Alles anzeigenLieber wok,
was die Frage der Wiederholung der Exposition im Kopfsatz von Schuberts B-dur-Soante angeht, liegst du mit deiner Schätzung nicht schlecht. Ich habe derzeit 132 Aufnahmen der Sonate D.960 in meiner Sammlung, davon sind 38 ohne Wiederholung der Exposition im Kopfsatz, das sind knapp 28,8%. Das ist für mich tröstlich.
Interessant ist die Feststellung, dass vor allem die "Großen Alten" die Wiederholungsvorschrift Schuberts negieren, deren "Wortführer" der ansonsten von mir sehr verehrte Alfred Brendel ist, sowie ihm nahestehende Kollegen oder Schüler, so z. B. von den "Großen Alten" Adrian Aeschbacher, Geza Anda, Lazar Berman, Clifford Curzon, Jörg Demus, Eduard Erdmann, Sergio Fiorentino, Claude Frank, Ingrid Haebler, Clara Haskil, Wladimir Horowitz*, Arthur Rubinstein, Artur Schnabel und Gilbert Schuchter.
In der Anzahl der Pianisten sind es noch weniger, da alleine Lazar Bermann (3), Alfred Brendel (5), Claude Frank (2) und Arthur Rubinstein (2) insgesamt 12 Aufnahmen vorgelegt haben.
Interessant ist es weiterhin, dass zwei Pianisten beides gemacht haben, Paul Badura-Skoda und Wladimir Horowitz. Paul Badura-Skoda, ein Freund Alfred Brendels, hat allerdings vier Aufnahmen mit Wiederholung und nur eine ohne Wiedeholung der Coda vorgelegt, um, wie er sagte, seinen Hörern die Möglichkeit zu geben zu vergleichen, wie es mit und ohne Wiederholung der Exposition klinge. Badura-Skoda war dezidiert der gegenteiligen Meinung wie Brendel.
Wladimir Horowitz hat eine Aufnahme (1947) ohne und eine späte (1986) mit Wiederholung gespielt. Wenn es soweit ist, werde ich dazu im Schubert-Thread etwas sagen, falls Informationen vorliegen.
Von den Schülern Alfred Brendels, jedenfalls denjenigen, von denen ich es weiß, liegt mir bisher nur eine Aufnahme ohne Wiederholung vor, nämlich die von Paul Lewis.
Den Grundstein für meine Liebe zur B-dur-Sonate legte jedoch ein anderer großer Schubert-Pianist, der maßgeblich an der Durchsetzung der Schubert-Sonaten in den Konzertprogrammen beteiligt war, der große Wilhelm Kempff, dessen große Stereo-Aufnahme vom Januar 1967 aus dem Hannoveraner Beethovensaal den Zündfunken überspringen ließ und der eben auf die Wiederholung der Exposition nicht verzichten wollte- mein Gott, welch eine Aufnahme!
Doch auch noch andere "Große Alte" wie Paul Badura-Skoda (s.o.), Philippe Entremont, Christoph Eschenbach, Andor Foldes, , Maria Judina, Walter Klien und vor allem der große Swjatoslaw Richter, um nur einige zu nennen, taten es ihm gleich.
So viel an dieser Stelle zu diesem Thema, vielleicht noch so viel, dass nach meinem Überblick Lazar Berman der einzige Russe ist, der die Wiederholung nicht spielt. Ansonsten geht es in dieser Frage im Schubert-Thread weiter, wo demnächste die Aufnahmen von Meira Farkas, Vladimir Feltsman und Sergio Fiorentino besprochen werden.
Liebe Grüße
Willi
P.S. Ich sehe gerade in meinem Konzertplan für die laufende Saison, dass ich ein Konzert mit Martin Stadtfeld bei uns in Coesfeld im Konzerttheater gebucht habe, in dem er mit dem Staatsorchester Rheinische Philharmonie unter Garry Walker auftritt und nach der Prometheus_Ouvertüre Beethovens 1. Klavierkonzert spielt. Nach der Pause gibt es dann die Eroica. Herz, was willst du an einem solchen Tag mehr?
Lieber Willi, nur noch ganz kurz zu diesem Thema, das natürlich nicht recht hierher gehört: Sehr interessant, von Dir nochmals genau zusammengefaßt zu bekommen, welche Pianisten nun die Exposition wiederholten und welche nicht. Mich würde wirklich einmal brennend interessieren, wie jene konsequenten "Nichtwiederholer" eine so wichtige Entscheidung begründen. Man hört und liest darüber leider kaum etwas. Besonders nachdenklich stimmte mich immer, daß z. B. im Falle der BEETHOVEN-Sonaten ein so profunder Kenner des BEETHOVEN-Schaffens wie BACKHAUS wohl grundsätzlich die Wiederholung nicht spielte. Die von Dir genannten Großmeister des Klaviers haben diese ja ganz gewiß nicht aus Fahrlässigkeit oder Bequemlichkeit unterlassen, sondern müssen dafür sehr stichhaltige Gründe gehabt. haben.
Was die SCHUBERT-Sonaten anbetrifft, so war es meines Wissens Friedrich WÜHRER, der den hohen Stellenwert dieser Kompositionen mit als einer der ersten erkannte, und der auch als erster eine Gesamteinspielung vornahm, und die Sonaten auch geschlossen aufführte. GILBERT SCHUCHTER, NOEL LEE und PAUL BADURA-SKODA kamen dann wohl fast gleichzeitig kurze Zeit danach, dann auch WILHELM KEMPFF mit einer meines Wissens nicht ganz vollständigen Einspielung. Deshalb hoffe ich ja immer noch darauf, daß Du auch WÜHRER, wenn auch ganz am Ende des Alphabets, bei Deiner Besprechung der SCHUBERT-Sonaten berücksichtigen wirst. In Deinem Beitrag Nr. 7 vom 14.05.19 hast Du mir jedenfalls darauf etwas Hoffnung gemacht. Ich bin fast sicher, daß WÜHRER bei einem Vergleich nicht viel schlechter wegkommen dürfte als der großartige WILHELM KEMPFF!
Doch zurück zum eigentlichen Thema MARTIN STADTFELD ! Du hast offenbar so viele Konzertbesuche auf dem Plan, daß Dir dieses Konzert mit STADTFELD gar nicht gleich einfiel! Gerne würde ich dieses Konzert miterleben. Immerhin habe ich ihn mit diesem BEETHOVEN-Klavierkonzert noch nicht gehört!
Viele Grüße
wok