Lieber Alfred,
ich freue mich sehr, dass Du eine Lanze für Derek Han und seine wundervollen Mozart-Aufnahmen brichst, die ich schon seit Jahren mit großer Freude immer wieder heranziehe und als eine sehr geglückte und ausgewogene Aufnahme betrachte. Ich denke, auch die Information über das Philharmonia Orchestra ist stimmig, weder die Brilliant Classics noch eine andere mir bekannte Seite erwähnt einen anderen Klangkörper. Jedenfalls sind die Aufnahmen nicht nur wegen ihres günstigen Preises überaus hörenswert. Auch youtube und Streaming-Dienste haben die Aufnahmen in ihrem Programm, so dass sich jeder Musikfreund schnell ein Bild verschaffen kann.
Dabei war er offensichtlich nicht nur ein fähiger Pianist und Musiker, sondern auch ansonsten ein heller, unternehmungslustiger Kopf: laut Informationen auf der Steinway-Homepage interessierte er sich auch für Versicherungen und Finanzen und gründete sogar eine eigene Investment-Firma:
"As his musical career grew, Han also became involved in financial securities, heading his own investment company by 2005."
https://www.steinway.com/artists/derek-han
Mehr Informationen, hochinteressant und spannend, bietet dieser Artikel in "The China Daily", verfasst von Andrew Moody, unter dem Titel:
"The double life of Derek Han" - also, "das doppelte Leben des Derek Han"
Unter anderem wird dort beschrieben, wie er in das Finanzgeschäft einsteigen konnte - nämlich durch ein üppiges Erbe von 50 Millionen Dollar, das ihm in den 80er Jahren zuteil wurde:
Han, who graduated from The Juilliard School of Music in New York and won the Athens International Piano Competition in 1977, would have probably just been a musician, if he had not inherited $50 million (40 million euros) in the late 1980s.
Er war damals mit einer Italienierin verheiratet, deren Vater der Begründer einer Firma namens Nordica war, die Ski-Stiefel produzierte und dann an Benetton verkauft wurde - der Geldsegen wurde dadurch noch größer. Daher sah sich der Pianist gezwungen, dieses "Fass voll Geld", das ihm da in den Schoß gefallen war, zu verwalten:
"I ended up with a barrel of cash that I had to start managing. I became one of the founding partners of a new private bank in Switzerland,"
Er wurde also einer der Mitbegründer und Vorstandsmitglied einer neuen Privatbank in der Schweiz, der PG Partner Bank in Zürich. 2003 unternahm er dann ein weiteren Schritt und stieg in eine Londoner Makler- und Investmentfirma ein, die Lowell Capital. Zwei Jahre später übernahm er den Vorsitz und taufte das Unternehmen in NSBO um. Er änderte auch die Ausrichtung des Unternehmens und konzentrierte sich ganz auf den chinesischen Markt. Zur Zeit der Abfassung des Artikels (2012) waren 40 Angestellte in London und 10 Mitarbeiter in Beijing für Derek Han tätig.
Derek Han wird als offen und bodenständig beschrieben (das deckt sich auch mit meinem Eindruck aus dem Video, das moderato in Beitrag #1 in diesem Thread verlinkt hat).
Er teilte seine Zeit zwischen seinem Wohnsitz in Sarasota, Florida, Beijing und London auf, wo er meistens in Hotels wohnte. Trotz seiner Business-Aktivitäten übte er täglich mehrere Stunden Klavier, in London immer bei Steinway and Sons in der Wigmore Street.
Er reflektiert in dem Artikel auch die chinesische Mentalität, die er bei seinen Eltern erlebte, die China in den 1940er Jahren verlassen hatten und die er oft später erst verstand. Da er nicht nur in Amerika, sondern auch 20 Jahre Europa lebte und oft China besuchte, konnte er nach und nach die unterschiedliche Mentalität besser verstehen - einerseits die europäische Direktheit, andererseits die chinesische Zurückhaltung und das strenge Verhaltensprotokoll.
Musik war jedoch immer eine wichtige Konstante in seinem Leben:
"Ich begann, als ich sieben Jahre alt war und übte buchstäblich sieben oder acht Stunden am Tag. Man hat die falsche Vorstellung, dass nur außergewöhnlich talentierte Leute so etwas tun können. Du kannst jedoch so talentiert sein, wie du willst, du musst trotzdem richtig daran arbeiten. Du musst Kilometer zurücklegen auf den Klaviertasten", führt er aus.
Dabei kommt Derek Han auch zu dem Schluss, dass seine Aktivität als Finanzmanager nicht nur eine Abwechslung von der Musik ist, sondern ihm auch hilft, ein tieferes Verständnis für die Musik zu entwickeln.
Sehr spannend! Jedenfalls werde ich ihn nicht vergessen und seine Aufnahmen weiterhin sehr in Ehren halten.
http://www.chinadaily.com.cn/a…09faa3101a51ddf8e5b6.html