Der Musiker Gräber

  • Hilde Rössel-Majdan - * 30.Januar 1921 in Moosbierbaum - † 15. Dezember 2010 in Wien


    Zum heutigen Geburtstag


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    Der Geburtsort Moosbierbaum liegt etwa 60 Straßenkilometer westlich von Wien entfernt; in einer Heimatzeitschrift ist nachzulesen, dass Hilde Figl dort in einem Fabrikgelände geboren wurde, das heute nicht mehr besteht. »Sie wuchs in einfachen, ja ärmlichen Verhältnissen auf«, ist in dieser Publikation zu lesen. Als Zehnjährige soll sie bereits in einem Kloster in der Nähe ihres Geburtsortes im Chor gesungen und auch Theater gespielt haben.


    Eigentlich ging sie nach Wien, weil sie Lehrerin werden wollte, bekam aber keinen Studienplatz und besuchte dann die Handelsakademie in Wien-Josefstadt. Schon in dieser Zeit war sie als Solistin in Kirchenkonzerten zu hören.


    Während sie beruflich als Chefsekretärin tätig war, wurde sie dann in der Hitlerzeit in eine Fabrik zwangsversetzt.
    Nach Kriegsende folgte die Ausbildung an der damaligen Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien, wo sie in dem vielseitigen Bassisten Professor Karl Rössel-Majdan einen ausgezeichneten Gesangspädagogen, der auch Stimmforschung auf psycho-physiologischer Basis betrieb, an ihrer Seite hatte.
    Aber sie wurde an der Akademie auch von so praxiserfahrenen Professorinnen wie Helene Wildbrunn und Bahr-Mildenburg unterwiesen, die zu den Spitzenkünstlerinnen ihrer Zeit gehörten.


    Hildegard Figl heiratete den Sohn ihres Gesangslehrers; als Rössel-Majdan jr. im Internierungslager in der Lobau - wo auch österreichische Widerstandskämpfer untergebracht waren - lebte, brachte der Vater heimlich Lebensmittel ins Lager, die von seiner ›besten Schülerin‹ stammten, das war Hilde Figl.
    Glaubt man dem Österreichischen Musiklexikon, dann war die Heirat im Juli 1945. Man kann Vater und Sohn als geistesverwandt bezeichnen, denn beide waren entschiedene Gegner des Nationalsozialismus.
    Karl Wilhelm Rössel-Majdan hatte mehrfach promiviert: 1939 Dr. jur. / 1949 Dr. phil. und 1951 Dr. rer. pol. Karl Wilhelm Rössel-Majdan hat eine Menge Bücher und Rundfunkbeiträge publiziert, auch über Waldorf-Pädagogik, der er sehr nahe stand.


    Einen Eindruck von der künstlerischen Zusammenarbeit der Familie gewinnt man durch einen Blick auf eine Veranstaltungsvorschau des Konzertbüros der Musikfreunde Wien, das 1948 ein Konzert im Brahmssaal anzeigt:


    »21. Feber1948. Ein Abend ›Lied und Dichtung‹, der von Hilde und Dr. Karl Rössel-Majdan bestritten wird, verspricht freudigen Genuß. Zu Gehör kommen Lieder von Brahms, Grieg, R. Wagner, Mahler, Pfitzner und R. Strauß . Gedichte von Karl Rössel-Majdan (jun.) werden vorgetragen. Begleitung: Prof. Karl Rössel-Majdan.«


    Wenn man sich mit Hilde Rössle-Majdan etwas intensiver befasst, kommt man zu dem Schluss, dass sie in Fachkreisen schon recht früh einen gewissen Bekanntheitsgrad gehabt haben muss; nur so ist 1951 das geradezu sensationell anmutende Einsprigen in Otto Klemperers Zweite Symphonie von Mahler zu erklären, wo der Komponist erstmals Gesang eingefügt hatte und Hilde Rössel-Majdan das ›Urlicht‹ zu singen hatte, die Presse war von dieser Wiener Aufführung am 5. Mai 1951 hell begeistert und viele Musikfreunde sind es heute noch, denn man kann es auf CD hören. Man kann das als Durchbruch zur internationalen Karriere bezeichnen.
    Der Bariton Wolfgang Holzmair, heute selbst lehrend an der Hochschule tätig, war Schüler von Hilde Rössle-Majdan und beschrieb das einmal in einem Booklet so:
    »Und da war noch das Urlicht, das meine Lehrerin Hilde-Rössel-Majdan mit ehrlicher Empfindung so durchlebte, als gelte es, der ganzen Menschheit Mahlers Lebensrätsel zu entschlüsseln.«


    Als im April 1952 Wilhelm Furtwängler im Wiener Konzerthaus an drei hintereinander folgenden Tagen Bachs »Matthäuspassion« aufführte war Hilde Rössle-Majdan für Margarete Klose und Otto Wiener für Josef Greindl eingesprungen.


    Bereits am 18. September 1951 hatte Hilde Rössel-Majdan als Staatsopernsolistin - damals im Theater an der Wien - ihr Debüt in »Les contes d´ Hoffmann« gegeben, (das Archiv weist explizit darauf hin, dass in französischer Sprache gesungen wurde) wo sie die Stimme der Mutter sang.
    Die Stimmlage Alt gibt es eben nicht her die ganz großen Opernrollen wie Aida, Tosca, Traviata ... zu singen, was wohl auch der Grund war, dass Hilde Rössel-Majdan in der Öffentlichkeit sehr stark als Konzertsängerin wahrgenommen und von erstrangigen Dirigenten entsprechend geschätzt wurde.
    In einer Laudatio zu ihrem 70. Geburtstag ist zu lesen:


    »Frau Kammersängerin Hilde Rössel-Majdan wurde wohl meistbeschäftigte Oratoriensängerin. Ihre Kantaten- und Liedinterpretation gilt in amerikanischen Musikschulen als vorbildlich. Seit der Wedereröffnung der Oper, zu deren ständigem Ensemble sie gehörte, sang sie in zehn Jahren an allen internationalen Stätten der Musikkultur alle Oratorien. 1957 konnte sie mit Mahlerliedern unter Kubelik in Israel zuerst den Bann gegen die deutsche Liedsprache aufheben. Umfassend war ihr Rundfunkrepertoire auch an schwierigen modernen Kompositionen.«


    An amerikanischen Musikinstituten werden ihre in den Jahren 1955/56 bei Westminster aufgenommen Bachwerke als Vorbild des reinen Bachstils verwendet.
    Hilde Rössel-Majdans Liedsprachen waren: Italienisch, Französisch, Englisch, Russisch, Ungarisch und Hebräisch.


    An der Wiener Staatsoper sang sie zwischen 1951 und 1976 bei insgesamt 1553 Auftritten 62 Rollen. Die Marcellina in »Le nozze di Figaro« hatte sie 194 Mal gesungen, die Annina im »Rosenkavalier« 172 Mal, sich aber auch in Wagner-Partien bewährt, wenn eine Altstimme oder auch ein Mezzosopran gebraucht wurde. Natürlich konnte sie ihren Namen mit dem Zusatz ›Kammersängerin‹ schmücken, mit diesem Titel wurde sie bereits 1962 ausgezeichnet.
    Auch bei den Festspielen in Salzburg, Edinburgh und Aix-en-Provence war ihre Altstimme zu hören, aber auch an großen Häusern wie der Mailänder Scala und Covent Garden in London.
    Der Entwicklung des kommerzialisierten und technischen Kunstbetriebs stand sie kritisch gegenüber und verabschiedete sich im Alter von fünfundfünfzig Jahren von der Opernbühne, obwohl sie noch im Vollbesitz ihrer Stimme war.
    Am 22. November 1976 verabschiedete sie sich vom Haus am Ring in Schönbergs Opernfragment »Moses und Aron«, wo ihr die ›Kranke‹ zugeteilt war.


    Aber der Abschied von der Staatsoper bedeutete nicht etwa Ruhestand; es folgte ein Fachwechsel hin zu pädagogischen Aufgaben. Schon zehn Jahre vor ihrem Opernabschied war sie einem Ruf der Musikschule Graz gefolgt und wirkte dort als Lehrbeauftragte und wurde drei Jahre später a. o. Professorin.
    1971 kehrte sie dann an die Stelle in Wien zurück, wo sie einst ihre Gesangsausbildung begonnen hatte; nun wirkte sie hier als Lehrende für das Fach Stimmbildung und wurde 1976 zur ordentlichen Professorin ernannt.
    Neben der Hochschulausbildung widmete sich Hilde Rössel-Majdan aber ach der Volksbildung und es sollte auch erwähnt werden, dass sie dem Ehrenkuratorium des Kuratoriums für künstlerische und heilende Pädagogik angehörte und durch Initiative und wesentliche selbstlose Unterstützung humanitär für gesunde und kranke Jugend wirkte.


    Es ist höchst erstaunlich, dass eine Sängerin dieser Qualität, die sich Schüler an der Hochschule hätte aussuchen können, an einem Tag in der Woche mit Büroangestellten, Ärzten, Hausfrauen, Lehrern ... in VHS-Kursen abgab.


    Dazu sollte man wissen, dass Hilde Rössel-Majdans Lehrer und Schwiegervater, Professor Karl Rössel-Majdan (1885-1948), bis zu seinem Tod 1948 geschäftsführendes Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft in Österreich war und sein Sohn (1916-2000) - also der Ehemann der Sängerin - diesbezüglich in die Fußstapfen seines Vaters trat.


    Wie bereits oben erwähnt, war Hilde Rössel-Majdan nicht in den ganz großen Opernrollen zu erleben, aber wenn man sich so durch die Feuilleton-Seiten der 1950er und 1960 Jahre blättert, tritt in Erscheinung, dass sie durchaus verstand auch kleinere Rollen ausdrucksstark zu gestalten; der Einblick in Kritiken unterschiedlicher Gattungen gibt ein recht positives Bild:


    »... das Programm drei der schwierigsten Werke dieses Musikfestes enthielt. Wir hörten die Uraufführung der Neufassung von Karl Amadeus Hartmanns 1. Symphonie für eine Altstimme und großes Orchester.
    Als Solist zeichnete sich Andre Gertler aus, während Hildegard Rössel-Majdan den expressiven Klagegesängen Hartmanns ihre schön-timbrierte Altstimme lieh.«


    »Zweimal J. S. Bachs ›Matthäus-Passion‹: in großer Besetzung unter Heinz Wallberg ...
    von den anderen Solisten bot Hilde Rössel-Majdan die stilistisch beste Leistung.«


    Und Hilde Rössel-Majdan war auch dabei als der Österreichische Rundfunk im großen Sendesaal unter der Leitung von Rudolf Moralt das Oratorium »Ein Kind unserer Zeit« (A Child of Our Time) in Anwesenheit von Michael Tippett aufführte - der Komponist soll sichtlich beeindruckt gewesen sein.


    Als im April 1965 in Strawinskys »The Rake´s Progress« an der Wiener Staatsoper eine Umbesetzung nötig war, schrieb die Presse:
    »Als Türkenbab kann Hilde Rössel-Majdan ihr vehementes Temperament entfalten, was sie natürlich tut. Auch ihre warme Stimme hat die Untertöne, die nicht in der Partitur stehen, aber doch gemeint sind, und in den Augenblicken, wo sie dominieren, hat sie alle Zuhörer auf ihrer Seite, zumal Kostüm und Erscheinung nicht abschreckend, sondern (für diese Rolle) viel zu hübsch waren.«


    Man könnte diese Reihe von Kritikschnipseln noch um einiges erweitern, aber es sollte lediglich aufgezeigt werden, dass es auch wichtig ist ›kleinere Dinge‹ in hervorragender Qualität anzubieten.


    Erwähnenswert ist auch die Erweckung der Ophelia-Lieder von Johannes Brahms, welche dieser eher etwas widerwillig als Freundschaftsdienst komponiert hatte und die nie so recht im Blickpunkt der Öffentlichkeit waren, bis der Musikwissenschaftler Karl Geiringer 1934 die Noten fand und in den folgenden Jahren als Zyklus herausgab, wobei erklärt werden muss, dass dieser Zyklus ja von Brahms nicht als solcher gedacht war, weil es sich um Musik handelt, die während eines Theaterstücks gespielt werden sollte und eine Aufführungsdauer von etwa drei Minuten hat. Diese fünf Lieder wurden vermutlich nur einmal 1873 in Prag bei einer »Hamlet«-Aufführung - ohne die beigegebene Klavierbegleitung - gesungen; und dann nie wieder.


    Diese Geschichte kam dem Wiener Musikpädagogen, Musikschriftsteller und bekannten Liedbegleiter Dr. Erik Werba zu Ohren, der festgestellt hatte, dass diese Lieder noch nie aufgeführt wurden und demnach eine Uraufführung in Wien möglich war - er empfahl sie also Hilde Rössel-Majdan für das Programm ihres nächsten Liederabends und sie sang diese fünf Liedchen. Der Kulturredakteur und Musikkritiker Helmut Albert Fiechtner schrieb 1961 zu diesem Liederabend unter anderem:


    »Dann wurden, soviel wir wissen, die Ophelia-Lieder nie mehr gesungen, und jetzt sind sie, nach fast neunzig Jahren zum ersten Mal öffentlich erklungen ...


    Diese fünf Einminutenlieder, mit einfachster, an Brahmsens Volksliederbearbeitungen erinnernder Klavierbegleitung versehen, sind dem englischen Vokalstil, etwa eines Purcell oder Dowland sehr nahe.


    Hilde Rössel-Majdan hat diese schönen, kostbaren Liedchen mit noblem Ausdruck und dunkeltimbrierter Altstimme vorgetragen und Erik Werba hat, wie immer, sensibel und klangschön begleitet..«


    Im schon betagten Alter gründete Hilde Rössel-Majdan 1990 das Goetheanistische Konservatorium in Wien Hietzing, mit dem sie sich auf Basis von waldorfpädagogischen Grundsätzen der Erwachsenenbildung widmete.


    Ihren anstehenden runden Geburtstag konnte Hilde Rössel-Majdan nicht mehr feiern, sie starb am 15. Dezember 2010, sieben Wochen vor ihrem 90. Geburtstag; die Beisetzung fand am 23. März 2011 statt.


    Praktischer Hinweis:
    Die gesamte Familie fand hier unter dem mit den Initialen R-M gekennzeichneten Kreuz ihre letzte Ruhe im Bereich der Feuerhalle. Am Eingang des Friedhofsgeländes befinden sich rechts und links Arkaden. Man geht auf das imposante Gebäude der Feuerhalle zu und an dieser rechts vorbei bis zur Abteilung 12, die als Orientierungspunkt dienen kann, denn rechts davon befindet sich die Abteilung 2.
    Die genaue Grabbezeichnung ist: Abteilung 2, Ring 2, Grab 3-15.
    Die Feuerhalle Simmering befindet sich nicht auf dem Gelände des Wiener Zentralfriedhofs, sondern jenseits, Simmeringer Hauptstraße 337.


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  • Der 12. Februar 1948 war für Hanns Eisler ein besonderer Tag ..

    Hanns Eisler - * 6. Juli 1898 in Leipzig - † 6. September 1962 in Berlin

    Hanns Eisler komponierte die Musik zu ›Auferstanden aus Ruinen‹, das war die Nationalhymne der ›Deutschen Demokratischen Republik‹.
    Weniger bekannt ist wohl die 1950 mit Brecht entwickelte ›Kinderhymne‹.
    Er hatte aber auch eine Menge Kampflieder für Arbeiterchöre geschrieben, bewährte sich bestens im Genre der Film-Musik und reüssierte in Hollywood,
    wo seine Kompositionen in den 1940er Jahren für Oscars nominiert waren.


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    Natürlich gehört das Grab von Hanns Eisler in diesen Thread, war er doch einer der wichtigsten Komponisten seines Jahrhunderts. Zum 6. September 2012, seinem 50. Todestag, war der Stein offenbar frisch gereinigt, wie das Foto bei Wikipedia zeigt, und es lagen Blumen auf und vor dem Stein. Das hier verwendete Foto entstand 2019.
    Es ist sehr schwer das so prall gefüllte Leben dieses vielseitigen Musikers zu beschreiben, also kann in diesem Rahmen nur grob und lückenhaft dargestellt werden, wer Hanns Eisler war - auf jeden Fall ein in Leipzig geborener Wiener, der 1925 die österreichische Staatsbürgerschaft erwarb und immer Österreicher blieb.


    Sein Geburtshaus steht in Leipzig; seit 1905 Hofmeisterstraße 14, zu Eislers Geburt war das noch die Gartenstraße 14. Das Haus war im Laufe der Jahre immer mehr vergammelt und stand leer.
    Aber 2015 berichteten die Zeitungen, dass es nun ›gerettet‹ wird. Seit der Renovierung des Hauses gibt es für Musik-Studierende ab 2019 die Möglichkeit für fünf Monate in der Geburtswohnung des Komponisten im Rahmen eines Stipendiums zu wohnen und zu arbeiten.


    Eigentlich lebten die Eltern - der Philosoph und Privatgelehrte Dr. Rudolph Eisler und Mutter Ida Maria - bereits 1898 in Wien, aber zur Geburt des kleinen Johannes - es war das dritte Kind - ging Ida Maria vorübergehend in ihr Leipziger Elternhaus zurück, wo die Mutter und auch eine vertraute Hebamme zur Verfügung standen.
    In einigen Publikationen wird gesagt, dass es nach etwa zwei Monaten wieder zurück nach Wien ging, meist wird jedoch das Jahr 1901 genannt.


    Johannes´ Geschwister waren: Ruth Elfriede *1895 und Gerhart *1897. Die beiden Jungs übermittelten der Nachwelt:


    »Vater saß ständig am Schreibtisch und kannte nur eine Erholung: Klavier zu spielen und zu singen - Hugo Wolf, Schubert, Volkslieder, Opernausschnitte. Vater war Mozartianer, konnte mit Wagner nichts anfangen.«


    In der Familie wurde viel musiziert, aber irgendwann konnte sich der Vater das geliehene Klavier nicht mehr leisten.


    Von 1904 bis 1908 besucht Hanns die Volksschule im dritten Wiener Gemeindebezirk, danach das katholische Rasumofsky-Gymnasium, das von einem Jesuitenpater geleitet wurde, wo sich Eisler auf seine alten Tage noch erinnern konnte, dass dieser Monsignore Schreiner hieß. Als eifriger Schüler fiel er hier nicht auf, seine Zeugnisse waren so, dass es eben gerade reichte, gut waren lediglich die Noten in den Fächern Musik und Turnen; mit dem Abschluss der Obersekunda endet 1916 - ein Jahr vor der Matura - Hanns Eislers Schulzeit.


    Aber nach Eislers eigenem Bekunden begann sein Studium schon weit vor Beendigung seiner Schulzeit, was er so darstellt:


    »Mein Studium begann eigentlich, als ich mir mit zehn Jahren aus Reclams Universal-Bibliothek eine allgemeine Musiklehre von Hermann Wolff kaufte.«


    Besuche von Konzerten und Opern erlebte Hanns Eisler erst als 14-Jähriger; erste Kompositionsversuche fanden ohne eigenes Klavier statt, lediglich bei Freunden konnte mal ein Klavier benutzt werden.


    Als bekennender Atheist und Jude konnte Dr. Rudolf Eisler im Wien der Jahrhundertwende keine Stelle an der Wiener Universität bekommen, sodass ihn sein Bruder Armand, ein Rechtsanwalt, unterstützen musste. Solange das Geld reichte, konnte der Privatgelehrte seine Kinder unterrichten lassen, aber schließlich musste man sich von dem Leihklavier trennen; Erste Kompositionen aus dieser Zeit sind nicht erhalten, frühe erst ab1917.


    Als Hanns Eisler 1916 zum Militär musste, galt seine ganze Familie bereits als politisch verdächtig und wurde von der Geheimpolizei observiert. Das war schließlich auch der Grund, dass er in einem ungarischen Regiment dienen musste, durch die Sprachunterschiede wollte man politische Agitation unterbinden.


    Man sollte hier nur ganz kurz daran erinnern was 1917 in Russland los war; im November 1918 wurde in Wien die erste und älteste Kommunistische Partei Westeuropas gegründet; Elfriede und Gerhart, Hanns ältere Geschwister, waren da rasch Mitglieder geworden, setzten sich aber recht bald nach Berlin ab.


    Nach Kriegsende lebte Hanns Eisler zeitweise mit seiner Lebensgefährtin Irma Friedmann, einer Lehrerin, in einer Barackensiedlung in Grinzing. Das dortige Milieu wurde einmal so beschrieben: ›das halbe ZK der kommunistischen Partei Ungarns.‹ - Georg Lukács und der Schriftsteller Béla Illés wohnten ebenfalls dort und Gelegenheit zum Musizieren gab es auch; Irma Friedmann hatte ein Klavier gemietet und begleitete ihren singenden Freund.


    Einschub:
    Die Singstimme von Hanns Eisler ist auf der ganz unten gezeigten CD (Aufnahme 1958) für knappe zehn Minuten zu hören, wo er am Beispiel von vier Liedern bei Probearbeiten zeigt,
    wie er sich die Interpretation in etwa vorstellt.


    Zu Beginn des Jahres 1919 schrieb sich Eisler am Neuen Wiener Konservatorium zum Studium der Komposition ein und nahm zusätzlich Klavierunterricht. Ein Schulfreund vom Gymnasium, der bei Schönberg Schüler war, konnte vermitteln, dass Hanns als Privatschüler zu Schönberg kommen konnte.
    Es wurde nach klassischen Regeln am Beispiel von Bach, Brahms und Beethoven unterrichtet und Schönberg stellte klar: »Ich unterrichte nicht ›atonale Musik‹ - sondern Musik. In der Literatur kommt Schönberg so zu Wort:
    »... soll hier das stattfinden, was nach meinen Erfahrungen bei meinem Privatunterricht am meisten Erfolg erzielte: ein beständiger und zwangloser Verkehr zwischen mir und meinen Schülern ... Sie werden kommen, wenn sie Lust haben und gerade nur ebensolang bleiben; und es wird an mir liegen, ihre Neigung zu erhöhen, ihre Begabung dadurch zu fördern. Sie sollen nicht fühlen, dass sie lernen, sie werden vielleicht arbeiten, vielleicht sogar sich plagen, aber es nicht merken.«
    Das klingt recht leger, aber an anderer Stelle ist nachzulesen, dass Schönberg ganz selbstverständlich erwartete, dass ihn seine Schüler mit ›Meister‹ anreden, um das plastisch darzustellen:
    Schönberg war zu diesem Zeitpunkt 45, Eisler 21 Jahre alt.


    Aber es ergab sich, dass Eisler zu einem Lieblingsschüler Schönbergs wurde und von Eisler selbst stammt die Information, dass er sogar einige Zeit im Mödlinger Haus Schönbergs wohnte.


    Im Folgenden arbeitete Eisler in einem Musikverlag als Notenkorrektor und übernahm die Leitung von Arbeiterchören, wo im »Karl-Liebknecht-Chor« erstmals revolutionäre Lieder aus dem Osten gesungen wurden.
    Im traditionsreichen ›Café Museum‹ am Karlsplatz, wo sich der Schönbergkreis traf, lernte Eisler die Sängerin Charlotte Demant - eine Spezialistin für Vokalwerke der Zweiten Wiener Schule - kennen und lieben, Ende August 1920 wurde geheiratet, 15 Jahre später - am 14. Mai 1935 - trennte man sich; am Rande sei bemerkt, dass Charlotte Demant auch in der KPÖ tätig war.


    Kurz nach Eislers Eheschließung nahm Schönberg seinen Musterschüler als Assistent mit in die Niederlande, wo bis zum März 1921 Kompositionskurse abgehalten wurden, es aber auch Konzertverpflichtungen im Amsterdamer Concertgebouw gab.
    Bei der Rückreise nach Wien ergab sich für Eisler die Gelegenheit dort seinen Bruder Gerhart zu treffen, der nach dem Krieg von Wien nach Berlin gegangen war.
    Bei einem Künstlerempfang in der Ukrainischen Botschaft, stellte Gerhart seinem Bruder ›einen Dichter aus München‹ vor, das war Bertolt Brecht.


    In Wien begann Hanns Eisler im Wiener »Verein für volkstümliche Musikpflege« seine Lehrtätigkeit, wobei dies hauptsächlich ein musikalischer Grundunterricht für Arbeiter war.
    Musikalisch gab es zwischen Schönberg und Eisler kaum Differenzen, aber weltanschaulich schon. Während Schönberg die Ansicht vertrat, dass Kunst keinen gesellschaftlichen Zweck verfolgen sollte, war sein Schüler da ganz anderer Ansicht, was in seiner Arbeit zum Ausdruck kam, wo immer auch soziale Aspekte mit dabei waren, die von Schönberg aber eher belächelt wurden. Eisler widmete sich intensiv der Komposition von Männerchören des Arbeitermilieus und vertrat die Ansicht, dass Musik die Massen erreichen muss und nicht nur eine kleine elitäre Gesellschaft.
    Dass Eisler mit anderen Schönberg-Schülern für einige Monate an Anton Webern weitergereicht wurde, resultierte aus dem Zeitmangel Schönbergs.
    Aus Empfehlungsschreiben Schönbergs geht 1923 hervor, dass er Hanns Eisler als ehemaligen Schüler bezeichnet, was im positiven Sinne zu verstehen ist.


    Die Anerkennung Schönbergs und die Verleihung des Kunstpreises der Stadt Wien (Richard Strauss saß in der Jury) - im April 1925 - half Eisler zunächst etwas,
    denn 1.000 Schilling war damals ein Riesengeld. Dennoch war auf lange Sicht die wirtschaftliche Gestaltung des Lebens schwierig geworden.
    Als er dann im Winter 1925 am Klindworth-Scharwenka-Konservatorium in Berlin einen Lehrauftrag erhielt, blieb der Familienwohnsitz in Wien.
    Hanns Eislers Geschwister waren in politische Querelen verstrickt, was noch weitreichende Folgen haben sollte; 1926 ersuchte Hanns Eisler erfolglos eine Mitgliedschaft in der KPD.
    In dieser Zeit entstanden Lieder, die die Welt verändern sollten, Eisler betrachtete diese Schöpfungen als »Abschied von der bürgerlichen Konzertlyrik.«


    Im Juli 1927 wurde in Baden-Baden das »Mahagonny Songspiel« unter Brechts Regie uraufgeführt, also noch vor Leipzig; hier traf Eisler zum zweiten Mal mit Brecht zusammen.
    In diesen Berliner Jahren widmet sich Eisler nicht nur Kompositionen, sondern wird auch publizistisch tätig, wobei er die Borniertheit der bürgerlichen Kunst angreift.
    Mit der schauerlichen »Ballade vom Soldaten« kommt es zur ersten Eisler-Vertonung eines Brecht-Gedichtes.
    Etwa in diese Zeit fällt auch die erste Begegnung mit dem singenden Schauspieler Ernst Busch, den man auch ›Barrikaten-Tauber‹ nannte; für die Schallplatte »Das rote Wedding« interessierte sich der Staatsanwalt.
    1930 reiste Eisler als Delegierter der kommunistischen ›Interessengemeinschaft für Arbeiterkultur‹ erstmals nach Moskau. Ende 1930 wurde in der alten Berliner Philharmonie »Die Maßnahme«, mit gewaltigem Choraufwand aufgeführt.


    Es ist in diesem Rahmen einfach unmöglich all diese Aktivitäten und Aufgeregtheiten zu schildern - Eislers Freundin bekam eine Stelle beim Moskauer Rundfunk, wurde 1938 zu 18 Jahren Straflager verurteilt und sah Berlin erst 1957 wieder ...


    Bei Hitlers Machtübernahme hielt sich Eisler in Wien auf und Brecht ließ ihn warnen und riet dazu nicht zurückzukehren. Also reiste der Komponist in der der Weltgeschichte herum, zunächst wegen eines Filmauftrags in die Tschechoslowakei, wo er 1933 in der Hohen Tatra Anna Luise Jolesch - die sich Lou nennt - wieder trifft, man war sich vorher schon in Berlin begegnet. Man nähert sich an und wählt zunächst Paris als Mittelpunkt des Exils. Die Ehe von Lou Jolesch wird im Sommer 1935 geschieden, am 7. Dezember 1837 schließt Eisler in Prag mit Lou eine zweite Ehe.


    Der zu dieser Zeit in Dänemark lebende Brecht versorgte Eisler reichlich mit Texten, die ›Svendborger Gedichte‹ sind dort entstanden und Eisler hatte Brecht dort mehrmals besucht; erstmals im Januar 1934 von Paris aus, zusammen mit Lou.
    Bald hatte Eisler in Holland zu tun, dann wieder in London und im Frühjahr 1935 war er sogar auf einer Konzert- und Vortragstournee durch die USA zu erleben.
    Im Januar 1937 fuhr Eisler nach Spanien, um die Internationalen Brigaden im Bürgerkrieg zu unterstützen.
    Die Umtriebigkeit Eislers in dieser Zeit hat Ludwig Renn so zum Ausdruck gebracht:


    Genosse Eisler, wo steckst Du wohl,
    In Moskau, New York oder an ´nem Pol?
    Wir bitten Dich sehr, verton uns das.
    Uns wird es schwer und Dir ist´s Spaß.
    Und schick uns gleich die Kompositiona
    Nach Madrid her und auch nach Barcelona.


    Am 20. Januar 1938 betrat Hanns Eisler mit seiner Frau Lou zum dritten Mal amerikanischen Boden und sie wussten, dass dies keine Stippvisite sein wird. Der Anfang war schwer, weil man nur von den Einkünften der Lehrtätigkeit an der ›New School for Social Research‹ nicht leben konnte; größere Mittel aus Europa mitzubringen war nicht möglich gewesen.
    Die ›New York Times‹ nahm von Eislers Konzerten Notiz und es entstanden recht erfolgreiche Filmmusiken, aber die Aufenthaltsgenehmigung der Eislers stand auf wackligen Füßen, denn die Besuchervisa waren zum Januar 1939 abgelaufen, am 2. März wurde ihnen offiziell die Ausweisung aus den USA verkündet. Man wich nach Mexiko aus, kam wieder zurück, mit dem Ganzen Hin und Her ließen sich mehrere Seiten füllen - als sich Eisler im Sommer 1940 wegen eines Filmprojekts in Hollywood aufhielt, erließ die amerikanische Einwanderungsbehörde offiziell Haftbefehl gegen Eisler.


    Nachdem eine Reihe bürokratischer Hürden genommen waren, durfte Eisler endlich am 22. Oktober 1940 in die USA einreisen. Bertolt Brecht war 1941 mit einem Visum über verschlungene Wege nach Los Angeles gelangt; Ende April 1942 waren Eislers in Los Angeles eingetroffen, wo sie zunächst ein einfaches Hotelzimmer bezogen.
    Die Rockefeller-Stiftung hatte mit der Finanzierung einer wissenschaftlichen Arbeit, die Hanns Eisler leitete, eine finanzielle Lebensgrundlage geboten. Die wirtschaftliche Lage verbesserte sich wesentlich durch sehr erfolgreiche Filmmusik - in Kalifornien schrieb Eisler Partituren für acht Filme - man konnte sich ein Haus in der Nähe von Arnold Schönberg mieten, der schon seit 1936 an der University of California lehrte und mit dessen Unterstützung Eisler 1944 eine Gastprofessur erhält. Bereits 1943 konnte Eisler ein eigenes Haus kaufen, ganz in der Nähe von Thomas Mann und Theodor W. Adorno. Da gab es eine deutsche Künstler- und Denkerkolonie am Pazifik.
    Aber auch das FBI dachte mit, ab 1943 wurden Eisler und sein Umfeld fast lückenlos überwacht, da kam ein Protokoll von mehr als 600 Seiten zusammen, welches aussagt, dass Personen beschattet, Telefonate abgehört und Einbrüche begangen wurden, natürlich hat man auch die Post kontrolliert.


    Vom künstlerischen Standpunkt aus befriedigte da manches nicht, wie zum Beispiel in einem Brief deutlich wird, den Eisler an seinen in England weilenden Sohn schrieb:


    »Jetzt habe ich gerade einen idiotischen Schinken fertiggemacht, er heißt ›Spanish Main‹. Das ist reiner Unsinn, Schwachsinn etc. ich mußte es des Geldes wegen machen.«


    Nach Kriegsende zogen die Eislers in ein bescheideneres Haus direkt am Strand von Malibu; es konnte wieder an ernsthaften Filmprojekten gearbeitet werden und Eisler lehrte nun als ordentlicher Professor an der University of California.


    1946 wurde das Komitee für unamerikanische Umtriebe neu aktiviert und Ruth Fischer (alias Ruth Elfriede Eisler), also die Schwester der Eisler-Brüder, beschuldigte ihren Bruder Gerhart so massiv, dass dieser in ganz ernste Schwierigkeiten kam und letztendlich ergab sich daraus, dass beide Brüder ausreisen mussten. Zu Hanns hatte die Schwester zwar ein besseres Verhältnis, aber dennoch sah sich Hanns Eisler verschiedenen Verhören ausgesetzt, an denen auch der spätere US-Präsident Richard Nixon beteiligt war.
    Charles Chaplins Sicht auf die Dinge war, dass es in der Familie Eisler zugehe wie in den Königsdramen von Shakespeare.
    Chaplin war geradezu rührend um Eisler besorgt; als kaum noch einer mit Eisler verkehren mochte, ließ ihn Chaplin mit seinem Wagen zum Gericht bringen und auch wieder dort abholen, oft begleitete er ihn auch.
    Obwohl es Solidaritätsbekundungen von Albert Einstein, Thomas Mann, Pablo Picasso und anderen Prominenten gab, ordnete das Justizministerium am12. Februar 1948 die Ausweisung von Hanns und Lou Eisler an.
    In der New Yorker Town Hall gab es unter Bernsteins Leitung noch ein letztes Konzert, dann flogen die Ausgewiesenen am 26. März 1948 mit einem Visum der Tschechoslowakei über London nach Prag und am 1, April 1948 war man im zerstörten und viergeteilten Wien angekommen, wo sich Eisler mit seiner ersten Frau und seinem inzwischen 20-jährigen Sohn traf.
    In Wien sah Eisler nichts, worauf er auf längere Sicht aufbauen konnte und entschied sich für Berlin, obwohl sich der in Leipzig Geborene immer als Österreicher sah und auch seine österreichische Staatsbürgerschaft behielt.


    Der erste Wohnsitz der Eislers in Berlin war das ›Hotel Adlon‹, genauer gesagt, ein stehengebliebener Seitenflügel des einstigen Prachthotels.
    Ab März 1950 stand Eisler ein ansehnliches Haus in Pankow-Niederschönhausen zur Verfügung.
    Johannes R. Becher, der Vorsitzende des Kulturbundes, unterstützte die zurückgekehrten Künstler in vielfältiger Weise, er scharte die geistige Elite der Zeit vor 1933 um sich.
    Arbeit gab es für Eisler in Berlin genug, die »Rhapsodie für großes Orchester« entstand anlässlich des 200. Geburtstages von Goethe und wurde am 26. August 1949 im Weimarer Theater Uraufgeführt, da war die DDR noch nicht gegründet; bei dieser Gelegenheit traf Hanns Eisler auch Thomas Mann wieder.
    In dieser Zeit entstand auch Filmmusik für die DEFA - »Unser täglich Brot«, aber die wohl spektakulärste Eisler-Komposition war die Hymne für den am 7. Oktober 1949 neu gegründeten Staat.
    Johannes R. Becher hatte Eisler zu einer Goethe-Feier nach Warschau eingeladen, wo er ihm dann einen selbst verfassten Text übergab, mit der Bitte, dazu eine Musik zu schreiben.
    Beim anschließenden Besuch im Geburtshaus von Chopin ergab sich die Gelegenheit auf dem Flügel Chopins den musikalischen Einfall zu Gehör zu bringen; es war die Geburtsstunde der Hymne »Auferstanden aus Ruinen«.


    Pädagogisch trat Eisler in die Fußstapfen seines Lehrers Schönberg, wie einst dieser, unterrichtete Eisler in seinem Wohnhaus in der Pfeilstraße. Später gab es dann das Staatliche Konservatorium Berlin, ein Vorläufer der heutigen Hochschule für Musik, die seit 1964 den Zusatz Hanns Eisler trägt. Eisler erhielt dort eine Professur für Komposition.


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    Zu dem im Bild gezeigten Buch (13x20,5 cm):
    Das Opernlibretto von Seite 11-144
    Nachbemerkung von Jürgen Schebera, das die Diskussion um Eislers Libretto zum Gegenstand hat, Seiten 147 bis 166.

    Von den Querelen um seinen »Johann Faustus« - ein Werk das über den Fragment-Status nicht hinauskam - war Eisler überrascht. Das Libretto dieser geplanten Oper war Eislers einziges literarisches Werk. Noch etwas unsicher, sandte er den ersten Entwurf zu Thomas Mann und Lion Feuchtwanger nach Amerika, wobei man drüben ein ›Werk von hohem Dichterischen Rang‹ erkannte, aber Thomas Mann bemerkte, dass das Ganze hübsch provokant sei.
    Eislers Manuskript ging an den Aufbauverlag und im Oktober 1952 erschien das Buch. Walter Ulbrich donnerte, dass es die SED nicht zulassen werde, dass eines der großen Werke unseres großen Dichters Goethe zur Karikatur verunstaltet wird; das »Neue Deutschland« meinte, dass Eislers Entwurf dem deutschen Nationalgefühl ins Gesicht schlägt.
    Hanns Eisler erlitt nun praktisch gleich zwei Schicksalsschläge; neben der vernichtenden Kritik vom Zentralkomitee zeichnete sich auch die Trennung von seiner Frau ab, wenn man es etwas volkstümlich formuliert - sie wurde ihm von Ernst Fischer, dem Politbüromitglied der kommunistischen Partei Österreichs ausgespannt, der alles dransetzte, diese Frau zu gewinnen, man kannte sich ja schon seit 1948.
    Als sich Hanns Eisler im Frühjahr 1953 mit seiner Frau in Wien aufhält, beschließt Lou nicht mehr nach Berlin zurückzukehren, sie schreibt einen Brief nach Berlin: ›Hallo, ich komme nicht mehr nach Berlin! Deine Lou.‹ 1955 wird die Ehe geschieden. Hanns Eisler traf diese Trennung hart.


    Eine Trennung für immer brachte der 14. August 1956 als Bertolt Brecht starb, die große politische wie ästhetische Übereinstimmung der beiden war beachtlich. Diese lange Jahre währende fruchtbare künstlerische Partnerschaft war so deutlich, dass man Eisler mit dem Etikett ›Brecht-Komponist‹ versah, auch wurde er stets als ›DDR-Staatskomponist‹ bezeichnet, obwohl der Österreicher zu diesem Staat durchaus ein ambivalentes Verhältnis hatte, und es sei nochmals herausgearbeitet, dass Hanns Eisler - obwohl einst angestrebt - nie Mitglied einer kommunistischen Partei war.


    Unter dem Namen HANNS EISLER steht auf dem Grabstein in etwas kleinerer Schrift STEFFY EISLER. Am 26. Juni 1958 hatten beide geheiratet, Es war Hanns Eislers dritte Ehe; Stephanie Peschl war eine 1919 in Wien geborene Pianistin.


    Am 8. Februar 1960 erlitt Hanns Eisler in Wien einen Herzinfarkt; im März 1961 verbrachten die Eislers einen Genesungsurlaub in Ascona und von dort kam Post mit der Nachricht, dass man auch Venedig und Florenz besucht hatte.
    Von Dieter B. Herrmann, der in den letzten beiden Lebensjahren Hanns Eisler einige Male in der Pfeilstraße besuchte, weiß man, dass die Eislers über einen Wartburg mit Chauffeur verfügten. Herrmann berichtet auch von seinem letzten Treffen mit Eisler:


    »Zum letzten Mal traf ich Eisler am Montag, dem 28. August1962. Er hatte Gäste aus Wien, u. a. die Schauspielerin Maria Emo, eine gute Freundin von Steffy Eisler, und zog mit uns allen in den Pankower Ratskeller. Eisler war bester Laune und wir blieben bis 21:30 Uhr.«


    Einige Tage später erfuhr Herrmann aus der Zeitung, dass Hanns Eisler tot war.


    Der Trauerakt fand am 18. September in der Deutschen Staatsoper Unter den Linden statt, nach der Trauerfeier erfolgte die Beisetzung.


    Eislers letzte Arbeit, die »Ernsten Gesänge für Bariton und Streichorchester« wurden posthum an seinem ersten Todestag in Dresden mit der Staatskapelle unter Otmar Suitner und mit dem Bariton Günther Leib uraufgeführt.
    Hanns Eisler ist damit ein bemerkenswertes Vermächtnis geglückt, aus dem sein vielfältiges Leben herauszuhören ist.


    Praktische Hinweise:
    Dorotheenstädtischer Friedhof 10115 Berlin, Chausseestraße 126
    Man geht zunächst etwa 50 Meter auf die Luther-Statue zu, biegt bei der ersten Möglichkeit nach links ab und steht nach wenigen Schritten vor dem Grab von Bertolt Brecht/Helene Weigel. Ein paar Schritte weiter hat Heinrich Mann seine Ruhe gefunden, und dazwischen - aber auf der anderen Seite des Weges - befindet sich das EISLER-Grab.


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    Der Eingang zum Friedhof, die Beschriftung am direkt anschließenden Brecht-Haus kann als Wegweiser dienen.


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  • Antonio Salieri - *18. August 1750 in Legnago - † 7. Mai 1825 in Wien


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    Sein Geburtsort liegt in Italien, damals Republik Venedig. Es schlug - zumindest bei den Wiener Kulturinteressierten - wie eine Bombe ein, als die Italiener im Jahr 2005 ihren Salieri wieder zurückhaben wollten.


    Immerhin wurde ein Artikel, der das verwahrloste Grab Salieris auf dem Wiener Zentralfriedhof thematisierte, in der auflagestärksten Zeitung Italiens, ›Corriere della Sera‹, veröffentlicht. In Salieris Geburtsstadt hatte sich ein Komitee (Legnago per Salieri) gebildet, das die Gebeine Salieris vom Wiener Zentralfriedhof in seine Heimatstadt zurückholen möchte. Die in Verona erscheinende Zeitung ›L´Arena‹ schrieb ebenfalls. dass Salieri nach Hause geholt wird.
    Der Bürgermeister von Legnago bekräftigte das Vorhaben und führte aus, dass es das Ziel sei die Überführung der Gebeine des legnagnesischen Komponisten in seine Geburtsstadt anzustreben, um ihm einen würdigen Grabplatz in Legnago zu gestalten.


    Die Wiener Kulturbürokratie beeilte sich nun zu versichern, dass man Maßnahmen zur Sanierung des verwahrlosten Grabes ergreifen werde.


    Antonio Salieri kam bei einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie als achtes Kind abends um halb elf zur Welt, Antonios Mutter, Anna Maria, war die zweite Frau des Vaters. Man konnte es sich leisten den begabten Jungen in die Lateinschule zu geben. Das Elternhaus förderte auch die schon früh erkannte musikalische Begabung ihres Sprösslings. Sein um 13 Jahre älterer Stiefbruder Francesco, der auf vom berühmten Geigenvirtuosen Guiseppe Tartini vermittelten Unterricht zurückblicken konnte, unterwies seinen kleinen Bruder in Violine, Cembalo und Gesang. Den Umgang mit Tastinstrumenten vermittelte der Domorganist von Legnago.
    Als Zwölfjähriger verlor Antonio seine Mutter, der nur 40 Lebensjahre beschieden waren; ein gutes Jahr später verstarb auch der Vater; vier Söhne und zwei Töchter hatten nun keine Eltern mehr. Sie mussten nun für sich selbst sorgen. Antonio ging nach Padua, wo sein um sieben Jahre älterer Bruder als Franziskanermönch lebte.
    1766 nahm sich ein Freund von Antonios Vater des Waisenjungen an und konnte es einrichten, dass Antonio von Giovanni Battista Pescetti - das war der Kapellmeister am Markusdom von Venedig - in Musiktheorie unterrichtet wurde, aber auch von einem Tenor in Gesang. Das Ganze war aber nur eine Episode, denn Pescetti starb überraschend.
    Nun war zunächst geplant den Jungmusiker zur Vervollkommnung seiner Ausbildung nach Neapel zu schicken, aber durch die Zufälligkeiten des Lebens ergab es sich, dass er fast ein echter Wiener wurde.


    Der Komponist Florian Leopold Gassmann war aus Böhmen nach Venedig gekommen, um am berühmten Teatro San Giovanni Crisostomo seine Oper »Achille in Sciro« zur Aufführung zu bringen. Der Kontakt zu diesem Komponisten kam durch Antonios Gesangslehrer zustande. Gassmann hatte an dem jungen Salieri Gefallen gefunden und man war sich einig geworden, dass Gassmann den jungen Mann mit nach Wien nimmt, wo Gassmann 1763 als Ballettkomponist Nachfolger von Christoph Willibald Gluck wurde und ein Jahr später zum Kammerkomponisten des Kaisers ernannt worden war.
    Gassmann hatte fortan die Stelle des ›Ersatzvaters‹ (*1729) eingenommen und nahm es mit der Ausbildung seines Schützlings sehr genau; verheiratet war Gassmann zu diesem Zeitpunkt noch nicht.


    Gassmanns Unterricht war gut geplant und bot eine recht breite Palette. Neben den diversen musikalischen Dingen die gelehrt wurden, also Generalbass- und Partiturspiel, Kontrapunkt und Übungen mit der Violine, kam begleitend Unterricht bei einem deutschen und französischen Sprachlehrer dazu, täglich erteilte ein Priester, das war Don Pietro Tommasi, Unterricht in Latein und italienischer Poesie.
    Antonios außerordentliche Begabung und der gehaltvolle Unterricht trug schon bald insofern Früchte, dass Gassmann seinen Schüler bei einem Kammerkonzert am Kaiserlichen Hof präsentieren konnte. Der Kaiser hatte durchaus musikalischen Sachverstand und spielte selbst Cembalo und Violoncello. Nachdem Gassmanns Schüler einiges vom Blatt gesungen hatte, bestand Joseph II. darauf, dass Antonio Salieri zukünftig bei Hofkonzerten mitwirkt, ein direktes Honorar gab es dafür nicht, aber jeweils zu Neujahr ein großzügiges Geschenk, wovon Gassmann neben der Kleidung auch die zahlreichen Hauslehrer entlohnen konnte.
    Auch die Abläufe am Theater konnte Saliere als Mitwirkender kennenlernen, denn manchmal musste er seinen Meister am Cembalo vertreten. In dieser Zeit begegnete er 1768 auch Christoph Willibald Gluck als dessen Oper »Alceste« am Burgtheater erstmals aufgeführt wurde.
    So allmählich ließ Gassmann nun auch zu, dass sein Schüler erste kleine Kompositionen, fertigte, die zwischendurch immer mal wieder gebraucht wurden.
    Gassmann trat im September 1768 in den Stand der Ehe und ein Jahr später war daraus eine Familie geworden, also benötigte man eine angemessene Wohnung; Salieri zog mit um.


    Während Gassmann anderweitig stark beschäftigt war, kam Giovanni Gastone Boccherini - das war der Bruder des berühmten Luigi Boccherini - mit einem Operntextbuch nach Wien,
    das er von Gassmann vertont haben wollte.
    Da Gassmann wegen anderweitigen Verpflichtungen passen musste, frug man bei Salieri nach, der sich dann mit großer Begeisterung ans Werk machte; es entstand die heitere Oper »Le donne letterate«; nachdem Gluck dazu seinen Segen gegeben hatte, wurde das Erstlingswerk von Antonio Salieri im Januar 1770 erfolgreich aufgeführt und die beiden Nachwuchskünstler Boccherini und Salieri erarbeiteten noch weitere Stücke.


    Weitgehende Übereinstimmung unter Musikfreundenden herrscht darüber, dass Antonio Salieris erstes Meisterwerk seine 1771 komponierte Oper »Armida« ist, ihr liegt ein Stoff zugrunde, der auch von vielen anderen bekannten Komponisten vertont wurde, bis hin zum 20. Jahrhundert wo sich Antonin Dvořák der Sache annahm. Salieri setzte bei seiner »Armida« die Vorgaben der Opernreform von Christoph Willibald Gluck um und war auch weiterhin erfolgreich produktiv; im ersten Halbjahr des Jahres 1772 entstanden drei neue Buffa-Opern. Das erste Stück war »La fiera di Venezia«. Zu dieser ebenfalls erfolgreich aufgeführten Oper könnte man einige positive Stimmen prominenter Musiker der Zeit zitieren, aber damit das Ganze nicht ganz so glänzend daherkommt, sei bemerkt, dass Leopold Mozart von Salieris Musik in »La fiera di Venezia« nicht viel hielt; 1785 - also 13 Jahre nach Erstaufführung - kritisierte er Salieris Musik in einem Brief so:
    »voll der ausgepeitschtesten Gedanken, altväterlich, gezwungen und sehr Leer an Harmonie ...«.


    Salieris Erfolge hatten sich indes bis Stockholm herumgesprochen und König Gustav III. versuchte die besten Musiker Europas an seine Oper zu holen, so auch den 22-jährigen Salieri. Die Musikwissenschaft geht davon aus, dass Salieri auf Betreiben von Joseph II. den Ruf nach Schweden nicht angenommen hat.
    Nach sechsjährigem Aufenthalt in Wien stand Salieri nun als erfolgreicher Komponist inmitten seiner Mentoren Gassmann und Gluck und in Hofkreisen galt er als deutscher Komponist, wie durch Maria Theresia überliefert ist, dennoch wurde er auch bald zum Kapellmeister der italienischen Oper ernannt.


    Florian Leopold Gassmann hatte auf seiner letzten Italienreise einen Kutschenunfall gehabt und starb im Januar 1774 überraschend an den Spätfolgen dieses Unfalls.
    Nun trat Antonio Salieri in die Fußstapfen seines ›Ersatzvaters‹, dem nun 24-Jährigen wurde die Stelle eines ›k. k. Kammer-Compositors‹ übertragen, was mit einem Jahresgehalt von 100 Dukaten und einem kostenlosen Hofquartier verbunden war; die Stellung als Kapellmeister der italienischen Oper wurde mit 300 Dukaten honoriert.


    Aber diese Einkünfte wurden als nicht ausreichend angesehen, um in den Stand der Ehe treten zu können. Beim Musikunterricht in einem Kloster hatte er die Halbweise Eva Maria Helferstorfer, die dort erzogen wurde, kennen und lieben gelernt. Aber Eva Marias Vater starb, bevor Antonio bei ihm um die Hand der Tochter anhalten konnte.
    Nun hatte ein Vormund das Sagen, der selbst ein Auge auf das schöne Kind geworfen hatte und stellte fest, dass Antonio Salieri nicht ausreichende Mittel besitzt, eine Frau aus einer geadelten Familie anständig zu erhalten; der Vormund ließ nur die 100 Dukaten als sichere Einkünfte gelten, seine anderen Verdienste - immerhin 600 Dukaten - bezeichnete er als zu unsicher.
    Die ganze Angelegenheit kam schließlich Joseph II. zur Kenntnis und er erhöhte Salieris Einkünfte so, dass der Eheschließung nun nichts mehr im Wege stand. Die Trauung fand am 10. Oktober 1775 in St. Stephan statt. Die Gattin war vermögend, man konnte die Ehe in einer Zehn-Zimmer-Wohnung beginnen - und es sollte Antonio Salieris lebenslanges Zuhause bleiben.


    Oben ist zwar erwähnt, dass Salieri in Hofkreisen als ›deutscher Komponist‹ galt, aber ganz so deutsch war die Sache nun auch wieder nicht, denn zu dieser Zeit wurde Salieri Mitglied der Italienischen Kongregation, die das geistliche Zentrum der etwa 7.000 Italiener, die in Wien lebten, darstellte.
    1778, nach Gründung des Nationalsingspiels wurden für längere Zeit in Wien keine Opern in italienischer Sprache aufgeführt. Da es nun für Salieri als Kapellmeister der italienischen Oper nichts mehr zu tun gab, machte er sich zu einer Reise in sein Heimatland auf und er hatte einen Auftrag im Gepäck. Der Mailänder Adel hatte bei Gluck wegen einer Oper angefragt, denn man wolle ein attraktives Stück, um das neu erbaute Teatro alla Scala zu eröffnen. Gluck hatte seinen Protegé Salieri empfohlen. Salieri hatte noch etwas darüber hinausgedacht und plante gleich eine Tournee durch sein Heimatland, wozu er zunächst auch die kaiserliche Erlaubnis erhielt, nachdem er in Wien die deutsche Nationalbühne zum Laufen gebracht hatte.
    Am 30. März 1778 reiste Salieri in Wien ab, am 3. August 1778 ging dann in Mailand sein in der Tat spektakuläres Werk »Europa riconosciuta« in allgemeiner Begeisterung über die Bühne. Allerdings war das Stück so auf Mailand zugeschnitten, dass in der Regel nur Teile daraus auch andernorts nachgespielt wurden.
    Von Mailand aus reiste der erfolgreiche Komponist nach Venedig, wo er mit »La scuola de´gelosi« - eine komische Oper - einen nachhaltigeren Erfolg verbuchen konnte. Das am 27. Dezember 1778 im Teatro San Moisé uraufgeführte Stück verbreitete sich rasch in Europa, sogar Herr von Goethe war begeistert und die Oper wurde in mehrere Sprachen übersetzt.


    Aber Salieri war nicht nur in eigener Sache unterwegs, der Kaiser hatte ihn auch beauftragt in Italien nach Tenören Ausschau zu halten. Natürlich war Salieri auch in Rom, wo ihn eine Nachricht erreichte, dass er nach Neapel kommen möge, weil man dort die Opera seria »Semiramide« aufführen wollte, ein Stoff, der von einer Menge an Komponisten vertont wurde. Das war natürlich ein Angebot, denn die hatten da unten am Vesuv mit über 3.000 Plätzen das größte Theater Europas.
    Salieri bat zwar die Wiener Majestät um eine Urlaubsverlängerung, ging jedoch davon aus, dass das lediglich eine Formsache sei und reiste schon mal gen Neapel, um keine Zeit zu verlieren. Man führte ihn in allerhöchste Kreise ein und es hatte den Anschein, dass er auch Neapel im Sturm erobert. In dieser Situation wurde ihm - etwas verspätet - ein Schreiben auf sein Gesuch um Urlaubsverlängerung übermittelt, das es in sich hatte:


    »In Erledigung Ihres, an seine Majestät gestellten Gesuches, um die Erlaubniß, noch länger in Italien bleiben zu dürfen, tragen Allerhöchstdieselben mir auf, Ihnen zu schreiben, daß Sie Herr seyen, so lange dort zu weilen als es Ihnen gefällt und gut dünkt, ja, daß Sie, wenn Sie sich besser dort befinden, als hier, auch für immer dort bleiben mögen.«


    Umgangssprachlich nennt man das einen Wink mit dem Zaunpfahl, das war auch für Salieri nicht zu übersehen und so befreite er sich von den in Neapel schon eingegangenen Verpflichtungen, um schleunigst nach Wien zurückzukehren, er machte auf der Rückreise nur noch einen kurzen Stopp in Bologna, um Martini zu besuchen; am 8. April 1780 traf er wieder in Wien ein, wo er sich unverzüglich an allerhöchster Stelle für sein Fehlverhalten entschuldigte und in Gnaden aufgenommen wurde.
    Joseph II. hatte auch gleich einen Auftrag für den Zurückgekehrten, für die Nationaloper sollte ein Singspiel komponiert werden. Es kam schließlich die Oper »Der Rauchfangkehrer« heraus, wobei weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass das Libretto äußerst schwach ist, aber die Musik genießt noch heute Ansehen; im radebrechenden italienischen Schornsteinfeger konnte Salieri sich selbst erkennen. Salieri hatte das Werk rasch fertiggestellt, aber durch den Tod von Maria Theresia konnte die Oper dann erst im April 1781 uraufgeführt werden, was mit großem Erfolg geschah, es war Salieris erstes deutschsprachiges Bühnenwerk.
    Der damals frisch nach Wien übersiedelte Wolfgang Amadeus Mozart besuchte die neu herausgekommene Oper auch und berappte sechs Dukaten für eine Partiturkopie.
    Aber es kam auch noch ein zweiter Mann, der heute noch in der Opernwelt einen guten Namen hat in die Donaustadt, das war ein gewisser Lorenzo Da Ponte, nur ein Jahr älter als Salieri, der recht bald die Position eines Hofpoeten bekleidete.


    1783 befahl der Kaiser, dass die italienische Oper wieder eingerichtet wird und Salieri setzte sich dafür ein, dass Lorenzo Da Ponte den Posten des Theaterdichters erhielt. Nun kam auch Salieris auf seiner Italienreise erarbeitete Sängerliste zum Einsatz.
    Vermutlich hätte Salieri zur Eröffnung im Burgtheater eine neue Oper beigesteuert, aber Gluck war einerseits gesundheitlich eingeschränkt, hatte aber andererseits einen Opernauftrag für Paris, den er dann einfach an Salieri übertrug, stellte das jedoch seinen französischen Auftraggebern so dar, dass ihm Salieri bei der Ausarbeitung nur assistiert hat, obwohl das fünfaktige Werk allein aus der Feder von Antonio Salieri stammte.


    Die Oper »Les Danaïdes« war Maria Antoinette gewidmet und wurde am 26. April 1784 mit ganz großem Erfolg in Paris uraufgeführt. Nach diesem überwältigenden Theaterereignis ließ Gluck in ›Journal de Paris‹ bekanntgeben, dass Salieri der alleinige Verfasser des Werks sei und Salieri glättete das Ganze etwas indem er sagte, er sei von Glucks Weisheit und Genie geleitet worden. Mit einer Tasche voll Geld - insgesamt 16.200 Livres - trat Salieri die Rückreise nach Wien an.
    Auf diesen Pariser Triumph folgte die weniger erfolgreiche Oper »Il ricco d´un giorno«, wo Lorenzo Da Ponte für das Libretto zuständig war. Daraufhin wendete sich Salieri dem bisher erfolgreicheren Dichter Giovanni Battista Casti zu, woraus letztendlich die ersprießliche Zusammenarbeit Da Pontes mit Wolfgang Amadeus Mozart resultierte.
    Ende Juli 1786 brach Salieri zu seiner zweiten Reise nach Paris auf wo »Les Horaces« zuerst in kleinerem Rahmen in Versailles und danach der Pariser Öffentlichkeit präsentiert werden sollte, die Aufführungen waren in der unfreundlichen Jahreszeit geplant, insgesamt kann man von einem Misserfolg sprechen; aber unmittelbar danach arbeitete Salieri bereits an seiner nächsten Oper »Tarare«, und das unter idealen Bedingungen, denn er war bei Textdichter Beaumarchais einquartiert, der ja auch musikalisch was drauf hatte; aus einem Brief weiß man, dass Salieri im Hause Beaumarchais mit Aufmerksamkeiten überschüttet wurde. Der agile Dichter hatte auch dafür gesorgt, dass im Vorfeld der Uraufführung das Interesse der Öffentlichkeit geweckt war.›Sensationell‹ ist wohl der richtige Begriff, wenn man beschreiben soll was da alles geschah, natürlich war die Aufführung ein großer Erfolg.


    Am 17. November 1787 dirigierte Salieri beim Totenamt für Christoph Willibald Gluck dessen bisher unveröffentlichten Psalm »De profundis«.
    Natürlich wollte der Kaiser das Pariser Erfolgsstück »Tarare« auch an der Wiener Hofoper aufgeführt sehen, allerdings ergaben sich bei der Übertragung des französischen Librettos ins Italienische Schwierigkeiten; man modifizierte das Stück und so wurde aus »Tarare« dann »Axur« und soll die Lieblingsoper von Kaiser Joseph II. gewesen sein und sogar Johann Wolfgang von Goethe und Heinrich Heine bewunderten das Werk. Der Komponistenkollege Johann Friedrich Reichardt schrieb am Ende seiner Lobeshymne im ›Musikalischen Wochenblatt‹: »Überhaupt macht diese Musik einen Effekt, der sich nur empfinden, nicht beschreiben lässt.«


    Im Februar 1788 hatte Salieri seinen Karrieregipfel am Hof erreicht und war nun Hofkapellmeister. Kaiser Joseph II. kehrte zum Jahresende gesundheitlich schwer angeschlagen vom Türkenkrieg zurück, war aber im Feld stets über die Vorgänge am Theater informiert worden.
    In dieser Zeit hatte Salieri mit »Cosi fan tutte« begonnen, aber die Arbeit aus unbekannten Gründen schon nach zwei Nummern abgebrochen, Da Ponte gab das Libretto an Mozart weiter, der sich sofort an die Arbeit machte, woraus sich eine Verstimmung zwischen Salieri und Mozart ergab, die man jedoch nicht aufbauschen muss, das war danach ein ganz normales kollegiales Verhältnis, wobei man Konkurrenzdenken natürlich nicht ausschließen kann.
    Eigentlich hätte Salieri auch wieder in Paris zu tun gehabt, aber die revolutionären Aktivitäten dort hielten ihn von der französischen Metropole fern.
    Eine ernste Sache war für den Hofkapellmeister, dass sein großer Gönner am 20. Februar 1790 starb; sein Bruder, Leopold II. trat die Nachfolge an, der andere musikalische Vorstellungen hatte und den Komponisten Domenico Cimarosa bevorzugte, aber es war ihm keine längere Regentschaft beschieden, er starb völlig unerwartet am 1. März 1792. Cimarosa reiste wieder nach Neapel zurück. Mit seinem neuen Dienstherrn, Franz II., kam Salieri dann ganz gut zurecht.
    In dieser Zeit war Beethoven zum zweiten Mal und für immer nach Wien gekommen und wurde Schüler von Salieri, Schöpferische Kompositionen traten in den Hintergrund, die Ereignisse in Paris sorgten in ganz Europa für Entsetzen.
    Wenn auch Salieri Paris fern geblieben war und hieraus eine schöpferische Pause resultierte, war ja etwas vorbereitet worden, nämlich die Oper »La princesse de Babylone«; Désiré Martin hatte ein Schauspiel Voltaires adaptiert. Der Dichter Giovanni De Gamerra fertigte dann daraus das Libretto zu einem der ganz großen Opernerfolge Salieris: »Palmira, regina die Persia«; das Werk wurde auf vielen Bühnen Europas nachgespielt.


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    Historisches Bühnenbild zur ›Palmira‹-Aufführung in Frankfurt am Main.
    Die Ausstattungen waren meist sehr aufwändig und mitunter kamen echte Kamele auf die Bühne.


    Bis in unsere Zeit hat sich aus der Oper das Stück »Armonia per un tempio della notte« gehalten, das auch für kirchlichen Gebrauch nutzbar gemacht und eigentlich für einen Musikautomaten komponiert wurde, der im Zauberpark des reichen Fabrikanten Peter von Braun installiert wurde.


    Am 20. Februar 1801 machte sich Salieri nach Triest auf; der Auftrag zur Einweihung des Teatro Nuovo (ab 1901: Teatro Giuseppe Verdi) kam überraschend, weil der ursprünglich vorgesehene Komponist Domenico Cimarosa gestorben war. Die Zeit war so knapp, dass Salieri mit seiner Oper »Annibale in Capua« erst nach einer anderen Oper in das neue Haus einziehen konnte, wobei »Annibale in Capua« ganz groß ankam, aber das war alles so auf Triester Verhältnisse zugeschnitten, dass dem Werk keine weite Verbreitung vergönnt war.


    Im Spätsommer 1803 war Carl Maria von Weber nach Wien gekommen, im November 1805 Napoleon - nun gab es in Wien ganz große ›Oper‹ auf der Bühne des Lebens, Not und Elend waren unbeschreiblich groß.
    Außerhalb der Kriegssituation traf die Familie Salieri ein großer Schlag; drei Tage nach der Kriegserklärung Frankreichs gegen Österreich starb im Alter von 23 Jahren Salieris einziger Sohn; am 30. August 1807 starb nach über dreißigjähriger Ehe Theresa Salieri, die ihrem Mann acht Kinder geboren hatte. Die gerade fertiggestellte Umarbeitung von »Les Danaïdes« zog Salieri zurück, obwohl die Aufführung bereits angekündigt war.
    Man vermutet, dass Salieris Requiem »Picciolo Requiem composto da me, e per me, Ant. Salieri, picciolissima creatura« unmittelbar nach dem Tod seiner Frau entstand und der im Autograph zu sehende Eintrag: ›agosto 1804‹ im hohen Alter nachgetragen wurde und sich Salieri dabei irrte, was man aus einem Zelter-Brief an Goethe herauslesen kann.


    In den Monaten nach Theresias Tod war Maestro Salieri kaum noch in der Öffentlichkeit zu sehen und hielt sich auch von eng Vertrauten fern. Erst am Dreikönigstag 1808, bei der Hochzeit Kaiser Franz I., trat Salieri bei der musikalischen Festgestaltung wieder in Erscheinung. Anlässlich des 76. Geburtstages von Joseph Haydn leitete Salieri eine Aufführung der »Schöpfung«, wo Conradin Kreutzer am Klavier ein auf 60 Personen verstärktes Orchester und 32 Choristen dirigierte; Altmeister Haydn wohnte dem Konzert bei und der 37-jährige Beethoven auch.


    Die ganz großen Sachen hatte Salieri zu diesem Zeitpunkt komponiert, ab und an dirigierte er auch noch und widmete sich dem musikalischen Nachwuchs. Auch an dem Kompositionswettbewerb um den Text »In Questa Tomba« beteiligte er sich und war einer der 63 Komponisten, Salieri vertonte Carpanis Text sogar in zwei Versionen.
    Ansonsten entstanden in der Zeit des wieder entbrannten Krieges unter dem Eindruck grausiger Bilder viele geistliche Werke; insbesondere zwischen 1810 bis 1812 schrieb Salieri viel Kirchenmusik.
    Und er wendete viel Zeit als Lehrender auf, wo es eine beachtliche Namensliste von später ganz bekannten Musikern gibt, da war zum Beispiel neben Beethoven auch noch Franz Schubert, mit dem Salieri schon zu tun hatte als der Knabe Franz sieben Jahre alt war; als ›Francesco‹ 1812 wegen Stimmbruchs aus dem Chor ausschied und sich der Komposition zuwandte, besuchte Franz Schubert Maestro Salieri zweimal wöchentlich, um Lektionen in Partiturspiel, Werkanalyse und Musiktheorie zu erhalten, es entstanden auch erste Kompositionen. Ebenso war Salieri anwesend als Schubert am 25. September 1814 in der Lichtentaler Kirche seine erste Messe in F-Dur D105 aufführte.
    Auch Meyerbeer war nach Wien gekommen und konnte ein Jahr lang Salieris kostenlosen Unterricht genießen und dem Rat des Meisters folgen, nach Frankreich und Italien zu reisen.


    Während des Wiener Kongresses, der sich fast ein Jahr hinzog, war Salieri bei den zahlreichen Veranstaltungen, die zuweilen sehr aufwändig waren, so stark beansprucht, dass erhebliche gesundheitliche Schäden folgten. In dieser Zeit erhielten einige seiner Dirigate schlechte Kritiken.


    Dessen ungeachtet, wurde Salieri 1815 vom französischen König Louis XVIII. zum Ritter der französischen Ehrenlegion ernannt und zum fünfzigjährigen Künstlerjubiläum gab es für Salieri in Wien umfangreiche Ehrungen.
    Noch 1819 wurden seine Opern »Les Danaïdes« und »Tarare« wieder sehr erfolgreich in Paris aufgeführt, nachdem man den Text der neuen Zeit angepasst hatte.
    1819 weilte Goethe-Freund Carl Friedrich Zelter in Wien und besuchte Salieri mehrmals, was er auch nach Weimar berichtete - das las sich dann so:


    »Salieri ist die bravste Haut von der Welt und noch immer fleißig, auf die kindlichste Art. Er hat über vierzig Opern geschrieben. Er ist 69 Jahre alt und hält sich für außerhalb der Mode, was er nicht nöthig hätte; denn sein Talent fließt noch und von seinen Schülern steht keiner über ihm.«


    Es stellten sich gesundheitliche Schwächen ein; da waren Gicht und Augenleiden und man sah den Komponisten immer seltener in der Öffentlichkeit. Trotz der umschleierten Augen komponierte Salieri noch kleine Gesangsstücke und unterrichtete.
    Aus der Schülerzahl ragte ein Ausnahmetalent heraus, dessen Fähigkeiten am Klavier den alten Salieri faszinierten; es war der zehnjährige Franz Liszt, der etwa ein Jahr vom Hofkapellmeister unentgeltlich unterrichtet wurde - dreimal die Woche.


    Mit Salieris Gesundheit ging es weiter bergab, am 8. Oktober 1823 unterzeichnete er mit zittriger Hand sein Testament. Antonio Salieri starb am 7. Mai 1825 um acht Uhr abends zuhause im Kreise seiner Familie. Die Beisetzung fand auf dem Matzleinsdorfer Friedhof im Süden Wiens statt, den Zentralfriedhof gab es damals noch nicht.
    1903 wurden seine Gebeine exhumiert und auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.


    Der 1984 entstandene Film »AMADEUS« - in dem Antonio Salieri eine wesentliche Rolle spielt - gilt als filmisches Meisterwerk, aber die historisch reine Wahrheit ist das natürlich nicht. Vermutlich kommt Wolfgang Hildesheimer der Sache näher, wenn er sagt:


    »die berüchtigte Rivalität zwischen Mozart und Salieri ist ein Produkt der Literatur und hat literaturfördernd gewirkt.«



    Praktischer Hinweis:
    Das Grab befindet sich auf dem Wiener Zentralfriedhof; links vom Haupteingang, an der Friedhofsmauer aufgereiht, befinden sich etwa hundert Ehrengräber. Das Grab von Antonio Salieri hat die Nummer 54.


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    Die Lazaruskirche auf dem Zentralfriedhof ist ein markanter Orientierungspunkt;
    ganz in der Nähe an der Mauer befindet sich Salieris Grabstätte.


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