Die Fledermaus - Münster, 16.01.2011

  • So wie das alte Jahr endete (musikalisch), so begann das neue. Habe ich mich selbst noch in einigen Ausschnitten als Eisenstein probiert, hatte die Fledermaus nun in Münster Premiere. Dass ich und meine Freundin diese Vorstellung gelangweilt am Ende verlassen haben, zeigte uns deutlich, dass etwas (szenisch) gründlich daneben gegangen war. Zudem ist mir klar geworden, was für ein Genuss und was für eine Ausnahme das Wiesbadener Bühnenbild war. Dass Münster allein aus Platzgründen keinen großen Pallast auf die Bühne stellen konnte, war ja klar, aber das sterile Hochglanz-Bild (Heinz Balthes) des ersten Aktes war zwar praktikabel bespielbar, aber nicht wirklich schön. Immerhin wurde es im zweiten und dritten Akt etwas besser. Im dritten Akt war die westfalische Beamten-Liebe zu Ordnern spürbar, die sauber aufgereiht in hohen Regalen standen und Froschs Alkohol Sammelsurium beherbergten.
    Wirklich fatal für die Inszenierung war aber, dass Intendant keine eigene Handschrift entwickeln konnte. Die Bühne sah modern aus, die Regie war weder das noch klassisch. Und doch sorgten ein paar der guten alten Fledermaus-Sprüche, die ich schon 100mal gehört habe und die mich immer wieder zum Lachen bringen, für gute Laune im Publilkum: "Murgen habe ich andere Surgen". Irgendwo versuchte Quetes einen Mittelweg, der aber nicht wirklich zum Tragen kam. Auch die Polka "unter Donner und Blitz" hatte man frei nach Otto Schenk etwas neu choreographiert, nur wieder so zu enden wie man es aus Wien schon zur Genüge kennt. Es kam einfach kaum Stimmung auf.
    Der erste Akt hatte da noch gut begonnen: DAs Terztett mit Doktor Blind, das Duette Falke -Eisenstein und das folgende TErzett "So muss allein ich bleiben" hatte noch szenischen drive, der dann merklich zum Finale zum erliegen kam. Die ersten Minuten von Orlofskys "Party" waren dann schon sehr zäh, das Uhrenduett brachte lckerung, der Champagngergalopp sorgte dank der Musik für gute Laune, aber keinesfalls für diese überschäumende Stimmung, für die die handelnden Personen ihre Identitäten aufgeben. Überhaupt kam der ganze ironische, doppelbödige Charakter kaum zum Tragen, wenn da nicht die Musik gewesen wäre.
    Vollends langweilig war der dritte Akt. Wo meine Freundin und ich in Wiesbaden vor Lachen noch auf dem Boden gelegen hatten, da verschenkte man in Münster die Chance mit dem bewegungsfreudigen Benjamin Kradolfer Roth einen Frosch der anderen Art auf die Bühen zu stellen. Lediglich dessen Widerspruch aus pedantischer Sauberkeit und notorischer Trinkerei kamen zum Tragen. Auch Henrike Jacobs, deren Stimme ich zwar immer noch nicht leiden kann, konnte als Adele mit "Spiel ich die Unschuld vom Lande" für Stimmung sorgen. Ihr gehörte auch der meiste Applaus des Abends, den sie aber auch viel ihrer szenischen Präsenz zu verdanken hat. Die Adele war aber auch stimmlich einer ihrer besten Rollen hier in Münster.
    Gespannt war ich auf Fritz Steinbacher, dessen so klangvoller Tenor mich schon immer begeistert hat. Den Eisenstein habe ich noch nie so sauber gesungen gehört. Da wurde nicht gebellt oder gegrölt, sondern wirklich gesungen. Der Schwerenöter blieb da ein wenig auf der strecke und für den Ausbrauch "Hier stehe ich als Rächer" fehlte ihm einbfach bei seinen lyrischen Qualitäten die vokale Dramatik. Da merkte man deutlich den Übergriff ans Material der Stimmbänder. Ansonten eine tolle Leistung
    Annette Johansson hatte einen starken Anfang als Rosalinde, lies dann schon im Finale des ersten Aktes etwas nach, konnte nach dem guten Uhrenduett nicht mehr ganz das Niveau zu einem feurigen Czardas retten und war dann im dritten Akt kaum noch zu hören. Sehr schade. Judith Gennrich war szenisch komplett ausgeblendet worden, sang den Orlofsky aber sonst sehr gut. Auch David Pichlmair war ein nobler Falke mit toller Stimme - ich hoffe, Münster wird ihn sich öfter holen. KS Andreas Becker war leider mit sehr heftigen O-Beinen unfreiwillig komisch, unterlief zudem auch noch die Rythmik im "schönen Vogelhaus". Thomas Stückemann machte aus seinem kurzen Auftritt als Doktor Blind das beste. Daniel Szeili hatte für den Alfred eine tolle Sprechstimme und eine schöne Mittellage, aber wirkte in der Höhe total überfordert.
    Das Orchester hatte einen guten Abend, spielte vielleicht eine Spur zu laut, Hendrik Vestmann zauberte eine tolle Interpretation aus ihnen heraus, die der lauen Szene doch noch etwas Tiefgang verpasste. Der Chor war vokal ebenfalls gut, muss aber unbedingt noch mehr Feierlaune verströmen, um den sonst so lauen zweiten Akt zu verbessern.


    Fazit: Szensich eine Fledermaus ohne Biss, musikalisch eine ordentliche Aufführung.

  • Danke, Wotan, für den Bericht über Münsters Fledermaus. Nach der Kritik in "Der Glocke" wollte ich nämlich schon umgehend in die nächste Aufführung fahren, so gut war die ! Jetzt werde ich erst mal die Berichte meiner Münsteraner Freunde abwarten, ob ich den Weg nach MS nehme. :D

  • Leider kann ich den bericht online nicht finden, haben Sie die Möglichkeit mir den Text hier oder über Bekannte zukommen zu lassen?
    Überdies ist auch mein Redakteur mit der Aufführung sehr freundlich umgesprungen, obwohl wir beide der gleichen Ansicht waren, dass da eindeutig die stimmung, im dritten Akt sogar der Pepp fehlte.