Bildbetrachtung – Pompeo Batoni: Kaiser Joseph II. und Großherzog Peter Leopold von Toskana


  • Pompeo Batoni: Kaiser Joseph II. und Großherzog Peter Leopold von Toskana, 1769
    Öl auf Leinwand, 173 x 122 cm
    Signatur: Bez. unter der Tischplatte rechts: POMP. BATONI. LVCENSIS. ROMAE. AN. 1769. DVM PRAESENTES ESSENT. PING.
    Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie
    Inv.-Nr. GG_1628
    Provenienz: 1824 in der Galerie


    Daß ich die Person, nach welcher ich mich hier bei "Tamino" benannt habe, auch kunsthistorisch vorstellen will, ist seit langem in Überlegung gewesen. Die Sache wurde letztlich aber immer wieder aufgeschoben, da es unzählige Portraits von ihr gibt und es unendlich schwierig ist, eines auszuwählen. Um mit dieser Angelegenheit aber doch noch zu widmen, habe ich nun eine Auswahl getroffen. Es handelt sich gewiß um eines der bekanntesten Gemälde, welche Kaiser Joseph II. (geb. 1741, gest. 1790, Kg. 1764, Ks. 1765–1790) darstellen. Auch ist es eines der bedeutendsten Doppelportraits zumindest des 18. Jahrhunderts. Denn wie man unschwer erkennen kann, ist nicht nur Joseph II. darauf dargestellt (rechts), sondern auch sein jüngerer Bruder Peter Leopold (geb. 1747, gest. 1792), seinerzeit Großherzog von Toskana (1765–1790) und später als Leopold II. selbst Nachfolger seines Bruders als (vorletzter) Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (1790–1792).


    Pompeo Batoni (1708–1787) war bereits ein berühmter Mann, als der 1769 den Auftrag erhielt, den Kaiser, der sich gerade auf Italienreise befand, mit seinem Bruder, dem toskanischen Großherzog, portraitieren zu dürfen. Batoni galt gleichsam als bedeutendster Rivale von Anton Raphael Mengs (1728–1779) und einer der Hauptvertreter des frühen Klassizismus, noch beeinflußt durch das ausgehende Rokoko. Das Doppelportrait der beiden Habsburger sollte ihm gar den österreichischen Adelsstand einbringen, zumal sich auch der kritische Kaiser sehr zufrieden damit zeigte. Kaiserin Maria Theresia, die Mutter der beiden Portraitierten, war ebenfalls überaus angetan, so daß insgesamt drei Kopien davon geordert wurden (eine für die Kaiserin, eine zweite für den Fürsten von Liechtenstein und eine dritte für ein deutsches Schloß).


    Wir sehen vor uns den 28jährigen Kaiser im dunkelgrünen Waffenrock des 1. Chevauxleger-Regiments, seinen 22jährigen Bruder anblickend, welcher in der weißen Uniform der deutschen Infanterie dargestellt ist. Beide stehen auf einer Terasse vor einer Stadtansicht Roms mit St. Peter und der Engelsburg im Hintergrunde. Der Kaiser stützt sich mit dem linken Arm auf eine Statue der Göttin Roma, gleichsam als Personifikation der einstigen Hauptstadt des Römischen Reiches. Auf dem Schreibtisch im Vordergrund sehen wir einen Stadtplan von Rom vor uns, welcher die beiden als ortsfremd ausweist. Der Charakter des Doppelportraits ist eindeutig repräsentativer Natur und taugt folglich als offizielles Herrscherportrait. Daß sowohl der Kaiser als auch der Großherzog in schlichten Uniformen dargestellt sind, entspricht der Mentalität der beiden, welche den sich bereits überlebten barocken Staat Karls VI. auch in eigener Person endgültig überwinden wollten (das Vorbild des preußischen Königs Friedrich des Großen ist ebenfalls nicht zu unterschätzen). Ab den 1770er Jahren wurde es auch an anderen europäischen Höfen üblich, daß sich die Herrscher in Uniformen darstellen ließen. Der innige Handschlag der beiden symbolisiert die Einigkeit des habsburgischen Hauses. Freilich hatten die beiden Brüder nicht selten Meinungsverschiedenheiten, welche auf Staatsportraits freilich nichts verloren hatten. Der brüderliche Unfrieden gipfelte zuletzt darin, daß sich Leopold betont viel Zeit ließ, als Joseph 1790 auf dem Sterbebett lag und ihn dringend zu sich bat. Der Großherzog wollte so der Verpflichtung entgehen, dem sterbenden Bruder noch einige letzte Wünsche erfüllen zu müssen. So traf Leopold erst nach dem Ableben des Kaisers in Wien ein, was staatspolitisch als klug, menschlich aber als überaus verwerflich zu bezeichnen ist. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, daß der ältere Bruder die modischere Perücke mit nur einer Locke seitlich trägt, während beim Jüngeren eine höhere mit zwei seitlichen Locken auf dem Haupt ruht. Der latent homoerotische Charakter des Bildes, den der heutige Laie erkennen will, ist vermutlich zeitgenössisch als solcher nicht wahrgenommen worden. Auch wenn zumindest der Kaiser nach zwei kurzen, wenig glücklichen Ehen (die erste mit einer Lesbe, die zweite mit einer potthäßlichen Matrone) genug von "Weibsleuten" hatte und sich bis zu seinem Tode konsequent eine Wiederheirat verbat (nicht von ungefähr daher auch die Erwähnung Josephs II. in "Das andere Habsburg", der Dissertation von Helmut Neuhold).


    Literatur:


    - Gutkas, Karl: Kaiser Joseph II. Eine Biographie, Wien, Darmstadt 1989.
    - Neuhold, Helmut: Das andere Habsburg. Homoerotik im österreichischen Kaiserhaus, Diss., Marburg 2008.
    - "http://www.lgt.com/_popup/sujet1.html?__locale=de"
    - Wikipedia


    Bildquelle: Wikipedia, gemeinfrei.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões