JANÁČEK, Leoš: KATJA KABANOVA

  • Leoš Janáček (1854-1928)


    KATJA KABANOVA
    (KÁT'A KABANOVÁ)

    Oper in 3 Akten
    Text vom Komponisten nach dem Schauspiel „Das Gewitter“ von Alexander Nikolajewitsch Ostrowskij
    Deutsche Übersetzung von Max Brod


    Uraufführung am 23. November 1921 in Brünn, Nationaltheater


    DIE PERSONEN DER HANDLUNG


    Sawjol Prokofjewitsch Dikoj, Kaufmann (Baß)
    Boris Grigorjewitsch, sein Neffe (Tenor)
    Marfa Ignatjewna Kaban, genannt Kabanicha, reiche Kaufmannswitwe (Alt)
    Tichon Iwanytsch Kabanow, ihr Sohn (Tenor)
    Katherina, genannt Katja, seine Frau (Sopran)
    Wanja Kudrjasch, Lehrer, Chemiker, Mechaniker (Tenor)
    Barbara, Pflegetochter im Hause Kabanow (Mezzosopran)
    Kuligin, Kudrjaschs Freund (Bariton)
    Glascha und Fekluscha, Mägde (Mezzosoprane)
    Ein Vorbeigehender (stumme Rolle)
    Eine Frau aus dem Volk (Alt)
    Chor: Bürger, Bürgerinnen


    Die Handlung spielt in der Kleinstadt Kalinow am Ufer der Wolga, Mitte des 19. Jahrhunderts.


    INHALTSANGABE


    ERSTER AKT
    Ein Park am Steilufer der Wolga; Feiertag. Rechts das Haus der Familie Kabanow.


    Wanja Kudrjasch, Lehrer für Chemie und Physik in Kalinow; sitzt auf einer Bank am Ufer der mächtigen Wolga; für ihn ist der Fluß ein zu bewunderndes Symbol ewiger Natur. Diese Einstellung versucht er der eben aus dem Kabanowschen Haus kommenden und sich zu ihm setzenden Magd Glascha nahezubringen. Als die jedoch den Kaufmann Sawjol Prokofjewitsch Dikoj in Begleitung seines Neffen Boris Grigorjewitsch näher kommen sieht, eilt sie schnell ins Haus der Herrschaft: Sie will den beiden (wohl eher Boris) ganz offensichtlich nicht begegnen. Kudrjasch entfernt sich daraufhin ebenfalls und geht nach dem Park hin ab.


    Dikoj, mit seinem Neffen jetzt voll auf der Szene angekommen, ärgert sich mal wieder, daß Boris immer nur herumlungert und jeder Arbeit aus dem Weg geht. Solche Standpauken kennt Boris mittlerweile schon und läßt alles an sich abprallen, antwortet aber, es sei doch Feiertag, was der Onkel mit der Bemerkung kommentiert, wenn man nur wolle, finde man auch an einem Feiertag Arbeit. Er geht brummig zum Haus der Kabanovs, wird von Glascha dort in Empfang genommen und zur Kaufmannswitwe Marfa Ignatjewna Kaban, die allgemein nur die Kabanicha genannt wird, in den Garten geführt.


    Kudrjasch kommt auf die Szene zurück und äußert gegenüber Boris sein Unverständnis über dessen Haltung, sich von seinem Onkel die Beschimpfungen gefallen zu lassen. Boris Grigorjewitsch erklärt ihm daraufhin die Gründe für seine Geduld: Seine Mutter mochte die kleinstädtische Enge nicht, konnte es, weil sie aus einem Adelsgeschlecht stammte, nicht lange mit dem Bürgervolk aushalten. Letztlich gab der Vater nach und zog mit der Familie nach Moskau, wo die Kinder eine adäquate Erziehung bekamen. Dann aber brach das Unglück über die Familie herein: Die Eltern starben an der Cholera und machten ihn und seine Schwester zu Waisen. Zwar hinterließ ihnen die Großmutter ein reiches Erbe, bestimmte jedoch in ihrem Testament, daß ihre Enkelkinder dieses Vermögen nur dann ausbezahlt bekommen sollten, wenn Boris bis zu seiner Volljährigkeit seinem Onkel Dikoj zu Diensten stehe.


    In diesem Moment sieht Boris die bigotte Kabanicha mit ihrem Sohn Tichon, seiner Frau Katherina und der Pflegetochter Barbara aus der Kirche kommen; er gesteht Kudrjasch, sich in Katherina verliebt zu haben und hält es für angezeigt, der geliebten Frau nicht zu begegnen - beide Männer gehen schnell davon.


    Die Kabanicha verlangt, näher gekommen, von ihrem Sohn, noch heute zum großen Markt nach Kasan zu reisen. Obwohl Tichon geradezu unterwürfig seine Zusage gibt, wirft ihm die Mutter vor, sie seit seiner Heirat mit Katja zurückzusetzen und nur seiner Frau noch Liebe zu schenken, nicht aber ihr, der Mutter. Katherina findet diese Äußerung empörend und mischt sich ein, die Vorwürfe entschieden zurückweisend und begibt sich stolz ins Haus. Die Kabanicha ruft ihr böse nach, sie solle einfach nur schweigen. Dann folgt sie der Schwiegertochter, laut seufzend, ins Haus. Die hinzukommende Barbara hat das Gespräch mitgehört und macht Tichon Vorwürfe, seine Frau gegen die herrschsüchtige Mutter nicht genug zu unterstützen, Tichon antwortet nicht, läßt Barbara stehen und geht ab. Barbara bedauert Katja und überlegt, wie sie ihr helfen kann, weiß aber nicht wie. Auch sie begibt sich dann ins Haus.


    Verwandlung in ein Zimmer des Kabanovschen Hauses.


    Hier trifft Barbara auf Katja, die ihr von einer sorglosen, frohen Jugendzeit und ihren Träumen erzählt. Sie gesteht der teilnahmsvoll zuhörenden Pflegetochter der Kabanicha schließlich sogar die heimliche Liebe zu einem anderen Mann, die sie jedoch gleichzeitig als ungerecht gegenüber ihrem Gatten empfindet. Als Tichon reisefertig eintritt, um sich von seiner Frau zu verabschieden, fällt sie ihm um den Hals. Er erklärt Katja seine auf Wunsch der Mutter vorzunehmende Reise nach Kasan, worauf sie ihn bittet, mitreisen zu dürfen. Doch Tichon, der in „diesem Sklavenkerker selbst neben dem schönsten Weib“ das Leben unerträglich findet, lehnt die Bitte seiner Frau kategorisch ab. Sie fordert Tichon auf, ihr einen Eid abzuverlangen, daß sie nie ein Wort oder einen Blick mit einem andern Mann wechsle, während er fort ist. Tichon weicht ihr aus, findet ihr Verlangen sogar „unmöglich“, auch „lästerlich“ und verabschiedet sich auf Geheiß der Mutter, die sich gerade hinter der Szene drängelnd meldet, mit demütigenden Verhaltensmaßregeln von ihr. Vor seiner Mutter kniet er nieder, den Reisesegen empfangend, und küßt sie dann. Mit Barbara und Glascha geht er hinaus.


    ZWEITER AKT
    Ein Erkerzimmer; letzte Strahlen der Abendsonne tauchen den Raum ins Halbdunkel.


    Katja, die Kabanicha und Barbara sitzen nähend im Erkerzimmer. Marfa Ignatjewna wirft ihrer Schwiegertochter vor, sie liebe Tichon nicht, sonst hätte sie der Sitte entsprechend lauter und länger über seine Abreise geklagt. Katja protestiert und weist darauf hin, daß sie nicht in der Lage ist, Komödie zu spielen: „Ich bin, wie ich bin!“ Die Kabanicha geht mit dem Satz, daß heute alles „entheiligt“ werde, davon. Kaum ist sie gegangen, erzählt Barbara, daß es ihr gelungen sei, vom Schlüssel des Gartentors, den die Kabanicha immer bei sich trage, einen Nachschlüssel anfertigen zu lassen. Der sich widerstrebend gebenden Katja steckt sie diesen Schlüssel zu und sagt, sie werde Boris zu einem Treffen an das Tor bestellen. Wenn ihr der Schlüssel auch „wie Kohle in der Hand brennt“ entscheidet sich Katja dennoch „unter Gewissensqualen“, am Abend zum Stelldichein mit Boris zu gehen. Sich ein Tuch um den Hals werfend geht sie mit Barbara davon.


    Kaum ist Katja mit Barbara gegangen, kommt die Kabanicha mit einem Licht in der Hand, hinter ihr Kaufmann Dikoj. Beide treffen sich immer wieder zum stundenlangen Plausch. Heute sieht sich Dikoj gezwungen, die „Gevatterin“ um Nachsicht zu bitten, weil er „betrunken“ sei. Ihre Antwort ist entwaffnend ehrlich: „Dann geht doch schlafen!“ Doch Dikoj will von der Kabanicha getröstet werden, weil er einem Muschik seinen Lohn für eine Fuhre Holz nicht ausgezahlt habe und nun von seinem Gewissen geplagt werde. Als sich Dikoj an die Kabanicha schmiegen will, wehrt sie ihn entrüstet ab.


    Verwandlung: Garten des Kabanovschen Hauses mit der Gartentüre. Sommernacht.


    Kudrjasch kommt mit einer Gitarre und singt das Lied von der Schönen Maid, die am frühen Morgen in den Garten geht und im Bach ihr Bild strahlen sieht, während der junge Bursche mit goldenen Schuhen, bunten Tüchern und Seidenröcken aus fernen Landen hinter ihr steht. Sie möchte jedoch nur zwei Rosenstöcke von ihm haben, die sie vor ihrem Fenster in die Erde pflanzen will. Kudrjasch wird von Boris Grigorjewitsch unterbrochen, der den Hinweis gibt, er sei von Katja herbestellt worden und deshalb störe Wanja doch sehr; er bittet ihn, zu gehen. Kudrjasch warnt seinen Freund daraufhin vor der Liebe zur schönen Katja. Als Barbara dann auf die Szene tritt, geht sie mit Kudrjasch zu einem nächtlichen Spaziergang davon.


    Kaum sie die beiden gegangen, kommt Katja, sich nach allen Seiten umschauend, aus dem Garten auf die Szene. Erst stehen sich Boris und Katja verlegen gegenüber, dann fällt sie, wie von einer geheimnisvollen Macht getrieben, Boris in den Arm. Der gesteht ihr seine Liebe, die sie nach kurzem Zögern erwidert. Unter ständigen Umarmungen läßt Katja ihr Wissen um die Konsequenzen des Ehebruchs erkennen und möchte mit Boris in den gemeinsamen Tod gehen. Der junge Mann weist solche Gedanken weit von sich. Im Morgengrauen rufen Kudrjasch und Barbara das Liebespaar zurück in die Wirklichkeit; Barbara und Katja gehen leise, wie mit einer schweren Last beladen, ins Haus.


    DRITTER AKT
    Ein zerfallendes Gebäude mit Sträuchern und Gras; hinten die Wolga; ein regnerischer Spätnachmittag. Zwei Wochen später.


    Vor einem aufziehenden Gewitter haben Kudrjasch und sein Freund Kuligin Unterschlupf in einem verfallenen Gewölbe an der Wolga gesucht. Unter anderen, ebenfalls den Schutz des Gemäuers suchenden Passanten ist auch Kaufmann Dikoj, der das Gewitter für ein Zeichen göttlicher Strafe für die Menschen hält, während Kudrjasch in dem Naturereignis lediglich einen „elektrischen Ausgleich“ sieht. Er macht den protestierenden Dikoj auf das Wort des Dichters Derscháwin aufmerksam: „Von Würmern wird mein Leib verspeist. Doch die Blitze beherrscht mein Geist!“ Dikoj will das nicht akzeptieren und ruft nach den Wachen „für den Lästermund“. Doch Kudrjasch läßt sich von dem schimpfenden Kaufmann nicht beeindrucken und meint schließlich, der Regen habe aufgehört. Sofort geht Dikoj, dem die anderen nach und nach folgen, davon. Kudrjasch ruft ihnen höhnisch- lachend ein „Auf Wiedersehen“ nach.


    Als Kudrjasch dann zur anderen Seite abgeht, trifft er dort auf Boris, auf den er einredet. Währenddessen kommt Barbara, sich nach allen Seiten umsehend, auf die Szene. Als sie Boris mit Kudrjasch sieht, macht sie dem jungen Mann mit den Händen Zeichen, zu ihr zu kommen. Die beiden Männer kommen nach vorn und Barbara berichtet, daß Katjas Mann Tichon von der Reise nach Kasan zurückgekehrt sei und sie dadurch mit psychischen Problemen kämpfe: Sie zittere wie vom Fieber geschüttelt, irre im Hause hin und her, als suche sie etwas und heute habe sie sogar in der Frühe einen Weinkrampf bekommen. Barbara ahnt Unheil, denn sie befürchtet, daß Katja ihrem Gatten die Wahrheit gestehen werde. Und das Schlimme: Die „Alte“ sitze wie ein Raubtier dabei und beobachte die Schwiegertochter unablässig, offensichtlich einen Verdacht habend.


    Barbara sieht gerade Katja, die Kabanicha und Tichon kommen, worauf sich Boris und Kudrjasch sofort verstecken. Katherina stürzt hinzu und umfaßt Barbara krampfhaft bei den Händen. Ein plötzlicher Donnerschlag läßt Katja erzittern und sie sieht „Gottes Strafgericht“ auf sie zukommen. Barbara versucht, Katja zu beruhigen, aber die erblickt gerade in diesem Augenblick Boris und schrickt zusammen.


    Zu allem Überfluß kommt Dikoj auf die Szene und will von der Kabanicha wissen, welche besonderen Sünden die Schwiegertochter begangen habe, daß sie so verstört wirke. Bevor die alte Kaban antworten kann, stürzt Katja ihr zu Füßen und beichtet ihr und Tichon, daß sie sündhaft den Eid gebrochen und mit einem anderen Mann zehn Nächte verbracht habe. Als Dikoj und die Kabanicha wissen wollen, wer dieser fremde Mann sei, antwortet Katja, Barbaras Einwände gegen das Geständnis beiseite schiebend, es sei Boris Grigorjewitsch gewesen. Dann fällt sie Tichon, ohnmächtig geworden, in die Arme.


    Die Kabanicha wendet sich triumphierend an ihren Sohn: „Söhnchen! Sagt ichs dir nicht immer?“ Plötzlich kommt Katja zu sich, reißt sich von Tichon los und stürmt hinaus in Regen und Gewitter.


    Verwandlung: Einsames Wolgaufer; späte Dämmerung, in Nacht übergehend.


    In der Dunkelheit sucht Tichon mit Glascha, die eine Laterne trägt, nach Katja. Tichon gesteht der Magd, daß er seine Frau immer noch liebt, daß seine Mutter aber der Meinung ist, Katja gehöre lebendig begraben. Barbara und Kudrjasch kommen in Hast auf die Szene und bekennen, daß sie nur einen einzigen Wunsch haben: „Nur weg! Vorwärts ins fröhliche Moskau!“ Alle vier gehen in die Dunkelheit davon.


    Katja kommt langsam aus dem Dunkel auf die Szene, äußert ihre Todessehnsucht. Ihre Gedanken kreisen immer wieder um Boris Grigorjewitsch, den sie noch einmal sehen möchte. Sie stellt fest, daß ihr Geständnis ihr keinen Frieden, sondern nur Entehrung und Schande gebracht hat. Aus der Ferne ist der Gesang Kuligins zu hören; ein Chor singt Weisen, die Katja an Begräbnisgesänge erinnern. Dann kommt ein Betrunkener vorbei, der sie intensiv betrachtet und unter dessen neugierigem Blick sich Katja angstvoll krümmt. Nachdem er wortlos weitergegangen ist tritt sie an das Wolgaufer und ruft die Lüfte in Extase um Hilfe an, ihr den geliebten Boris zuzuführen. Dann fragt sie, wie lange sie noch leiden soll, was sie vom Leben noch zu erwarten hat, daß ihr nichts mehr Freude macht, nicht einmal Gottes Sonne.


    Ohne Katja wahrzunehmen, kommt Boris auf die Szene - als sie sich erkennen, wirft sie sich weinend an seinen Hals, in stummer Umarmung stehend. Dann will sie wissen, ob er ihr wegen des Ehebruch-Geständnisses zürnt, doch Boris geht über diese Frage hinweg, berichtet ihr stattdessen, daß er von seinem Onkel den Auftrag bekommen habe, einen an der „chinesischen Grenze“ in Sibirien lebenden Geschäftsfreund aufzusuchen. Katja bittet ihn inständig, sie doch mitzunehmen - um im gleichen Atemzug selbst die verneinende Antwort zu geben. Sie beschreibt ihm ihre unglückliche Situation, weil die Nachbarn sie verächtlich ansehen, ihr Mann manchmal freundlich, manchmal aber auch böse zu ihr ist, sie schlägt und trinkt. Schließlich nimmt sie ihm das Versprechen ab, jedem Bettler, dem er begegnet, ein Almosen zu geben und keinen zu vergessen. Dann wünscht sie ihm „Lebe wohl“ und Boris geht traurig ab.


    Katja begibt sich an das Flußufer, kreuzt die Arme und springt in den Fluß. Kuligin, der Freund von Kudrjasch, der die Tat beobachtet hat, ruft Hilfe herbei. Von allen Seiten kommen Leute mit Laternen, Dikoj löst einen Kahn und Tichon ruft entsetzt, daß es nur seine Frau gewesen sein kann, die da ins Wasser sprang. Als er sich in das Boot schwingen will, hält ihn seine Mutter mit der Bemerkung „Das würde grade noch dafürstehn“ zurück; Tichon findet in seiner Verzweiflung den Mut, seine Mutter als Mörderin Katjas anzuklagen, doch die dankt ungerührt allen Leuten, die die Leiche geborgen haben, für ihre Hilfe. Als Katjas Leiche niedergelegt worden ist, fällt Tichon über dem leblosen Körper zusammen. In die entsetzten Rufe der Leute hinein verbeugt sich die Kabanicha dankend nach allen Seiten...

    INFORMATIONEN ZUM WERK


    KATJA KABANOVA ist nach der „Jenufa“ Janáčeks bedeutendste Oper. Nach den „Ausflügen des Herrn Brouček“ schwankte Janácek zwischen mehreren Stoffen für ein neues Werk. Den Ausschlag für KATJA KABANOVA gab eine Aufführung von Ostrowskijs Schauspiel „Gewitter“ (in der tschechischen Übersetzung von Vincenc Cervinka) 1919 in Brünn. Die Komposition führte Janáček zwischen November 1919 und März 1921 aus und soll, glaubt man den einschlägigen biographischen Hinweisen, eine Huldigung an Kamila Stösslová und die Verklärung seiner Liebe zu dieser 38 Jahre jüngeren Frau darstellen.


    Bei der Einrichtung des Librettos hat Janáček durch äußerst geschickte Kürzungen und dramaturgisch begründete Umstellungen der Handlung Stringenz und Spannung verliehen. So erscheint bei ihm Katja als eine demütige Frau, die keinerlei rebellische Kraft aufbringt, um sich gegen die herrschsüchtige und geradezu brutal agierende Kabanicha zu wehren. Dadurch wird ihr Tod zur stummen Anklage gegen die bigott-heuchlerische Alte. Bereits in der Ouvertüre nehmen die in der Oper wiederkehrenden Themen den Widerstreit der Gefühle vorweg. Charles Meckerras unterstreicht, daß Janáček in der Instrumentierung geschickt Katjas Seelenzustände auszudrücken vermag: „Nicht daß er besonders 'fortschrittlich' in seiner Kompositionstechnik gewesen wäre, aber er verstand es, völlig neue Ideen mit augenscheinlich konventionellen Mitteln vorzubringen“. Und Michael Ewans äußerte: „Janáček hat keine grausamere Tragödie geschrieben, und es zeugt von finsterer Ironie, daß sein pessimistischstes Drama in Bezug auf Klangschönheit und lyrischen Einfallsreichtum sein reichstes ist“.


    KATJA KABANOVA wurde, wie alle Opern Janáčeks mit Ausnahme des „Brouček“, in Brünn uraufgeführt; ein Jahr später folgte die Premiere in Prag und bereits 1923 dirigierte Otto Klemperer die deutschsprachige Erstaufführung in Köln, wofür Max Brod die deutsche Übersetzung schuf. 1951 initiierte der Václav-Talich-Schüler Charles Mackerras eine zunächst von Rafael Kubelik dirigierte Aufführung in London, die Signalwirkung besaß. Mackerras besorgte später auch die kritische Ausgabe der Oper.


    © Manfred Rückert für Tamino-Opernführer 2011
    unter Hinzuziehung des Klavierauszugs der Universal-Edition von 1950
    Opernführer von Kloiber/Konold, Reclam und Wagner

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    MUSIKWANDERER

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  • Die Tamino-Werbepartner Amazon und jpc bieten einige hervorragende Einspielungen von Janáčeks Oper an, darunter auch die beiden von Mackerras dirigerten Aufnahmen:


    Über die nebenstehende Produktion schrieb Clemens Höslinger in Fono Forum Januar 1998: "Die Neuproduktion (…) übertrifft allein schon aufgrund ihrer Authentizität die ältere Version. Zudem hat man es hier mit einer Fassung zu tun, die von allen Zutaten und Bearbeitungen gereinigt wurde und in die überdies auch noch einige neu aufgefundene Elemente der Partitur aufgenommen werden konnten. Die Aufführung wirkt wie aus einem Guß, das Spiel des Orchesters ist vom ersten bis zum letzten Ton von Feuer und Enthusiasmus erfüllt. Ein ideales Team stand für die Gesangsrollen zur Verfügung. Kurz gesagt: das Wunschbild einer Opernaufnahme."




    Bei der oben genannten „älteren Version“ handelt es sich um die nebenstehende Einspielung; hier sind Peter Dvorsky als Boris, Nadezda Kniplova als Kabanicha, Vladimir Krejcik als Tichon und Elisabeth Söderström als Katja zu hören; abermals dirigiert Charles Mackerras, hier jedoch die Wiener Philharmoniker. „stereoplay schrieb in der Ausgabe von November 1989: „Beste Gesamtaufnahme einer Janáček-Oper; wurde 1978 mit einem 'Prix Mondial du Disque de Montreux' ausgezeichnet. Hohe Bewertungen für die Interpretation und Klangqualität.“




    In der Reihe der Salzburger Festspiel-Dokumente von ORFEO lobt M. Enslein in „Stereo“ 11/99 die nebenstehende Einspielung folgendermaßen: „Cambreling inspiriert hier die Tschechische Philharmonie zu bohrend intensivem Spiel. Die tragischen Konstellationen der aus Sehnsucht und Verlangen vergebens aus dem Ordnungsgefüge ausbrechenden Katja erfahren durch Angela Denoke eine suggestive Darstellung.“






    In der nebenstehenden Supraphon-Einspielung von 1959 sind Zdenek Kroupa als Dikoj, Beno Blachut als Boris, Ludmila Komancova als Kabanicha, Drahomira Tikhalova als Katja und Bohumir Vich als Tichon zu hören; Chor und Orchester des Prager Nationaltheaters leitet Jaroslav Krombholc.




    Hier eine historische Aufnahme von 1949 aus dem Deutschen Rundfunkarchiv (in Zusammenarbeit mit dem mdr) in der Elfriede Trötschel als Katja, Helmut Schindler als Boris, Helena Rott als Kabanicha, und Karl-Heinz Thomann als Tichon zuhören sind; ferner der Chor der Staatsoper Dresden und die Staatskapelle Dresden unter Ernst Richter. Diese historische Aufnahme ist auch bei Line-Music erschienen:




    Auch als DVD und als Blu-ray-Disc ist KATJA KABANOVA erhältlich: Eine Produktion des Teatro Real Madrid in der Regie von Robert Carson; mit Karita Mattila, Olga Bryjak, Miroslav Dvorsky, Guy de Mei; Chor und Orchester des Teatro Real Madrid unter Jiri Belohlavek. In einer Rezension schrieb der Musikkritiker des „San Francisco Chronicle“ u.a.: „Karita Mattila ist überwältigend (…) ihre Katia ist ein darstellerischer, persönlicher und allumfassender Triumph (…) eine tragische Heldin von staunenswerter moralischer Kraft.“

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    MUSIKWANDERER

  • Wie immer bei unserem Musikwanderer Manfred ist die Vorstellung der Oper, was Inhalt und Aufnahmen betrifft, komplett und kompetent, dazu muss ich nichts sagen. Ich möchte nur in einem Punkt widersprechen. Vielleicht darf ich das, weil ich außer "Sarka" alle Janacek - Opern fast auswendig kenne, auch die unbekannteren. Ich habe jede oft gesehen, dutzende Male gehört und von jeder drei oder vier Aufnahmen. Manfred schreibt, dass Katja nach der Jenufa die beutendste Oper Janaceks ist. Das möchte ich so nicht stehen lassen. Ich teile das Opernschaffen Janaceks in zwei Teile: "Jenufa", "Osud", "Katja" und "Das schlaue Füchslein". Das sind großartige Meisterwerke, die alle auf dem gleichen Level stehen, das weithin unbekannte "Osud" darin eingeschlossen. Daneben steht noch etwas singulär "Die Ausflüge des Herrn Broucek", ein hörenswertes, witziges Werk mit den schönsten Walzern abseits vom Rosenkavalier. Noch besser, noch kühner, noch gereifter sind die beiden Spätwerke Janaceks, "Die Sache Makropulos" (1926) und besonders "Das Totenhaus" (1928, posthum aufgeführt). Nach 1900 sind das die kühnsten Opern, die ich kenne, trotz der Konkurrenz von Salomé, Elektra, Wozzeck, Moses und Aaron, Lear, Lady Macbeth von Mzensk, Palestrina, Die Soldaten, Mathis der Maler usw.

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