Ein Bericht von Gerhard Schroth, Musikwissenschaftler, Pianist, Musikkritiker F.A.Z.
Gerhard Schroth begleitet seit Jahren die Belcanto-Solisten in ihren Konzerten
Auf Seitenpfaden der Liedkunst
Christine Schäfer und Eric Schneider in der Oper
Wenigen Sängern gelingt wohl der strapaziöse Spagat zwischen Oper und Lied so fruchtbar wie Christine Schäfer. Bei ihrer jüngsten Rückkehr in ihre Heimatstadt räumte sie beiläufig einige Vorurteile aus. Lied nur noch ein Residuum für Senioren? Das Opernhaus summte bis unters Dach, unter ihnen auffallend viele junge Leute. Lieder nur noch mit den bekanntesten vermittelbar?
Das Abendprogramm ist in seiner eigenwilligen Auswahl kaum zu übertreffen. Das „Veilchen“ blüht einsam in der Mozart-Gruppe, die dazu noch in eine seltene Konzert-Arie mündet. Das Herzstück des Abends bilden zwei Zyklen von Webern und Berg, und nach der Pause beweisen die Künstler schlüssig, wie viele versteckte Perlen sich im riesigen Liedschaffen Schuberts finden lassen.
Die clarté Mozarts und die Intensität der Jahrhundertwende mündeten zielbewusst in einem atmosphärischen Verdichtungsprozess von Wort und Ton, Klavier und Gesang. Kam bei den George-Liedern op. 3 Weberns, einem Lieblingszyklus Schäfers, jede Silbe der knappen Verszeilen quasi in der Nähe zum Sprechgesang zur Geltung, so wurden die ariosen Elemente der - gleichzeitig entstandenen frühen Lieder Bergs - zum Bindeglied zu einem Deklamationsstil, der Melodie und Text zu einem Ganzen verschmolz. Subtil aber unübersehbar die thematischen Linien, die die Auswahl prägten: das Motiv des Wanderers (nur der berühmte nicht), Nacht und Mond, Nähe der Natur, dies schon bei Webern und Berg. Für diese Fülle von Sprachbildern und Emotionen, die zum Teil doch recht ungewohnt waren („Wie kann mich mit Schmerz so bestreuen die Freude?“) fand die Sängerin einen unforciert sich entfaltenden Farbreichtum, der auch im Forte nie die Intimität des Liedes bedrohte.
Wesentlichen Anteil an dieser suggestiven Wirkung hatte Eric Schneider. Mit jeder Nuancierung der Sängerin vertraut, erzielte der Pianist heiter-entspannt eine bruchlose Einheit mit seiner Partnerin, nur so waren die atemberaubenden Pianissimi, etwa im Lied der Delphine, möglich. Nicht nachzuvollziehen, dass gerade dieses Lied einstmals als „unaufführbares Liedmonstrum“ verschrien war, wie Fischer-Dieskau genüsslich festhält
Ganz im Sinne der Thematik des Abends bildete Schuberts unnachahmliches Mondlied „Füllest wieder Busch und Tal“ die erste der Zugaben. Und das Lied „Amor“ von Richard Strauss bot beiden die Möglichkeit, in edlem Wettstreit alle virtuosen Hexenkünste zu entfalten; eine Gelegenheit, die sie sich denn auch nicht entgehen ließen.