Israel Philharmonic Orchestra, Jerusalem: Pique Dame, konzertante Aufführung, 13. 11. 2012

  • Da ich mich zur Zeit auf einem Studenten Austausch in Israel befinde, bin ich letztens nur sehr wenig in die Oper gekommen. Obwohl die Menschen hier sehr musikbegeistert sind, gibt es in Israel nur ein Opernhaus in Tel Aviv, welches seine Saison erst Ende November beginnt. Umso erfreuter war ich, als in gelesen habe, dass eine konzertante Aufführung der Pique Dame durch das Israel Philharmonic Orchestra in der Jerusalemer Stadthalle stattfinden würde. Natürlich habe ich mir dann gleich Tickets besorgt. Die große Stadthalle von Jerusalem war leider nur zu etwa zwei Dritteln gefüllt. Auffallend war, dass sich vor allem ältere Menschen und Leute russischer Herkunft im Publikum befanden. Auch scheint man es hier in Israel, mit zu spätkommenden Besuchern und denen, die früher gehen, nicht so ernst zu nehmen. So wurden die Türen teilweise während der Aufführung gar nicht geschlossen. Aber auch laute Kommunikation im Publikum und Handy-Kingdln schienen hier nicht ungewöhnlich. Nichtsdestotrotz begann die Aufführung pünktlich um 7:30 Uhr. Dirigent Vladimir Jurowski wurde mit freundlichem Applaus begrüßt, und begann sogleich zu dirigieren. Er entlockte im Orchester von der Ouvertüre an wunderbare Klänge. Seine insgesamt eher zügigeren Tempi bekamen dem Werk gut und liessen wahre Spannung aufkommen. Das Orchester spielte wunderbar präzise, sowie spannungs- und farbenreich. Auch der Gary Bertini Chor sang durchweg prächtig. Bei den Solisten muss an erster Stelle Natalia Kreslina als Lisa genannt werden. Mit wunderbarem Sopran und leuchtender Höhe gelang es ihr das Schicksal der unglücklichen liebenden Lisa greifbar darzustellen. Ihre Sterbeszene war wahrlich mitreißend. Nina Romanova brachte genau das Format mit, dass die alte Gräfin braucht. Die große Szene, in der sie die Erinnerung an ihre Jugend in Versailles heraufbeschwor, war wirklich meisterhaft gesungen, genauso wie ihr französisches Lied. Unheimlich und bedrückend war dagegen die Erscheinung der Gräfin als Geist. Ekaterina Semenchuk sang die kurze Partie der Paulina mit warmem angenehmem Alt. Bei so viel vokaler Brillanz der Damen, hatten die Herren des Abends es schwer, machten jedoch das Beste daraus. Michail Urusov als Hermann verfügt über eine wunderbare, "russische" Tenorstimme, schien jedoch unter einer Indisposition zu leiden, was teilweise an lauten Räusperattacken deutlich wurde. Dennoch präsentierte er ein mitreißendes Portrait des Hermann und meisterte seine schwere Partie mit Bravur. Andrey Breus als Yeletsky sang seine Arie mit angenehmem Bariton und Sergei Leiferkus überzeugte in der kurzen Parie des Tomski. Alle anderen kleineren Rollen waren gut bis sehr gut besetzt. Insgesamt eine höchst gelungene Aufführung, wobei es etwas irritierend war, dass das Publikum nach dem letzten Ton direkt aufsprang und ins frei strömte. Bei uns hätte man solch eine Aufführung sicher mehr gefeiert.... Eine Inszenierung habe ich zu keinem Zeitpunkt vermisst. Meine Begleiterin, die nicht sehr opernerfahren ist, hat das bestätigt. Sie hat sich zu keinem Zeitpunkt gelangweilt. Bei so einer konzertanten Aufführungen steht wirklich die Musik im Mittelpunkt. Sie beweist einmal mehr, dass Oper alles andere braucht, als die Inszenierung irgendwelcher neurotischer Regisseure. Oper ist nun einmal hauptsächlich Musik, die nur von einer Inszenierung allenfalls unterstützt werden soll. Wenn es keine Inszenierung gibt, wie hier, macht das nichts.Tschaikowskys Musik entfaltete auch so ihre volle Wirkung. Man musste sich über nichts ärgern ( Wie z.B. über eine geschmacklose Münchner Pique Dame, bei der Lisa am Ende in der Scheibe eines Brautmodeladen verblutete, aber in der immerhin Placido Domingo sang....) und konnte sich voll auf das musikalische Drama konzentrieren. In düsteren Regietheater-Zeiten, wird das sicher nicht die letzte konzertante Aufführung sein, die ich besuchen werde. Dieser Abend wird mir immer als etwas besonderes in Erinnerung bleiben.

  • Vielen Dank, figaroo. Das klingt wirklich nach einem besonderen Ereignis. Ich habe "Pique Dame" in Köln gesehen mit Martha Mödl als Gräfin. Die Inszenierung kam auch im Fernsehen und war sehr beeindruckend. Renè Kollo sang den Herrmann. Bin derzeit eh voll auf dem Tschaikowsky-Tripp, höre Dornröschen rauf und runter. Ich finde, seine Musik hat so etwas festliches, dann wieder schmerzhaftes, an den Wahnsinn grenzendes.