HENZE, Hans Werner: DIE ENGLISCHE KATZE

  • Hans Werner Henze (1926-2012):


    THE ENGLISH CAT (Die englische Katze)
    Eine Geschichte für Sänger und Instrumentalisten in zwei Akten und sieben Bildern


    Libretto von Edward Bond (nach „Peines de cœur d’une chatte anglaise“ von Balzac)


    Uraufführung am 2. Juni 1983 im Schwetzinger Schlosstheater


    DIE PERSONEN DER HANDLUNG


    Lord Puff, alter Kater, später Präsident der KGSR (Tenor)
    Arnold, sein Neffe, Kater (Bass)
    Jones, ein Geldverleiher, Kater (Bariton)
    Tom, ein junger Kater (Bariton)
    Peter, sein Freund, Kater (Tenor)
    Mr. Fawn, Kater, Mitglied des KGSR (Bariton)
    Mr. Kenn, Kater, Mitglied des KGSR (Tenor)
    Mr. Punkett, Kater, Mitglied des KGSR (Bassbariton)
    Minette, Katze (Sopran)
    Babette, ihre Schwester, Katze (Mezzosopran)
    Miss Crisp, Katze, Mitglied des KGSR (Sopran)
    Mrs. Gomfit, Katze, Mitglied des KGSR (Sopran)
    Lady Toodle, Katze, Mitglied des KGSR (Mezzosopran)
    Der Pfarrer (Tenor)
    Luzian, ein Sekretär (Tenor)
    Richter (Bariton)
    Staatsanwalt (Bass)
    Verteidiger (Tenor)
    Louise, ein Waisenkind, Maus, Mitglied des KGSR (Sopran)
    Hund (Bariton)
    Fuchs (Tenor)
    Schaf (Bass)
    Die Partien der Sterne übernehmen die Darsteller von Louise, Miss Crisp, Mrs. Gomfit und Lady Toodle, die Babette ist der Mond, die Gerichtsjury besteht aus Louise, Miss Crisp, Mrs. Gomfit, Lady Toodle und Babette.


    Die Märchen-Handlung spielt zur viktorianischen Zeit in London.


    INHALTSANGABE


    Vorab sei erlaubt, dem Kontinentaleuropäer eine britische Besonderheit zu erklären: Eine wichtige Rolle spielt in dieser ebenso dramatischen wie erheiternden Geschichte die KGSR, die „Königliche Gesellschaft zum Schutz der Ratten“, und die in ihr organisierten Träger der Handlung. Nur die eine, alles in Gang setzende Person, Mrs. Halifax, tritt nie auf. Das Publikum wird aber schnell feststellen, dass dies kein Verlust ist.


    ERSTER AKT


    Erstes Bild: Der Salon im Hause von Mrs. Halifax.


    Die Hausherrin hat eine überaus wichtigen Entscheidung getroffen: Ihr schon etwas in die Jahre gekommener Kater, Lord Puff, soll noch einmal heiraten, damit seine Familie nicht ausstirbt. Um um die Sache zu beschleunigen, hat Mrs. Halifax sogar schon eine passable Gattin ausgewählt, eine junge, attraktive Landkatze, die noch heute eintreffen soll. Nun ist eine solche Vorgehensweise in zivilisierten Ländern heute kaum mehr vermittelbar, formal wäre sie wohl auch als „Zwangsheirat“ anzusehen, dennoch sollte das hochverehrte Publikum verständnisvoll daran denken, dass hier eine Begebenheit aus viktorianischer Zeit berichtet wird. Nun: Lord Puff hatte keine Einwände gegen die Auswahl seiner Herrin, macht sie sich sogar zu eigen, aber er möchte seine Entscheidung allen Freunden, die sämtlich in der KGSR organisiert sind, mitteilen, und um Unterstützung bitten.


    Fast schien es, als würde die Sitzung einvernehmlich enden, da erhebt ein Mitglied gegen die Ehe Einspruch, nämlich Kater Arnold, der Neffe von Lord Puff. Diese Einwände kamen übrigens nicht unerwartet, denn Arnold (was ja allgemein bekannt ist) hat Spielschulden und war eher auf den Tod des Onkels gefasst, aber nicht auf eine Hochzeit. Käme es dazu, würde ihm die Erbschaft sozusagen „übers Fell gestrichen“- Katerstimmung inklusive. Als es in diesem Moment an der Türe klopft, erwarten natürlich alle Anwesenden die Braut - tatsächlich erscheint aber deren Schwester Babette (die sofort als resolute Person erkannt wird) und die sofort klar macht, dass zunächst einmal geprüft werden müsse, ob der Bräutigam, Lord hin oder her, überhaupt der richtige Gatte für ihre Schwester ist.


    Dann jedoch erscheint sie - eine bildhübsche, noch dazu schüchterne und bestimmt auch fromme Landkatze, auf den wunderschönen Namen Minette hörend. Lord Puff ist hin und weg, nur Arnold sieht seine Erbschaftsfelle sich in Luft auflösen. Das aber geht gar nicht: Arnold beschließt folgerichtig sofort, diese Hochzeit mit allen möglichen und auch unmöglichen Mitteln zu hintertreiben.


    Es ist das angerichtete Festmahl, dass jetzt in Minette und Babette Verwunderung auslöst: Die Londoner KGSR-Mitglieder sind Vegetarier! Die mit Stolz vorgetragene friedvolle Gesinnung geht sogar soweit, dass man die im Hause lebende Waisenmaus Louise (deren Familie ein vom Kontinent [!] eingewanderter gefräßiger Kater ausgerottet hat) mit allem Notwendigen versorgt. Diese merkwürdigen Ernährungssitten machen Babette doch mehr als skeptisch, und sie fragt sich wieder, ob Lord Puff der richtige Gatte für ihre Schwester ist. Minette zeigt sich von den neuen und fremden Eindrücken zwar auch verwirrt, aber sie ist seelisch völlig anders strukturiert als Babette - sie zieht sich (unbemerkt) zurück.


    Zweites Bild: Das Dach des Hauses von Mrs. Halifax.


    Wie es Minette wohl von zu Hause gewohnt ist, hat sie sich auf den Dachboden begeben - ein idealer Ort zum Relaxen. Und hier wird Minette mit einer wahren Katzenserenade, die von den Artgenossen der Umgebung veranstaltet wird, empfangen. Zwei Straßenkater, Tom und Peter, bemerken als erste die „Neue“ und sofort wird der draufgängerische Tom aktiv: Er macht Minette verliebt den Hof, muss aber erstaunt feststellen, dass die Schöne sehr zurückhaltend ist (unter uns: ihr kam sofort die Warnung des Pfarrers in den Sinn, der sie vor den Verlockungen der Großstadt gewarnt hat). Aber eine so zurückhaltende Vornehmheit hält einen Tom nicht ab: Er wirft sich vor Minette zu Füßen und wird dabei von Arnold beobachtet, der diese kompromittierende Szene natürlich für sich auszunutzen gedenkt. Nur hat Puffs Neffe nicht mit Toms Reaktionsvermögen gerechnet, denn kaum, dass er Arnold bemerkt hat, stürzt er sich auf ihn und schlägt in in die Flucht.


    Minette ist von Tom angetan und will ihn unbedingt als Mitglied für die KGSR gewinnen. Das, so denkt sie, wäre doch für ihren Zukünftigen ein adäquates Hochzeitsgeschenk. Der Mond und die Sterne, die die Katzenszenerie begeistert beobachtet haben, stimmen eine Serenade an.


    Drittes Bild: Die Hauskapelle von Mrs. Halifax.


    Die Hochzeit von Lord Puff und Minette ist endgültig beschlossen. Alle sind in der Kapelle versammelt und wollen Zeuge der feierlichen Zeremonie werden. Nur Arnold ist schlecht drauf; er versucht mit seinem Geldverleiher, Mr. Jones, in letzter Minute die Heirat zu hintertreiben, um die Erbschaft nicht zu verlieren. Dazu tritt Mr. Jones als Arzt auf, der Lord Puff untersucht und ihm Heiratsunfähigkeit attestiert. Das Attest akzeptiert Puff jedoch nicht, stattdessen besteht er, sanft zwar, aber bestimmt, auf der beschlossenen Ehe. In diesem Moment erscheint der Herr Pfarrer, während Mr. Jones, sozusagen in letzter Sekunde, die Ehe mit einem Gifttrank zu verhindern sucht. Weil das Gebräu aber stark nach Brandy riecht, geraten die streng abstinenten KGSR-Mitglieder in Wut und werfen den falschen Doktor hinaus.


    Endlich könnte die feierliche Zeremonie beginnen - doch nun schreitet Arnold zur Tat und erhebt mit dem Bericht über Minettes angeblichem Seitensprung auf dem Dachboden energisch Einspruch. Die Braut streitet das nicht ab, erklärt aber, sie habe Tom (der sich übrigens unerkannt in die Hauskapelle eingeschlichen hat) als neues Mitglied der KGSR gewinnen wollen. Einigen erscheint diese Begründung glaubhaft, anderen dagegen als nur vorgeschoben, aber letztlich wird die Trauung vom Pfarrer vollzogen.


    ZWEITER AKT


    Viertes Bild: Der Salon im Hause von Mrs. Halifax.


    Inzwischen sind einige Monate vergangen. Minette hat sich ernsthaft bemüht, städtische Lebensgewohnheiten anzunehmen und ist gerade dabei, das Cello-Spiel zu erlernen. Aber jedes mal, wenn sie dieses Instrument spielt, gerät sie ins Träumen, und darin taucht immer der draufgängerische Tom auf.


    Völlig überrascht wird Minette vom Besuch der Schwester Babette, die nach London geeilt ist, weil ihr auf den unergründlich-leisen Pfoten-Pfaden des Katzennachrichtendienstes übermittelt wurde, Minette sei erkrankt. Babettes Vermutung ging allerdings sofort in eine völlig andere Richtung: Für sie war klar, dass ihre Schwester einem freudigen Ereignis entgegen sehen muss, keinesfalls jedoch krank ist. Gesprächsweise stellt sich aber heraus, dass der Katzennachrichtendienst versagt hatte, denn weder war Minette krank, noch war sie in freudigen Umständen. Dafür erfährt Minette, dass es ihrer Mama nicht gut geht und dass auch Babette momentan nicht auf Rosen gebettet ist. Ihr Entschluss ist daher schnell gefasst: Sie gibt ihrer Schwester das Geld, dass eigentlich zum Kauf eines neuen Kleides für die Jahreshauptversammlung der KGSR gedacht war. Überschwänglich bedankt sich Babette und macht sich wieder auf den Heimweg.


    Wieder alleine im Zimmer vernimmt Minette plötzlich eine wundervolle Katzenserenade: Tom bringt ihr, unter dem Fenster stehend, ein Ständchen. Sie lässt ihn nach dem Gesang ins Zimmer und wundert sich über sein ungewöhnliches Outfit: Tom steckt nämlich in einer Uniform und erklärt das mit seiner Absicht, in der Armee zu dienen, um sie zu vergessen. Kaum auf dem Schiff nach Indien, überkam ihn über seinen Plan die Reue - er sprang von Bord, eilte sofort zu ihr und gesteht ihr nun seine Liebe. Minette ist überwältigt über diese Anhänglichkeit, dass sie, fast in Tränen der Rührung und des Glücks ausbrechend, Tom ebenfalls ihre Liebe gesteht. Tierisch glücklich schwören sie sich ewige Treue - alles hätte so schön sein können, da aber macht Minette plötzlich eine Volte und verlangt zu Toms Entsetzen, dass er sich als Deserteur der Polizei stellen, ins Gefängnis gehen, dann ein Geschäft eröffnen und auch noch reich werden solle! Zu allem Überfluss verlangt sie von Tom, bis zum Ableben von Lord Puff zu warten, ehe sie ihn ehelichen kann. Tom will aber keinesfalls bis Ultimo warten, er wirft sich in der Hoffnung, die Angebetete umstimmen zu können, vor ihre Füße - da geht plötzlich die Tür auf und die Damen und Herren der KGSR kommen ins Zimmer. Während Lord Puff am Verhalten seiner Frau nichts beanstanden kann, ist für alle anderen der Skandal perfekt! Sie drängen Puff, die Scheidung einzureichen und nach nur kurzem Widerstand ist der vermeintlich Gehörnte überredet. Schon ist auch die Polizei zur Stelle und führt Tom ab...

    Fünftes Bild:
    Ein Gerichtssaal im Londoner Justizpalast.


    Das Scheidungsverfahren vor dem High Court ist in vollem Gang, und dem Zuschauer wird sehr schnell klar, dass nicht nur der präsidiale Vorsitzende, sondern auch die sehr lebhaft schnatternden Jurymitglieder, eine Enten- und Gänseschar, voreingenommen sind.


    Bevor das Geschehen weiter berichtet werden kann, muss das hochverehrte Publikum wissen, dass sich (erstens) Tom nach Überstehen einer gehörigen Tracht Prügel aus dem Gefängnis-Staube machen konnte, dass es ihm (zweitens) gelang, Minettes Anwalt im Justizgebäude zu überwältigen, sich dessen Talar und Perücke anzueignen, und nun (drittens) im Saal eine Verteidigungsrede hinlegen will.


    Tom zielt in dieser Verteidigungsrede für Minette darauf ab, dass Lord Puff die Ehe mit seiner Gattin nie vollzogen habe. Er kommt jedoch nicht weit, weil diese Worte zu einem unbeschreiblichen Turbulentarium im Gerichtssaal führen; als dann auch noch der richtige Verteidiger in den Saal stürmt, Tom die Perücke vom Kopf reißt, und damit seine Rolle auffliegen lässt, ist der Skandal perfekt: Minette wird vom Richter schuldig gesprochen, Lord Puff erhält Schadenersatz zugesprochen. Fall erledigt, die nächsten bitte eintreten zu lassen...


    Wer geglaubt hat, nun sei die Scheidungssache Lord Puff versus Minette abgeschlossen, der bekommt vom Staatsanwalt näheren Bescheid: Gedanklich hatte der Ankläger bestimmt wegen Toms Amtsanmaßung schon die Paragraphen für dieses schwere Delikt im Kopf, außerdem steht auch noch das Desertionsverfahren aus, doch er erkennt in Tom den als verschollen geltenden Lord Fairport jr., Erben eines der größten Vermögen im Königreich. Das Gesicht erkennen und zu ahnen, was geschieht, wenn es bekannt wird, lässt ihn förmlich zum Richtertisch stürzen. Nach kurzem Tuscheln ist beiden Juristen klar, dass sowohl der Ehebruch als auch die Desertionssache niedergeschlagen werden muss! Jugendsünden halt. Tom findet das großartig, schaltet sofort und bietet an, Minettes Schuld durch finanziellen Ausgleich aus seinem Vermögen zu beheben, dann die Geliebte aber zu heiraten.


    Sechstes Bild: Der Salon im Hause von Mrs. Halifax.


    Doch ach, irgendjemand bringt immer wieder alles durcheinander, in diesem Fall ist es Mrs. Halifax. Sie kann Minettes Fehlverhalten nicht akzeptieren, als Geschiedene ist sie ihrem ehrenwerten Hause nicht mehr zumutbar. Sie hat daher ihrem Hausdiener befohlen, Minette in eine Sack zu stecken - und in der Themse zu ertränken. Diese schockierende Anweisung geht nicht nur Tom an die sprichwörtlichen Nieren, auch Babette, die vom Lande herbeigeeilt ist, um der Schwester beizustehen, findet die arme Schwester bereits weinend im Sack vor. Da beide aber Minette nicht helfen können, möchte zumindest Tom ebenfalls im Wasser der Themse sein Leben beenden. Das Dumme oder besser gesagt: zum Glück für Tom hat auch Babette seine Kragenweite. Minette, die im Sack alles mithören muss, zeigt sich völlig selbstlos, und gibt zu dieser Verbindung ihren schwesterlichen Segen. Sie ist nach eigenen Worten sogar glücklich, als sie das Gelöbnis von Babette und Tom hört, dem Nachwuchs ihren Namen zu geben - auch „wenn es ein Sohn“ werden sollte.


    Minettes Leben ist zwar inzwischen zu Ende, doch bleibt für Traurigkeit keine Zeit, denn nun treten die Mitglieder der KGSR erneut zusammen. Lord Puff hält nicht mit seiner Meinung zurück, dass Tom sein Vermögen der KGSR vermachen sollte; sein Argument ist schnörkellos einfach: der KGSR wäre es ohnehin zugefallen, wenn nicht urplötzlich der Erbe in Person von Tom aufgetaucht wäre. Bedauerlicherweise für Lord Puff und die KGSR kann Tom dieser Ansicht nicht folgen, er lehnt also ab, und geht mit seiner Babette davon. Aber die Mitglieder der KGSR wollen nicht auf den Geldsegen verzichten und kommen auf die verbrecherische Idee, Tom ermorden zu lassen - natürlich bevor er das Vermögen antreten kann. Die Begründung für den Mordplan wird auch zur Beruhigung eventueller Weicheier mitgeliefert: Es ist ja für einen guten Zweck!

    Siebtes Bild:
    Anwaltskammer im Londoner Justizpalast.


    Tom erscheint im Justizgebäude, um beim Staatsanwalt die notwendigen Unterschriften zum Antritt des Erbes zu leisten. Hier wartet jedoch schon der Sekretär des Staatsanwalts, der, von der KGSR gedungen, Tom hinterrücks nieder sticht. Die ehrenwerte Gesellschaft zum Schutze der Ratten ist nun am Ziel und übernimmt ohne Aussprache die Kosten der Verteidigung für den gedungenen Mörder. Die Seelen der beiden Ermordeten vereinigen sich zu einem letzten innigen Duett. Nur Louise, die Waisenmaus, ist von der Verlogenheit der KGSR-Mitglieder seelisch getroffen: „Man kann ihnen nicht trauen, wenn sie hungrig sind, fressen sie mich, ich kenne ihre Tricks!“ Mit realistischem Sinn beschließt sie, die Schein-Domestizierung aufzugeben, und wieder Milch und Körner zu stehlen und Damen vor Schreck auf die Stühle steigen zu lassen...


    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Henze komponierte THE ENGLISH CAT zwischen 1978 und 1982 im Auftrag des SDR, des Süddeutschen Rundfunks. Die Uraufführung am 2. Juni 1983 im Schlosstheater von Schwetzingen, eine Produktion des Württembergischen Staatstheaters Stuttgart, war nach einhelliger Meinung von Publikum und Kritik ein großer Erfolg - nur Spiegel-Redakteur Klaus Umbach löckte etwas wider den Stachel:
    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14021835.html
    Henze führte dabei selber Regie, der Dirigent war Dennis Russel Davies, die Bühnenbilder stammten von Jakob Niedermeier. Der Erfolg setzte sich in nachfolgenden Aufführungen in Hannover und Paris fort.


    THE ENGLISH CAT ist eine Oper mit bekannten Strukturen wie Rezitativen und Arien, Duetten und Ensembles, mit Zwischenaktmusiken und Finali. Henze hat das Werk kammermusikalisch-durchsichtig für zwölf Sänger, ein aus 36 Musikern bestehendes Instrumental-Ensemble, aber ohne Chor angelegt. Es wurde zwar in Italien komponiert, behandelt jedoch ein Sujet aus London. Es kann daher nicht verwundern, dass in der Musik Händels Pathos ebenso anklingt wie die bissigen Töne etwa der „Dreigroschenoper“. Absichtlich auffällig sind auch die personenbezogenen Instrumental-Farben: Minette erhält die gezupften und gestrichenen Saiteninstrumente, ihrer Schwester Babette wird die Bratsche zugewiesen, die Klarinetten begleiten Tom, und das Fagott den Bräutigam, Lord Puff. Dem hinterhältigen Arnold weist Henze das frech-aggressive Heckelphon zu.


    Aber auch das ist erwähnenswert: Im damaligen Programmheft ist zu lesen, dass das Stück „nach dem Variationsprinzip der Diabelli-Variationen“ geformt sei; Henze erläutert außerdem, dass die Musik „parteiisch sein“ will und zeigen soll, auf „welcher Seite ihre Sympathien sind“. Und: „Weil ich an die revolutionären Kräfte in den Menschen glaube, ist es eine optimistische Musik, die lachen und weinen will und das hochverehrte Publikum zum Weinen und Lachen erweichen.“


    Das Textbuch von Edward Bond hat eine Geschichte von Honoré de Balzac als Vorbild; es handelt von Londoner Stadtkatzen, die eine Königliche Gesellschaft zum Schutz der Ratten gegründet haben, in die, sozusagen als zweiten Erzählstrang, noch eine Liebesgeschichte eingeflochten ist. Insgesamt entlarvt das Stück den wohltätigen Katzenverein als verlogen und korrupt, wie es schlimmer die Menschen nicht sein können - und deutlich wird der Gesellschaftskritiker Henze wahrnehmbar. Seine Komponistenkollegen kritisierten ihn allerdings vehement, weil er, anders als etwa Stockhausen und Boulez, nicht den Bruch mit der Tradition so radikal vollzog, übersahen aber, dass er mit seiner Kunst durchaus einen politischen Anspruch verband. Wie wäre es sonst zu erklären, dass er sich in der KPI engagierte, demonstrativ einen Lehrauftrag in Havanna annahm, und verlangte, dass die Mitwirkenden seines Oratoriums „Das Floß der Medusa“ unter einem Che-Guevara-Porträt auftraten?


    Anstelle eines gesonderten Beitrags mit Diskographischen Hinweisen sei der interessierte Musikfreund an dieser Stelle auf den bereits bestehenden Thread von Harald Kral über Henzes Oper hingewiesen:
    Hans Werner Henze: Die englische Katze (The English Cat)


    © Manfred Rückert für den Tamino-Opernführer 2013
    unter Hinzuziehung folgender Quellen:
    Klavierauszug von Schott
    Programmheft der Uraufführung
    Rezensionen in: Stuttgarter Zeitung, Die Zeit, Der Spiegel

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    MUSIKWANDERER