gebirge bis zum Hohen Priel immer gewaltiger heraus; bei besonderem Wolkenstand erlebten wir mehr als einmal Felsenglühen, das uns mächtiger packte als Alpenglühen in der Fusch. Der Riesenblock des Traunsteins glich minutenlang einem ungeheuren, über dem grünen Seespiegel purpurrot aufflammenden Eisenklumpen, bis er sich jählings aschgrau, leichenfahl entfärbte. Es fiel angesichts dieses einzigen Naturschauspiels keinem von uns ein, Worte zu machen. Mir genügte es, Goldmark im Auge zu behalten, wie er sich schweigend mit den Blicken förmlich festsaugte an dem Farbenspiel von See, Gebirge, Obstbäumen, Matten und Ackerland. Nicht weniger scharf achtete er auf die sauren Tagewerke und seltenen Lustbarkeiten der Bauernschaft, auf fluchende Fuhrleute, jodelnde Sennerinnen und so manchen auf dem Altmünsterer Tanzboden mit Schnadahüpfeln und Raufereien ausgehenden Festschmaus, so daß ich, wenn immer – das letztemal bei der Gedenkfeier des Tonkünstlerorchesters – seine gelungenste Symphonie »Ländliche Hochzeit« laut wird, an Goldmarks Gmundner Gänge denken muß. Wie Alpenluft weht es uns aus dieser 1875 entstandenen Schöpfung an: Jauchzen und Dörpertanz, Liebesklage und Liebeslust unseres Bergvolkes erneut sich künstlerisch gesteigert in Goldmarks Pastorale“.


    Es liegt natürlich nahe, dass sich Goldmark auch mit Brahms während der Sommeraufenthalte des Hamburger Komponisten traf. Sie machten schon 1878 eine gemeinsame Italienreise. In einem Brief vom 7. September 1890 an Olga von Millzer zu Aichholz antwortete Brahms auf deren Einladung: „Sehr geehrte Frau. Verbindlichen Dank, daß Sie mich so liebenswürdig erinnern. Wenn nichts Besonderes dazwischen kommt, denke ich am 12. mit dem 12 Uhr-Zug hinüber zu fahren und freue mich Sie alle und Goldmark zu sehen. Mit herzlichem Gruß. Ihr sehr ergebener Johannes Brahms.“


    Die beiden damals sehr bekannten Komponisten, wurden regelmäßig von der Familie Miller-Aichholz eingeladen, wie auch die Tagebucheinträge der Hausherrin bezeugen. Etwa am 8. September 1891: „Um 12 Uhr fuhren Victor und Gänsbacher am Bahnhof von wo sie um ½ 1 Uhr mit Brahms und Mandyczweski zurückkamen. Wir saßen noch etwa eine Stunde im Garten, dann kamen Goldmark, Holbein und Heß und es wurde gespeist.“ oder 27. September 1891: „ […] Nachdem Victor mit Brahms hier war, und wir etwa ¼ Stunde noch vor dem Haus saßen, erhob sich ein Wind der bald so arg wurde, daß wir in’s Zimmer gingen. Goldmark’s mit Schmerzen erwartet kamen gegen ¾ 2 Uhr, worauf natürlich gleich zu Tisch gegangen wurde. […]“ oder 11. Juni 1893: „Um 1 Uhr etwa, nachdem vorher schon Holbein gekommen war, kamen Brahms und Goldmark mit Victor, Franz kam natürlich wieder um eine Viertelstunde zu spät, […] Nach Tisch fuhren zuerst ich und die Kinder mit den Pony’s bis zur Bank wo uns dann endlich die Schimmeln einholten. Brahms, Goldmark und Victor fuhren in dem Wagen. Sie wollten nach Traunkirchen fahren, […]“ oder am 15. Juni 1893: „Victor schickte Goldmarks Bücher an Brahms und schrieb ihm eine, mit seiner kleinen Photographie versehene Karte, anfragend, ob es dabei bleibe, daß er Sonntag kommt.“ oder am 18. Juni 1893: „Der erste heiße Tag! Victor fuhr zur gewöhnlichen Zeit am Bahnhof um Brahms zu holen der richtig kam, dann fuhren beide um Goldmark und kamen erst ¼ 2 Uhr worauf bald zu Tisch gegangen wurde. […]“


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    Bild: âme


    Solcher Einträge gibt es noch einige weitere. Demnach kann man schließen, dass Brahms und Goldmark viel Zeit miteinander am Traunsee verbrachten und allem Anschein nach miteinander befreundet waren.


    Zwar ist dort heute nicht das vom damaligen Hausherrn der Goldmark-Wohnstätte angekündigte Museum, einen Vorteil hat das einstige Sommerquartier des Komponisten trotzdem. Etwas das sich sicher viele Bewunderer ihrer Lieblingskomponisten wünschen würden: Es gibt im gleichen Gebäude die Möglichkeit eine Ferienwohnung zu mieten. Aber soweit ich mich jetzt erinnern kann, ist auch das einstige Brahms-Quartier Schloss Leonstein in Pörtschach heute ein Hotel.


    Es könnten noch weitere Besuche anderer Komponisten abgehandelt werden, etwa Hugo Wolf der mehrmals in Altmünster wohnte, oder Anton Bruckner, welcher kurz vor seinem Tod seinen Freund Johann Evangelist Haber in seiner Gmundner Wohnung in der Habertstraße 2 besuchte.


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    Bild: âme


    Schön wäre es noch gewesen über einen Traunsee-Aufenthalt vom „Amadé“ oder „Ludwig“ zu schreiben. Bei Mozart wäre es ja bei den jugendlichen Wien-Aufenhalten, bzw. seinem Salzburg-Besuch 1783 von der Strecke her nicht mal so abwegig gewesen, einen kurzen Abstecher bei der Rückreise zu machen (obwohl es wohl nur beim 2. Wien-Aufenthalt mit Ende September halbwegs erträgliche Temperaturen gab). Doch reine Erholungsaufenthalte kamen erst zur Biedermeierzeit in Mode und selbst Schwester Nannerl wurde ab 1784 nicht in St. Gilgen besucht. Beethoven schien sich vor allem nach 1800 überwiegend mit dem Wienerwald zu begnügen (abgesehen von Mährisch-Schlesien 1806, Teplitz-Karlsbad-Franzensbrunn 1811 und 1812, Kurzaufenthalte in Retz, sowie der für mich noch mikrigeren Landschaft um Gneixendorf 1826. Diesen Aufenthalt hat er auch nur seinem Bruder zuliebe dort verbracht). Er wurde auch mal in einem Brief vom 15. November 1819 von Aloys Weißenbach in die Umgebung Salzburgs eingeladen. „Geht der Schnee wieder vor unsern Bergen weg – ich werde Ihnen keine Ruhe lassen – dann müßen Sie kommen. Sie werden sich in unsre große, herrliche Natur hinein leben und nicht mehr von ihr lassen. Wie der Singvogel <uber> der Berge mit den Blüthen <herüberfliegt uber das Gebirg und das stille> alle Jahre kommt, und das stille, dunkle Gebüsch aufsucht in den Klüften und an dem Bergbach, werden auch Sie heraufziehen in Fruhlingstägen und ein kehren in der Felsen hütte. wird Sie nimmer sehen. Dort ist wohl auch eine schone Natur; aber in Vergleich mit der unsrigen ist sie nur das Excrement dieser. Was soll Ihnen auch der Aufenthalt dort für Trost bringen? Im Grund ist Modling auch nur einer der Retiradewinkel wo die <Natur> Kaiserstadt im Sommer <Ih> ihre Winter-Infarctus absetzt. Es ist wahrlich nicht <erträ[g]lich und> erquicklich, auf den Hügeln und Matten dem Sündervolk aus der Stadt zu begegnen, im welchem nichts zu der Natur in jener Umgegend paßt, als die falschen Herzen zu den falschen Schlößern. Kommen Sie also gewiß und bringen Sie mit, ohne das Ihre Seele nimmer frey ist auf Erden – Ihren Neffen.“


    Bekanntlich hat sich Beethoven nicht darauf eingelassen, dafür war er dann wohl auch zu sehr Pragmatiker. Ein wichtiger Grund warum er sich, bis auf die bereits erwähnten wenigen Ausnahmen, nicht unweit von Wien bei seinen Sommerresidenzen entfernt hat, waren die dort schon bestehenden, für ihn wichtigen Kontakte. Gute Freunde, Verleger, Musiker, Verpflichtungen ggü. seinen Förderern, etc. Aber so naturliebend wie er war, hätte er beispielsweise dem Salzkammergut sicherlich auch viel abgewinnen können.


    Gustav Mahler war zwar im Salzkammergut, nämlich bei Steinbach am Attersee (Sommermonate 1893, 1894, 1895 und 1896). Nach den Schilderungen von Natalie Bauer-Lechner, dürfte er aber so verwurzelt mit dieser Umgebung, sowie in seine Kompositionsarbeit vertieft gewesen sein, dass es eher unwahrscheinlich erscheint, dass er auch einmal Ausflüge zu anderen Seen unternahm. Beispielsweise beträgt die kürzeste Verbindung von Steinbach zum Traunsee immerhin mehr als 20 km Wegstrecke, welche über Hügel- und Berglandschaft führt. Ohne Auto oder Bahn nicht so einfach zu bewältigen.


    Von links nach rechts: Gmunden, Grünberg und Traunstein


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    Bild: âme


    Ich freue mich natürlich über jegliche Ergänzungen und auch generelles Feedback.


    Wie man sich vorstellen kann, habe ich für diese Zusammenstellung einige Quellen hinzugezogen. Auch wenn das keine wissenschaftliche Arbeit ist möchte ich trotzdem gerne die besonders nützlichen gerne erwähnen:


    Arnbom, M.-T. (2019). Die Villen vom Traunsee: wenn Häuser Geschichten erzählen. Amalthea Verlag.


    Dürr, W., & Krause, A. (2015). Schubert Handbuch (ungek. Sonderausgabe). Bärenreiter Metzler.


    Kalbeck, M. (1914). Johannes Brahms IV. Erster Halbband: 1886-1891, Zweiter Halbband: 1891-1897. Berlin.


    Spitzbart, I. (1997) Brahms-Besuche bei der Familie Miller-Aichholz in Gmunden. Nach Quellen der Brahms-Sammlung des Kammerhofmuseums der Stadt Gmunden. In: Internationaler Brahms-Kongress Gmunden 1997, Seeschloss Ort 23-27. Oktober Programm.

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • In der Hoffnung, dass es wenigstens Mitleser abseits der Tamino-Mitglieder gibt, welche sich für dieses Thema interessieren, möchte ich den noch versprochenen Nachtrag bzgl. des Schubert-Hauses in Gmunden nachreichen. Die sehr schlichte Fassade des Hauses, die in keinster Weise an die Biedermeier oder älteren Architekturstile erinnert, hat in mir Zweifel aufkommen lassen, ob es sich dabei tatsächlich um den Originalbau handelt.


    Oliver Woog beschreibt das Gebäude in „Diese göttlichen Berge und Seen – Franz Schuberts Aufenthalte in Oberösterreich , Salzburg und Umgebung“ folgendermaßen:


    „Original mit diversen Modernisierungen. Der historischen Bedeutung unangemessener schlechter, unrestaurierter Zustand. Schon 1913 bemerkte Otto Erich Deutsch, dass das Haus geschmacklos renoviert wurde.“


    Woog schreibt auch, dass Schubert möglicherweise schon 1819 oder 1823 zum ersten Mal Gmunden besuchte. Man erfährt in seinen Abhandlungen auch weitere interessante Details. So geht aus einem am 19. Mai 1828 verfassten Brief von Traweger an Schubert hervor, dass Schubert noch in seinem Todesjahr vorhatte Gmunden wieder zu besuchen. Die bereits schon in meinem Text erwähnte fehlerhafte Angabe der Gedenktafel, soll auf den ebenso bereits ausführlich abgehandelten Brahmsfreund Viktor Miller-Aichholz zurückgehen. Zunächst mit der bereits falschen Angabe 1825-1826, welche im Laufe der Zeit ausgetauscht wurde (aber nicht von Miller-Aichholz, möglicherweise von der Stadtgemeinde) um den Schwindel nochmals um ein Jahr zu erhöhen (1825-1827). Ein Schelm wer böses dabei denkt kann ich da nur sagen.


    Es gäbe noch mehr bzgl. Schubert zu ergänzen, was aber dem scheinbar recht bescheidenen Interesse an dem Thema nicht angemessen wäre. Außerdem lässt es sich für jeden Interessierten in der o.a. Publikation leicht nachlesen.

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)