Wir müssen uns ja nicht dümmer stellen als wir sind. Das machen schon die RT-Gegner. Daher:
Mit "werktreu" ist gemeint, dass so inszeniert wird, wie es der Komponist zur Entstehungszeit im Idealfall (d.h. wenn beliebig viele Ressourcen zur Verfügung stehen würden) getan hätte.
Oder: Wie es der Komponist mit den damals real existierenden Ressourcen getan hätte.
Wobei man schon sieht, wie problematisch diese Forderung ist. Es käme ja jedes Mal ein anderes Werk heraus, je nachdem, was vor Ort gerade verfügbar ist.
Nehmen wir mal an, Mozart würde nächste Woche nach Berlin gebeamt, auf irgend eine Baustelle, mit Baggern, Planierraupen, ein Berg Klamotten, ein paar halbwegs talentierte Sänger und ein paar hinreichend fähige Musiker. Und noch ein bisschen Technik und Personal, welches diese bedienen kann. Damit soll er seinen Don Giovanni inszenieren. Ich vermute, das würde ihm recht gut gelingen, zumindest dann, wenn er Lust dazu hätte. Wäre das dann werktreu?
Und wenn Mozart stattdessen in ein modernes Opernhaus gebeamt werden würde, mit allem, was das Herz begehrt: Wie würde er da inszenieren?
Ich behaupte, er würde sich erst Mal einen Monat Zeit nehmen, um sein potenzielles Publikum zu beobachten, um herauszufinden, womit man es packen kann. Und dann so inszenieren, dass eine Art "Regietheater" herauskommt.
Ok, ich weiß, was jetzt kommt: "Mozart darf das."
Aber wer bestimmt, wer was darf? Eigentlich nur der Auftraggeber. Und selbst der ist davon abhängig, dass der/die Künstler bereit sind, unter den entsprechenden Einschränkungen zu arbeiten.
Je mehr Einschränkungen, desto weniger Kunst. Ist leider so.
Mein Vorschlag an die RT-Hasser lautet schon seit Jahren: Schließt euch zusammen, mietet eines der vielen leer stehenden Theater (Italien ist voll davon) und beauftragt euch genehme Regisseure damit, "werktreue" Inszenierungen zu machen. Das Publikum müsste euch die Bude einrennen. Oder?