Nur noch selten kann man Giordanos „Andrea Chénier“ an den großen Opernbühnen außerhalb Italiens erleben. Jener Oper, die die Revolution in Frankreich anhand von drei Gestalten unterschiedlichen gesellschaftlichen Rangs auf die Bühne gestellt hat. Wenn, dann entscheiden sich die Intendanten allerdings nicht für den „Tosca“-Vorläufer mit einer ähnlichen Figurenkonstellation wie in Puccinis Werk. Das ist natürlich sehr schade, weil durch das Stagione-Prinzip das Gesamtrepertoire eines Opernhauses immer mehr und mehr eingeschränkt wird.
An Berlins Deutscher Oper kann man nun dieses Giordano-Meisterwerk noch live erleben. Die Inszenierung aus dem Jahre 1994 von John Dew bietet zunächst ein vom Bühnenbildner Peter Sykora entwickeltes Einheits-Tableau, dass der jeweiligen Situation angepasst wird. Um diese Szenerie präsentiert uns Dew ein beeindruckendes Spiel von Dekadenz, Machtkampf und Machtmissbrauch.
Die drei Hauptgestalten der Oper waren in dieser Aufführung wirklich luxuriös besetzt: Salvatore Licitra gab ein beeindruckendes Rollenporträt der Titelfigur. Sein sehr gut disponierter Tenor zeichnete sich durch große Strahlkraft aus. Maria Guleghinas Gesang hauchte der Madeleine Leben ein. Darstellerisch blieb sie allerdings zu blass. Der eigentliche Star des Abends war jedoch Seng Hyoun Ko. Er sang nicht nur seine Partner schlichtweg an die Wand, sondern auch darstellerisch bot er die beste Leistung des Abends.
Der Dirigent James Allen Gähres erwies sich als wahrer Kenner der Partitur. Er entlockte dem Orchester der Deutschen Oper Berlin zündende klangvolle Töne. Der Chor der Deutschen Oper bot auch am heutigen Aufführungsabend eine sehr gute Leistung. Insgesamt war es ein Abend, der das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss.
LT