Hamburg, Staatsoper, Siegfried am 31.5.13

  • Es ist einfach eine Lust Christian Franz in seiner Spielfreude zuzusehen. Richard Wagner schwebte das Gesamtkunstwerk vor, aber leider kommt zur Musik, dem gesang, der ambitionierten Inszenierung, Kostümen und Bauten eben nur zweitklassige Darstellung zusammen. Das kann man verstehen, denn das sind ja nicht gerade einfache Partien die da zu singen sind. Und deshalb ist es eben doch bemerkenswert, wenn man in Christian Franz Darstellung des Siegfrieds stellenweise vergisst, das man in der Oper sitzt. So organisch ist das gespielt. Im ersten Aufzug mit dem ebenfalls vor Spielfreude überquillende PeterGalliard aber dann vor allem im zweiten Aufzug wo er dei Bühne für sich alleine hat. da möchte man einfach nicht das das aufhört.
    Überhaupt ist die Inszenierung des Siegfrieds - anders als die Walküre - doch rundherum gelungen. Die Figurenkonzeption ist zwingend einleuchtend: Siegfried ist ein Kind, wird er doch auch immer als Knabe bezeichnet. Und er ist eben auch nicht einfach nur ein Kind: Er ist ein Teenager Kotzbrocken, einer der mit Dingen um sich schmeißt, seine Eltern wüst beschimpft, seine Klamotten unordentlich herumwirft und alle 30 Sekunden eine Wasserflasche aufdreht, daraus trinkt und sie wieder zudreht. Der aber auch immer wieder vor seinen Ausbrüchen und seinen Beschimpfungen zurückschreckt, sich an Mime herankuschelt und ihn dann aber doch gleich wieder beschimpft. Bezeichnend und für mich einer der stärksten Momente in dieser Ringinszenierung ist der Abschied Siegfrieds von dem gerade getöteten Mime: Liebevoll streicht er ihm über die Schulter - im Video der Staatsoper schließt er ihm die Augen. Das ist großartig. Besser kann man die emotionale Achterbahnfahrt eines hormongeschüttelten Teenagers nicht darstellen.
    Da verblasst alles andere. Auch der eigentlich immer groß aufspielende Falk Struckmann, der auch mal wieder seine Gesangspanne hatte: In der Szene Mime-Wanderer kam er knapp 15 Sekunden heraus und suchte bei der Soufleuese nach Hilfe. Im zweiten Aufzug war er aber hellwach und präsent und wirklich gut.
    und Linda Watson? Sie singt gut. Und mein "Heil Dür Sonne, Heil Dür Lücht" ist vielleicht tatsächlich kleinlich und gemein. Aber mit geht dieses Salzsäulenherumgestehe und - geschreite auf die Nerven. Neben ihr spielt sich einer nene Wolf und sien Partnerin achtet darauf genügend Stütze zu behalten.
    Und das Orchester? Heute mit ungewöhnlich vielen kleineren Patzern.

  • Ich mußte gestern meinen ersten Eindruck unbedingt loswerden und möchte noch auf einen erneuten Patzer in der Ausstattung hinweisen. Ich liebe in Wagneropern nicht nur die Musik, den text, den Bogen, die Spannung und die notwendigkeit eine interpretatorische Inszenierung vorlegen zu müssen. Ich liebe auch den Theaterzauber: Ich liebe den Auftritt des Holländerschiffs, den Schwan, das Rheinbett, die Fahrten nach Nibelheim, auf dem Rhein, die Waberlohe usw. und dazu gehört auch das Zerschlagen des Ambosses. Zu all dem muß der Rgie udn der Ausstattung etwas einfallen. Das erwartet das Publikum und ich warte da auch drauf.
    In Hamburg ist das leider allzuoft ernüchternd. Bei der aktuelle Inszenirung des Holländers wäre ich wegen des Schiffs beinahe aufgestanden und gegangen, weil ich so enttäuscht war (Drei Taue werden von Links auf die Bühne geworfen, das ist eines so großen Hauses einfach nicht würdig). Und in der Walküre hat im 18. Anlauf auch wieder die Waberlohe nicht gut funktioniert.
    Aber nun Siegfried: Er zerschlägt nicht den Amboss, den es in diesem Konzept ja auch nicht gibt: Siegfried schmiedet auf einer Waschmaschine. Das ist auch OK, denn sie gehört zu dem Konzept: Höhle/ Wohnung/ Werkstatt. Aber Siegfried zerschlägt als Symbol der Entnablung von Mime dessen Bett. Und auch das hat in den 3 Aufführungen in denen ich Siegfried gesehen habe nur einmal vernünftig geklappt. Gestern aber nicht.


    2 Elemente ind er Inszenierung verstehe ich aber komplett überhaupt nicht, beides im Schlußaufzug: Wieso zerschlägt Siegfried mit Brünhildes Speer den Spiegel und warum zerreißen Brünhilde udn Siegfried zum Schluß Bücher. Ich habe da verschiedene Ideen: Siegfried zerstört mit Speer ud Spiegel Brünhildes Vergagenheit, war beides doch Symbol und Kern des 3ten Aufzugs von der Walküre. NUR Woher weiß Siegfried das? Beide singen am Schluß von einer neuen Zeit. Brünhilde beendet mit
    Zerfall in Staub deine stolze Burg!
    Leb wohl, prangende Götterpracht!
    End in Wonne, du ewig Geschlecht!
    Zerreißt, ihr Nornen, das Runenseil!
    die Götterzeit. Aber in der Erda/Wotan-Szenen vorher war die Bibliothek doch auch eher Bild des Wissens und des Schicksals.
    Könnte es sein, dass beide den Schicksalsfaden zerreißen und von nun an, eine neue Zeit beginnt?
    Wie passt den das zum Anfang der Götterdämmerung, die ja mit den Nornen - die ja nun eigentlich keine Rolle mehr spielen sollen, beginnt? Denn schließlich mach in dem Regieansatz die geschichte einen Zeitsprung: der Brünhildenfelsen ist keine Kellerruine mehr, sondern eine kleine Wohnung.

  • Bezeichnend und für mich einer der stärksten Momente in dieser Ringinszenierung ist der Abschied Siegfrieds von dem gerade getöteten Mime: Liebevoll streicht er ihm über die Schulter - im Video der Staatsoper schließt er ihm die Augen. Das ist großartig. Besser kann man die emotionale Achterbahnfahrt eines hormongeschüttelten Teenagers nicht darstellen.


    Vollkommen d'accord. - Witzigerweise gab es im Mailänder Lohengrin ebenfalls in der Inszenierung von Claus Guth eine ähnliche Szene, als Lohengrin dem von ihm erschlagenen Telramund die Augen schließt. Man mag von Guths Arbeiten halten, was man will, aber diese kleinen Momente zu erkennen und umzusetzen, gehört für mich definitiv zu seinen Stärken.

  • da sind wir eins. Im Hamburger Ring sind viele Momente der Zärtlichkeit. Wie schade um den ersten Aufzug der Walküre der davon ja leider so komplett frei ist.