CAVALLI, Pietro Francesco: IL GIASONE

  • Pietro Francesco Cavalli (1602-1676):

    IL GIASONE (JASON)
    Dramma musicale in einem Prolog und drei Akten - Text von Giacinto Andrea Cicognini


    Uraufführung am 5. Januar 1648 (oder 1649) im Teatro San Cassiano, Venedig


    DIE PERSONEN DER HANDLUNG


    Sole/Die Sonne (Sopran, auch Mezzosopran)
    Eros (Sopran)
    Giasone/Jason, Anführer der Argonauten (Alt, auch Tenor)
    Ercole/Herkules (Baß)
    Besso, Hauptmann von Giasones Wache (Baß)
    Isifile/Hypsipyle, Königin von Lemnos (Sopran)
    Oreste, ihr Vertrauter (Baß)
    Alinda, eine Hofdame der Königin Isifile (Sopran)
    Medea, Königin von Kolchis (Sopran, auch Mezzosopran)
    Delfa, ihre Amme (Alt)
    Rosmina, Gärtnerin (Sopran)
    Egeo/Aegeus, König von Athen (Tenor)
    Demo, sein Diener und Hofzwerg (Tenor)
    Giove/Zeus (Baß)
    Eolo/Aeolus, Gott der Winde (Alt)
    Zeffiro/Zephir, der Westwind (Sopran)
    Chor: Geister, Winde, Götter, Argonauten und Soldaten darstellend


    Das Geschehen ereignet sich in Kolchis und Lemnos in mythologischer Vorzeit.



    INHALTSANGABE


    Prolog


    Eros hat beschlossen, daß Giasone die Königin von Lemnos, Isifile/Hypsipyle, heiratet. Das hat die Sonne nicht abgehalten, ihre Urenkelin Medea gleichfalls mit Giasone zu verehelichen und sie triumphiert über diesen Coup. Eros dagegen gefällt das überhaupt nicht und er zeigt sich über diesen Vorfall sehr erbost.


    ERSTER AKT


    Ercole/Herkules ist verärgert über Giasone, weil der mehr an seine geliebte Medea denkt, als an das noch zu raubende goldene Vlies. Außerdem ist er überzeugt davon, daß Giasone durch sein ausschweifendes Liebesleben völlig verweichlicht ist. So hat er auf der Insel Lemnos die Königin Isifile zur Mutter von Zwillingen gemacht. Und jetzt, auf Kolchis, hat er sich schon wieder verliebt und eine Unbekannte gschwängert, die gleichfalls Zwillinge erwartet. Giasone soll sich, so Ercole, nun endlich aufraffen und mit seinen Gefolgsleuten das Goldene Vlies rauben.


    Egeo/Aegeus, der König von Athen, klagt derweil über die für ihn schmachvolle und ehrverletzende Untreue seiner geliebten Medea, die ihm den Laufpaß gegeben hat. Als Dienerin verkleidet hatte sie einst Giasone verführt und freut sich nun über das Glück mit dem Helden. Über die Klagen ihres verflossenen Liebhabers Egeo kann sie nur höhnisch lachen.


    Im Auftrag seiner Königin Isifile befindet sich Oreste auf der Suche nach Giasone. Der begibt sich gerade zu Königin Medea und teilt ihr seinen Entschluß mit, den Kampf mit dem Bewacher des Goldenen Vlieses, einem gewaltigen Stier-Ungeheuer, aufzunehmen. Medea stellt ihn jedoch zunächst vor die Entscheidung, die schöne Unbekannte, die demnächst Mutter von Zwillingen sein wird, zu heiraten oder aber als Fremdling, der das Gastrecht mißbraucht hat, zu sterben. Unter diesen Umständen willigt Giasone natürlich sofort in die Ehe ein und Medea gibt sich ihm als jene Unbekannte und zukünftige Mutter zu erkennen.


    Giasone, der um Medeas Zauberkünste weiß, bittet sie nun um ihre Hilfe beim Raub des Goldenen Vlieses. Während Königin Isifile um ihren Giasone klagt, beschwört Medea die Höllengeister, allen voran Volpano, Giasone in allen Gefahren beizustehen.


    ZWEITER AKT


    Die Hofdame der Königin Isifile, Alinda, versucht immer wieder, die über Gisaones lange Abwesenheit klagende und trübsinnig gewordene Herrin zu trösten.


    Den beiden Damen wird Oreste gemeldet, der von seiner Reise nach Kolchis zurückgekehrt ist. Er berichtet seiner Königin Isifile, in die er unsterblich verliebt ist, von Giasones Liebe zu Medea und deren erwarteten Mutterfreuden. Fassungslos und von Eifersucht geplagt beschließt Isifile den Tod Giasones.


    Medea überreicht Giasone einen Zauberring, der ihm helfen soll, das Ungeheuer zu besiegen und das Goldene Vlies zu erringen. Tatsächlich gelingt es Giasone mit dieser zauberischen Hilfe, das Goldene Vlies vom Altar des Jupitertempels zu rauben und den Riesenstier, der das Kleinod bewacht hat, zu töten.


    Nach erfolgreichem Kampf fliehen Medea, Giasone und die Argonauten mit dem Schiff nach Korinth. Voller Wut nimmt König Egeo die Verfolgung auf.


    Göttervater Zeus will den Raub rächen und bittet Eolo/Aeolus, den Gott der Winde, das Schiff der Argonauten untergehen zu lassen, und die Schiffbrüchigen an das Land der Königin Isifile, Lemnos, zu treiben. Allerdings mischt sich hier wieder Eros ein, der sich eine völlig andere Strafe ausgedacht hat: Giasone muß jetzt Isifile heiraten.


    Im Hafen von Lemnos kommt es zur Begegnung zwischen Medea, Isifile und Giasone. Die beiden Frauen beschimpfen sich und Isifile rastet aus Eifersucht dabei völlig aus. Die Umstehenden haben den Eindruck, daß die Königin wahnsinnig geworden ist. Giasone kommt Isifiles Zustand sehr gelegen und er läßt Medea in dem Glauben, die Rivalin sei wahnsinnig.


    DRITTER AKT


    In einem Gespräch mit Isifile gelingt es Giasone, die Königin zu beschwichtigen, indem er verspricht, bei ihr zu bleiben. Medea, die das Gespräch belauscht hat, fordert ihn nach dem Abgang Isifiles auf, die lästige Konkurrentin zu töten.


    Gisaone erteilt Bessus, dem Hauptmann seiner Wache, den Befehl, denjenigen ins Meer zu werfen, der ihm in der Nacht ein bestimmtes Kennwort nennt.


    Medea wird von Ungeduld getrieben und sucht Bessus auf. Dabei nennt sie aus Unwissenheit über Giasones Befehl jenes Kennwort, worauf sie von Bessus ins Meer gestürzt wird.


    Egeo ist heimlich den Argonauten gefolgt; er sieht zwar nicht den Anschlag von Bessus auf Königin Medea, hört aber plötzlich deren Hilferuf. Er rettet Medea aus dem Meer und die ist aus Dankbarkeit sofort bereit, sich mit ihm zu versöhnen und seine Frau zu werden.


    Egeo ist nach seinen Erfahrungen außer sich und will nun seinerseits Jason töten, was allerdings Isifile verhindern kann. Giasone, einerseits wütend über Medeas Versöhnung mit Egeo, andererseits aber auch gerührt über Isifiles Einsatz für sein Leben, fühlt plötzlich seine alte Liebe zur Königin von Lemnos wieder erwachen und zieht sie zärtlich an sich...



    INORMATIONEN ZUM WERK


    Der mythische Hintergrund zu Cavallis Oper ist die Geschichte von Jasons Raub des Goldenen Vlieses. In gebotener Kürze seien die Geschehnisse, wie sie aus der Literatur bekannt sind, erläutert:


    Jason zog mit 50 Gefährten aus, um das Goldene Vlies aus Kolchis, am Ostufer des Schwarzen Meeres gelegen, zu rauben. Nach ihrem Schiff, der Argo, werden die Helden Argonauten genannt. Auf dem Weg nach Kolchis kamen sie auch zur Insel Lemnos, die nur von Frauen bewohnt war; alle männlichen Inselbewohner hatten die kriegerischen Frauen getötet. Jason verbrachte mit Hypsipyle, der Königin von Lemnos, eine Nacht und zeugte Euneos und Nebrophonos.


    In Kolchis angekommen, forderte er von König Aietes das Goldene Vlies. Der versprach ihm das geheimnisvolle Vlies unter der Bedingung, die feuerspeienden Stiere mit den ehernen Füßen anzuspannen und Drachenzähne zu säen. Allerdings verliebte sich Medea, Tochter von Aietes, in Jason und half ihm mit der Übergabe eines Zaubermittels, die schwierige Aufgabe zu bewältigen: Für einen Tag gewährte es Schutz, indem es alle Schwerthiebe und Pfeile ablenken und alle Flammen unschädlich machte. Außerdem verriet sie Jason, daß aus den Drachenzähnen Kämpfer entstehen, die er mit Steinwürfen verwirren und dann töten kann.


    Als jedoch Jason die Aufgabe gelöst hatte, weigert sich Aietes, das Goldene Vlies herauszurücken. Deshalb mischte sich abermals Medea ein und schläferte den über das Kleinod wachende Drachen ein und holte selbst für Jason das Goldene Vlies.


    Jasons sah seine Hoffnung, als Lohn für das Goldene Vlies den Thron von König Pelias in Iolkos zu besteigen, nicht erfüllt. Deshalb flüchtete er zum Isthmus von Korinth. Hier heckte Medea nun den Plan aus, die Töchter des Pelias mit einem Trick zum Mord an ihrem Vater aufzustacheln. Akastos, der Sohn des Pelias, verbannte sie daraufhin aus dem Land und Kreon, König von Korinth, lud sie zu sich ein. Von hier aus unternahm Jason dann zusammen mit Peleus und den Dioskuren eine Expedition gegen Iolkos, zerstörte die Stadt und tötete Astydameia, die Gattin des Akastos.


    In Korinth warb Jason um Glauke, die Tochter des Königs. Aus Eifersucht tötete Medea sowohl Glauke und Kreon als auch die beiden Kinder von Jason, Mermeros und Pheres. Jason wurde König von Korinth, doch nahm er sich in seiner Verzweiflung schon bald selbst das Leben. Medea floh mit dem Sohn Medeios nach Athen.


    Das Libretto von Giacinto Andrea Cicognini hält sich, wie in der venezianischen Oper durchaus üblich, nicht an den aus der Literatur bekannten Ablauf des Geschehens, sondern parodiert den Mythos und mixt Szenen der opera seria mit komischen Momenten. Dadurch wird eine packende Theateratmosphäre geschaffen.


    Die musikalische Seite demonstriert Cavallis einzigartige Charakterisierungskunst, z. B. in der Beschwörungsarie der Medea „Dell'antro magico“ oder in Isifiles Lamento „Speranze, fuggite“, ebenso aber auch in Jasons Liebesarie „Delizie contente“ und in den Duetten des Helden und seiner beiden Geliebten.


    „Giasone“ war eine der erfolgreichsten Opern des Duos Cavalli/Cicognini und des 17. Jahrunderts überhaupt:
    1649 Florenz und Mailand; 1650 Lucca; 1651 Bologna, Neapel und Wien; 1655 Piacenza; 1657 Livorno; 1658 Vicenza; 1659 Ferrara; 1660 erneut in Mailand; 1661 Genua; 1665 Ancona; 1666 Neuinszenierung in Venedig; 1667 Brescia; 1668 Reggio Emilia; 1671 in Rom als „Novello Giasone“; 1672 abermals Neapel; 1673 Bologna; 1681 in Genua mit dem neuen Titel „Trionfo d'Amor nelle vendette“; 1685/1690 nochmals Brescia als „Medea in Colco“.
    Marcello Pannis bearbeitete in den sechziger Jahren das Original und brachte es 1969 bei der RAI heraus. 1975 erlebte diese Fassung ihre deutsche Erstaufführung in Karlsruhe.


    © Manfred Rückert für TAMINO-Opernführer 2010
    unter Hinzuziehung folgender Quellen:
    Heinz Wagner: Die Oper
    Wikipedia über Jason und die Argonauten, Cavalli und Cicognini
    Die Musik in Geschichte und Gegenwart

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    MUSIKWANDERER

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  • 1988 brachte Harmonia mundi eine drei-CD-Box dieser Oper auf den Markt, die von René Jacobs dirigiert wurde.
    Die weiteren Interpreten waren:


    Michael Chance - Giasone
    Harry van der Kamp - Ercolo und Giove
    Michael Schopper - Besso und Eolo
    Cathérine Dubose - Isifile
    Bernard Deletré - Oreste
    Agnès Mellon - Alinda und Amore
    Gloria Banditelli - Medea
    Dominique Visse - Delfa und Eole
    Guy de Mey - Egeo
    Gianpaolo Fagotto - Demo
    Es spielte das Concerto vocale.


    Die Tamino-Werbepartner Amazon und jpc bieten diese Aufnahme nicht mehr an.

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