WRANITZKY, Paul: OBERON

  • Paul Wranitzky (1756-1808):

    OBERON, KÖNIG DER ELFEN
    Oper in drei Akten
    Libretto von Karl Ludwig Gieseke und Friedrike Sophie Seyler (Hüon und Amande)
    nach Christoph Martin Wielands gleichnamigen Epos


    Uraufführung am 7. November 1789 im Theater an der Wien


    DIE PERSONEN DER HANDLUNG


    Oberon, König der Elfen (Sopran)
    Titania, seine Frau (Mezzosopran)
    Hüon, ein Ritter (Tenor)
    Scherasmin, sein Knappe (Baß)
    Der Sultan von Bagdad (Baß)
    Rezia, seine Tochter (Sopran)
    Babekan, Fürst der Drusen, Rezia versprochen (Baß)
    Almansaris, erste Sultanin (Mezzosopran)
    Fatime, Rezias Vertraute (Sopran)
    Balkis, eine Sklavin (Sopran)
    Ein Orakel (Baß)
    Chor: Genien, Nymphen, Hofstaat, Sklaven, Krieger


    Die Handlung spielt in Frankreich, Bagdad, Tunis und im Feenreich, 800 n. Chr.


    INHALTSANGABE


    ERSTER AKT


    Der Ritter Hüon hat schwere Frevel begangen und muß diese nun auf Befehl Kaiser Karls (des Großen) mit einer schwer zu lösenden Aufgabe wiedergutmachen: Er soll Backenhaare und -zähne des Sultans von Bagdad und seiner Tochter Rezia holen.


    Hüon kann diese Aufgabe nicht lösen, findet aber Hilfe durch den Elfenkönig Oberon und seiner Gemahlin Titania. Die beiden haben sich zerstritten und durch ein Orakel erfahren, daß eine Versöhnung nur durch ein Menschenpaar zustande gebracht werden kann, das treu alle Gefahren miteinander besteht. Die Eheleute finden dieses Menschenpaar in Hüon und Rezia.


    Ritter Hüon ist nach Bagdad unterwegs und trifft auf den Knappen seines Vaters, Scherasmin. Beide kommen in einem Zauberwald mit dem König der Elfen in Kontakt, der Hüon ein Horn und einen Zauberbecher übergibt. Das Horn, erfährt Hüon, wird ihn in schwierigen Situationen beschützen und der Zauberbecher werde ihn immer, wenn es nötig ist, laben.


    ZWEITER AKT


    Rezia, die Tochter des Sultans von Bagdad, muß auf besonderen Wunsch ihres Vaters den von ihr abgelehnten und ungeliebten Drusenfürsten Babekan heiraten. In einem Traum sieht sie, daß ein Ritter Hüon für sie als Mann bestimmt ist.


    Hüon hat mit dem Knappen Scherasmin Bagdad erreicht; sie haben sich, um nicht sofort aufzufallen, orientalisch gekleidet. Sie kommen zu den gerade beginnenden Hochzeitsfeierlichkeiten zwischen Rezia und Babekan in den Sultanspalast. Als Hüon den Sultan auffordert, seine Tochter Rezia ihm zu überlassen, befiehlt der Herrscher, zornig geworden, den Fremden festzunehmen und einzukerkern. Hier kommt erstmals Hüons Zauberhorn zum Einsatz: kaum von Hüon geblasen, erstarrt alles regungslos. Jetzt hat der Ritter die Möglichkeit, des Sultans Backenhaare und -zähne an sich zu bringen. Danach besteigt er mit Rezia, ihrer Vertrauten Fatime und dem Knappen Scherasmin umgehend ein Schiff, das sie in ihre Heimat bringen soll.


    DRITTER AKT


    Die Heimreise verläuft schlecht, das Schicksal meint es mit den Reisenden nicht gut: Rezia und Hüon haben nämlich das von Oberon auferlegte Keuschheitsgebot mißachtet und als Strafe kentert das Schiff. Immerhin können sich alle an ein Ufer retten, werden dabei aber getrennt. Aber auch hier sind sie vor einem Schicksalschlag nicht sicher: Seeräubern gelingt es nämlich, Rezia und Fatime zu entführen, weil Hüon das Horn und den Zauberbecher in der aufgewühlten See verloren hat und diese zauberische Hilfe ihm nicht mehr zu Gebote steht.


    Scherasmin findet den von den Seeräubern gefesselten Hüon am Strand liegen. Es gelingt ihnen nicht, zu fliehen, weil die Piraten noch einmal zurückkommen und dann alle zusammen, auch Rezia und Fatime, nach Tunis bringen.


    Hier werden die beiden Mädchen an den Bassa von Tunis, Almansor, verkauft. Der hat sich sofort in Rezia verliebt und wirbt heftig um sie.


    Scherasmin hat am Hofe des Bassa eine Beschäftigung gefunden und ergreift die Chance, Hüon als seinen Neffen Hassan vorzustellen.


    Die Sultanin Almansaris entbrennt in heißer Liebe zu Hassan/Hüon, beschuldigt ihn aber, da der Ritter sie entschieden zurückweist, ihr nachgestellt zu haben. Die Folge dieser Anschuldigung ist von der Sultanin durchaus gewollt: Almansor läßt den vermeintlichen Nebenbuhler verhaften; als er im Verhör erfährt, daß er einen Christenmenschen vor sich hat, verurteilt er Hassan/Hüon zum Tode - verspricht aber, Gnade walten zu lassen, wenn Rezia seiner Brautwerbung nachgibt. Genau das lehnt Rezia ab und wird dabei von Hüon unterstützt; beiden wollen lieber sterben, als für alle Zukunft unglücklich zu sein.


    Als die beiden Liebenden zur Hinrichtung geführt werden, greift Elfenkönig Oberon als „Deus ex machina“ in das Geschehen ein. Der Klang seines Horns befreit das Liebespaar und wird mit Scherasmin und Fatime, die sich ebenfalls gefunden haben, in die Heimat entlassen.


    Ach so, ja: Der Grund für diese Verwicklungen und Abenteuer ist jetzt auch entfallen: Oberon und Titania können sich endlich versöhnen...


    INFORMATIONEN ZU KOMPONIST UND WERK


    Paul Wranitzky, mährisch-österreichischer Komponist (daher richtigerweise Pavel Vranický geschrieben), wurde am 30. Dezember 1756 in Neu-Reisch geboren und starb am 26. September 1808 Wien.


    Auf Wunsch seiner Eltern sollte er zunächst Theologie studieren, nahm aber in Wien heimlich Unterricht bei Joseph Martin Kraus und Joseph Haydn. Wranitzky schlug eine Musikerlaufbahn ein und wurde 1785 Musikdirektor des Grafen Johann Nepomuk von Eszterházy; ab 1790 leitete er das Orchester der Wiener Hofoper im Kärntnertor-Theater. Hier erarbeitete er sich ein breit gefächertes Repertoire und wurde dadurch einer der angesehensten Dirigenten im damaligen Wien. Wranitzky hatte mit seinem Singspiel „Oberon, König der Elfen“ aus dem Jahre 1789 einen durchschlagenden Erfolg.


    Wranitzkys Bruder Anton (1761-1820) war ebenfalls Musiker und seine Töchter Anna Katherina (1801-51) und Karoline (1794-1872) wurden bekannte Sängerinnen; Karoline war später übrigens die erste Agathe in Webers „Freischütz“.


    Wranitzky gehörte, wie Mozart, zur Freimaurerloge „Zur gekrönten Hoffnung“ und somit zum Bekanntenkreis Mozarts. Nachdem Wranitzky Sekretär der Wiener Tonkünstler-Sozietät geworden war, beantragte er die (unentgeltliche) Wahl Joseph Haydns zum Mitglied der Gesellschaft. Joseph Haydn bestand darauf, daß Wranitzky in den Jahren 1799 und 1800 Aufführungen der „Schöpfung“ dirigierte; Beethoven wiederum überließ ihm die Premiere seiner ersten Sinfonie. Mit Adalbert Gyrowetz (Vojtěch Jírovec) alternierte er ab 1805 bei den „Adeligen Liebhaber- und Kavalierkonzerten“ als Dirigent.


    Das Singspiel „Oberon, König der Elfen“ gilt in der Literatur als Nachklang zur „Entführung aus dem Serail“ und als Vorwegnahme der „Zauberflöte“ und war bis zum Erscheinen von Webers „Oberon“ ein vielgespieltes Werk. 1971 erfuhr Wranitzkys „Oberon“ eine Neuinszenierung in der Wiener Kammeroper, kam 1974 im Oldenburgischen Staatstheater und 1980 bei den Schwetzinger Festspielen heraus.


    Oberon (französisch Auberon oder Alberon, im deutschen Alberich oder Elferich genannt), ist in der romantischen Poesie der König der Elfen und Gemahl der Titania. Die Figur wird erstmals als Beherrscher des Feenreichs im altfranzösischen Gedicht „Huon de Bordeaux pair de France“ von Huon de Villeneuve genannt und ist dem Sagenkreis von Karl dem Großen und seinen Paladinen zuzuordnen.


    Das Gedicht wurde später in einen prosaischen Volksroman umgetextet. Aus diesem Roman schöpften beispielsweise Shakespeare für seinen „Sommernachtstraum“ und Wieland für sein romantisches Epos „Oberon“ von 1780. Der Text zu den Opern von Wranitzky und Weber ist wiederum nach Wieland bearbeitet.


    © Manfred Rückert für TAMINO-Opernführer 2010
    unter Hinzuziehung von
    Heinz Wagner: Die Oper
    Reclams digitalem Opernführer
    Wikipedia über Wranitzky und Wieland

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    MUSIKWANDERER

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  • Für mich ist es hochinteressant, dass es neben dem Werk von Weber noch einen weiterer Oberon in etwa mit gleichem Personenverzeichnis einst Popularität erreicht hat.


    Die Opern Wranitzky gehört nach meiner Einschätzung musikgeschichtlich in die Gruppe der Werke, die in Böhmen entstanden, bevor Bedrich Smetana die nationaltschechische Oper proklamierte. In das gleiche Umfeld gehört auch die Shakespeare-Oper 'Romeo und Julie' von Jiri Anton Benda, die CPO 1998, ( in deutscher Sprache - nicht in tschechisch) auf den Markt geworfen hatte. Myslivecek komponierte wiederum bevorzugt in italienisch.


    Eine ähnliche Konstellation hatten wir auch in Russland. Russische Opern russischer Komponisten gab es auch schon vor Glinka.


    Es würde mir ungemein gefallen, wenn auch der Vranitzky-Oberon bald auf den CD-Markt käme. Es ist der Verdienst TAMINOS auf solche Marktlücken durch eine komplette Inhaltsangabe hinzuweisen.


    DANKE
    Musikwanderer


    :angel:
    Engelbert