Bad Boys! Baden Baden 12.November 2010

  • Als ich noch etwas jünger war, spielte ich auf der PlayStation mit meinem besten Freund einen Fußball-Manager. Das beste daran war, dass man sich seine eigene Mannschaft erstellen konnte: Ich wählte damals den Vereinsnamen "FC Salzburg" und in der Mannschaft kämpften unter anderen ein Mittefeldspieler namens Thomas Hampson, das Tor hütete Matti Salminen, in der Abwehr spielten Jose Carreras und Samuel Ramey Seite an Seite, und Aldo Protti war mein Mittelstümer. Im rechten Sturm hatte ich Bryn Terfel aufgestellt, der ein Tor nach dem anderen schoß.


    Dank meiner Freundin wurde endlich einer meiner großen Opern-Wünsche erfüllt und ich erlebte Bryn Trefel einmal live und es war ein ausgesprochen schöner Abend. Vielen Dank dafür!


    Der walisische Bariton stellte eine Auswahl der großen Schurken auf seiner „Bad Boys“ - Tournee vor und faszinierte mit einem stilvollen, lebendigen Konzert im Festspielhaus Baden Baden.
    Leider waren viele Sitze leer geblieben an dem Abend, aber die die wirklich überragende Akustik des Hauses machte auch das penetrante Flüstern von einigen Nachbarn ebenso deutlich wie den einzigen falschen Zupfer der Geigen oder die schönen Einsätze der Harfen in der Ouvertüre zu „La forza del destino“ Unter der umsichtigen Leitung von Gareth Jones zeigten sie nicht nur in diesem Solo-Beitrag eine gute Bandbreite in der dynamischen Auslotung. Auch als Begleiter verließen sie sich nicht nur auf fehlerfreies Spiel sondern vielmehr darauf, die Stimmung in vielen funkelnden Details und gefährlich leisen Untertönen mächtig anzuheizen.
    So nahm der Abend seinen Lauf und Bryn Terfel zeigte sich nach seinem Wotan an der Met und einem abgesagten Konzert in Hannover in stimmlich guter Verfassung. Seine Gestik beschränkte er auf sparsame, dafür wirkungsvolle Bewegungen, seine Mimik erweckte die Figur fast von selbst zum Leben. Zuerst zauberte er einen Dulcamara im besten Parlando aus dem Hut, sicherlich keine Dämonie sondern ein ganz großer Spaß. Beides wurde dafür um so mehr vereint in Boitos „Mephistopheles“. Das berühmte „Son lo spirito“ hatte abgrundtiefe Bosheit, zugleich aber auch zynistischen Spass an der Zerstörung, Freude an der negativen Energie. Und am Ende forderte er das Publikum auf, sich mit ihm im grellen Pfeifen zu messen. Dem anderen Mephisto blieb die große Wirkung trotz aller Klasse versagt, Terfel schien in der hohen Lage des Rondo vom goldenen Kalb nicht ganz so glücklich zu sein.
    Der Kapser aus Webers Freischütz wäre wirklich eine gute Rolle für Terfel auf der Bühne, sein „Schweig, schweig“ hatte die triumphale Geste eines Menschen, der versucht sich auf der Ebene des Teufels niederzulassen. Ebenso auch Jagos Credo, das Terfel auf der „Bad Boys“-CD nicht in dieser Dimension eingespielt hatte. Dieser wirklich böse Jago wirkte in seiner äußeren Ruhe von innen heraus getrieben. Makellos trieb er die hohen Töne über das wogende Orchester hinaus. Schön schaurig und differenziert gelang die Geisterstunde “When the night wind howls” aus Arthur Sullivans “Ruddigore“.
    Schwer zu sagen, was der Höhepunkt des Abends war: Das „Te-Deum“ aus Tosca fiel sicherlich in die engere Auswahl. Ein großes Tableau, zu dem sich das exellente Münchener Rundfunkorchester sowie der schlanke und dennoch durchschlagende Chor der Hochschule für Musik Karlsruhe (Einstudierung: Prof. Martin Schmidt) vereinigten. Überhaupt war dieser Chor ein echter Gewinn für diesen Abend: Die Stimmen klangen unverbraucht, schlank und waren äußert sicher präpariert. So wurde Terfels hoch aufragender Scarpia mit einem düster-sakralen Sumpf umschlossen. Ganz andere Qualitäten hatte seine Ballade von Meckie Messer, wo Tefel mit der schmierigen Schlichtheit das Genius eines bösen Menschen besang.
    Und da wäre noch Terfels herrlich zynischer Sporting Live zu nennen: Freie Rhythmik, freche Grimassen und böse Andeutungen machten “It ain’t necessarily so” aus “Porgy and Bess“ zu einer Lehrstunde in Sachen Ausdruck und Gesang.
    Zu guter Letzt: Mit der einzigen Zugabe verabschiedete sich Bryn Terfel als vom extremen Gerechtigkeitssinn getriebener Javert aus „Les Misarables“ mit einem fast zu schön klingenden Gruß an die Sterne: „Stars. There out in the darkness“
    Aber was wäre so ein Abend ohne illustres Publikum: Cecilia Bartoli hatte sich ganz ohne Star-Allüren unauffällig im Publikum nieder gelassen. Andere waren da deutlich bemühter, um auf zufallen: Es wurde mit langen Arm mitdirigiert, der Nachbar wurde umgehend über die neusten Erkenntnisse informiert, das Programmheft wedelnd herumgereicht und Bravo-Rufe mit pikiertem Lächeln quittiert. Schade, dass das Festspielhaus Baden Baden diesem Künstler nicht nur ein zahlendes sondern auch ein aufmerksames Publikum bieten konnte. Trotzdem bekam er großen Zuspruch von den Leuten, die nicht da waren, um sich im Glanz eines schönen Festspielhauses zu sonnen.


    Hier noch einmal das komplette Programm (Reihenfolge war leicht geändert):


    Bryn Terfel Bariton
    Gareth Jones Dirigent
    Chor der Hochschule für Musik Karlsruhe (Einstudierung: Prof. Martin Schmidt)
    Münchner Rundfunkorchester


    Die Bad Boys der Oper aus Tosca, Sweeney Todd, Faust, Don Giovanni und anderen


    Giuseppe Verdi
    Ouvertüre zu „Die Macht des Schicksals”


    Gaetano Donizetti
    “Udite, udite, o rustici” aus “L’elisir d’Amore”


    Arrigo Boito
    “Son lo spirito che nega” aus “Mephistopheles”


    Carl Maria von Weber
    „Schweig, Schweig“ aus „Der Freischutz“


    Jaques Offenbach
    Ouvertüre zu “Orpheus in der Unterwelt”


    Charles Gounod
    „Le veau d’or“ aus „Faust“
    „Ruhm unsrer Ahnen“ – Soldatenchor aus „Faust“


    Giacomo Puccini
    Te Deum aus “Tosca”


    Giuseppe Verdi
    Credo aus “Otello”


    Charles Camille Saint-Saëns
    Danse Macabre


    Stephen Sondheim
    Die Ballade des Sweeney Todd


    Kurt Weill
    Mack the Knife aus der “Dreigroschenoper“


    Arthur Sullivan
    “When the night wind howls” aus “Ruddigore”


    Wolfgang Amadeus Mozart
    Ouvertüre zu “Don Giovanni”


    George Gershwin
    “It ain’t necessarily so” aus “Porgy and Bess”

  • Hallo WotanCB,


    danke für Deinen ausführlichen Bericht. Bryn Terfel habe ich leider noch nicht live gehört. Es wundert mich doch sehr, dass das Konzert nicht ausverkauft war.


    :hello:


    Jolanthe


  • Darüber habe ich mit einer Mitarbeiterin in Baden Baden gesprochen. Sie führte folgende Gründe an:
    Im Festspielhaus würde man erst 2010 die Finanzkrise merken, weil viele schon 2008 die Karten für das eigentlich schwere Jahr 2009 gekauft hatten. Also wurde 2009 gespart. Auf dieser Grundlage kommt dann ihre weiteres Argumente zum Tragen: Denn Bryn Terfel mag zwar bekannt sein, aber in Punkto Beliebtheit und Marketing sind Cecilia Bartoli, Jonas Kaufmann, Villazon und Florez einfach besser vertreten. Und daher wird für die auch eher Geld ausgegeben.

  • Das Konzert vom 07. November in München wird morgen Abend auf BR Klassik ab 19:03 gesendet.