CAVALLI, Pietro Francesco: SERSE

  • Pietro Francesco Cavalli (1602-1676):

    SERSE (Xerxes)
    Oper in drei Akten mit einem Prolog - Libretto von Niccolò Minato


    Uraufführung am 12. Januar 1655 im Teatro SS. Giovanni e Paolo in Venedig


    DIE PERSONEN DER HANDLUNG:


    Serse, Großkönig von Persien (Altkastrat, auch Tenor)
    Prinzessin Amastris, Tochter des Königs von Susa (Sopran)
    Arsamenes, Bruder des Serse (Altkastrat, auch Tenor)
    Ariodates, Gouverneur von Abydos, Serses Feldherr (Tenor)
    Romilda und Adelanta, seine Töchter (Soprane)
    Eumenes, Eunoch an Serses Hof (Tenor)
    Aristone, Lehrer der Prinzessin Amastris (Baß)
    Elviro, Diener des Arsamenes (Altkastrat, auch Tenor)
    Clito, Page von Romilda (Sopran)
    Periarco, Botschafter des Königs von Susa (Altkastrat, auch Tenor)


    ALLEGORISCHE FIGUREN DES PROLOGS:


    Malerei (Pittura) Tenor
    Neugierde (Curiosità) Sopran
    Architektur (Architettura) Tenor
    Dichtkunst (Posia) Tenor
    Musik (Musica) Sopran


    Das Geschehen ereignet sich in Kleinasien um das Jahr 480 v. Chr.



    INHALTSANGABE


    PROLOG
    Die Neugierde ermuntert alle schönen Künste, ihr gesamtes Können aufzubieten, um die jetzt aufzuführende Oper zu einem großen Erfolg werden zu lassen.


    ERSTER AKT


    Auf seinem Kriegszug durch Kleinasien hält sich der persische Großkönig Serse in Abydos auf, wo er eine Brücke über den Hellespont bauen läßt. Dabei verliebt er sich in Romilda, der Tochter des Gouverneurs von Abydos, Ariodates. Allerdings weiß er nicht, daß Romilda bereits seit längerem mit seinem Bruder Arsamenes liiert ist.


    Serse spricht mit seinem Bruder und bittet ihn, über die Angebetete Näheres in Erfahrung zu bringen. Das bringt Arsamenes vollständig aus dem Gleichgewicht. Er erinnert Serse daran, daß er schon eine Verlobte hat, und zwar die Prinzessin Amastris, Tochter des Königs von Susa. Arsamenes Reaktion führt zu einem Eifersuchtsanfall bei Serse, in dessen Verlauf er seinen Bruder mitsamt seinem Diener Elviro vom Hof verbannt.


    Romilda, von Arsamenes informiert, bekommt Angst um Leib und Leben für ihren Geliebten und fordert ihn auf, sich in Sicherheit zu bringen. Romildas Schwester Adelanta, die sich ebenfalls in Arsamenes verliebt hat und das Gespräch ihrer Schwester mit Arsamenes belauscht hat, freut sich über Romildas schwierige Situation.


    Amastris tritt, von ihrem Erzieher und Beschützer Aristones begleitet, in Männerkleidern auf; sie hat in ihrer Heimat erfahren, wo sich ihr Verlobter Serse gerade aufhält und ist nach Abydos gekommen, um ihn hier zu treffen und zu sprechen.


    Serses Feldherr Ariodates hat seinen Feldzug siegreich beenden können und steht mit dem Heer vor Abydos. Im Gespräch mit seinem König, das dessen Freude über den Sieg wiedergibt, erfährt er, daß der für seine Tochter Romilda einen königlichen Gemahl gefunden habe.


    ZWEITER AKT


    Elviro, der Diener Arsamenes, hat sich als Blumenverkäufer verkleidet und kommt zu Romilda, um ihr ein Schreiben ihres Verlobten zu überbringen. Er trifft aber zunächst auf die immer noch als Mann verkleidete Amastris, die von ihm erfährt, daß auch Serse in Romilda verliebt ist.


    Dann ist es Adelanta, mit der Elviro zusammentrifft, und der er den an Romilda gerichteten Brief übergibt, weil er die eigentliche Empfängerin nicht angetroffen hat.


    Adelanta begibt sich sofort zu Serse und überreicht ihm das Schreiben mit dem Hinweis, sie sei die Empfängerin. Das kann der König nur so deuten, daß Arsamenes seine Romilda nicht mehr liebt.


    Serse begibt sich umgehend zu Romilda und zeigt ihr den Brief. Das macht Romilda wütend; genauso ergeht es Arsamenes, als er davon hört.


    Serse und sein Bruder begegnen sich beim Bau der Brücke über des Hellespont und der König verspricht Arsamenes die Hand der Frau, die er liebt. Weil Arsamenes weiß, daß Serse nicht Romilda, sondern Adelanta meint, geht er davon und läßt den König stehen. Dadurch wird Serse klar, daß Adelanta gelogen hat und Romilda immer noch in Arsamene verliebt ist.


    Der Botschafter des Königs von Susa, Periarco, kommt im Auftrag seines Herrn, um Serse an das Verlöbnis mit Amastris zu erinnern. Zuvor trifft er zufällig mit der Königstochter zusammen, die er trotz der Verkleidung auch sofort erkennt. Amastris aber leugnet standhaft, die bewußte Prinzessin zu sein. Periarco sieht aus diesem Grund nicht in der Lage, mit König Serse zu verhandeln.


    Das Heer der Perser ist angetreten und marschiert an seinem König vorbei; aus Anlaß des von Ariodates eingefahrenen großen Sieges gibt Serse in seinem Palast einen Ball, der den zweiten Akt beschließt.


    DRITTER AKT


    Romilda beklagt die - vermeintliche - Untreue ihres geliebten Arsamenes. Der tritt plötzlich mit seinem Diener Elviro vor sie hin und in dem Gespräch werden Adelantas Intrigen aufgedeckt. Die Verliebten versöhnen sich.


    Serse bietet seiner angebeteten Romilda nicht nur die Königskrone, sondern auch sich selber als Gemahl an, aber sie lehnt sein Ansinnen entrüstet ab. Sie sagt, für sie käme als Ehemann nur Arsamene in Frage, denn nur den Bruder des Königs liebe sie. Wütend über diese Antwort befiehlt Serse seiner Wache, Arsamene zu suchen und zu töten. Gleichzeitig äußert er seine Hoffnung, Romilda doch noch überzeugen zu können.


    Serse begibt sich zu Ariodates und versichert ihm nochmals, daß seine Rochter Romilda bald einen königlichen Gemahl bekommen werde. Ariodates ist natürlich überzeugt, daß damit nur Arsamenes gemeint sein kann. Als Serse gegangen ist, treten Romilda und Arsamenes auf die Szene; in der - falschen - Überzeugung, daß er richtig handelt, gibt er die beiden jungen Leute zu einem Ehepaar zusammen.


    Periarco hat seine Mission nicht vergessen und versucht, Serse an die Prinzessin Amastris und das verabredete Eheversprechen zu erinnern. Serse weist jedoch die Vorstellungen des Botschafters zurück und läßt einen überaus enttäuschten Periarco zurück. Und der beschließt, nach Susa zurückzukehren.


    Ariodates kommt und Serse teilt seinem Heerführer mit, daß er selbst Romilda heiraten will. Konsterniert stammelt Ariodates, er habe soeben Arsamenes mit Romilda verheiratet. Als Rechtfertigung versucht er, den König auf die mißverständlichen Äußerungen hinzuweisen, aber Serse hört, außer sich vor Wut, kaum zu.


    Eine Wache bringt ein Schreiben von Amastris, in dem sie dem König ein Liebesgeständnis macht. Als Arsamene mit Romilda auf die Szene tritt, befiehlt der aufgebrachte Serse, daß Arsamene seine Gemahlin töte. Serses Verlobte Amastris, die eilig hinzukam, wirft sich dazwischen und offenbart jetzt, wer sie in Wirklichkeit ist. Nun ist der König am Boden zerstört, zieht sein Schwert und will sich töten; auch hier gelingt es Amastris, Schlimmes zu verhindern. Gerührt durch diese aufopferungsvolle Liebe gibt Serse nach und erteilt Romilda und Arsamenes auch seinen Hochzeitssegen. Er selber begibt sich dann mit Amastris zum Altar.



    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Aus Anlaß der bevorstehenden Hochzeit von König Ludwig XIV. mit Maria Theresia von Spanien hatte Frankreichs regierender Minister, Kardinal Mazarin, den berühmten Cavalli nach Paris eingeladen, um dort seine Opern aufzuführen. Es heißt, der kränkelnde Komponist habe die Reise im April 1660 nur auf politischen Druck hin angetreten, weil Mazarin ihn partout haben wollte.


    Die Reise wurde für den erfolgsverwöhnten Cavalli eine große Enttäuschung: Die Hochzeitsoper „Ercole amante“ (Der verliebte Herkules, s. die Inhaltsbeschreibung im Tamino-Opernführer) wurde aufgrund von Intrigen (hinter denen der um seine Privilegien fürchtende Jean-Baptiste Lully steckte) nicht rechtzeitig fertig. Cavalli wird es auch nicht gefallen haben, daß Lully die Balletteinlagen zu seiner Oper komponieren sollte, ohne die bei dem ballettverliebten König nämlich ein Mißerfolg vorprogrammiert war. Da außerdem kurz nach Cavallis Ankunft in Paris Kardinal Mazarin gestorben war und das geplante neue Theater in den Tuilerien sich noch im Bau befand, stand es für Cavalli nicht zum Besten. Und so wundert es nicht, daß „Ercole amante“ erst anderthalb Jahre später im „Palais des Tuileries“ gespielt und als Hochzeitsoper der „Serse“ in der Gemäldegalerie des Louvre aufgeführt wurde, für die Lully sechs „Entrées“ schrieb.


    Inhaltsmäßig ist Cavallis Werk mit der späteren Händel-Oper im Gleichklang. Der für Händel tätige Librettist ist unbekannt geblieben, ließ sich aber von dem Text Silvio Stampiglias für Bononcinis gleichnamiger Oper leiten (Rom 1694), die wiederum eindeutig auf Niccolò Minato fußte. Cavallis Oper hat durchkomponierte Szenen mit einer Spielzeit von 4 Stunden. Das originale Instrumentarium sieht neben dem Streicherensemble und dem Basso continuo noch zwei Blockflöten und zwei Trompeten vor.


    Cavallis/Minatos Oper fand seinerzeit weite Verbreitung und wurde 1656 in Genua, 1657 in Bologna und Neapel, 1658 in Palermo, 1660 in Paris (zu den Hochzeitsfeierlichkeiten von Ludwig XIV. und der spanischen Infantin), 1665 in Mailand und Verona sowie 1682 in Cortona aufgeführt.


    © Manfred Rückert für TAMINO-Opernführer 2010
    unter Hinzuziehung folgender Quellen:
    Die Musik in Geschichte und Gegenwart
    Heinz Wagner: Die Oper
    Wikipedia über Komponist, Librettist und Werk

    .


    MUSIKWANDERER

    2 Mal editiert, zuletzt von musikwanderer ()

  • 1985 erschien bei Harmonia mundi eine von René Jacobs geleitete Aufnahme dieser Oper; zunächst als vier-LP-Kassette, später dann auch als vier-CD-Box. Die Interpreten waren:


    René Jacobs - Serse und musikalische Leitung
    Judith Nelson - Amastre
    Jeffrey Gall - Arsamene
    Isabelle Poulenard - Romilda
    Jill Feldman - Curiosita und Adelanta
    John Elwes - Ariodate
    Guy de Mey - Architettura und Eumene
    Richard Wistreich - Aristone
    Dominique Visse - Elviro
    Agnès Mellon - Clito


    Bei den Tamino-Werbepartnern ist diese Opern-Einspielung nicht mehr erhältlich.

    .


    MUSIKWANDERER