Der Stoff aus dem die Opern sind (8) -Zeitgenössische Themen in Opern des 20. Jahrhunderts

  • Die Folge 8 unserer Serie befasst sich mit Opern die im 20. bzw 21 Jahrhundert spielen, also ein Spiegel unser Zeit sind - oder sein sollen. Es besteht hier also die Chance Probleme oder gesellschaftliche Phänomene , aber auch geschichtliche Ereignisse auf die Bühne zu bringen und durch eine moderene Musiksprache zu unterstreichen bzw zu betonen.


    Und nun kann man analysieren, wie viele zeitgenössiche Komponisten (wir wollen das Wort "zeitgenössisch" nicht auf die Waagschale legen, sondern möglichst frei verwenden) diese Chance ergriffen haben und welche Themen sie hiebei gewählt haben.


    Ferner kann man eventuell auch recherchieren ob diese Opern staatliche Auftragswerke waren oder sich am freien Markt bewähren mussten, ob sie mehrfach aufgeführt wurden - oder in den Archiven vermodern...


    Dann allenfalls noch ob das Publikum die Oper mit Ovationen - mit Gleichgültigkeit - oder mit Pfiffen begrüsst hat.
    Mit ist die Schwierigkeit in diesem Bereich durchaus bewusstt - aber vielleicht bekommen wir dennoch Sicht auf das eine oder andere Detail....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Besucherzahlen oder der Erfolg auf den freien Markt gelten keinesfalls als zurreichendes Qualitätskriterium für Musik, sonst müssten zeitgenössischer Rap oder Techno als das kompositorische Non plus ultra gelten und nicht z.B. der Fidelio oder Cosi fan tutte....


    Drei Meisterwerke - beide sog. Atonalität zuzurechen - der zeitgenössischen Oper bilden B.A. Zimmermanns Soldaten und Luigi Nonos Intolleranza 1960 und Al gran sole carico d’amore.


    In beiden Werken Nonos steht vor allem der Chor im Mittelpunkt.


    Alle drei Meisterwerke stehen handlungsmäßig im konkreten Bezug zur Gegenwart.


    Die Soldaten, deren Handlung sich vor allem um das Schicksal Marien kreist, die von einem Soldaten sexuell ausgenutzt wird und als Prostituierte/Bettlerin endet, bezieht sich gleichzeitig sich auf die Vergangenheit und konkrete Gegenwart. Die Schlussszene mit den Zug von gefallenen Soldaten hat schier apokalyptische Züge. Der Orchestersatz ist hochkomplex geschrieben, auf z. Tl. alte barocke Formen bezugnehmend, mit faszinierenden Klangflächen (sehr typisch für die Kompositionsweise des späteren Zimmermanns), Zitaten, dabei hochemotional auf den affektiven Bereich der Hörers zielend.


    Die Oper wird einerseits nicht so häufig gespielt, wie andere bekannten Meiserwerke aus z.B. der Neuen Wiener Schule, aber gehört zu den wenigen zeitgenössischen Opern, die sich "durchgesetzt" haben. Vermutlich werden die Soldaten sogar häufiger aufgeführt als Pfitzners Palestrina (auch ein großes Meisterwerk) Im letzten Jahr gab es z.B. eine erfolgreiche Aufführung in den Niederlanden unter Hartmut Haenchen.



    Vergleichbar durchgesetzt haben sich Nonos Intolleranza 1960 und Al gran sole. Al gran sole, dass auf gescheiterte Revolutionen aus Vergangenheit (Pariser Commune) bis zur jüngeren Gegenwart (Kuba) bezug nimmt, kehrt der herkömmlichen Oper den Rücken zu. Die Handlung ist nicht linear erzählt. Der Orchestersatz besitzt nicht die vergleichbar hohe Komplexität von Zimmermann. Ist aber dennoch sehr differenziert gestaltet und sich nicht zu schade, auch zarteste und poetische Momente zur Geltung zu bringen. (Nebenbei: Es wäre ganz und gar einseitig Luigi Nono ausschließlich als politischen Komponisten einzuordnen. Sein grandiose Streichquartett, dass sich mit dennen von z.B. Beethoben, Schubert oder Schönberg mühelos messen lassen kann, verweisst in ganz andere Dimensionen..)



    Die Hannoversche Aufführung der Intolleranza 1960 von 2010 kann ebenfalls als sehr erfolgreich angesehen werden.


    Diese drei Meisterwerke gehören kompositorisch mit zum Gelungensten was für die Oper überhaupt geschrieben wurde und würden einen qualitativen Vergleich mit anderen Meisterwerken dieser Gattung z.B. Verdis Othello, Mozarts Nozze, Schönbergs Moses und Aron oder Bergs Wozzeck ohne weiteres Stand halten.


    Auch wenn Vorstellungen der z.B. Zauberflöte erfahrungsgemäß eine größere Anzahl von Interessenten anziehen werden, ist, war und wird zu beobachten sein: eine Resonanz bzw. Zustimmung der Besucher von sehr hoch bis überwältigend . .


    Allen diesen Meisterwerken ist unbedingt noch höhere Präsenz in den Spielplänen zu wünschen.
    :hello: