Zugegeben, Oscar Straus steht in der Reihe der großen Vier aus der sog. Silbernen Operette, Franz Lehár, Leo Fall, Emmerich Kálmán und eben er, bei mir an letzter Stelle. Das liegt zum Teil an seiner Vorliebe zu einer eher einförmigen Melodik, die bewusst einem gleichförmigen Versmaß folgt, wie nachfolgendes Beispiel demonstrieren soll:
Immer einsam und allein
immer Königin zu sein
keinem Menschen dem ich trau
schließlich ist man doch auch Frau
usw. usw
Das wirkt oft einschläfernd. Vielleicht ist das der Grund, warum der Berliner Musikkritiker Erich Urban einst anmerkte: „[Oscar Straus] ist reizend in kleinen Formen, kommt aber über das Kabarett – dem er entstammt – nicht hinaus.“ (S. Frey, Leo Fall, S. 18)
In der Tat, „Die Perlen der Cleopatra“ ist eine im besten Sinne kabarettistische Operette, mit stark überzeichneten, aber köstlichen Figuren etwa im Geiste eines Offenbach. Und Straus wollte ja tatsächlich mit Werken wie „Die lustigen Nibelungen“ oder „Hugedietrichs Brautfahrt“ (eine Operette, von der ich bisher leider nie einen Titel gehört habe) die Offenbachiaden wiederbeleben. An den Witz und die Spritzigkeit der Offenbach’schen Musik kam er aber (zumindest bei den „Nibelungen“) nicht heran. Nachdem diese Werke nicht den erhofften Erfolg brachten, suchte und fand er diesen mit seinem „Walzertraum“, in welchem er vorübergehend auf die „Wiener Walzerseligkeit“ einschwenkte. Aber schon in seiner nächsten Operette „Der tapfere Soldat“ pflegt er wieder seinen monotonen Stil.
Als ich die ersten Titel von „Die Perlen der Cleopatra“ hörte, fiel mir dieser Stil gleich auf und ich begann, mich zu langweilen. Erst als ich mir in Operavision die gesamte Aufführung aus der Komischen Oper in Berlin ansah, merkte ich, dass die Musik irgendwie origineller, reichhaltiger ist als die der „Nibelungen“ und des „Tapferen Soldaten“. Und paradoxerweise bemerkte ich dies, obwohl bei dieser Aufführung viele Titel mehr gesprochen als gesungen wurden und das auch noch, wie sich erst später herausstellte, bei ausgedünnter Orchesterbegleitung.
Ich verglich nun die Berliner Aufführung mit der CD von cpo aus der Bad Ischeler Aufführung, fand meinen Eindruck bezüglich der Musik bestätigt aber fand doch einen eklatanten Unterschied zwischen beiden Aufführungen. Zunächst zur Musik: neben dem eingangs erwähnten Montoton-Stil findet sich bereits in der Introduktion ein opernhafter Orientalismus der an Opern wie Verdis Aida oder ähnlichen Werken anklingt, der aber sofort wieder durch den besagten kabarettistischen Stil hintertrieben wird. Ähnlich passiert es auch in der Auftrittsszene der Cleopatra, die mit opernhaften Pathos bei Ihrem Einzug beginnt um dann plötzlich im Monotonstil des „kleinen agyptischen Flirts“ fortfährt.
Es gibt aber auch romantische Nummern in dieser Operette, so etwas das wunderschöne Duett „Cleopatra“, das im Stil und der Klangfärbung etwas an den Titel „Deine schwarze Augen“ aus der zwei Jahre früher uraufgeführtem „Bajadere“ von Emmerich Kálmán erinnert, das Duett „Küß mich und lass deinen Leib mich spüren“ oder den im ersten Finale erklingenden „echten“ Wiener Walzer „Dann wenn die Nacht zaub‘risch erwacht“.
Und dann gibt es noch lustige Märsche wie „Hier im gelobten Lande“, „Hier in dem Landes des klassischen Styles“ oder „Wenn ich in Rom durch die Straßen spazier‘“.
Insgesamt gesehen empfinde ich die meisten Nummern, egal ob (pseudo-)opernhaft, kabarettistisch oder romantisch als sehr originell und ich glaube, dass hier Oscar Straus dem Offenbach’schen Vorbild näher kommt. Die Liedtexte sind ebenfalls sehr witzig und zum großen Teil eindeutig zweideutig, wie etwa in „Meine kleine Liebesflöte“ oder „Anton steck den Degen weg.“
Und nun zu den Unterschieden der Aufführungen, wobei ich die Ischler Aufführung nur anhand der CD beurteilen kann. Dort singen alle Interpreten die Titel sehr bieder, nur auf Belcanto bedacht und bar jeden Humors. Zweideutigkeit kommt da gar nicht erst auf. Im krassen Unterschied dazu agiert das Berliner Ensemble launig, spritzig, witzig, manchmal überdreht bis zum Anschlag. Das gilt sowohl für den Gesang als auch für die Dialoge, wobei der Gesang, meist durch mehr oder weniger singende Schauspieler, wie bereits oben erwähnt, eher gesprochen als gesungen wird, wobei der Sprechgesang der oft gleichförmigen Melodik wohltuend entgegenwirkt. Drastisches Beispiel ist Dagmar Manzel. Sie changiert ständig zwischen sprechen in Hochdeutsch, sprechen mit Berliner Schnauze, ein bisschen Singen und ein bisschen besser Singen und auch wenn es manchmal fast zu viel wird; sie ist köstlich und trotzt fortgeschrittenen Alters der absolute Star der Inszenierung. Richtig gesungen wird eigentlich nur bei den romantischen Nummern, vor allem von den Interpreten des „Liebessklaven“ Silva und seiner Freundin Charmian.
Die Komische Oper Berlin hat auch einige Eingriffe in der Partitur vorgenommen. Sie ist, wie bereits oben erwähnt, gegenüber dem Original etwas ausgedünnt, teilweise jazzig mit Big-Band-Schlagzeug und vor allem mit verspielter Klavierbegleitung durch den Dirigenten.
Die Dialoge kann ich leider nicht mit Bad Ischl vergleichen, da auf der CD keine Dialoge sind. Aber ich gehe davon aus, dass in der Berliner Inszenierung einiges dazugetan wurde, vor allem bei den Partien, in welchen die Manzel in ihrem Kauderwelsch munter drauflos quasselt.
Es ist nun schade, dass ich nicht herausfinden kann, wie witzig die Originalfassung war mit Fritzy Massary als Cleopatra bei der Uraufführung.
Uwe