Gounod: Faust Hamburg 17.09.2011

  • Die Inszenierung war ausnahmsweise einmal relativ schlüssig und erträglich, Einheitsbühnenbild mit sich drehenden Halbwänden die meist eine mehr oder weniger große Puppe ( anfangs noch komplett und für eine Vergewaltigung benußt, im späteren Verlauf allerdings in Einzelteilen drapiert auf der Bühne zur Schau gebracht ) mal mit und mal ohne einem weißen Stuhl, garniert mal mit und mal ohne überdimenionale Topfpflanzen.
    Das ganze hört sich für manche vielleicht weniger schlüssig an, es ist aber erträglich oder um es anders zu vormulieren, man hat schließlich auch schon schlimmeres erlebt.
    Aber kommen wir jetzt zum angenehmen Teil des Abends.


    Simone Young stand am Pult und verstand es wiedereinmal aufs neuen einen wundervollen Klangteppich zu zaubern.
    Marcello Girodani bewieß schon vor dem ersten Vorhang das er das D beherrscht, ich hörte eine kurze Probe seines Könnens bereits vor der Oper, er war wohl gerade beim einsingen, bei mehr oder weniger geschlossenem Fenster.
    Der Ton saß beim einsingen zu mindest besser als während der Aufführung in seiner Arie Salut demeure .. denn dort drohte er fast ein wenig zu verrutschen wurde aber nicht wie es Giuseppe Filianotti zuvor tat im Falsett genommen.
    Marcello Giordani hat, wenn man seine Naxos CD als indikator nimmt, die von CBC ist ja leider seit Jahr und Tag schon wieder gestrichen, Interpretatorisch enorm dazu genommen, die Stimme klingt ausgeglichen und rund. Er singt zwar nicht so impertinent wie Corelli oder del Monaco aber immer mit vollem Ton, nimmt sich jedoch in lyrischen Momenten angenehm zurück, er beherrscht beides.
    Elena Mosuc brillierte auch hier mit ihrem schimmernden Soproan, wie sie es zuvor bereits in Les conte d'Hofmann ( wo sie für jede der einzelnen Frauenrollen eine eigene Stimme fand ) und in Lucia di Lammermoor tat.
    Ihre Norma, ich "sah" und hörte einige Auszüge auf Youtube, muß man leider als gescheitert betrachten, da ihr dort die innerliche Ruhe für die Rolle fehlte, sei wirkt dort sehr gehezt trotz einer statischen Inszenierung.
    Hier jedoch vermochte sie mit ihren stimmlichen Reizen und die besitzt sie zweifelsohne zu genüge, zu glänzen, sowohl in der Höhe, wie auch in lyrischen Momenten.
    Tigran Martirossian verfügt zwar nicht über die reichen stimmlichen Mittel wie sie einem Fedor Schaljapin oder Boris Christoff zur Verfügung standen und ging daher im Schlußterzett fast unter, dennoch absolvierte er an diesem Abend einen wundervoll eleganten Mefistofeles, wie man ihn beispielsweise noch von Ezio Pinza oder Marcell Journet im Ohr hat.
    Georg Petean war hier anders als Beispielweise im Rigoletto vokal in seinem Element war kontne aus dem vollen Schöpfen, was er gesanglich auch tat, seine Abschieds und seine Todesszene später im letzten Akt hat man selten besser gehört ( Live bzw. auf CD ).
    Der stimmliche Aufritt des wunderbaren Sparafuciles, hier war es die Rolle des Wagner, gesungen von Tigran Martirossian ist leider komplett verschenkt worden und das hat dieser Sänger einfach nicht verdient, so unter Wert verkauft zu werden.
    Seine Stimme wurde über Lautsprecher eingespielt und daher trat er verständlicherweise zum Ende der Vorführung nicht mehr vor den Vorhang, wahrscheinlich kam sie von Band.
    Renate Springler als mannstolle Martha war ebenfalls hervorragend, den Siebel gesungen von Rebecca Jo Loeb konnte man schwerlich als Konkurrenz für den Faust erstnehmen, sie sang zwar gut aber zu wenig charakteristisch.
    Der Saal war trotz dieser Weltklassebesetzung nur zu gut zweidrittel gefüllt.

  • Hallo Sven,


    vielen Dank für diesen interessanten Bericht! Ich werde am kommenden Donnerstag (22.09) das Vergnügen haben, mir den Faust anzuschauen. Ich werde dann ebenfalls versuchen, zu berichten. Mal schauen, wie es wird ;)

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Hoppla, hier bin ich wohl noch einen kleinen Nachbericht schuldig :whistling:


    Wie angekündigt, war ich fünf Tage später ebenfalls in dieser Inszenierung mit fast identischer Besetzung


    Faust : Marcello Giordani
    Marguerite : Elena Mosuc
    Mephisto : Tigran Martirossian
    Wagner : Alexander Tsymbalyuk
    Valentin : George Petean
    Marthe : Renate Spingler


    Philharmoniker Hamburg, Dir. Simone Young (GMD)


    Inszenierung (2010) Andreas Homoki, Bühnenbild und Kostüme Wolfgang Gussmann


    Bis vor einem Jahr kannte ich dieses Stück bis auf wenige Highlights praktisch nur dem Namen nach. Mehr oder weniger zufällig hatte ich dann aber die Übertragung der Premiere vom 30.11. diesen Jahres im Radio gehört und war doch so eingenommen, dass ich dachte: Da kann man in der nächsten Saison ja mal hin!


    Zu Beginn gab es dann ersteinmal einen Wermuthstropfen. Es wurde angekündigt, dass Herr Giordani leider etwas indisponiert sei, aber trotzdem singen werden. Ich vermute, für die doch recht anspruchsvolle Partie des Faust war so schnell kein Ersatz zu bekommen. - Aber irgendwie habe ich bei soetwas immer Glück! Genauso, wie ich vor Jahren hier in Hamburg einen indisponierten Rene Kollo erlebt habe, der als Tannäuser seine Mitstreiter ohne Probleme an die Wand gesungen hat, fragte mein neben mir sitzender langjähriger Mit-Operngänger schon Mitte des ersten Aufzuges "Und wo bitteschön ist der jetzt indisponiert?" :jubel:


    Interessanterweise kommt der rauhe Hals ja auch eher in den lyrischen Passagen zum tragen, als beim hohen C. So waren zur ersten Pause hin schon kleine Aussetzer zu vernehmen, die jedoch die formidable Gesamtleistung in keinster Weise schmälern konnten. Respekt für diesen Auftritt! Ebenso konnte Elena Mosuc überzeugen, welche sich nicht nur bei der Juwelenarie keine Blöße gab und es verstand, die zarten Momente voll auszukosten. Zwar darstellerisch, aber nicht unbedingt gesanglich überzeugen konnte Tigran Martirossian als Mephisto. Was da durchaus diabolisch gespielt wurde, kam gesanglich nicht ganz herüber. Der Stimme fehlte zumindest an diesem Abend und für meinen Geschmack die Durchdringungskraft, die mich hätte angstigen können. Da hätte man vielleicht gerne Alexander Tsymbalyuk (Wagner) hören wollen, der in seinem kurzen Auftritt "bass-technisch" mehr Wirkung entfalten konnte. Andererseits ist natürlich jeglicher Vergleich mit meinem aktuellen Referenz-Mephisto Boris Christoff vollkommen unangemessen und ein totaler Ausfall ist auch etwas anderes.


    Wie in der von Sven besuchten Vorstellung, so auch an diesem Abend ganz großartig: George Petean (Valentin); den wir später noch beim einem schnellen Sprint im Freizeitlook (Jogging-Hose? :hahahaha: ) zum Italiener gegenüber bewundern konnten. - Oper ist eben auch Arbeit, die hungrig macht.


    In der Premiere stand der junge Cornelius Meister am Pult (seines Zeichens seit September 2010 Nachfolger von Bertrand de Billy beim RSO Wien [siehe hierzu auch Bertrand de Billy - a Rising Star?]), dessen schwungvolles und dynamisches, wenngleich nicht immer ganz sauberes Dirigat mich am Radio begeistern konnte. Leider war Meister für diese Aufführungsreihe anscheinend anderweitig belegt, so dass sich Fr.Young die Vorstellungen mit Alfred Eschwé (Volksoper Wien) geteilt hat. Eventuell wäre dieser für den Abend auch die bessere Wahl gewesen ... Ob es nun daran lag, dass Dirigentin und Orchester noch der "durchwachsene" Don Giovanni wenige Tage zuvor in den Knochen steckte, sei einmal dahingestellt. Jedenfalls war man versucht, ihr zuzurufen: Gounod ist weder Wagner, noch Strauß! - In meinen Ohren klang dieser wunderbare Franzose stellenweise einfach zu fett. Als wenn das Orchester mehr Noten spielen wollte, als da waren. Dabei gelang es Simone Young nicht immer, den Apparat inkl. Chor zusammenzuhalten. So gab es denn bereits nach der ersten Pause und auch am Schluß einige nicht gänzlich unberechtigte Unmutsbekundungen ;(


    Die Szenerie im Wesentlichen schwarz auf drei sich ineinander drehenden Scheiben, sowie die verschiedenen Accssesoires hat Sven ja schon beschrieben. Im großen und ganzen nicht uninteressant und auch nicht langweilig, aber auch nicht zwingend. Am meisten überzeugt hat mich vielleicht die Idee der Vergewaltigung, da ich schon zu Zeiten meines Deutsch-Leistungskurses der Auffassung war, das Faust ein ziemlicher Versager ist, der sein intellektuelles Scheitern letztlich in sexueller Form und auf Kosten Margaretens kompensiert :thumbdown:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.