Carl Melles – Noch ein wenig Beachteter


  • Geboren am 15. Juli 1926 in Budapest, studierte Carl Melles ebenda. Bis 1951 war er Leiter des Franz-Liszt-Chors Budapest, ab 1951 Chefdirigent des Ungarischen Staats- und Rundfunkorchesters. 1954 wurde Melles zum Professor an der Budapester Musikakademie ernannt. 1958 folgte seine Berufung zum Chefdirigenten des Orchesters Radio Luxemburg. Zahlreiche Gastdirigate führten ihn u. a. an die Volksoper nach Wien, zu den dortigen Festwochen, zu den Salzburger Festspielen und auch nach Bayreuth, wo er 1966 den "Tannhäuser" dirigierte. Aber auch in den USA, in Japan und Südafrika war Melles gefragter Gastdirigent. Er dirigierte u. a. die Berliner wie auch die Wiener Philharmoniker, ferner die Wiener Symphoniker und das New Philharmonia Orchestra. Es erfolgten Auftritte mit berühmten Solisten wie Wilhelm Kempff, Nathan Milstein, David Oistrach, Maurizio Pollini, Swjatoslaw Richter, Mstislaw Rostropowitsch und Arthur Rubinstein. 1995 erhielt er das Große Silberne Ehrenzeichen der Republik Österreich verliehen. Im selben Jahr wurde er zum Ehrendirigenten des Staatsorchester Braunschweig ernannt. Seit 1996 lebte Melles aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen in Wien, wo er am 25. April 2004 78jährig starb. Verheiratat war er zeitweise mit der Schauspielerin Judith Rohonczy (Judith Melles). Aus dieser Ehe stammt Sunnyi Melles, die ebenfalls als Schauspielerin arbeitet.


    An Aufnahmen gibt es neben dem oben genannten Bayreuther "Tannhäuser" mit Jess Thomas in der Titelrolle und neben anderen Hermann Prey (!)



    und einem "Leonore"-Mitschnitt aus Wien u. a. folgendes:



    Bruckner: Symphonie Nr. 2

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zehn Jahre ist Carl Melles nun schon tot, fünf Jahre dieser Thread nun alt und ohne Resonanz, und die damals gewählte Überschrift erwies sich leider als zutreffend.


    Das Problem des Dirigenten Melles scheint zu sein, dass er diskographisch nur sehr mangelhaft erfasst ist. Wagnerianern ist er als der Bayreuther Dirigent von 1966 geläufig, der den "Tannhäuser" übernahm, aber angeblich an der Akustik scheiterte (wie viele andere). Immerhin ein paar weitere Aufnahmen konnte ich auftreiben: Es gibt einen kompletten Beethoven-Zyklus mit namhaften Solisten (darunter Norbert Orth und Franz Grundheber) sowie Schuberts "Große".



    Ein paar akustische Eindrücke:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Carl Melles ist auch mir ein Unbekannter geblieben. Ich kenne nur seinen Bayreuther TANNHÄUSER von 1966, den Joseph II. bereits gebührend heraus gestellt hat. Sonst nichts. Und dieser Mitschnitt ist in meiner Ausgabe von Golden Melodram auch nicht allererste Wahl. Er hat mich nie so stark hingerissen, dass ich ihn sehr oft hätte hören müssen und wollen. Nun habe ich mir die Box aber herausgesucht und werde mich wieder einmal damit beschäftigen.* Vielleicht komme ich ja zu neuen Einsichten. Man findet nicht viel an Informationen über Melles. In meinen Musikbüchern - und da ist wirklich kein Mangel - spielt er kaum eine Rolle. Die Angaben sind spärlich. Wie kommt das nur? Von den genannten Aufnahmen kenne ich außer dem TANNHÄUSER nicht eine. Beethovens Sinfonien mit dem Braunschweiger Staatsorchester! Das ist keine so richtige Initialzündung. ;) Oder tue ich ihm mit dieser Bemerkung unrecht? Kann jemand mehr dazu sagen?


    Melles verließ ja seine Heimat Ungarn im Gefolge der dramatischen Ereignisse von Mitte der 1950er Jahre an. Ist er vielleicht nie so richtig angekommen im Westen? Alles Spekulation. Ich frage mich nur, woran es liegt, dass wir alle so wenig über ihn wissen.


    * Wenig später: Ouvertüre, hier schon von Joseph eingestellt, klingt sehr gewaltig, das Bacchanal rasant in seinen peitschenden Steigerungen. Mal hören, wie es weitergeht. :)

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent