HÄNDEL, Georg Friedrich: SERSE

  • Georg Friedrich Händel (1685-1759):

    SERSE (XERXES)
    Oper in drei Akten HWV 40
    Libretto nach Nicolò Minato und Silvio Stampiglia von einem unbekannten Autor


    Uraufführung am 15. April 1738 im King's Theatre Haymarket


    DIE PERSONEN DER HANDLUNG


    Serse, König von Persien (Sopran)
    Arsamene, sein Bruder (Mezzosopran)
    Amastre, Serses Braut Braut (Alt)
    Ariodate, Hauptmann von Xerxes (Baß)
    Romilda, seine Tochter (Sopran)
    Atalanta, ihre Schwester (Sopran)
    Elviro, Arsamenes Diener (Baß)


    INHALTSANGABE


    ERSTER AKT


    Szene I: Belvedere mit Garten, in dem eine Platane steht.
    Mit einem Accompagnato und einer der berühmtesten Arien der Musikliteratur - Ombra mai fu - besingt König Serse die Schönheit einer Platane.


    Szene II: Zimmer im Belvedere.
    Arsamene, der Bruder des Königs, hofft, im Schloß seine geliebte Romilda zu sehen. Elviro, sein Diener, ist derart müde, daß er sich mehrmals verabschieden will, von Arsamene aber immer wieder zum Bleiben aufgefordert wird. Plötzlich ertönt eine liebliche Musik und beide hören ihr verzückt zu.


    Szene III
    Romilda kommt und äußert sich spöttisch über den König, der für einen „rauhen Baumstamm entflammt“ sei, von diesem aber nur „ein Blätterrauschen“ zur Antwort bekomme. Als der eintretende Serse Romilda erblickt, ist er sofort verliebt. Obwohl mit Amastre verlobt, schmachtet er nach der Tochter seines Hauptmanns Ariodate; die ist jedoch in Arsamene verliebt.


    Auf die Frage Serses, ob er Romilda kenne, verneint Arsamene, befürchtet aber, leise für sich gesprochen, aufkommende Eifersucht. Romilda besingt den anmutigen Bach, der frei dem Meer zufließt. Der Gesang gefällt Serse so gut, daß er, zu Arsamene gewandt, laut seine Verliebtheit gesteht. Arsamene wendet ein, daß der König keine Frau wählen dürfe, die keine Königin sei. Serse wischt das Argument beiseite und fordert seinen Bruder auf, Romilda mitzuteilen, daß er sie zur Königin erheben wolle. Als sich Arsamene ablehnend windet, beschließt Serse, Romilda selbst zu informieren. Nach seinem Abgang besingt Arsamene die Treue seiner Geliebten.


    Szene IV
    Romilda und ihre Schwester Atalanta treten hinzu und Arsamene gibt Romilda den Hinweis, daß der König ihre Treue erproben will. Romilda antwortet, daß sie keine Angst habe. Atalanta aber ist über diese Nachricht erfreut, denn sie liebt Arsamene und sieht die von Serse geplante Verbindung für sich als Problemlösung an. Ihre Arie ist ein einziges Liebesgeständnis. Nach ihrem Abgang kommt Elviro und kündigt den König an. Arsamene und Elviro verstecken sich.


    Szene V und VI
    Serse betritt von der einen, Romilda von der anderen Seite die Szene. Er fragt sie, ob Arsamene mit ihr gesprochen habe, was Romilda verneint. Daraufhin gibt er ihr seine Absicht bekannt, sie als seine Frau auf den Thron zu erheben. Romilda lehnt das mit höflichen, aber bestimmten Worten ab. Als Serse für diese Reaktion seinen Bruder verantwortlich macht, tritt Arsamene mit Elviro hervor und weist das entschieden zurück.
    Serse ist nicht überzeugt und geht soweit, seinen Bruder vom Hof zu verbannen. In einem Rezitativ mit anschließender Arie gesteht Serse Romilda seine Liebe. Dann geht er ab.


    Szene VII
    Romilda singt ihm nach, daß sie für seine Liebesworte völlig taub sei und er es nicht schaffen werde, sie zur Untreue zu verleiten. Danach geht sie ab.


    Szene VIII
    Amastre, Serses Verlobte, tritt in Männerkleidung und von einem Waffenträger begleitet, auf. In ihrer Arie sagt sie, daß sie zwar die Kleider gewechselt habe, aber nicht ihre Liebe. Als sie Stimmen hört, tritt sie beiseite.


    Szene IX
    Ariodate, Serses Hauptmann, kommt mit Soldaten, die Gefangene und erbeutete Standarten mit sich führen. In einer kurzen Ansprache äußert er seine Freude über den errungenen Sieg und seine Soldaten teilen diese Freude in einem Jubelchor.


    Szene X
    Serse kommt, umarmt seinen Hauptmann und beglückwünscht ihn zum Sieg. Die ungesehene Amastre äußert sich entzückt über den König. Als Serse seinem Befehlshaber ankündigt, seine Tochter werde als Dank einen königlichen Gatten bekommen, antwortet Ariodate, solche Trugbilder kämen ihm nicht in den Sinn. Unter Wiederholung des Jubelchores verlassen Ariodate und die Soldaten die Szene.


    Szene XI
    In einem Selbstgespräch reflektiert Serse den militärischen Sieg auch als Triumph seiner neuen Liebe. Er überlegt, wie er die neue Situation Amastre und ihrem Vater begreiflich machen kann. Seine letzten Worte, daß die Welt den Willen eines Königs immer für richtig halte, rufen Amastre, die bis dahin noch ungesehen beiseite stand, hervor. Glaubte sie zunächst, der König rede von ihr, mußte sie plötzlich erfahren, daß sie nicht mehr die Favoritin ist. Sie bezichtigt den König der Lüge. Der überraschte Serse fragt, wer „er“ sei und wen „er“ gemeint habe. Amastre redet sich heraus, sie habe zu ihrem Gefährten gesprochen, der behauptet habe, die Brücke, die Serse über den Hellespont bauen ließ, würde den Winden nicht standhalten. Serse nennt beide töricht und schickt sie weg. Bevor er abgeht, besingt er das Feuer der Liebe, das ihn quält.


    Szene XII
    Arsamene übergibt seinem Diener Elviro einen Brief an Romilda, in dem er um eine Unterredung bittet. Einwände Elviros, er sei ja auch verbannt und könnte erkannt werden, läßt Arsamene nicht gelten. Nach Elviros Abgang beklagt Arsamene seine ungeklärte Situation; dann geht er ab.


    Szene XIII
    Amastre ist enttäuscht über den König, der ihr die versprochene Treue gebrochen habe und sagt, die größten Vorzüge der Herrscher seien Gerechtigkeit und Gnade. Bevor sie die Szene verläßt, kündigt sie an, sich für Schmach und Kränkungen zu rächen.


    Szene XIV
    Atalanta intrigiert: Romilda werde den Perserkönig heiraten, weil Arsamene in der Fremde „von anderen Flammen entzündet“ sei. Romilda will wissen, wer derjenige sei. Als Atalanta ihr antwortet, sie werde das noch rechtzeitig erfahren, sagt Romilda, dann werde sie eben Arsamene hassen und dem König ihre Liebe schenken. Atalanta lobt sie für diesen Entschluß und sagt, sie könne dann Arsamene zum Gatten erwählen. Romilda versteht und weist, bevor sie abgeht, die Schwester auf die Vergeblichkeit ihres Ansinnens hin.


    Szene XV
    Atalanta beschließt in einem den Akt beendenden Rezitativ mit Arie, sich der List zu bedienen, um zu ihrem Ziel zu kommen.


    ZWEITER AKT


    Szene I: Der Marktplatz der Stadt.
    Amastre ist inzwischen von der Treulosigkeit ihres Verlobten überzeugt, da Arsamenes Diener in seiner geschwätzigen Art von einem Brief plaudert, den er Romilda bestellen soll.


    Szene II
    Atalanta tritt, Niedergeschlagenheit vortäuschend, zu Elviro und erzählt, daß Romilda dem König einen Brief geschrieben habe, in dem sie ihre Hoffnung auf eine glückliche Verbindung ausdrückt. Als Elviro an Arsamene erinnert, sagt Atalanta, daß Romilda den aus ihrem Gedächtnis gestrichen habe. Elviro nennt Romilda daraufhin eine grausame Schlange. Atalanta sieht den König kommen, worauf Elviro eiligst verschwindet.


    Szene III
    Serse geht auf Atalanta zu, die interessiert einen Brief liest. Auf Serses Frage, was sie da lese, weicht sie geschickt aus und macht den König damit erst recht neugierig. Nach absichtlich langem Zögern gibt sie ihm den Brief. Serse stellt fest, daß sein Bruder Arsamene ihn geschrieben hat und fragt, wem sein Bruder da schreibe. Als sie sich als Empfängerin bezeichnet, ist der König überrascht, denn Arsamene liebe doch Romilda. Atalanta erzählt jetzt eine andere Geschichte: Romilda liebe zwar Arsamene, doch der täusche ihr die Liebe nur vor, denn in Wirklichkeit liebe er sie, Atalanta. Auf ihre anschließende Bitte, der König möge ihr Arsamene zum Manne geben, sagt Serse sofort zu. Atalanta geht noch ein Schritt weiter und behauptet, des Königs Bruder werde die Liebe zu ihr leugnen, aber das sei nur Verstellung. Daraufhin bittet Serse um den Brief „als Beweisstück“, den Atalanta mit den „beiseite“ gehauchten Worten „Schön ist ein Betrug, wenn er nützlich ist“ übergibt. Dann geht sie zufrieden ab, während der König unschlüssig zurückbleibt.


    Szene IV
    Romilda kommt und sofort gibt Serse ihr den Brief. Nachdem sie ihn gelesen und vom König erfahren hat, daß Arsamene ihn für Atalanta geschrieben habe, gesteht sie zwar ihre Enttäuschung, gleichzeitig aber auch, daß sie Arsamene weiter lieben werde. In einer Arie zeigt sich jetzt Serse nicht nur enttäuscht, sondern ebenso standfest in seiner Liebe zu ihr.


    Szene V
    Die allein gebliebene Romilda beklagt in einem Accompagnato den untreuen und verräterischen Geliebten, aber auch die ungetreue Schwester und sie schwört, den König niemals zu lieben; in der folgenden Arie nennt sie die Eifersucht „eine Tyrannin“, die die Seele ängstige und schlimme Qualen hervorrufe. Dann geht sie davon.


    Szene VI
    Amastre ist gerade im Begriff, sich mit dem Eisen zu töten, als Elviro hinzutritt und ihr den Dolch entreißt. Elviro gibt Amastre einen praktischen Rat: Lebt, und sei es auch nur, um gut zu essen und zu trinken. Sie kündigt an, den Verräter, der ihr Leid bereite, nämlich Serse, aufzusuchen und ihn aufzufordern, sie zu töten.


    Szene VII
    Elviro will abgehen, da tritt ihm Arsamene entgegen und fragt, was Romilda auf den Brief geantwortet habe. Elviro gesteht, den Brief Atalanta gegeben zu haben, die ihm gesagt habe, daß Romilda den König liebe. Arsamene ist entsetzt und sieht sich von der geliebten Frau verraten.


    Szene VIII: Brücke über den Hellespont; am asiatischen Ufer Serses Feldlager.
    Ein Chor besingt das Wunderwerk der Verbindung zwischen Asien und Europa. Serse beauftragt seinen Hauptmann, die Truppen zu ordnen, denn er will mit seinem Heer nach Europa gelangen. Der hymnische Chor wird wiederholt und schließt die Szene ab.


    Szene IX
    Arsamene beklagt sein Schicksal. Serse verspricht ihm, die von ihm geliebte Schöne zur Frau zu geben. Arsamene denkt natürlich an Romilda, der König jedoch an Atalanta und so ist die aufkeimende Freude der Brüder nur von kurzer Dauer: Arsamene merkt erst durch ein unbedachtes Wort Serses, wen er heiraten soll und lehnt ab. Serse sieht das Verhalten seines Bruders als jenes Spiel an, daß Atalanta ihm angekündigt hat. Arsamene stürzt davon.


    Szene X
    Ernüchtert erklärt Serse der auftretenden Atalanta, sein Bruder liebe sie nicht und sie solle aufhören, ihn zu lieben. Atalanta fragt zurück, ob der König ihr denn auch sagen könne, wie das funktionieren soll - dann geht sie ab. Serse muß sich selber eingestehen, daß man Liebe nicht befehlen und nicht einfach abstellen kann.


    Szene XI
    Elviro beklagt in einem Accompagnato seine eigene Dummheit, durch die er seinen guten Herrn verloren habe. Er eilt zum Ufer, weil er glaubt, Arsamene auf der Brücke über den Hellespont habe laufen sehen. In diesem Moment bricht das Bauwerk zusammen und Elviro sagt sich, daß das Wasser nicht sein Element sei, eher fühle er sich Bacchus' Reich zugehörig: „Wasser macht hypochondrisch, guter Wein hebt meinen Kopf bis zum Tierkreis empor!“


    Szene XII: Ein Landsitz nahe der Stadt.
    Ein Duett, wie es nur die Oper bietet (Serse kommt von der einen, Amastre von der anderen Seite auf die Bühne, beide „sehen“ sich aber nicht), zeigt beider Qualen auf. Als Serse nach dem Duett den Fremden „sieht“, der sich als ein für ihn tätig gewesener und dabei verwundeter Krieger bezeichnet, der aber auch betrogen wurde, wird das weitere Gespräch durch die Ankunft Romildas unterbrochen. Serse schickt Amastre mit der Bitte fort, bald zu ihm zurückzukommen. Amastre sagt „für sich“, er werde zur Qual für den König wiederkehren.


    Szene XIII
    Serse fragt Romilda, ob sie ihn den für immer unglücklich sehen wolle, worauf sie mit der Arietta „Ein glückliches Herz ist mehr Wert als alle Schätze der Welt“ antwortet. Das weitere Gespräch wird von der wütenden Amastre unterbrochen, die ein Schwert zur Verteidigung zieht, als Serse seinen Wachen befiehlt, den Krieger ins Gefängnis zu bringen. Nach seinem eiligen Weggang kann Romilda die Wachen bewegen, Amastre gehen zu lassen.


    Szene XIV
    Amastre bedankt sich bei Romilda, die sich wiederum bei ihr nach dem Grund für ihr Verhalten erkundigt; Amastre erklärt, sie sei wütend, weil Serse sie zur Heirat zwingen wolle. Nach Amastres Abgang erklärt Romilda in einer den Akt beschließenden Arie, daß Zorn kein guter Ratgeber sei; sie jedenfalls wolle Treue halten und damit das Schicksal überwinden.


    DRITTER AKT


    Szene I: Eine Galerie im Palast.
    Nach einer kurzen Sinfonia treten Arsamene, Romilda und Elviro auf. Arsamenes Enttäuschung kontert Romilda mit dem Vorwurf, er habe Atalanta einen eindeutigen Brief geschrieben,


    Szene II
    Atalanta kommt und befürchtet, daß ihr Betrug schon entdeckt sei; die Unterhaltung klärt die Intrige Atalantas und Arsamene und Romilda fallen sich in die Arme. Atalanta erklärt, daß sie zwar auf Arsamene verzichte, aber nicht auf die Liebe, und wenn er nicht ihr Geliebter werden könne, dann werde es eben ein anderer sein.


    Szene III
    Romilda verzeiht Atalanta. Der nahende Serse veranlaßt Arsamene und Elviro schnell das Weite zu suchen. Der König fragt Romilda nach dem Grund für die Freilassung des Kriegers und sie antwortet, seine Tapferkeit. Serse deutet erneut seine Liebe zu ihr an, doch Romilda lehnt erneut ab. Der Hinweis des Königs auf seine Macht, Widerstand auch mit Gewalt brechen zu können, veranlaßt Romilda, als Grund für ihre Weigerung die fehlende Einwilligung ihres Vaters zu der Verbindung anzugeben; liege die vor, werde sie dem König gehorchen. Sofort sieht Serse seine Chancen steigen: Er geht, um Ariodates Zustimmung einzuholen. Romilda zeigt sich nach Serses Weggang über ihren Fehler entsetzt.


    Szene IV
    Arsamene tritt hervor und beschimpft Romilda, weil sie Gehorsam zugesagt habe. Verzweifelt kündigt sie Arsamene ihren Tod an und geht ab. Arsamene zürnt dem „tyrannischen Amor“.


    Szene V
    Serse spricht mit Ariodate, der einer Verbindung Romildas mit dem König zustimmt und als Grund Ehre und Gehorsam nennt. Serse sagt daraufhin, bald werde eine ihm gleichrangige Person um Romildas Hand bitten und er, Ariodate, möge für Zustimmung sorgen. Als er gegangen ist, äußert Ariodate seine Überzeugung, diese hochrangige Person könne nur Arsamene sein.


    Szene VI
    Romilda weist im Zorn den Kranz, den Serse ihr zukommen ließ, zurück und bekräftigt noichmals ihre Treue Arsamene gegenüber.


    Szene VII
    Serse kommt hinzu und das Gespräch bringt wieder keine Lösung; er muß erkennen, daß Romilda nur Arsamene liebt und beide sich sogar geküßt haben. Das ist zuviel für den König, der Strafe für den „Missetäter“ befiehlt. Seine Aussage, als „Witwe jenes Kusses“ werde sie dann seine Braut sein, führt Romilda das Schicksal ihres Geliebten vor Augen.


    Szene VIII
    Nach Serses Weggang kommt Amastre. Romilda bittet den Krieger, ihr zu helfen, Arsamene zu retten. Das will Amastre gerne tun, dafür müsse Romilda jedoch dem König einen Brief von ihr übergeben. Romilda nimmt den Brief und eilt davon. Amastre bekennt, daß sie den Betrüger immer noch liebe.


    Szene IX
    Arsamene und Romilda treffen aufeinander und werfen sich in einem Duett gegenseitig die Schuld an der gegenwärtigen Situation vor. Dann gehen sie zu unterschiedlichen Seiten ab.


    Szene X: Tempel mit einem Standbild der Sonne und Feuer auf dem Altar.
    Ein Priesterchor besingt den großen Zeus, dessen Bestimmungen der Mensch nicht verhindern kann. Ariodate, Romilda und Arsamene kommen aus dem Hintergrund und der Hauptmann sieht seine Träume in Erfüllung gehen: Er gibt der Verbindung zwischen Arsamene und seiner Tochter die Zustimmung. Er verbindet beide, indem er die Verlobten bittet, sich die Hände zu reichen. Alle drei beschließen, zum König zu gehen und für die erwiesene Ehre zu danken.


    Szene XI
    Serse, der Ariodate kommen sieht, will seinem Hauptmann entdecken, daß er Romilda begehrt. In dem folgenden Gespräch muß er aber erfahren, daß Ariodate ihn völlig falsch verstanden hat: Arsamene und Romilda sind schon ein Paar. Wütend wirft Serse Ariodate Verrat vor. Ehe er aber einen Befehl erteilen kann, wird ihm ein Brief Romildas übergeben, worin diese den König undankbar nennt, weil sie verschmäht wurde. Unterschieben wurde der Brief von - Amastre. Völlig überrascht über diese Wendung weist Serse Ariodate aus dem Tempel und zürnt den grausamen Furien. Als er abgehen will, treten ihm Arsamene, Romilda, Amastre, Atalanta und Elviro entgegen.


    Szene XII
    Alle werfen sich vor Serse zu Füßen und bitten demütig um Gnade. Sie haben schließlich nur auf seinen Befehl hin gehandelt. Wann das denn gewesen sein soll, fragt Serse zurück und will Romilda töten. Da gibt sich der Krieger als Amastre zu erkennen und entwindet dem König das Schwert, hält es auf ihre Brust und fordert ihren Tod. Serse wird dadurch seiner Fehler bewußt; weil auch Amastre ihm verzeihen will, gibt er nach, bittet für seine Wut um Vergebung und wünscht allen Glück. Ein chorischer Lobgesang beendet die Oper.


    (Die Inhaltsangabe und die Szeneneinteilung folgt der deutschen Übersetzung des italienischen Originals, wie es der Notenausgabe der Oper in der Hallischen Händel-Ausgabe, Band 39 der Serie II: Opern, vorangestellt ist. Die szenische Einteilung wiederum entspricht dem ebenfalls abgedruckten italienisch-englischen Libretto-Druck von 1738.)


    © Manfred Rückert für TAMINO-Opernführer
    unter Benutzung folgender Quellen:
    Partitur der Hallischen Händel-Ausgabe
    Albert Scheibler: Die 53 Opern des Georg Friedrich Händel

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    MUSIKWANDERER

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  • ANMERKUNGEN ZUM WERK


    Am 24. Dezember 1737 hatte Händel die Komposition der Oper FARAMONDO abgeschlossen; am 3. Januar 1738 fand die Uraufführung der neuen Oper statt. Trotz der damit verbundenen Vorbereitungsarbeiten begann Händel die Komposition von SERSE bereits am 26. Dezember, schloß den ersten Akt am 9. Januar, den zweiten am 25. Januar und den dritten am 6. Februar 1738 ab. Das Ausfüllen der Partitur war am 14. Februar beendet und am 15. April war die Uraufführung von SERSE im King's Theatre; Haymarket. Weitere Aufführungen sind für den 18., 22. und 26. April sowie dem 2.Mai 1738 verbürgt. Danach wurde die Oper zu Händels Lebzeiten nicht mehr gegeben; erst 1924 kam sie bei den Göttinger Händel-Festspielen, durch Oskar Hagen initiiert, in deutscher Sprache wieder auf die Bühne. Die geringe Zahl von nur vier Wiederholungen sind übrigens typisch für Händels letzte Opern-Spielzeiten: FARAMONDO hatte sieben, IMENEO zwei und DEIDAMIA drei Reprisen.


    Den einzigen zeitgenössischen Kommentar verfaßte der Earl of Shaftesbury am 4. Mai 1738: Er nannte die Oper „eine zweifellos gute Komposition“, die jedoch unter der „gleichgültigen“ Ausführung der Sänger Nachteile erfahren habe. Weiter schreibt der Earl, daß die Arien der Kürze wegen ohne Rezitativ aufeinander folgten, „weil die Oper sonst zu lang wäre“. Dadurch sei sie „schwer zu verstehen, bis man sie durch wiederholtes Hören gut kennt.“Diese Äußerung deutet darauf hin, daß den Zeitgenossen aufgefallen war, daß viele Arien (nämlich 21) einteilige Form hatten, während in den bisherigen Händel-Opern Da-capo-Arien vorherrschend waren.


    Eine andere Irritation verdeutlichte 40 Jahre später Burney: „Ich war nicht in der Lage, den Autor der Worte des Dramas ausfindig zu machen, aber es ist eines der schlechtesten, die Händel jemals vertont hat. Abgesehen von seinem schlechten Stil enthält es jene Mischung aus Tragikomik und Possenreißerei, die Aopostolo Zeno und Metastasio aus der ernsten Oper verbannt hatten.“ Allerdings konzediert Burney, daß der Text Händel die Möglichkeit gab, seinen „angeborenen Sinn für Humor“ in das Werk einfließen zu lassen.
    Jedenfalls hat Burney irritiert (und er wird nicht der einzige gewesen sein, er hat seine Meinung nur schriftlich festgehalten), daß die Seelenqualen Serses, Romildas, Arsamenes und Amastres Konventionen der „Opera seria“, die Possen Elviros, die Charakterisierung der intriganten und koketten Atalanta, die Dummheit des Soldaten Ariodate, aber auch Serses wichtigtuerisches Verhalten eher der „Opera buffa“ zuzuordnen sind. Rudolf Steglich geht sogar soweit, den Diener Elviro als einen Vorläufer Leporellos anzusehen (im Vorwort zum ursprünglichen HHH-Band).


    ANDERE XERXES-OPERN


    1. XERSE/DRAMMA PER MUSICA, Libretto von Nicolò Minato aus dem Jahre 1654, Musik von Francesco Cavalli, aufgeführt am Teatro San Giovanni e Paolo in Venedig. Eine Partitur befindet sich in der Vatikanischen Bibliothek.


    2. IL XERSE/DRAMMA PER MUSICA/DEL SIG: NICOLÓ MINATI, Libretto von Silvio Stampiglia von 1694, Musik von Giovanni Bononcini, aufgeführt im Teatro di Torre di Nona in Rom.


    Gerade dieses Werk, Bononcinis erste Oper, ist für Händel von entscheidender Wichtigkeit. Von ihr existieren zwei Kopien, eine in der British Library und eine weitere in der Diözesan-Bibliothek Münster, Santini-Sammlung. Beide Partituren haben weitgehend identische Texte. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß Händel Bononcinis Oper kannte, ja, es ist sogar wahrscheinlich, daß er eine Abschrift davon besaß oder daß ihm die Partitur zumindest von 1734 bis 1738 ständig zur Verfügung stand.


    Das gedruckte Libretto Stampiglias weicht an vielen Stellen vom verbalen Text der
    Bononcini-Partitur ab. Wo immer es solche Varianten gibt, übernimmt Händel die Lesart der Partitur, nicht die des Librettos von Stampiglia. Das kann nur bedeuten, daß Händel und sein unbekannter Textdichter nie ein Exemplar des Stampiglia-Textes sahen, sondern daß der Text vollständig aus der Partitur Bonincinis übernommen wurde. Auch das Fehlen des „Argomento“, das den Hintergrund der Handlung ausführlich darstellt und bei den Händel-Libretti sonst obligatorisch ist, erklärt, daß nur die Bononcini-Partitur als Vorlage benutzt wurde.


    Eine weitere Besonderheit ist, daß alle Arientexte, bis auf eine, aus Bononcinis Oper stammen. Das Phänomen ist bemerkenswert, weil normalerweise viele Arientexte durch neue ersetzt wurden, wenn Händels literarischer Mitarbeiter ein altes Libretto überarbeitete. Bei der Adaption des Bononcini-Textes wurden der umfangreiche Rezitativtext stark gekürzt, Chöre eingefügt und viele Arien ausgelassen; außerdem wurden drei kleinere Rollen gestrichen. Das Ergebnis war ein straff konstruiertes, bewegliches Drama mit Licht und Schatten.


    HINWEIS AUF EINIGE MUSIKALISCHE QUELLEN


    Quelle A1: Händels Autograph, das sämtliche Musik der Oper enthält. Während des Kompositionsprozesses änderte Händel viel, kürzte Rezitative und Arien, bei denen er der Phantasie zunächst freien Lauf gelassen hatte. Später muß er erkannt haben, daß die Oper einer konziseren Form bedurfte und er strich radikal zusammen. Eine bedeutende Änderung findet sich in Elviros „Blumenlied“, das zunächst auf der Musik von Bononcini basierte, später aber durch eine Neukomposition ersetzt wurde, während die Bononcini-Version bei späteren Wiederholungen beibehalten wurde. Bei der Adaption des Bononcini-Textes haben Händel und sein Librettist drei kleinere Rollen gestrichen. Eine davon, Eumene („favorito di Serse“), befand sich noch in der Besetzung, als Händel die beiden ersten Akte entwarf, war aber eliminiert, als der dritte Akt begonnen wurde - eine späte Entscheidung.


    Quelle B1: Die Direktionspartitur; sie ist von Händels Faktotum Schmidt senior aus dem Autograph kopiert worden; sie enthält zwar viele Kopierfehler, gibt aber grundsätzlich Händels Intentionen wieder.


    Quelle D: Diese Partitur befindet sich heute in der Bodleian-Bibliothek in Oxford und enthält die gesamte Musik ohne Secco-Rezitative. Sie wurde von den regelmäßig für Händel arbeitenden Kopisten „S1“ und „S2“ sowohl aus A1 als auch aus B1 abgeschrieben. Sie war die Vorlage für den bei John Walsh am 30. Mai 1738 erschienenen Druck (Quelle H).


    Quelle E: Händels Kopist „S2“ schrieb diese Partitur um 1749 aus der Quelle A1 für Charles Jennens. Der scheint gewöhnlich darauf bestanden zu haben, daß der Kopist das Autograph als Vorlage benutzte.


    DIE CHRYSANDER-AUSGABE


    Der Band 92 der Händel-Ausgabe von Friedrich Chrysander erschien 1884 und basiert eindeutig auf der Quelle B1, der Direktionspartitur. Die meister Fehler dieser Vorlage, sowohl in der Musik als auch im italienischen Text, ließ Chrysander unkorrigiert stehen. In seinem Vorwort schreibt er u.a.: „Eine um 40 bis 50 Jahre ältere italienische Oper scheint dem Texte und zum Theil wohl auch der Musik nach benutzt worden zu sein.“ Er erwähnt Bononcinis Oper nicht explizit, aber seine Bemerkungen lassen wohl den Schluß zu, daß er sie kannte. Vielleicht hat er die Partitur Bononcinis, die sich seit 1857 im British Museum befand, dort eingesehen. Möglicherweise kannte Chrysander auch Händels Autograph. Insbesondere die gestrichenen Angaben für zwei Cembali in Romildas Arietta „Vuò più ch'abbian fine“ lassen diesen Schluß zu.


    DIE STEGLICH-AUSGABE


    1958 veröffentlichte Rudolf Steglich Händels Oper als Xerxes zusammen mit einem Klavierauszug. Seinem Vorwort zufolge benutzte er die Quellen A1, B1 und H. Diese Edition, die keinen Kritischen Bericht enthält, basiert jedoch vorrangig auf Chrysanders Ausgabe und wiederholt auch dessen Fehler. In seinem Vorwort findet sich kein Hinweis auf Händels Abhängigkeit von Bononcini, möglicherweise, weil er diese Anhängigkeit (noch) nicht kannte. Die grundlegenden Forschungsergebnisse von Harold S. Powers zu diesem Thema erschienen nämlich erst 1961. Von diesem Teilaspekt abgesehen erfüllt Steglichs Arbeit aber auch in anderen wichtigen Aspekten nicht die Anforderungen an ein moderne kritische Edition.


    © Manfred Rückert für TAMINO-Opernführer
    unter Benutzung folgender Quellen:
    Partitur der Hallischen Händel-Ausgabe
    Albert Scheibler: Die 53 Opern des Georg Friedrich Händel

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    MUSIKWANDERER

  • Serse (Xerxes),
    Dramma per musica in 3 Akten
    von Georg Friedrich Händel.
    [Händels Libretto zu Serse basiert wahrscheinlich auf Niccolò Minatos Text zu Cavallis Serse (Venedig 1654/55).]
    Uraufführung: 15.4.1738 London, King's Theatre Haymarket
    mit Francesina • Lucchesina (Maria Antonia Marchesini) • Margherita Chimenti • Gaetano Caffarelli • Antonio Lottini • Antonio Montagnana.



    Serse war Händels letzte Oper am Haymarket Theatre, dem Ort seiner Triumphe und seiner Niederlagen. Ein Misserfolg, den erst die Göttinger Wiederaufnahme 1924 (Übersetzung: Oskar Hagen) ausglich.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)