Hugo Wolf und Eichendorff

  • Dieses Lied entstand am 26. Januar 1880. Es handelt sich damit um die früheste Komposition des „Eichendorff-Bandes“, - ein „Jugendwerk“ gleichsam. Wolf scheint mit ihm nicht ganz zufrieden gewesen zu sein, denn er nahm es – zusammen mit den beiden nachfolgenden Liedern („Die Nacht“ und „Waldmädchen“) bei der zweiten Publikation der Eichendorff-Lieder heraus. Erst nach seinem Tod wurden diese drei Lieder als „Anhang“ wieder aufgenommen.


    Was auch immer Hugo Wolf an diesem Lied auszusetzen gehabt haben mag, es begegnet uns heute als durchaus ansprechender und einnehmender klanglicher Ausdruck jener Haltung des lyrischen Ichs, die in den beiden ersten Versen zum Ausdruck kommt und in den folgenden Strophen gleichsam metaphorisch konkretisiert wird. Das melodische Motiv, das auf den Worten „Grüß euch aus Herzendgrund“ liegt und dem das Klavier mit Terzen im Diskant folgt, wird ja zu einer Art Leitmotiv, das auf äußerst reizvolle Art in verschiedenen Modifikationen und harmonischen Varianten das ganze Lied durchläuft und die melodische Linie begleitet und klanglich akzentuiert. Ohnehin ist die Terz das Intervall, das im Klaviersatz eine dominante Rolle einnimmt, und da überdies die Fallbewegung der Terzen im zentralen Motiv in Terzschritten erfolgt, die am Ende in einen Sekundfall übergehen, wohnt ihm eine Anmutung von klanglicher Lieblichkeit inne, die für das ganze Lied prägend ist. Die Vortragsanweisung „Einfach und herzlich“ trifft seinen klanglichen Charakter sehr genau.


    Es hat in der Tat seinen ganz eigenen Reiz, den Wegen dieses Leitmotivs zu folgen und dabei die Vielfalt seiner Gestalten und Funktionen zu erleben. Es fungiert ja nicht nur als Zwischenspiel in der Aufeinanderfolge der Strophen, es verbindet auch einzelne Melodiezeilen und begleitet die melodische Linie der Singstimme, auch wenn diese ganz andere Bewegungen vollzieht. Und das heißt: Ihm kommt eine maßgebliche, die melodische Linie in ihrer Aussage kommentierende und ausdeutende Funktion zu. So leitet es zum Beispiel am Ende der ersten Strophe von dem lyrischen Bild „Kleid blank aus Sonnenschein“ dadurch, dass es nach Moll hin moduliert, zu dem folgenden Bild der klagenden und weinenden Nachtigall über. Denn hier ist die melodische Linie von kleinen Sekundschritten geprägt und in Moll harmonisiert.


    Und prompt erklingt nach der Melodiezeile, die auf dem ersten Vers der zweiten Strophe liegt, dieses Motiv in Moll noch einmal, - als wenn das Weinen der Nachtigall musikalisch imaginiert würde. Wenn dann bei den folgenden Melodiezeilen dieser zweiten Strophe noch einmal ein Wechsel zwischen Dur- und Moll-Harmonisierung erfolgt, agiert das Klavier jeweils in dieser Überleitungsfunktion. Vor dem letzten Vers, der in Dur harmonisiert ist (WO weilt sie so allein“), moduliert das Leitmotiv zu diesem Tongeschlecht hin. Auf dem Wort „allein“ liegt eine lange melodische Dehnung, die mit einem Diminuendo pianissimo ausklingt. Das Klavier reagiert darauf mit leise auf- und absteigenden Achteln, die aber im letzten Moment mit einer Zweiunddreißigstel-Figur zur Lebhaftigkeit der nächsten Strophe überleiten.


    Hier nun tritt das Klavier mit der neuerlichen Artikulation des Leitmotivs in eine klanglich höchst reizvolle Spannung zur melodischen Linie. Diese neigt nämlich dazu, bei den Worten „Weil´s draußen finster war…“ in Tonrepetitionen auf der jeweiligen tonalen Ebene zu verharren, so dass man die Aussage des Klaviers wie eine Erinnerung daran empfindet, dass über all der „Finsternis“ das „Grüß euch aus Herzensgrund“ steht. Und wenn die Singstimme auf einer zweimal in Sekundschritten fallenden Linie die Worte „Ich muß im Dunkeln sein“ deklamiert, kommentiert das Klavier dies mit einer nach Moll modulierenden Version des Leitmotivs und leitet damit zu der noch trauriger wirkenden Fallbewegung der melodischen Linie bei den Worten „Sonne nicht scheinen mag“ über.


    Aber nach der bei den Worten “sieht so verschlafen drein“ mit einem Mal aus tiefer Lage in großen Schritten emporsteigenden Vokallinie erklingt dieses Motiv in so stark aufwärts gerichteter Variation, dass man es kaum mehr wiedererkennt. Bei den beiden letzten Versen dieser (vierten) Strophe begleitet es die melodische Linie der Singstimme durchgängig, verbleibt dabei aber zunächst in Moll-Harmonisierung, bevor es vordem letzten Vers wieder zu Dur hin moduliert.


    Das Zwischenspiel vor der letzten Strophe wirkt überraschend: In der rhythmisierten und wie stockend wirkenden chromatischen Fallbewegung der Terzen erinnert es nur wie von ferne an das Leitmotiv. Dann aber setzt es fortissimo und in dreistimmig akkordischer Form ein und begleitet die Singstimme frisch und frohgemut, wenn sie auf der melodischen Linie des Liedanfangs mit den Worten „Liebe geht durch die Luft“ einsetzt und sich bei den Worten „durch die Luft“ in Terz- und Quartsprüngen aufschwingt. Und am Ende kommt regelrecht Tempo in das Lied. „Beschleunigt“ (Anweisung) werden die letzten Worte deklamiert, wobei die melodische Linie bei den Worten „und sie wird“ mit Portati versehen „breit“ in Sekunden herabsteigt, um dann zu dem Wort „doch“ einen ausdrucksstarken und mit einer Fermate versehenes hohen „Fis“ mündenden Oktavsprung zu machen.


    Die Hoffnung, dass die Geliebte nun „doch noch mein“ werde, kommentiert das Klavier im achttaktigen Nachspiel mit dem nun fortissimo und höchst markant artikulierten Leitmotiv.


    (Das zugrundeliegende Gedicht findet sich mitsamt Kommentar dazu am Ende der vorangehenden Seite)

  • Dass Hugo Wolf dieses Lied „Erwartung“ – und die beiden folgenden Lieder – in die revidierte Ausgabe der Eichendorff-Lieder von 1898 nicht mehr aufnahm und diese, nachdem die Rechte an den Mannheimer Verleger Karl E. Heckel übergegangen waren, dann 1904 als „Anhang“ erschienen, ist dem – für ihn so typischen! – Anspruch geschuldet, den er an die eigene Liedkomposition richtete und ihn dazu veranlasste, diese immer wieder einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Mitte des Jahres 1896 war er mit einer solchen befasst, die alle seine Liederzyklen betraf, - mit Ausnahme des „Italienischen Liederbuchs“. Liedkomposition hatte für Wolf eine künstlerische Bedeutung und ein Gewicht, wie sie das wohl für keinen anderen unter den großen Liedkomponisten des neunzehnten und den Anfängen des zwanzigsten Jahrhunderts hatte, - auch nicht für Schubert, wie ich denke.


    Und warum strich er dieses Lied? Ein Grund könnte die ausgeprägte und ein wenig an Brahms erinnernde „Terzenseligkeit“ der Komposition gewesen sein. Vielleicht aber war es ganz einfach auch der Aspekt, den Erik Werba mit den Worten umschrieb: „Der >Erwartung< hört man selbstverständlich die frühe Entstehungszeit an“. Aber er fügt bemerkenswerterweise hinzu: „Den Kenner der späteren Eichendorff-Lieder muß aber beeindrucken, wie ausgeprägt persönlich sich der zwanzigjährige Hugo Wolf dieses Dichters nähert.“


    Worin aber ist dieses „Persönliche“, die ganz eigene kompositorische Rezeption der Eichendorff-Lyrik hier vernehmlich? Dieses Gedicht „Steckbrief“ ist ja eigentlich keines, das man auf Anhieb als ein für die Eichendorff-Lyrik typisches einstufen würde. Der Dichter spielt hier sowohl lyrisch sprachlich, wie auch metaphorisch ein wenig mit der Gattung des Volksliedes. Und was fängt Wolf damit an? Er legt seiner Komposition eine Melodik zugrunde, die Volkslied-Geist atmet, - und darin von Schubert und Brahms inspiriert sein könnte. Aber dabei belässt er es nicht. Er ist, eben schon als Zwanzigjähriger, ein Komponist, der eine eigene, eine moderne liedkompositorische Sprache sprechen will. Und diese artikuliert sich in ihrem Kern in der Art und Weise, wie das melodische Motiv, dass auf den anfänglichen Worten „Grüß euch aus Herzensgrund“ liegt, im Verlauf des Liedes aufgegriffen, modifiziert, fortentwickelt wird, wobei die Modulation in seiner Harmonisierung eine wesentliche Rolle spielt.


    Dieses Arbeiten mit einem melodischen Motiv, das darin eine gleichsam leitmotivische Funktion für das Lied gewinnt, ist ein für Hugo Wolfs Liedkomposition sehr typisches Element, das er später immer wieder einsetzt und dabei weiterentwickelt. Es ist eines der kompositorischen Mittel, mit denen er die dem lyrischen Text immanenten, aber von ihm nicht lyrisch-sprachlich explizit gemachten semantischen Dimensionen erschließt, - was ja seine liedkompositorische Grundintention ist. Es begegnet einem in „Erwartung“ in einem frühen Stadium seiner Entwicklung, und das macht für den Liebhaber des Wolf-Liedes seinen ganz eigenen Reiz aus.
    Einmal abgesehen davon, dass es auch ein sehr schönes, klanglich überaus eingängiges Lied ist!

  • Eben lese ich, dass der Biograph Wolfs, Kurt Honolka, in seinem Urteil über dieses Lied mit ihm übereinstimmt: Er hält es für „entbehrlich“. Die „alpenländlichen Akkordbrechungen in der Melodie“ hält er als „eher für eine frühe Schaffenszeit bezeichnend“.


    Ich gestehe, dass ich das in keiner Weise nachvollziehen kann. Gewiss: Urteile über Lieder sind – wie alle über Musik und Kunst schlechterdings – per se subjektiv. Aber sie sind es nicht ganz. Denn über den Aspekt des „klanglichen Wohlgefallens“ hinaus gibt es ja auch noch den der gleichsam handwerklichen Kunstfertigkeit. Und wenn einem die „alpenländischen Akkordbrechungen“ in der Melodik nicht gefallen, weil sie ihm kompositorisch zu simpel erscheinen, dann lässt er außer Acht, was Wolf in diesem Lied aus ihnen macht.


    Dieser fängt damit nämlich in – wie ich finde – meisterhafter Weise den Klageton ein, der dem lyrischen Text eigen ist. Das „Grüß euch aus Herzensgrund“ mit dem er einsetzt, kommt aus der Ferne, aus der schmerzlichen Trennung von der Geliebten. Und die melodische Linie, die diesen Worten zugrunde liegt, bringt mit ihrem in hoher Lage ansetzenden doppelten Terzfall, der dann, verbunden mit einer harmonischen Rückung, in einen Sekundfall übergeht, genau diese Haltung des lyrischen Ichs zum Ausdruck: Herzlichkeit des Grußes, vom Schmerz der Trennung leise durchweht.


    Was mich ganz besonders beeindruckt an diesem Lied, ist die Art und Weise, wie Wolf die Bilder der vierten Strophe („Sonne nicht scheinen mag…“), die ja bei Eichendorff im metrisch Fluss der Verse unmittelbar aufeinanderfolgen, zu einzelnen musikalischen Impressionen werden lässt, die durch zweitaktige Pausen voneinander abgesetzt sind, in denen das Klavier sein klangliches Leitmotiv artikulieren kann. Jede dieser kleinen Melodiezeilchen weist eine andere Struktur auf. Und in allen Fällen spiegelt sich darin – und in der jeweiligen Harmonisierung - die seelische Dimension der Rezeption dieser situativen Erfahrung von naturhafter Umwelt durch das in der Ferne von der Geliebten weilende lyrische Ich.


    Das ist hohe kompositorische Kunst. Und es ist alles andere als – im Eichendorff-Band – „entbehrlich“.

  • Nacht ist wie ein stilles Meer,
    Lust und Leid und Liebesklagen
    Kommen so verworren her
    In dem linden Wellenschlagen.


    Wünsche wie die Wolken sind,
    Schiffen durch die stillen Räume,
    Wer erkennt im lauen Wind,
    Ob's Gedanken oder Träume? –


    Schließ ich nun auch Herz und Mund,
    Die so gern den Sternen klagen:
    Leise doch im Herzensgrund
    Bleibt das linde Wellenschlagen.



    Schon der Titel dieses 1837 publizierten Gedichts ist Inbegriff lyrisch-metaphorischer Evokation, - und darin Vorgriff und Vorausdeutung auf das, was nachfolgt. Wie diesem, so ist allen lyrischen Bildern der drei Strophen ein hohes evokatives Potential eigen, das sich aus einer sich im Unbestimmten vollziehenden Bewegung speist. Da kommt etwas „verworren“ daher, da gibt es „Wellenschlagen“, und es kommen „Wünsche“ wie „Wolken durch stille Räume“. In der Metaphorik gibt es keine klaren Konturen und keine bestimmten Orte, an denen sich Bewegung festmachen und zielgerichtet bestimmten lässt. Alles bleibt im geheimnisvoll Unbestimmten. Auch für den Titel gilt das. Die „Nachtblume“ bleibt als lyrische Metapher in der Kombination aus konkretem Gebilde der Flora und gleichsam kosmischen Inbegriff von Dunkelheit ein die Phantasie geradezu provozierendes sprachliches Gebilde.


    Und das gilt ja doch für das ganze Gedicht. Es stellt eine eigentümliche, und darin wiederum seinen Rezipienten sowohl intellektuell wie emotional herausfordernde Kombination aus vergleichender Rationalität und irrationaler Metaphorik dar. Den beiden ersten Strophen liegt ein im Grunde rationaler Akt des Vergleichens zugrunde, der mit dem „wie“ des ersten Verses eingeleitet wird. Das ganz und gar Poetische besteht nun aber darin, dass die sprachlich-rationale Grundstruktur der Strophen mit Bildern ausgefüllt wird, die geradezu der Inbegriff von schierer Emotionalität sind. Gleichwohl aber treffen sie das Wesen der jeweiligen Sache ungleich besser, als dies jeder rein rationale Vergleich vermöchte.


    Die letzte Strophe liest sich wie die Quintessenz aus den in die existenzielle Entgrenzung führenden Erfahrungen von „Nacht“. Das lyrische Ich weiß, dass, auch wenn es „Herz und Mund“ schließt, sich also weder rational noch emotional äußern möchte, im „Herzensgrund“ doch das „linde Wellenschlagen“ all dessen verbleibt, was „Nacht“ und ihre „Blume“ dem zu sagen hat, der sich ihr öffnet. „Wellenschlagen“, - das ist das Mitschwingen der Seele im Rhythmus der alles, auch das menschlichen Individuum übergreifenden und in sich bergenden kosmischen „Nacht“.
    Ein wesenhaft romantisches und darin großes Gedicht ist das.

  • Dieses Lied ist nur wenige Tage nach „Erwartung“ entstanden, nämlich am 3. Februar 1880. Hier aber ebenfalls von einem „Jugendlied“ zu sprechen, in dem Sinn, dass sich das kompositorische Potential noch nicht voll entfaltet habe, wäre völlig unangebracht. Man hat ein liedkompositorisches Meisterwerk vor sich, in dem der Geist der naturbezogenen Metaphorik Eichendorffs in solch treffender und vollkommener Weise musikalisch eingefangen ist, wie einem das nur noch bei Schumann und Pfitzner begegnet


    „Sehr langsam“ „zart und ausdrucksvoll“ soll es vorgetragen werden. Die Anweisung „sehr langsam“ muss hier unbedingt beachtet werden, denn nur so entfalten die endlosen Arpeggien, die den Klaviersatz prägen, ihren ganz eigenen Klangzauber, und nur dann kann die melodische Linie der Singstimme, die dazu neigt, auf der jeweiligen tonalen Ebene zu verbleiben und sich dort ruhig zu bewegen, den schwebenden Charakter annehmen, der ihr eigen ist. Pianissimo setzen die Arpeggien im viertaktigen Vorspiel ein: Fallende und wieder steigende, harmonisch stark modulierende Sechzehntel, aus denen sich im Diskant auf rhythmisch überaus delikate Weise langsam eine melodische Linie herausschält, die sich alsbald als Vorgabe für die der Singstimme herausstellt. Diese setzt im fünften Takt mit ruhiger, silbengetreuer Deklamation des ersten Verses im tonalen Raum von nur einer Sekunde auf mittlerer Lage ein.


    Bei den Worten „Lust und Leid und Liebesklagen“ kommen jedoch Sprungbewegungen in kleineren Intervallen in die Vokallinie, und sie steigt in etwas höhere Lagen auf. Das Wort „verworren“ (dritter Vers) wird auf klanglich eindrucksvolle Weise in Sekundschritten und einem kleinen Sekundfall mitsamt harmonischer Rückung hervorgehoben. Klanglich wunderbar auch die abwärts gerichtete und in Moll harmonisierte melodische Bogenbewegung bei den Worten „linden Wellenschlagen“. Auch die Arpeggien beschreiben an dieser Stelle eine – allerdings aufwärts gerichtete – Bogenbewegung.


    Wenn die Arpeggien in der ersten Strophe auf klanglich oszillierende Weise zwischen Dur und Moll hin und her pendeln, wobei dies oft zwischen fis-Moll und der Parallele A-Dur geschieht, so tritt mit der zweiten Strophe Dur-Harmonisierung in sie ein, - allerdings auch hier in Gestalt permanenter Modulationen. Auch die Struktur ihrer Bewegung wandelt sich. An die Stelle des vorwiegend bogenförmigen Auf und Abs treten nun ausschließlich aufwärts gerichtete Ketten, was eine gewisse klangliche Frische und Dynamik in das Lied bringt. Auch die melodische Linie der Singstimme wirkt nun ein wenig bewegter. Bei den Worten „schiffen durch die stillen Räume“ steigt sei, das lyrische Bild reflektierend, von einem tiefen „E“ ausgehend über mehr als eine Oktave an. Und die Frage, die die beiden folgenden Verse der zweiten Strophe artikulieren, schlägt sich in ihr in der Weise nieder, dass sie sich zunächst auf und ab bewegt, und dann bei dem Wort „Wind“ eine Fallbewegung beschreibt.


    Die Worte „Ob´s Gedanken oder Träume“ werden auf zwei gleichen, aber harmonisch voneinander abgerückten und überdies von einer Pause getrennten melodischen Linie deklamiert, die aus einem verminderten Terzsprung mit anschließendem Quartfall besteht. Die zweite mündet bei dem Wort „Träume“ in einen tiefes, eine Fermate tragendes „Dis“. Aufsteigende Arpeggien begleiten das im dreifachen Piano, und man empfindet dieses Zusammenspiel von Melodik und Klaviersatz als vollkommenen musikalischen Ausdruck der geheimnisvollen Rätselhaftigkeit der Metaphorik.


    Vor der letzten Strophe erklingt ein Zwischenspiel, bei dem sich eine stark chromatisch eingefärbte und stockend rhythmisierte melodische Linie im Diskant über wellenförmigen Arpeggien im Bass dahinbewegt. Auch das wirkt klanglich geheimnisvoll. Die beiden ersten Verse werden auf der gleichen melodischen Linie deklamiert wie die der ersten Strophe. Vom Diskant in den tiefen Bass fallende Sechzehntel-Ketten begleiten sie. Dann aber, bei den Worten „Leise doch im Herzendgrund“, beschreibt sie eine auf einem hohen „Fis“ einsetzende ausdrucksstarke Fallbewegung, die, weil sie am Ende, zu dem Wort „Herzensgrund“ hin, wieder in einen Quintsprung übergeht, auch von nun aufsteigenden Arpeggien begleitet wird.


    Mit dem letzten Vers findet die melodische Linie zur Ruhe. In das fis-Moll der wellenförmig auf und ab steigenden Arpeggien gebettet, deklamiert die Singstimme die letzten Worte zunächst auf der tonalen Ebene eines „H“, vollzieht aber dann bei dem Wort „Wellenschlagen“ eine diesem melodisch vollkommen gemäße nach unten gerichtete Bogenbewegung und endet dann auf dem Grundton.
    Was im „Herzensgrund“ geblieben ist, findet seinen Nachklang in zwei fallenden Sechzehntel-Arpeggien, die im dreifachen Piano von fis-Moll-Akkorden ausklingen.

  • Dietrich Fischer-Dieskau, der dieses Lied – sowohl in der Begleitung durch Daniel Barenboim, wie auch in der durch Gerald Moore – in wahrlich großartiger und seinem Geist vollkommen gerecht werdender Weise sängerisch interpretierte, hat freilich – und das ist eigentlich verwunderlich – nur diesen spärlichen Kommentar für es übrig:
    „>Die Nacht< reicht zwar nicht an den imitierten Schumann heran, vermittelt aber dennoch die Atmosphäre des Gedichts.“


    Nun ist in diesem Lied tatsächlich ein wenig Schumann zu vernehmen: Die Sechzehntel-Figur, die in der Einleitung aufklingt und als Begleitung der Singstimme das Lied klanglich maßgeblich prägt, erinnert ganz entfernt an die ganz und gar in Chromatik gebetteten Achtelfiguren in Schumanns Lied „Zwielicht“ (Op.39, Nr.10): „Dämmrung will die Flügel spreiten…“. Und vielleicht war dies auch der Grund, weshalb Wolf dieses Lied aus der revidierten Neuauflage des Eichendorff-Bandes herausnahm. Er wollte sich ja doch als ganz und gar eigenständiger – und liedkompositorisch fortschrittlicher, über Schumann hinausgehender – musikalischer Eichendorff-Interpret präsentieren. Aber hatte er dazu bei diesem Lied einen sachlich wirklich hinreichenden Grund?


    Der Wolf-Biograph Kurt Honolka spricht mit Blick auf dieses Lied von „Wolfs nobelster Schumann-Huldigung“. Bemerkenswert ist jedoch, was er hinzufügt: „Es könnte auch in dessen Eichendorff-Zyklus stehen; aber unverwechselbar Neues schwingt doch mit.“ Was dieses „Neue“ für ihn ist, sagt er zwar nicht, aber der, der sich hörend auf das Lied einlässt bemerkt es ja. Es ist vor allem die Art und Weise, wie Wolf – darin über Schumann hinausgehend – sich als klanglicher Interpret von Lyrik präsentiert, - als Komponist, der mit musikalischen Mitteln Dimensionen von lyrischer Dichtung zu erschließen versucht, die deren Schöpfer mit seinen sprachlichen Mitteln nicht zu erfassen und auszudrücken vermochte.


    „Nacht ist wie ein stilles Meer“, - das ist eine mit dem sprachlichen Mittel vergleichender Metaphorik arbeitende lyrische Aussage, die das Wesen der Nacht erfassen will, so, wie der Dichter sie erfahren und erlebt hat. Dieses Bild weist für den Leser des Verses ein evokatives Potential auf, das sich im Akt seiner Rezeption in ihm entfaltet, wobei er von weiteren, in den sprachlichen Rahmen des „Wie“ gebetteten Bildern geleitet wird. Es sind solche, denen das Wort „verworren“ den maßgeblichen Akzent verleiht.


    Und all dieses versucht Wolf auf der Ebene der Musik mit den chromatischen, aus dem Diskant in den Bass fallenden und von dort sich wieder erhebenden Sechzehntel-Figuren des Vorspiels, die sich dann als wesentlicher Bestandteil des die Singstimme begleitenden Klaviersatzes erweisen, klanglich zu erfassen und zum Ausdruck zu bringen. Im Zusammenspiel von melodischer Linie der Singstimme und Klaviersatz wird daraus eine musikalische Sprache, die tief in die semantischen Dimensionen des lyrischen Textes eindringt. Diese Figuren des Klaviersatzes sind ja doch in einer höchst expressiven Weise klanglich „verworren“, - in ihrem permanenten Hin und Her zwischen der Höhe des Diskants und der Tiefe des Basses und dem zwischen den Tongeschlechtern in ihren verschiedenen harmonischen Gestalten.


    Man kann Erika Werba nur beipflichten, wenn er feststellt: „>Die Nacht< … gehört zu den bedeutendsten Schöpfungen Wolfs“.

  • Bin ein Feuer hell, das lodert
    Von dem grünen Felsenkranz,
    Seewind ist mein Buhl und fodert
    Mich zum lust'gen Wirbeltanz,
    Kommt und wechselt unbeständig.
    Steigend wild,
    Neigend mild,
    Meine schlanken Lohen wend ich:
    Komm nicht nach mir, ich verbrenn dich!


    Wo die wilden Bäche rauschen
    Und die hohen Palmen stehn,
    Wenn die Jäger heimlich lauschen,
    Viele Rehe einsam gehn.
    Bin ein Reh, flieg durch die Trümmer,
    Über die Höh,
    Wo im Schnee
    Still die letzten Gipfel schimmern,
    Folg mir nicht, erjagst mich nimmer!


    Bin ein Vöglein in den Lüften,
    Schwing mich übers blaue Meer,
    Durch die Wolken von den Klüften
    Fliegt kein Pfeil mehr bis hieher,
    Und die Au´n und Felsenbogen,
    Waldeseinsamkeit
    Weit, wie weit,
    Sind versunken in die Wogen –
    Ach, ich habe mich verflogen!


    Das lyrische Ich, das Thema und Subjekt dieses 1835 entstandenen Gedichts ist, gibt sich als Verkörperung naturhafter Existenz schlechthin. Ihr Wesen ist Chaos und nicht regulierbare Wildheit. Alle lyrischen Bilder, die es metaphorisch ausfüllen und konkretisieren wollen, bringen genau dieses zum Ausdruck: Loderndes Feuer, Wirbeltanz, wechselhafte Unbeständigkeit, - ein Leben, das in seiner Entfaltung keine Grenzen kennt. Und wie so bezeichnend für Eichendorffs dichterische Grundhaltung: Von dieser elementaren Naturhaftigkeit geht eine existenzielle Gefährdung für den Menschen aus, der sich ihr voll und ganz überlässt. Man hört das „Hüte dich, sei wach und munter“ im Hintergrund, wenn dieses „Waldmädchen“ warnend ausruft: „Komm nicht nach mir, ich verbrenn dich!“


    Auch in die formale Gestalt dieses Gedichts dringt das gefährlich Chaotische dieses Naturwesens ein. Nach fünf Versen, die regelmäßig vom vierhebigen Trochäus mit klingender Kadenz geprägt sind, folgen mit einem Mal zwei Verse, die rhythmisch ungeregelt wirken. Nur bei der ersten Strophe handelt es sich noch um einen zweihebig stumpfen Trochäus. Bei den beiden folgenden Strophen aber geht es metrisch wild durcheinander, bevor mit den beiden letzten Versen wieder metrisch geregelte Verhältnisse herrschen.


    Wie sehr sich Eichendorff hier in regelrecht expressive metaphorische Kühnheiten versteigt, das zeigen in besonders markanter Weise die Verse: „Bin ein Reh, flieg durch die Trümmer, / über die Höh, / Wo im Schnee / Still die letzten Gipfel schimmern“. Hier zertrümmert er regelrecht das lyrische Bild vom Reh, das erschrocken den Kopf hebt, und gleich wieder einschlummert, - wie man es aus dem Gedicht „Nachts“ kennt.

  • Dieses Lied entstand am 20. April 1887. Es dürfte die am wenigsten bekannte unter Wolfs Eichendorff-Kompositionen sein. „Äußerst rasch und feurig“ soll es vorgetragen werden. Wolf will diesem feenhaften Walgeschöpf, dem der „Seewind Buhle“ ist, musikalischen Ausdruck verleihen, und das tut er mit einer äußerst lebhaft sich bewegenden melodischen Linie über einem Klaviersatz, der fast durchgehend aus einem wahren Wirbel von Zweiunddreißigsteln im Diskant und Sechzehnteln im Bass besteht und sich erst am Ende der dritten Strophe ein wenig beruhigt, - indem Sechzehnteln an die Stelle der Zweiunddreißigstel treten.


    Ohnehin dominiert das Klavier vom ersten Takt an. Es ist der eigentliche Träger der musikalischen Aussage, was allein schon daran zu erkennen ist, dass es weitaus mehr klanglichen Raum einnimmt als die Singstimme. Den Rahmen bilden ein fünftaktiges Vorspiel und ein achtzehntaktiges(!) Nachspiel, und nach der ersten und der zweiten Strophe erklingt ein fast ebenso langes Zwischenspiel. Sie Singstimme wirkt, als würde sie von dem Klangwirbel, den das Klavier entfaltet, angetrieben: Sie bewegt sich zumeist in der raschen Abfolge von Achteln und Sechzehnteln, vor allem dort, wo dieses „Waldmädchen“ lyrisch sein eigenes Wesen zum Ausdruck bringt. Nur in der zweiten Strophe, die von der typischen Eichendorff-Metaphorik geprägt ist, kommt ein wenig Ruhe in die Bewegung der Vokallinie. Aber es ist keine wirklich tief reichende, denn die Singstimme durchmisst, weiterhin vom Klavier mit seinen Zweiunddreißigsteln wie getrieben wirkend, große tonale Räume, und mit den Worten „Bin ein Reh, flieg durch die Trümmer“ kehrt das alte, wie gehetzt wirkende Tempo in die Melodik zurück.


    Der Eindruck des ununterbrochen sich entfaltenden klanglichen Wirbels wurzelt in den Vierergruppen von Zweiunddreißigsteln, von denen je zwei einen Takt ausfüllen und in denen sich ein permanentes Auf und Ab ereignet, das bis in große Höhen des Diskants aufsteigen kann. Es gibt darin nur ein einziges Mal eine Pause, - im letzten Vers nämlich. Das „Ach“ ist in der melodischen Linie durch längere Pausen eingegrenzt und damit exponiert, und während danach die Singstimme die Worte „ich habe mich verflogen“ „noch mehr zurückhaltend“ (Anweisung), also relativ ruhig deklamiert, erklingt im Klavier – im Grunde überraschend – nur ein einziger vierstimmiger Akkord. Danach aber geht es im Nachspiel „sehr schnell“ in der gewohnten Weise mit dem Wirbel von Sechzehntel-Vierergruppen weiter.


    In der ersten Strophe bewegt sich die melodische Linie der Singstimme rasch auf das Wort „Wirbeltanz“ zu, auf dessen letzter Silbe eine lange, fast fünf Takte einnehmende Dehnung liegt. Charakteristisch für diese Bewegung sind Sprünge zwischen zwei tonalen Ebenen, auf denen jeweils doppelt deklamiert wird. Das bewirkt diesen Eindruck von Eile, den die melodische Linie hier macht. Bei den restlichen Versen dieser Strophe geht sie in triolisch-bogenförmige Bewegungen in Gestalt von Sechzehnteln über, was diesen Eindruck noch verstärkt.


    Bei den ersten vier Versen der zweiten Strophe geht die Singstimme zur Deklamation in gleichsam gemessenen Schritten über. Die melodische Linie wirkt hier in ihren Bewegungen, die nun überwiegend in Gestalt von Achteln erfolgt, vergleichsweise Ruhig, weil sie sich in silbengetreuer Deklamation über dem klanglichen Wirbel vollzieht, der dieses Mal in hohe Lagen des Diskants aufsteigt. Bei den Worten „viele Rehe einsam gehen“ steigt sie von einem hohen „F“ in je zwei Schritten von kleinen Sekunden in mittlere Lage herab und verharrt dort wieder in einer langen Dehnung (fast drei Takte). Die restlichen Verse der Strophe werden wieder rasch deklamiert, wobei die Singstimme mehrfach in hohe Lage emporsteigt und die Worte „erjagst mich nimmer“ dann am Ende – durch eine Pause abgehoben – in einer raschen Folge von Sechzehnteln und Zweiunddreißigsteln erklingen lässt.


    Nur noch einmal kommt ein wenig Ruhe in die Melodik: In Gestalt von gedehnten Schritten bei den letzten Versen der dritten Strophe (einsetzend mit dem Vers „Und die Au´n und Felsenbogen“). Die melodischen Dehnungen liegen auf den lyrisch relevanten Worten „Au´n“, „Felsenbogen“, „Waldeseinsamkeit“ und „weit“, und bei dem Wort „Wogen“ beschreibt die Vokallinie gar eine – für dieses Lied ungewöhnliche – sich über vier Takte erstreckende nach unten gerichtete bogenförmige Bewegung. Auch der Klaviersatz hat hier eine andere Struktur: Er besteht aus bogenförmigen Triolen in Gestalt von Sechzehnteln, die sich über dem Auf und Ab von Sechzehnteln im Bass in hoher Diskantlage wellenförmig bewegen.


    Das „Ach“ des letzten Verses ist – wie schon beschrieben – melodisch exponiert, und die Worte „Ich habe mich verflogen“ wirken melodisch wie ein lakonischer Nachklang.

  • Dies ist das einzige unter allen Liedern dieses „Eichendorff-Bandes“ in seiner ursprünglichen Fassung, bei dem ich mir nicht sicher im Urteil über seine liedkompositorische Qualität bin. Ich neige zu der Auffassung: Wenn überhaupt eines von ihnen von Hugo Wolf bei der Zweitauflage mit einer gewissen Berechtigung ausgeschieden wurde, dann dieses „Waldmädchen“. Unter den übrigen, nicht diesem Band zugehörigen Liedern auf Eichendorff, geht es mir, was die Qualität anbelangt, nur noch bei „Die Kleine“ ähnlich (das Lied soll als letztes hier besprochen werden).


    Gewiss, Urteile über Lieder sind per se subjektiv. Aber wenn sie auf strukturelle Merkmale der Faktur gestützt sind, gewinnen sie eine gewisse Aussagekraft. Zwei Punkte sind diesbezüglich bei diesem Lied - aus meiner Sicht – kritisch anzumerken:
    --Wolf übertreibt es hier mit dem Einsatz klangmalerischer Mittel zwecks Steigerung der musikalischen Expressivität; und
    --dieser Einsatz ist in einer etwas zu vordergründigen und durchsichtigen Weise an bestimmten Elementen des lyrischen Textes festgemacht, - die die Funktion von kompositorischen Schlüsselwörtern oder –bildern annehmen.


    An einigen Beispielen soll das konkretisiert werden.
    Die Worte „lust´gen Wirbeltanz“ lösen einen solchen klanglichen „Wirbeltanz“ im Klaviersatz aus, derweilen die Singstimme über fast fünf Takte das Hohe „Fis“ halten muss, auf dem sie bei der - ebenfalls in wildem melodischem Wirbel erfolgenden – Deklamation der ersten vier Verse endete.
    Beim nächsten Vers sind die Schlüsselwörter „kommt und wechselt unbeständig“. Prompt beschreibt die melodischen Linie ein „unbeständig“-triolisches Auf und Ab, und auch im Klaviersatz springen die Zweiunddreißigstel im Diskant zwischen zwei tonalen Ebenen hin und her.
    Die Worte „Ich verbrenn´ dich“ lösen ein für ein Klavierlied bislang völlig ungewöhnliches, durchgehend fortissimo artikuliertes Zwischenspiel von siebzehn(!) Takten aus, in denen das Klavier diese lyrische Drohung mit einem wilden Wirbel von strukturell ähnlichen Figuren aus je vier Zweiunddreißigsteln im Diskant über Akkordrepetitionen im Bass klanglich imaginiert. Ähnliches ereignet sich im Anschluss an die – wiederum lyrisch deklaratorischen – Worte „erjagst mich nimmer!“. Hier versteigt sich das Klavier mit seinem sich wiederum über siebzehn Takte erstreckenden „ff“-Zweiunddreißigstel-Wirbel in die hohe Oktavlage des Diskants.
    Wenn aber lyrische Bilder in den Text kommen, bei denen es sozusagen ruhig zugeht, wenn also „Bäche rauschen“, „hohe Palmen stehn“, „Rehe einsam gehen“ und „Jäger heimlich lauschen“, dann kommt mit einem Mal ein kantabel-melodiöser Ton in die Deklamation der Singstimme, und im Diskant des Klaviersatzes folgen die immer gleichen Zweiunddreißigstel-Figuren aufeinander und generieren auf diese Weise ein relativ ruhiges Klangbild.


    Das muss nicht fortgesetzt werden, obgleich es noch viele Beispiele gäbe, die man hier anführen könnte, - etwa das Verharren der melodischen Linie über drei Takte bei dem Wort „Waldeseinsamkeit“ oder ihre über ein großes Intervall erfolgende wellenartige Bewegung bei den Worten „sind versunken in die Wogen“. Das ist alles klanglich überaus eindrucksvoll, - als klangliche Imagination der Bilder des lyrischen Textes. Aber es wirkt – für mich! - darin etwas zu vordergründig auf den schieren musikalischen Effekt angelegt.


    Hier begegnet man dem „wilden Wolf“, wie ihn seine Freunde nannten. Demjenigen Komponisten, von dem sein Freund Joseph Schalk völlig zu Recht rühmte, er habe „das neue Lied für neue Ohren“ geschaffen. Aber D. Fischer-Dieskau hat recht, wenn er zu diesem Lied anmerkt:
    „>Das Waldmärchen“< erzählt die Mär von einem übernatürlichen Wesen in unzähligen Verkörperungen, deren Darstellung Wolf damals noch nicht ganz gewachsen war.“
    Man sollte anfügen: „Damals“ zwar noch nicht, aber später sehr wohl, - in dieser liedkompositorisch einmaligen Fähigkeit des musikalischen Sich-einfühlen-Könnens in eine literarische Figur.

  • Die zwanzig Lieder, die Wolf in seinen „Eichendorff-Band“ aufnahm, repräsentieren nicht die ganze liedkompositorische Auseinandersetzung mit dem lyrischen Werk dieses Dichters. Unter den „Nachgelassenen Liedern“ finden sich noch weitere sechs auf Gedichte Eichendorffs. Es handelt sich um die Lieder:
    - „Nachruf“ („Du liebe, treue Laute)
    - „In der Fremde I“ („Da fahr ich still im Wagen“)
    - „In der Fremde II“ („Ich geht durch die dunklen Gassen“)
    - „In der Fremde IV“ („Wolken, wälderwärts gegangen“)
    - „Rückkehr“ („Mit meinem Saitenspiele“)
    - „Die Kleine“ ( „Zwischen Bergen, liebe Mutter“)
    Diese Lieder sollen im folgenden vorgestellt werden.


    Diese Frage drängt sich einem beim Hören dieser Lieder regerecht auf: Warum hat Wolf sie nicht in seinen Eichendorff-Band aufgenommen? Abgesehen vielleicht von dem Lied „Die Kleine“ weisen sie – aus meiner Sicht – großes liedkompositorisches Format auf. „Nachruf“ und „Rückkehr“ würde ich ohne Bedenken in eine Reihe mit den beiden großen Liedern „Verschwiegene Liebe“ und „Nachtzauber“ stellen.


    Man könnte nun denken, dass das Entstehungsdatum dieser Lieder eine maßgebliche Rolle bei Wolfs Entscheidung gespielt hat. Fünf dieser Lieder wurden in den Jahren 1880 bis 1883 komponiert, deutlich vor jener Zeit also, in der der große Kompositionsschub einsetzte, aus dem die drei großen Liedbände (Mörike, Goethe und Eichendorff) hervorgingen. Nur „Die Kleine“ gehört mit dem Entstehungsdatum März 1887 gleichsam in die Vorphase jener Hochzeit von Wolfs Liedkomposition (das Lied entstand einen Tag nach „Der Soldat I“). Dass er dieses Lied „verworfen“ hat, ist nachvollziehbar. Aber ein Lied wie „Rückkehr“?


    Das Datum der Entstehung der Lieder konnte für Wolf kein für die Auswahl relevanter Aspekt gewesen sein. Denn vor dem Einsetzen des großen Eichendorff-Kompositionsschubs im August/September 1888, aus dem dreizehn Lieder hervorgegangen sind, hatte er sich nach dreijähriger Pause im Jahr 1886 Eichendorff wieder zugewandt. Am 14.9.1886 entstand „Der Soldat II“. Im Jahr 1998 komponierte er insgesamt fünf Lieder auf Eichendorff-Gedichte. Am 24. Mai 1887 entstand „Nachtzauber“, und danach folgte eine Pause von 14 Monaten, in denen Wolf kaum eine einzige Note schrieb. Mit einer Ausnahme wurden alle Lieder von 1887 aufgenommen, und Wolf griff mit den Liedern „Erwartung“ (Lied 18) und „Die Nacht“ (Lied 19) sogar in das Jahr 1880 zurück.


    Es muss also ein anderes Kriterium gewesen sein, was die maßgebliche Rolle bei der Zusammenstellung des Eichendorff-Bandes spielte. Man kann hier nur Vermutungen anstellen, denn Wolf hat sich dazu nicht direkt geäußert. Vielleicht aber liefert eine Äußerung in einem Brief an Engelbert Humperdinck vom 12. März 1891 eine Erklärung. Dort heißt es:
    „Vergiß nicht hervorzuheben, daß jeder Band seine besondere Physiognomie trägt, wie dies ja schon durch die Natur der poetischen Unterlage bedingt ist. Bei Eichendorff z.B. magst Du eine Gewicht darauf legen, wie, übereinstimmend mit unserer realistischen Kunstauffassung, das romantische Element in meinen Eichendorffliedern fast ganz zurücktritt, hingegen der Komponist mit Vorliebe der keck humoristischen, derb sinnlichen Seite des Dichters, als solche ziemlich unbekannt, sich zugewendet…“.


    Das hieße: Die besagten Lieder wurden nicht etwa wegen – aus Wolfs Sicht - mangelhafter liedkompositorischer Qualität aus dem Eichendorff-Band ausgeschlossen, sondern weil sie nicht in die von ihm intendierte „Physiognomie“ passten. Wolf wollte einen anderen Eichendorff vorlegen, als Schumann ihn liedkompositorisch präsentiert hatte, Und mit Ausnahme des Liedes „Die Kleine“ bewegte er sich in der ausgeschlossenen Liedgruppe auf dem Eichendorff-Terrain Schumanns. Schließlich wird das Thema „In der Fremde“ gleich drei Mal aufgegriffen.

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  • Joseph von Eichendorff: „Nachruf“

    Du liebe, treue Laute,
    Wie manche Sommernacht,
    Bis daß der Morgen graute,
    Hab’ ich mit dir durchwacht!


    Die Täler, wieder nachten,
    Kaum spielt noch Abendrot,
    (Wolf: „Schon sinkt das Abendrot,“)
    Doch die sonst mit uns wachten,
    Die liegen lange tot.


    Was wollen wir nun singen
    Hier in der Einsamkeit,
    Wenn alle von uns gingen,
    Die unser Lied erfreut’?


    Wir wollen dennoch singen!
    So still ist’s auf der Welt;
    Wer weiß, die Lieder dringen
    Vielleicht zum Sternenzelt.


    Wer weiß, die da gestorben,
    Sie hören droben mich
    Und öffnen leis’ die Pforten
    Und nehmen uns zu sich.



    Hugo Wolf: „Nachruf“

    Dieses Lied wurde am 7. Juni 1880 in Wien komponiert. Es ist nicht recht verständlich, warum Wolf es nicht in seinen Eichendorff-Band aufgenommen hat, denn es stellt zweifellos eine bedeutende Vertonung des Gedichts „Nachruf“ dar. Dies deshalb, weil die Ambivalenz der lyrischen Aussage, dieses Neben- und Ineinander von wehmütigem Rückblick und einer im „Dennoch“ sich artikulierenden Bejahung von Gegenwart und Zukunft im Akt des „Singens“ auf klanglich faszinierende Weise in der Musik reflektiert wird. Das geschieht in einer melodischen Linie, die sich, auf der Grundlage eines Lautenklänge imaginierenden Klaviersatzes, aus der Neigung, sich einer fallenden Tendenz zu überlassen und einmal sogar in tiefer Lage zu verharren, immer wieder zu nach oben gerichteten Sprungbewegungen aufrafft und einmal, bei dem lyrisch zentralen Wort „dennoch“ nämlich, ganz bewusst die das Lied einleitende und mehrfach wiederkehrende Figur aus fallenden Sekunden und Terz in eben dieser abwärts gerichteten Tendenz aufhält und – verbunden mit einer Rückung in den Dur-Bereich – nach oben richtet.


    Man kann, und das ist auch Teil der in Bann schlagenden Größe des Liedes, diese musikalische Ambivalenz schon im Vorspiel hörend erfahren. Zwischen As-Dur und Des-Dur modulierende arpeggierte Akkorde imaginieren Lautenklang, aber dazwischen ereignen sich zuerst zweimal ein- und zweistimmige Fallbewegungen, und am Ende, vor dem Einsatz der Singstimme im vierzehnten Takt, steigen akkordisch begleitete Viertel unter mehrfacher, chromatisch geprägter Modulation zielstrebig in die Höhe und münden in einen sechsstimmigen arpeggierten As-Dur-Akkord. Das ist der musikalische Geist des ganzen Liedes, der hier zu vernehmen ist.


    Das melodische Motiv, das auf dem ersten Vers der ersten Strophe liegt („Du liebe, treue Laute“) nimmt im Verlauf des Liedes eine Art Schlüsselfunktion für die zentrale musikalische Aussage an. Es taucht noch weitere zwei Mal auf, nämlich am Beginn der dritten und dem der letzten Strophe. Und das hat einen tiefen Sinn: Es ist die musikalische Artikulation der Ansprache des lyrischen Ichs an seine „Laute“, die wie eine Art „Auslöser“ all dem zugrunde liegt, was es ansonsten noch zu sagen hat. Insofern bildet dieses Motiv eine Art melodisches Gerüst für all die anderen Bewegungen, die die melodische Linie sonst noch ausführt. Und es ist von daher nur konsequent, dass es auch auf den Worten „Was wollen wir nun singen?“ und „Wer weiß, die da gestorben“ liegt, denn auch diese Verse gehen aus der Ansprache an die Laute hervor. In ihrer abwärts gerichteten, leicht rhythmisierten und zögerlich wirkenden, weil zweimal innehaltenden Kombination aus einer Terz und zwei Sekunden mutet diese Figur, auch weil sie in Dur harmonisiert ist, traulich und wehmütig zugleich an.


    Überaus reizvoll ist es nun, mitzuerleben, wie dieses Motiv in den einzelnen Strophen jeweils weiterentwickelt und wie es in der lyrisch zentralen vierten Strophe modifiziert wird. In allen Fällen, wo es in gleichsam reiner Gestalt auftaucht, schließt sich – wie bei den Worten „wie manche Sommernacht“ zu vernehmen – die zunächst auf einem „As“ verharrende und dann in einen bogenförmigen Sprung übergehende Bewegung an. Dann aber reflektiert die melodische Linie jeweils die Aussage des lyrischen Textes. Bei „Bis daß der Morgen graute“ taucht sie in tiefe Lage ab, um sich danach zu dem Wort „durchwacht“ hin in Terzen wieder aufzuschwingen. Bei den Worten „Wenn alle von uns gingen“ gerät sie in ein wie von der Erinnerung an die Toten bewirktes expressives Auf und Ab in Quintintervallen mit nachfolgendem Septfall. Und bei dem visionär-ruhigen Bild vom „leisen Öffnen der Pforten“ bewegt sich die Vokallinie nach einem anfänglichen Quintfall in einer ruhigen Abwärtsbewegung zu einem tiefen „es“ hin und verharrt dort in silbengetreuer Deklamation lange, bevor sie den Quartsprung zum Grundton bei dem Wort „sich“ vollzieht.


    Zwei Strophen gibt es, in denen sich melodisch und harmonisch Anderes ereignet. Und auch dies ist natürlich lyrisch-textbedingt. Die zweite Strophe evoziert lyrisch das Bild von den „nachtenden“ Tälern und dem „sinkenden“ Abendrot“, - hinführend zu der der dichterischen Aussage zugrunde liegenden Beschwörung der Toten. Die Liedmusik reflektiert dies mit einer harmonischen Rückung nach einem tiefen „Fes“, aus dem sich die melodische Linie, die sehr lange in syllabisch exakter Deklamation im tiefen tonalen Raum von „Ces“ und „Ges“ verbleibt, in ihrer Harmonisierung wie mühsam modulatorisch wieder nach oben arbeitet, um dann aber in dieser Bewegung dem Wort „tot“ auf einem „C“ in oberer Mittellage zu enden, das in klanglich erschreckend dissonanter Weise mit einem Akkord aus den Tönen „Ges-As-C-Es-Heses“ begleitet wird, dem ein in tiefe Lage führender chromatischer Fall von Akkorden nachfolgt.


    Und dann ist da noch das aus der stillen Trauer des „Nachrufs“ herausführende „dennoch“ der vierten Strophe. Hier setzt die melodische Linie mit dem gleichen deklamatorischen Doppelschritt auf einem Ton ein, wie sie das auch in ihrer leitmotivischen Gestalt tut. Aber nicht nur ihre über die Dominante zu einem „Es-Dur“ hinführende Harmonisierung ist eine andere, sie beschreibt auch nicht die gewohnte Fallbewegung in Terzen und Sekunden. Sie wirkt jetzt, als sträube sie sich nun gegen den Trend nach unten. Nur zwei Mal ereignet sich ein Sekundfall, dazwischen aber verharrt die Singstimme erst drei Mal, dann zwei Mal auf der tonalen Ebene, die sie gerade erreicht hat.


    Hier kommt ein frischer Ton in die Musik des Liedes, - und es ist ein leiser, was ihn umso eindringlicher macht. Die melodische Linie der Singstimme beschreibt drei Mal eine Bogenbewegung. Anfänglich, bei den Worten „So still ist´s auf der Welt“ umfasst diese noch das Intervall einer Quinte. Dann aber, bei den beiden letzten Versen dieser Strophe, weitet sich der melodische Bogen in den Raum einer kleinen Oktave und einer kleinen Septe aus und endet mit einer langen Dehnung bei der letzten Silbe des Wortes „Sternenzelt“ auf der Quinte der Grundtonart As-Dur. Durchweg moduliert dabei die Harmonik im Dur-Bereich von „As“ und „Des“.
    Das lyrische „dennoch“, das sich aufrüttelnd in die Wehmut des Nachrufs drängt und das lyrische Ich in die zur Zukunft sich öffnende Gegenwart zurückholt, hat hier auf höchst beeindruckende Weise klanglichen Ausdruck gefunden.

  • Dieses Lied entstand in einer Zeit, in der Wolf in schlimmen finanziellen Nöten war. Im Herbst 1879 verlor er alle seine Schüler, und sein Vater, der ihm bislang immer wieder einmal aus der Patsche geholfen hatte, stand selbst vor dem finanziellen Ruin. Erstaunlich ist, aber doch wiederum bezeichnend für den tiefen Ernst, der hinter seinem kompositorischen Schaffen stand, dass er damals, also Ende des Jahres 1879 und Anfang des nächsten, eine ganze Reihe von Liedern schuf, die er wohl als eine Art liedkompositorisches Projekt verstand. Die Titel dieser Lieder, darunter die erste Eichendorff- Vertonung („Erwartung“), ferner „Die Nacht“, „Nachruf“ und eine frühe Fassung von „Verschwiegene Liebe“, aber auch eine Heine-Vertonung (Wie des Mondes Abbild zittert“) und solche auf Gedichte von Nikolaus Lenau („Herbstentschluß“, „Der schwere Abend“), finden sich auf einem Briefumschlag, der den Vermerk „Fräulein V…F…geweiht“ trägt.


    Vielleicht ist die römische Ziffer „IX“, die sich auf dem Manuskript dieses Liedes „Nachruf“ findet, als Nummerierung im Sinne dieses liedkompositorischen Projekts zu verstehen, - und nicht, wie der Herausgeber der „Nachgelassenen Lieder“ (im Rahmen der Hugo Wolf-Edition) meint, als „Schlussteil(?) eines Eichendorff-Zyklus“. Aber das ist die Vermutung eines musikwissenschaftlichen Laien, - und als solche hier nicht weiter relevant. Viel bedeutsamer erscheint die Bemerkung von D. Fischer-Dieskau, weil sie das Wesen dieses Liedes erfasst. In seinem Hugo Wolf-Buch bemerkt er zu diesem Lied:


    „Der ergreifende >Nachruf< von Eichendorff bleibt glücklicherweise erhalten. Er übertrifft alle anderen Vertonungen einschließlich der bekannten von Othmar Schoeck bei weitem. Unverkennbar klingt hier der erst Teil des Eichendorff-Liedes >Heimweh< oder auch sein >Ständchen< schon an, vielleicht gerade weil sich die einfach arpeggierende, eine Laute imitierende Begleitung so unprätentiös gibt. Hinter dem >Wir wollen dennoch singen< steht ein gerüttelt Maß an Willen zur Beständigkeit. Ein frühes Meisterwerk!“ (S.107)


    Auf die Vertonung dieser Verse durch Othmar Schoeck muss an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Hierzu finden sich mehrere Beiträge im Thread „Othmar Schoeck und seine Lieder“, - einschließlich eines kurzen Vergleichs mit dieser Wolf-Komposition (Beiträge 72 bis 77, vom 14.-16.9.2012). Warum Fischer-Dieskau diese als „Meisterwerk“ einstuft, begründet er nicht näher, - wie das meist der Fall ist. Er überlässt es getrost den Hörern seiner – ebenfalls meisterhaften – sängerischen Interpretation des Liedes, dieses Urteil als berechtigt zu erkennen.


    Und er tut ja recht darin. Das schlichte Hören genügt völlig, um von diesem Lied „ergriffen“ zu werden. Hier spricht ein Alter, dem alle weggestorben sind, denen er seine Lieder sang, in einsam-monologischem Gestus mit seiner „lieben treuen Laute“. Und das „Meisterhafte“ an diesem Lied scheint mir zu sein, dass man durch die Melodik und ihre ganz spezifische Harmonisierung in Gestalt des Klaviersatzes in diese Situation auf eine fast magische Weise hineingezogen wird.


    Dieser Alte spricht einleitend mit seiner Laute in der immer gleichen melodischen Grundfigur, - jener von leichter Wehmut angehauchten, die anfänglich auf den Worten „Du liebe, treue Laute“ liegt. Das ist der musikalische Inbegriff von monologischer Einsamkeit. Nur einmal, wenn die gegenwärtige Welt da draußen, mit ihren „nachtenden Tälern“ und dem Bewusstsein der Vergänglichkeit, nach ihm greift, in der zweiten Strophe also, weicht die melodische Linie von dieser Grundfigur ab und bewegt sich – in Fes und Ges harmonisiert – wie unter schwerer Last bedrückt in tiefer Lage.


    Immer wieder, in der ersten, der dritten und der fünften Strophe, setzt die melodische Linie mit diesem wehmütigen Motiv an. Es beherrscht das Denken und Fühlen dieses lyrischen Ichs in seiner Situation des rückwärtsgewandten „Nachrufs“. Und der so sehr in Bann schlagende Zauber des Liedes besteht darin, jeweils seiner gesanglichen Fortführung zu folgen, die sich als eine melodische Verkörperung der lyrischen Aussage erweist. Wenn der Morgen graut, senkt sie sich ab, um bei dem lyrischen Stichwort „durchwacht“ über das Intervall einer Quinte wieder aufzusteigen. Bei dem Wort „Einsamkeit“ verharrt sie mit einer Dehnung in hoher Lage, um dann aber die seelische Erregung beim Gedanken an die, die „von uns gingen“, mit einem sprunghaften Auf und Ab im tonalen Raum einer ganzen Oktave zu reflektieren. Und bei dem Gedanken, dass „die droben“ hören, was das lyrische Ich zu singen hat, beschreibt die melodische Linie zunächst die gleichen Bewegungen wie dort, wo es um die „Einsamkeit“ des lyrischen Ichs geht. Dann aber kommt eine leichte Lebhaftigkeit in die Bewegung der Vokallinie, die am Ende in den mit einer Rückung in die Grundtonart verbunden Quartsprung bei den letzten Worten des Gedichts mündet.


    Er wirkt klanglich wie eine Erlösung und Befreiung aus all der sanften Wehmut, die in der Melodik dieses Liedes aufklingt, - und zugleich ein Einlösung des Entschlusses, wie er im einleitenden „Dennoch“ der vierten Strophe lyrisch artikuliert und melodisch umgesetzt ist. Denn auch diese wird ja mit dem zentralen melodischen Motiv eingeleitet. Nur weist es dieses Mal eine zwar nur kleine, aber gleichwohl entscheidende Modifikation auf: Die Fallbewegung wirkt wie gebremst, weil sie zweimal in syllabisch exakter Deklamation auf der eingenommenen tonalen Ebene verharrt und am Ende nur noch einen Sekundfall vollzieht. Freilich einen, der in seiner Harmonisierung wie eine Rückung von der Dominante in die Tonika wirkt.


    Hier hört man tatsächlich das „Meisterwerk“ eines gerade mal zwanzigjährigen Liedkomponisten, dem sein Vater gerade brieflich mitgeteilt hat:
    „Was nützt Dir Dein Aufenthalt in Wien? In maßgeblichen Kreisen bist Du nicht beliebt und wirst Dich bei Deinem Temperament nicht beliebt machen. (…) Ich bedaure Dich und Dein Unvermögen, sich in alle Verhältnisse zu fügen.“

  • Joseph v. Eichendorff: „Der verliebte Reisende I“

    Da fahr´ ich still im Wagen,
    Du bist so weit von mir,
    Wohin er mich mag tragen,
    Ich bleibe doch bei dir.


    Da fliegen Wälder, Klüfte
    Und schöne Täler tief,
    Und Lerchen hoch in den Lüften,
    Als ob dein´ Stimme rief’.


    Die Sonne lustig scheinet
    Weit über das Revier,
    Ich bin so froh verweinet
    Und singe still in mir.


    Vom Berge geht´s hinunter,
    Das Posthorn schallt im Grund,
    Mein Seel´ wird mir so munter,
    Grüß´ dich aus Herzensgrund.




    Hugo Wolf: „In der Fremde I“

    Dieses Lied entstand am 27. Juni 1881 in Windischgratz. Es steht in F-Dur als Grundtonart, weist einen Zweivierteltakt auf und ist mit der Anweisung „In ruhiger Bewegung“ versehen. Seine Musik fängt den permanenten Wechsel der Perspektive zwischen dem situativen Hier des lyrischen Ichs und der Ferne des geliebten Du mit einer melodischen Linie ein, die sich immer wieder aus einer fallenden Tendenz zu einer Aufschwungbewegung aufrafft, und mit einem Klaviersatz, der in der Lebhaftigkeit der Bewegung von Achtel- und Sechzehntelfiguren und der Vielfalt der harmonischen Modulationen seelische Erregung reflektiert.


    Es ist freilich eine übe den größten Teil des Liedes stark introvertierte. Die Dynamik verbleibt im Bereich des Pianos, und die melodischen Dehnungen und mehrtaktigen Pausen in der melodischen Linie der Singstimme suggerieren Nachdenklichkeit. Erst bei der letzten Strophe lautet die Anweisung „etwas bewegter“, und die Dynamik steigert sich ins Fortissimo. Das lyrische Ich geht aus sich heraus und ruft ein „grüß´ dich“ hinüber in die ferne Welt des Du.


    „Ruhig bewegt“ ist schon das viertaktige Vorspiel mit seinen in Diskant und Bass in engem tonalen Raum sich entfaltenden Achtel- und Sechzehntel-Bewegungen. Sie sind aber leicht rhythmisiert und verlaufen disparat. Man empfindet das als Einstimmung auf die seelischen Regungen, des lyrischen Ichs in seiner Situation des „Still-im Wagen-Fahrens“. Diese artikuliert es dann bei den ersten Worten („Da fahr´ ich still im Wagen“) mit einer syllabisch exakt deklamierten melodischen Linie, die in ihrer in zwei Sekunden und einer Quarte sich vollziehenden Fallbewegung das konstatierende „Da“ reflektiert, aber dann doch mit der kleinen Dehnung auf dem Wort „still“ auf die seelische Dimension des Vorgangs abhebt.


    Dieses die Ausgangssituation des Gedichts auf treffende Weise einfangende melodische Motiv nimmt im weiteren Verlauf des Liedes eine Art leitmotivische Funktion an, denn es taucht nicht nur in der melodischen Linie zu Beginn der dritten Strophe wieder auf, es beherrscht darüber hinaus den ganzen Klaviersatz. Faszinierend ist dabei, wie es dies tut. Es klingt nicht nur in gleichsam reiner Form immer wieder einmal auf und sinkt im Nachspiel, das Nach- und Versklingen der seelischen Regungen des lyrischen Ichs imaginierend, langsam in die Tiefe ab („moriente“), es begleitet die Singstimme auch in gleichsam vielfältig gebrochener Gestalt, - als setze es in seiner Urform an, könne diese aber nicht weiter beibehalten, weil die Notwendigkeit des Reagierens auf die melodische Linie dies nicht zulasse. Aber weil man ihm als Hörer des Liedes immer wieder in vollständiger und auch bruchstückhafter Gestalt begegnet, meint man, dass es ganz und gar von diesem Motiv beseelt ist und aus ihm lebt.


    Diese Seele ist eine des Sich-Aufschwingens aus der Situation des einsam in der Fremde Weilenden und Reisenden im Gedenken an das geliebte Du, wobei ja lyrisch die daraus genährten beglückenden Empfindungen auch die Erfahrung realer Gegenwart einfärben. Diese ist nicht bedrückend, sondern beseligend, weil im Singen der Lerche der Ruf der Geliebten vernommen wird. Dies alles reflektieren Melodik und Klaviersatz und ihre jeweiligen Harmonisierung in klanglich tief beeindruckender Weise. Strophe für Strophe wird man hörend einbezogen in eine aus einer anfänglichen melodischen und harmonischen Abwärtstendenz hervorgehenden Aufschwung-Bewegung, die in der letzten Strophe einen emphatischen Höhepunkt in dem fortissimo artikulierten „Grüß´ dich aus Herzensgrund“ erreicht.


    Drei Mal sinkt die melodische Linie bei der ersten Strophe zuerst über eine Sexte und dann über eine Quarte ab, bevor sie sich dann bei den Worten „Ich bleibe doch bei dir“ in einen Aufschwung bis zu einem hohen „Fis“ steigert. Die Harmonik folgt dieser melodischen Bewegung mit Modulationen von F-Dur über G-Dur nach D-Dur. Die zweite Strophe nimmt lyrisch eine Sonderstellung ein: Im Erlebnis naturhafter Umwelt begegnet dem lyrischen Ich der Ruf der Geliebten. Die Metaphorik ist lyrischer Ausdruck von beseelter Welterfahrung, und die Musik reflektiert dies auf faszinierende Weise. Auf jedem der vier Verse liegt eine kleine, durch eine Achtelpause von der nachfolgenden abgegrenzte Melodiezeile. Bei den ersten drei Versen beschreibt die melodische Linie eine Aufwärtsbewegung, wobei eine Steigerung der Expressivität dadurch zustandekommt, dass sie jeweils um eine Terz höher ansetzt und dabei von B-Dur über Des-Dur nach D-Dur moduliert.


    Das lyrische Ich ist durch die Bilder von Wäldern, Tälern und Lerchen beflügelt, bis es dann die „Stimme“ der fernen Geliebten zu vernehmen meint. Und hier nun, bei den Worten “als ob dein´ Stimme rief“, hält die melodische Linie in ihrer Abwärtsbewegung inne und verharrt, in kleinen Sekunden von „F“ nach „Fis“ und zurück über „E“ nach „Es“ sich zaghaft bewegend, auf nur einer tonalen Ebene in hoher Lage. Und auch die Harmonisierung wirkt, in akkordischen Sechzehnteln in verminderter Gestalt pianissimo um „H“ pendelnd, in eindrucksvoller Weise vage und unbestimmt.


    Und wenn die melodische Linie bei dem Wort „rief“ in einer Dehnung lange auf einem hohen „E“ verharrt, meint man mitzuerleben, wie sich das lyrische Ich seinen Gedanken und Gefühlen an die ferne Geliebte hingibt. Das ist zweifellos eine das lyrische Wort in seiner Semantik in vollendeter Weise einfangende Liedmusik!

  • In Wolfs „Daten aus meinem Leben“ findet sich die Notiz:
    „1881 Bruch. Elend. Jammer. Nur ein Lied komponiert. Sommer Windischgraz. Winter über in Salzburg. Kapellmeister beim Theater. Schauderhafte Zeit gewesen.“
    Bei diesem „einen Lied“ handelt es sich um eben dieses auf Eichendorffs Gedicht, dem Wolf, abweichend von der lyrischen Vorlage, den Titel „In der Fremde I“ gab, - wohl in der Absicht, einen kleinen Zyklus unter diesem Thema zu komponieren. Aus dieser Zeit des „Jammers“ liegt nur noch ein einziger Liedkompositionsversuch vor, - auf ein Gedicht von Lenau mit dem Titel „An die Wolke“. Er besteht aus einem einzigen Takt.


    Dem, der sich auf das Liedschaffen Wolfs und den dahinterstehenden Menschen und Komponisten näher einlässt, stellt sich Fragen wie diese:
    Warum hat ihn ausgerechnet dieses Gedicht Eichendorffs zu der einzigen Liedkomposition dieses Jahres zu beflügeln vermocht? Und warum dieser Titel?
    Hat ihn der lyrische Text in der Zeit großer seelischer Wirren besonders angesprochen?
    Ist die Umbenennung in „In der Fremde“ Ausdruck seiner existenziellen Befindlichkeit damals? Immerhin ist es die Zeit seiner Trennung von Vally Franck. In einem der Briefe an Henriette Lang aus dieser Zeit finden sich die Sätze:
    „Weit schrecklicher sind jedoch die Träume, wo sie von mir weicht, mich nicht kennt, wo ich deutlich die Worte vernehme >Ich liebe dich nicht<. Darüber zu erwachen, tausendmal ihren Namen zu rufen, oft wie im Starrkrampf dazuliegen, derweil das Hirn in Fieberhitzen glüht. O! diese Qualen zu ertragen, gehört viel Mut dazu!“

    Wenn man dieses Lied auf dem Hintergrund dieser biographischen Gegebenheiten hört, meint man zu verstehen, warum Eichendorffs Gedicht als einziges damals zu einem Lied werden konnte, - nicht unter seinem Originaltitel „Der verliebte Reisende“, sondern unter dem, den Wolf ihm gegeben hat. „Verliebt“ war er zu dieser Zeit wohl nicht, vielleicht war er noch „liebend, aber er fühlte sich „in der Fremde“, weil seine Liebe als gelebte Beziehung zu einem anderen Menschen zerbrochen war. Und Eichendorffs Verse evozieren eine lyrische Situation, in der „Fremde“ als nicht unüberwindlich begegnet, in der sie nicht den wirklichen Bruch bedeutet, sondern in dem einsam-heimlichen, aber seelenvollen Gruß überbrückt werden kann. Ein Wunschtraum für Wolf damals, aber ein herbeigesehnter. Und deshalb das Angesprochen-Werden durch diese Verse Eichendorffs.


    Woran hört man das? An einer melodischen Figur, die eine gleichsam zentrale Rolle in diesem Lied spielt. Dies deshalb, weil sie sich originalgetreu wiederholt und weil sie in ihrer melodischen Gestalt und deren Harmonisierung hohe musikalische Expressivität entfaltet. Es ist die auf den Worten „Wohin er mich mag tragen, / Ich bleibe doch bei dir“. Sie erklingt in gleicher Gestalt, aber bezeichnenderweise in anderer Tonart harmonisiert, bei den Worten „und singe still in mir“. Etwas von einem stillen, weil verinnerlichten Jubel wohnt ihr klanglich inne. Das hängt mit ihrer melodischen Gestalt zusammen, dieser bogenartigen Bewegung, die aus zwei Sekundschritten nach oben in einen Terzsprung übergeht und danach wieder in Sekunden abfällt. Die Harmonisierung unterstützt diesen innigen melodischen Jubel mit einer ebenfalls gleichsam bogenförmigen Bewegung von der Subdominante über die Dominante zur Tonika.


    Aber dieser melodischen Figur steht – wie eine Art Kontrapunkt - eine andere gegenüber, in der sich die reale lebensweltliche Situation und die durch sie bedingte seelische Befindlichkeit dieses lyrischen Ichs klanglich konkretisiert. Sie besteht gerade nicht aus einer nach oben ausgreifenden Bogenbewegung der melodischen Linie, sondern aus einer, die aus mittlerer Lage in tiefe abfällt und deklamatorisch auf dieser Ebene verharrt. Man vernimmt sie bei den einleitenden Versen der ersten und der dritten Strophe, - eben dort, wo am Ende die schon beschriebene andere melodische Figur erklingt. Und sie weist auch in ihrer Harmonisierung nichts von bogenförmiger Beschwingtheit auf: Es ist ein schlichter Schritt von der Dominante zur Tonika.


    Dieses lyrische Ich erfährt sich selbst als eines, das sich, bedingt durch die Erfahrung der „Fremde“ in einer seelisch zwiespältigen Situation befindet. Eichendorff hat sie mit den Worten „ich bin so froh verweinet“ in poetisch höchst treffender Weise zum Ausdruck gebracht. Und ich meine: Aus diesem lyrisch-sprachlichen Zentrum des Liedes heraus hat Wolf sein Lied komponiert. Eben deshalb die zweifache Konfrontation jener melodischen Figuren.


    Und hört man genau hin, so meint man in der melodischen Linie, die auf diesen lyrisch zentralen Worten liegt, die das Lied einleitende Figur zu vernehmen, jene also, die die lebensweltlich-reale Situation des lyrischen Ichs musikalisch repräsentiert. In einer bemerkenswerter Variante freilich: Die Fallbewegung endet dieses Mal nicht auf dem Grundton, sondern auf der Terz darüber, - harmonisiert mit der Subdominante und sich darin klanglich öffnend für den monologisch einsam-stillen Jubel des „In-sich- Singens“.

  • Joseph von Eichendorff: „Der verliebte Reisende II“

    Ich geh´ durch die dunklen Gassen
    Und wandre von Haus zu Haus,
    Ich kann mich noch immer nicht fassen,
    Sieht alles so trübe aus.


    Da gehen viel´ Männer und Frauen,
    Die alle so lustig sehn,
    Die fahren und lachen und bauen,
    Daß mir die Sinne vergehn.


    Oft wenn ich bläuliche Streifen
    Seh über die Dächer fliehn,
    Sonnenschein draußen schweifen,
    Wolken am Himmel ziehn:


    Da treten mitten im Scherze
    Die Tränen ins Auge mir,
    Denn die mich lieben von Herzen
    Sind alle so weit von hier.




    Hugo Wolf: „In der Fremde II“

    Dieses Lied entstand am 3. Mai 1883 in Wien. Ein Viervierteltakt liegt ihm zugrunde, und die Vortragsanweisung lautet „Langsam“. Gis-Moll ist als Grundtonart vorgegeben, aber die Harmonik moduliert häufig, und auch im Tongeschlecht besteht keine Einheitlichkeit. Moll-Harmonik dominiert zwar, aber zweimal ist die melodische Linie der Singstimme in Fis-Dur harmonisiert, auch Gis-Dur klingt kurz auf. Die permanente Wandlung von Tonart und Tongeschlecht ist wohl als musikalischer Ausdruck der inneren Verstörung des lyrischen Ichs in der Einsamkeit des „Gehens durch die dunklen Gassen“ und des Ausgegrenzt-Seins von jener Welt zu verstehen, in der „alle so lustig sehn“. Immerhin kulminiert die lyrische Aussage ja doch in den Worten „Daß mir die Sinne vergehn“.


    Auch die melodische Linie der Singstimme reflektiert diese existenzielle Befindlichkeit des lyrischen Ichs auf eine höchst beeindruckende Weise. Immer wieder verharrt sie in syllabisch exakter Deklamation auf nur einer tonalen Ebene und geht am Ende in eine Dehnung über, als finde das lyrische Ich nicht die Kraft, sich aus einer Lethargie zu lösen, in die seine Einsamkeit es gebracht hat. Dann aber kommt es doch dazu, dass all das verinnerlichte Leiden aus ihm herauswill und die schmerzliche Klage in die melodische Linie dringt. Das ereignet sich am Ende der zweiten und der letzten Strophe bei den Worten „Daß mir die Sinne vergehn“ und „Sind alle so weit von hier“. Auch in diesen Fällen geht ein Verharren der melodischen Linie auf einer (dieses Mal hohen) tonalen Lage voraus. Nun aber ist die Dehnung am Ende mit einem kleinen Sekundfall verbunden, den das Klavier fortissimo mit einer Rückung von verminderten Akkorden begleitet und in seiner klanglich-dissonanten Schmerzlichkeit akzentuiert.


    Das Bild von den „dunklen Gassen“, das die erste Strophe beherrscht, wird von der Liedmusik auf fast schon bedrückende Weise reflektiert. Sie wirkt selbst klanglich dunkel und verbleibt wegen der Starre, in der sich die melodische Linie bewegt, seltsam verhalten. Zwei Mal deklamiert die Singstimme auftaktig einen ganzen Vers auf nur einem Ton: Den ersten – in gis-Moll harmonisiert – auf einem „Gis“ in tiefer Mittelage, und den dritten eine Terz höher auf einem „H“ (nun in h-Moll harmonisiert). Beim zweiten und vierten Vers beschreibt sie zwar eine wellenförmige Bewegung, die greift aber nur um eine Terz nach oben aus, und die ganze Bewegung wirkt, weil sie am Ende wieder in Gestalt einer Dehnung auf dem Ausgangston landet, als habe die melodische Linie diese tonale Ebene nicht wirklich verlassen. Dieses lyrische Ich ist einsam in sich versunken, es schreitet aber dahin, wie der Klaviersatz recht deutlich vernehmen lässt: Er besteht im Bass aus einer gleichförmigen Abfolge von Viertel-Oktaven, die sich bogenförmig auf und ab bewegen. Sie verstärken den Eindruck klanglicher Dunkelheit, der von der ersten Strophe ausgeht.


    Die Begegnung des lyrischen Ichs mit den „Männern und Frauen, die alle so lustig sehn“ bringt ein wenig mehr Leben in Melodik und Klaviersatz. Und auch die Harmonik weist so etwas wie einen Lichtblick auf: Nun ist die melodische Linie in Dis-Dur harmonisiert. Sie verbleibt zwar auch hier anfänglich auf der tonalen Ebene eines „Cis“ in oberer Mittellage, dann aber beschreibt sie bei dem Wort „Frauen“ zum ersten Mal eine Sprungbewegung über ein größeres Intervall (eine Quinte) und geht danach in eine mit einer Dehnung auf einem „Gis“ in tiefer Lage endende wellenförmige Abwärtsbewegung über. Dann aber, bei den beiden folgenden Versen der zweiten Strophe, kommt wieder dieser deklamatorisch insistierende, weil auf der gerade eingenommenen tonalen Ebene verharrende Gestus in die melodische Linie. Nur dass er dieses Mal ein in der Expressivität sich steigernder ist. Die tonalen Ebenen heben sich an, und es kommt zu der schon beschriebenen verminderten Sekundfall-Bewegung bei dem Wort „vergehn“, wobei das Klavier, das bislang im Diskant ein gleichförmiges Auf und Ab von Achteln und Vierteln artikulierte, nun, bei dieser expressiven Steigerung im letzten Vers der Strophe, zu einem modulatorischen, weil von Gis- und Dis-Dur über gis-Moll zu des-Moll führenden Wirbel von Akkorden übergeht.


    Etwas will heraus aus diesem lyrischen Ich, und das ereignet sich noch einmal in der vierten Strophe, wobei sich bemerkenswerter Weise die melodischen Bewegungen mit nur geringen Modifikationen wiederholen. Wieder bricht die melodische Linie in einen Klageton aus, und die melodischen Figuren, mit denen dies bei den Worten „Da treten mitten im Scherze“ und „Sind alle weit von hier“ geschieht, sind diejenigen auf den beiden letzten Versen der zweiten Strophe, - einschließlich des verminderten Sekundfalls mit Dehnung in hoher Lage, der chromatisch fallenden Harmonik im Klaviersatz und der Steigerung der Dynamik ins Fortissimo.


    Diese Passagen des Liedes wirken deshalb so expressiv, weil die Klage eine stille ist, eine, in der das lyrische Ich piano, ja pianissimo sein seelisches Innere zum Ausdruck bringt, - in beeindruckender Weise zu vernehmen etwa bei den Anfangsworten der dritten Strophe: „Oft wenn ich bläuliche Streifen / Seh über die Dächer fliehn“. Piano senkt sich die melodische Linie hier bis zu einem tiefen „Eis“ ab, bevor sie wieder mit einem Crescendo zur insistierenden Deklamation auf nur einem Ton in hoher Lage (einem „Dis“) bei den Worten „Sonnenschein draußen“ übergeht. Und auch das Klavier macht diese Steigerung der Expressivität mit, indem es statt ruhig schreitenden Auf und Ab von Viertel-Oktaven, wie man es von der ersten Strophe her kennt, z.T. triolisch geprägte lebhafte Abwärtsbewegungen von Achtel-Oktaven artikuliert.


    So dunkel und schwer dieses Lied in seinem gis-Moll einsetzt und so verstörend die vereinzelten Ausbrüche von Expressivität wirken, - es endet in einer langen melodischen Dehnung, die in reinem Des-Dur harmonisiert ist. Aber das ereignet sich im allerletzten Moment, denn es ist ja kein wirklich glückliches Ende. Es ist ein Sich-Fügen in das Schicksal des Verlassen- und Einsam-Seins. Das drückt sich in der zweimaligen Wiederholung der Worte „so weit von hier“ aus. Melodisch liegt diesen Worten, die ja drei Mal deklamiert werden, eine Fallbewegung zugrunde, die sich in der Wiederholung in ihren Intervallen immer mehr abflacht, wobei sich eine Modulation über ges-Moll zu Des-Dur am Ende ereignet.
    Dieses lyrische Ich fügt sich in sein Los. Und Hugo Wolf hat dies eindringlich in Musik gesetzt.

  • Eichendorffs Gedicht fängt die Erfahrung von existenzieller Fremdheit mit lyrischen Bildern ein, die deshalb so starkes evokatives Potential aufweisen, weil sie kontrastiv angelegt sind: Hier das lyrische Ich, das sich in der Situation, in der es sich befindet – dem In-der Fremde-Sein als „Wandern von Haus zu Haus“ – „nicht fassen“ kann, und dort die Bilder der unbesorgten Entfaltung bürgerlichen Lebens: Menschen, die „fahren und lachen und bauen“. Das „Da“, mit dem die letzte Strophe einsetzt, entfaltet in diesem Zusammenhang eine starke lyrisch-sprachliche Kraft. Es wirkt wie das Fanal der Bewusstwerdung des situativen Augenblicks. Die Tränen, die Antwort der Seele darauf, treten „mitten im Scherze“ in das Auge. Das Bewusstsein existenzieller Fremdheit ist übermächtig. Es lässt Alltäglichkeit im Verkehr mit anderen Menschen nicht mehr zu.


    Hat Wolfs Lied auf diese Verse Eichendorffs dies alles in Musik umgesetzt und in interpretierender Weise ausgeleuchtet?
    Ich dachte bislang: Ja, das hat es! Aber nun lese ich bei Dietrich Fischer-Dieskau:
    „Im Mai (1883) lässt sich Wolf dann noch einmal von Eichendorff bezaubern, mit >Ich geh´ durch die dunklen Gassen<. Aber der leidenschaftliche Ton wie einst bei diesem Dichter (und auch bei Lenau) findet sich nicht mehr wieder. Der ungeschickten, mitunter gedrechselt wirkenden Melodiebildung mangelt es an Überzeugungskraft.“
    Und auch Erik Werba spricht mit Blick auf dieses Lied und die drei Kompositionen auf Reinick-Gedichte, die in dieser Zeit entstanden sind („Frühlingsglocken“, „Liebesbotschaft“ und „Liebchen, wo bist du?“) von „Handgelenksübungen“ Wolfs, - „für noch nicht absehbare spätere Taten“.


    Kann, - darf man hier wirklich von „ungeschickter“, „mitunter gedrechselt wirkender“ Melodiebildung sprechen. Ich gestehe: Das habe ich nie so empfunden, und ich wundere mich über dieses Urteil Fischer-Dieskaus. Vermutlich, so versuche ich es mir zu erklären, setzt er damit an der Tatsache an, dass die melodische Linie der Singstimme – wie in der ersten Strophe besonders deutlich zu vernehmen - dazu neigt, deklamatorisch auf einer tonalen Ebene zu verharren, danach in wenigen Sekund-Schritten davon abzuweichen und am Ende wieder in Gestalt einer Dehnung dazu zurückzukehren. In verkürzter und modifizierter Form begegnet einem diese Tendenz im Verlauf des Liedes immer wieder, und überdies wiederholen sich dabei auch bestimmte melodische Figuren noch einmal.


    Dieses aber habe ich – darin abweichend von D. Fischer-Dieskau – gerade als Ausdruck kompositorischer Kunstfertigkeit verstanden, also alles andere als Niederschlag von „Ungeschicklichkeit“. Warum?


    Für mich drückt sich in dieser melodischen Monotonie die Hoffnungslosigkeit aus, die sich wie eine Art Lähmung auf das lyrische Ich legt. Wolf komponiert sein Lied von der lyrischen Ausgangssituation her, die mit den Versen umrissen wird: „Ich kann mich noch immer nicht fassen, / Sieht alles so trübe aus.“ Und genau auf diesen lyrischen Worten liegt diese klanglich wie öde wirkende, weil deklamatorisch starr wirkende melodische Linie. Hört man danach ihre weitere Entfaltung, dann vernimmt man, dass sie von dieser deklamatorischen Starre dort abweicht, wo sich die Begegnung des lyrischen Ichs mit der realen Lebenswelt ereignet (also in der zweiten Strophe), und in jenen Passagen des Liedes, wo sich mit dem lyrischen „Da“ das Bewusstsein der existenziellen Situation der Fremdheit meldet.


    Und hier nun, in dieser die tiefe seelische Erschütterung des lyrischen Ichs zum Ausdruck bringenden letzten Strophe, begegnet man in der melodischen Linie des ersten und des letzten Verses einer Wiederholung von Figuren, die man aus eben dieser zweiten Strophe kennt. Das verstehe ich nicht als Indiz einer kompositorischen Unzulänglichkeit („Ungeschicktheit“) in der Melodiebildung, sondern als musikalischen Niederschlag einer in die Tiefe der dichterischen Aussage vordringenden Rezeption dieser Verse Eichendorffs.

  • Joseph v. Eichendorff: „Der verliebte Reisende VI“

    Wolken, wälderwärts gegangen,
    Wolken, fliegend übers Haus,
    Könnt ich an euch fest mich hangen, („fest“ fehlt bei Wolf)
    Mit euch fliegen weit hinaus!


    Tag’lang durch die Wälder schweif´ ich,
    Voll Gedanken sitz´ ich still,
    In die Saiten flüchtig greif´ ich,
    Wieder dann auf einmal still.


    Schöne, rührende Geschichten
    Fallen ein mir, wo ich steh´,
    Lustig muß ich schreiben, dichten,
    Ist mir selber gleich so weh.


    Manches Lied, das ich geschrieben
    Wohl vor manchem langen Jahr,
    Da die Welt vom treuen Lieben (Wolf: „von treuem Lieben“)
    Schön mir überglänzet war;


    Find ich´s wieder jetzt voll Bangen:
    Werd ich wunderbar gerührt,
    Denn so lang ist das vergangen, (Wolf: „Denn so lange ist vergangen“)
    Was mich zu dem Lied verführt.


    Diese Wolken ziehen weiter,
    Alle Vögel sind erweckt,
    Und die Gegend glänzet heiter,
    Weit und fröhlich aufgedeckt.


    Regen flüchtig abwärts gehen,
    Scheint die Sonne zwischendrein,
    Und dein Haus, dein Garten stehen
    Überm Wald im stillen Schein.


    Und du harrst nicht mehr mit Schmerzen,
    Wo so lang dein Liebster sei -
    Und mich tötet noch im Herzen
    Dieser Schmerzen Zauberei.




    Hugo Wolf: „In der Fremde VI“

    Dieses Lied entstand am 30. Januar 883 in Wien. Es weist einen Viervierteltakt auf, die Grundtonart ist g-Moll, und die Vortragsanweisung lautet „Mäßig bewegt“. In seiner musikalischen Substanz ist es vielgestaltig, liegt ihm doch ein Gedicht von acht Strophen zugrunde, in dem die lyrische Perspektive zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her pendelt. Gleichwohl weist es einen einheitlichen Grundton auf. Es ist einer, der die zentralen Aussagen der ersten und der letzten Strophe – und damit also den lyrischen Rahmen des Gedichts – zusammenbindet: „könnt ich … mit euch fliegen weit hinaus“ und „Mich tötet noch im Herzen dieser Schmerzen Zauberei“. Klanglich geprägt ist er von schmerzlich elegischer Sehnsucht, deren Quell existenzielle Einsamkeit ist. Er konkretisiert sich in einer melodischen Linie, die sich zwischen schweifender Bewegtheit und insistierend beharrender Deklamation entfaltet; einem Klaviersatz, in dem fließende Achtelfiguren-Ketten in repetierende Akkorde übergehen und von dort wieder zu sich zurückfinden; und in einer Harmonik, die in permanenter Modulation zwischen den Tongeschlechtern hin und her wandert und am Ende dann doch zu dem g-Moll zurückfindet, das den klanglichen Kern des Liedes bildet und die zentrale lyrische Aussage einfängt.


    Mit aus der Tiefe des Basses (einem „D“) in vorwiegend Sekundschritten bis in den Diskant aufsteigenden Achteln setzt das Lied im Vorspiel ein. Diese Linie setzt sich auch noch fort, nachdem die Singstimme eingesetzt hat, und es ist die Grundstruktur des Klaviersatzes der ganzen ersten Strophe. Achtelketten bewegen sich in Bass und Diskant teils gegenläufig, teils im Einklang schweifend dahin, und man darf dies wohl als musikalische Imagination des Bildes von den „fliegenden Wolken“ verstehen. Auch der melodischen Linie der Singstimme wohnt etwas von diesem schweifenden Gestus inne. Sie bewegt sich überwiegend in Gestalt von Vierteln bogenförmig auf und ab, wobei ihre Entfaltung nur selten durch die Einlagerung von Achteln oder punktierten Vierteln in ihrem ruhigen Dahinfließen unterbrochen wird. In dieser Struktur und der durchgängigen Harmonisierung in g-Moll drückt sie das konjunktivische „könnte ich“ als einen geheimen Wunsch des lyrischen Ichs aus, und es ist nur konsequent, dass sie am Ende in eine Dehnung nicht auf dem Grundton, sondern auf der Quinte mündet.


    Ganz anders in ihrer Struktur die zweite Strophe. Hier beginnt das lyrische Ich seine gegenwärtige Situation zu reflektieren. Es sitzt „voll Gedanken“ still, und die Liedmusik reflektiert dies. Der Klaviersatz besteht nun durchgängig aus Vierergruppen von Achtelakkord-Repetitionen, und die melodische Linie, nun in As-Dur, H-Dur und C-Dur harmonisiert, hat den fließend-schweifenden Gestus abgelegt und bewegt sich, von Pausen unterbrochen, wie stockend auf und ab, wobei jeweils ein längeres deklamatorisch silbengetreues Verharren auf nur einer tonalen Ebene vorausgeht.


    In den beiden letzten Strophen begegnet man diesen Strukturmerkmalen von Melodik und Klaviersatz wieder. Dies aber nicht in der „reinen“ form, sondern in gleichsam aufgelockerter Gestalt. Das lyrische Ich ist hier zwar wieder in die Reflexion seiner augenblicklichen existenziellen Situation versunken, aber die Bilder von belebter und bewegter Natur wirken darin nach, und zudem stellt sich die Gewissheit des endgültigen Verlusts der Geliebten langsam ein. Auch jetzt weist der Klaviersatz Achtel-Repetitionen auf, und in der Harmonik dominieren C-Dur, A-Dur und H-Dur. Aber in den Klavierbass drängen sich Achtel-, Sechzehntel- und Zweiunddreißigstel-Figuren, und am Ende, im Nachspiel, löst sich alles in das in g-Moll harmonisierte Fließen von Achteln und Achtel-Akkorden auf. Und so ist es auch mit der melodischen Linie der Singstimme. Erst, in der siebten Strophe, wirkt sie in ihren Bewegungen wieder statisch, und es gibt am Anfang der achten Strophe auch noch das Verharren auf einer tonalen Ebene. Mehr und mehr (schon bei den Worten „mehr mit Schmerzen“) kommt aber dann die wellenförmige Bewegung in sie, und Moll-Harmonisierung klingt kurz auf.


    Am Ende, bei den beiden letzten Versen, wirkt sie dann so, als würde sie in dem Auf und Ab, wie man es schon von der zweiten Strophe her kennt, langsam ersterben. Bei dem Wort „Zauberei“ kommt es aus einer Dehnung auf einem „A“ heraus noch einmal zu einem kurzen Aufleben ins Gestalt eines Melismas, dann aber endet die melodische Linie in einer langen, in g-Moll harmonisierten Dehnung auf dem Grundton. Sie liegt auf der letzten Silbe des Wortes „Zauberei“ und stellt darin gleichsam die Quintessenz der Reflexion des lyrischen Ichs dar.

  • Die Vielfalt der musikalischen Substanz dieses Liedes will als musikalischer Ausdruck der vielfältigen seelischen Regungen gehört und verstanden werden, die sich in den acht Strophen des Gedichts lyrisch-sprachlich konkretisieren. So sehr man die Komposition als durchaus in sich geschlossen und ihre Vielfalt als eingebunden in einen musikalischen Grundton hören und empfinden mag, - Hugo Wolf scheint diesbezüglich nicht ganz zufrieden damit gewesen sein.


    Anders ist wohl die Tatsache nicht zu deuten, dass im Autograph der Notentext der Strophen drei bis fünf (einschließlich) mit Rötel schräg durchgestrichen ist. Es muss also wohl so gewesen sein, dass Wolf im Nachhinein in diesem kompositorischen Sich-Einlassen auf den permanenten Wandel der lyrischen Perspektive eine Gefahr für die musikalische Einheit und Geschlossenheit des Liedes gesehen hat.


    Aber man kann ja nachprüfen, ob Wolfs Befürchtungen berechtigt waren, indem man ganz einfach die beiden Fassungen unmittelbar hintereinander hört. Ich habe diese Probe aufs Exempel gemacht und bin zu dem Ergebnis gekommen: Für mich ist der kürzeren Fassung der Vorzug zu geben. Sie ist in der Tat die musikalisch schlüssigere, diejenige, die die lyrische Aussage gleichsam auf den Punkt bringt. Mit den Worten „Diese Wolken ziehen weiter“ schließt sie sowohl in der Struktur der melodischen Linie, wie auch in den schweifenden Achtelbewegungen an die erste Strophe an und führt die lyrische Aussage derselben weiter. Die Vokallinie wirkt nun weniger statisch, sie entfaltet sich lebhafter und umgreift größere tonale Räume. Zudem ist sie nun im Tongeschlecht Dur (G-Dur und D-Dur) harmonisiert.


    Das lyrische Ich fühlt sich von den Naturbildern, die ihm begegnen („Alle Vögel sind erweckt,
    / Und die Gegend glänzet heiter“) aus seiner anfänglichen Sehnsucht nach Befreiung aus dem Hier und Jetzt („Könnt ich an euch fest mich hangen“) in eine „weit und fröhlich aufgedeckte“ Gegenwart zurückgeholt, bevor es sich in den letzten beiden Strophen den schmerzlichen Gedanken und Gefühlen überlässt, die die imaginierten Bilder von „Haus und Garten“ des geliebten, aber verloren gegangenen Du in ihm auslösen. All die um das „Schreiben“, das „Dichten“ und die „Lieder“ kreisenden Aussagen der Strophen drei bis fünf mussten Wolf wohl als Abschweifung von der in den letzten beiden Strophen sich verdichtenden zentralen lyrischen Aussage erschienen sein.

  • Dieses Lied ist wohl – und die Streichungen, die Wolf im Manuskript vorgenommen hat, deuten darauf hin – das am wenigsten kompositorisch inspirierte der Gruppe „In der Fremde“, und D. Fischer-Dieskau, der es „etwas schwerfällig“ nennt, sieht darin ein Indiz dafür, dass Wolfs Schöpferkraft wieder einmal nachzulassen begann.


    Dieses Jahr 1883 (ich habe übrigens bei der Vorstellung des Liedes versehentlich die Ziffer 1 vergessen) ist tatsächlich ein problematisches für Hugo Wolf gewesen. Als ihn im Februar 1883 die Nachricht vom Tod Richard Wagners erreichte, weinte er, wie er selbst gestand, wie ein Kind und verbrachte den Tag auf einem Baum. Er suchte damals sogar Unterstützung bei Eduard Hanslick (immerhin ein Freund von Johannes Brahms!) und bat ihn um ein Urteil über eine Reihe von Liedern. Als dieser sie als „fein empfunden“ und „interessant“ beurteilte, reichte er sie bei Breitkopf & Härtel und bei Schott ein, - in beiden Fällen – wieder einmal - ohne Erfolg.

  • Joseph von Eichendorff: „Rückkehr“

    Mit meinem Saitenspiele,
    Das schön geklungen hat,
    Komm ich durch Länder viele
    Zurück in diese Stadt.


    Ich ziehe durch die Gassen,
    So finster ist die Nacht,
    Und alles so verlassen,
    Hatt's anders mir gedacht.


    Am Brunnen steh ich lange,
    Der rauscht fort, wie vorher,
    Kommt mancher wohl gegangen,
    Es kennt mich keiner mehr.


    Da hört ich geigen, pfeifen,
    Die Fenster glänzten weit,
    Dazwischen drehn und schleifen
    Viel fremde, fröhliche Leut´.


    Und Herz und Sinne mir brannten,
    Mich trieb's in die weite Welt,
    Es spielten die Musikanten,
    Da fiel ich hin im Feld.



    Hugo Wolf: „Rückkehr“


    „Wien, am 12. Jänner 1883“, - so ist das Autograph datiert. Das Lied entstand also fünf Jahre vor Wolfs „Eichendorff-Band“. Aber in diesem Fall drängt sich wieder einmal in besonders nachdrücklicher Weise die Frage auf: Warum hat er es nicht in diesen aufgenommen? Es ist schließlich hohe Liedkompositions-Kunst, die einem hier begegnet. Die poetisch-existenzielle Grunderfahrung des Lyrikers Eichendorff, die Einsamkeit des Sängers und Künstlers in einer Welt vordergründig sich entfaltender Bürgerlichkeit also, wird hier in einer Weise in Musik gesetzt, die anmutet, als habe der Dichter selbst sich in einem anderen Medium auf ganz und gar unmittelbare Weise ausgesprochen.


    Das Lied lebt in seiner musikalischen Aussage in hohem Maße von der Diskrepanz zwischen Melodik und Klaviersatz. Diese ist nicht von Anfang an da, sondern baut sich erst langsam auf, um dann am Ende, im musikantisch-fröhlichen Kommentar des Klaviers zu dem erschreckenden Bekenntnis „Da fiel ich hin im Feld“ den Höhepunkt ihrer Expressivität zu erreichen. Das ist ohnehin eine von jenen Passagen in der Liedliteratur, die sich so tief einzuprägen vermögen, dass der Liedliebhaber sie immer bei sich trägt, - Liedmelodik, die das lyrische Wort vollständig und bruchlos, sein evokatives Potential voll erfassend zu Musik werden lässt.


    Das zweitaktige, zwischen Fis- und Cis-Dur terzen- und sextenselig hin und her pendelnde Vorspiel imaginiert klanglich das „schön klingende Saitenspiel“ mit dem das lyrische Ich „viele Länder“ bereiste. Da die Laute ja nun stumm ist, ist es als Nachklang in der Erinnerung aufzufassen. Als solcher bildet es die musikalische Substanz des ganzen Klaviersatzes und wird dabei auf höchst kunstvolle Weise modifiziert, um am Ende, im Nachspiel, wie in trotzig belebter Form wieder aufzuklingen und dann zu versinken. Zwar erfährt diese fröhlich-klangselige Musik Phasen der Irritation und der Brechung, in der zweiten Strophe nämlich, wo man sie in ihrer Motivik kaum mehr wiederzuerkennen vermag und es lagern sich in der vierten Strophe Passagen ein, die fremd wirken. Aber hört man genau hin, so sind das eigentlich nur emphatische Steigerungen des zentralen Motivs in Gestalt von Aufwärtsbewegungen, die am Ende dann doch zu ihm in seiner Ursprünglichkeit zurückführen. Das lyrische Ich macht die – im Grunde erschreckende – Erfahrung existenzieller Fremdheit, und die melodische Linie der Singstimme bringt dies auch zum Ausdruck. Das Klavier spielt in seinem auf diesem Hintergrund wie unverfroren wirkenden musikantischen Frohsinn – unbeschadet vorübergehender Eintrübungen desselben – gleichsam unbekümmert darüber hinweg. Aber damit lässt es das, was die Singstimme zu sagen hat, noch bedrückender werden.


    In der ersten Strophe herrscht noch Einklang zwischen melodischer Linie und Singstimme. Es geht hier ja auch um ein gleichsam lyrisch-narratives Vorspiel. Die Vokallinie entfaltet sich in ruhigem Auf und Ab, in das bei den Worten „schön geklungen“ und „durch Länder viele“ kleine Melismen eingelagert sind. Das Klavier begleitet dies durchweg mit den klanglichen Figuren des Vorspiels. Am Ende aber, in der kurzen Pause der Singstimme, bricht das zentrale Motiv des Klaviersatzes, löst sich in fallende Achtel und Sechzehntel auf und moduliert dabei nach B-Dur, das zusammen mit D-Dur die harmonische Basis der melodischen Linie der zweiten Strophe bildet. Das ist ein deutlicher Bruch in der Klanglichkeit, mit der das Led eingesetzt hat, und er reflektiert die lyrische Situation der Erfahrung von Gegenwart, die mit dieser zweiten Strophe in das Gedicht kommt.


    Das gesanglich schweifende Auf und Ab der melodischen Linie wird nun durch ein wie starr wirkendes Verharren auf einer tonalen Ebene abgelöst, von der aus phasenweise Ausbrüche nach oben erfolgen, die dann in eine chromatische Fallbewegung übergehen. Im Klaviersatz ereignen sich akkordische Achtel- und Sechzehntelbewegungen im Diskant, begleitet von Figuren im Bass, die denen der ersten Strophe ähneln. Aber alles geschieht in tiefer Lage, und das Klangbild mutet mit seinen vielfältigen chromatischen Einlagerungen an, als seien das die Scherben des zerbrochenen Klaviersatzes der ersten Strophe.


    Mit den Worten „Am Brunnen steh ich lange“ (dritte Strophe) ist das Fis-Dur der ersten Strophe wieder da und mit ihm auch das Grundmotiv des Klaviersatzes. Obwohl nun die melodische Linie der Singstimme von einem leichten Klageton geprägt ist, weil die Sprünge über Intervalle von Terzen, einer Quinte und sogar einer Oktave immer wieder in eine Fallbewegung in großen und kleinen Sekunden übergehen, musiziert das Klavier wie unberührt davon die klanglichen Motive des Vorspiels und der ersten Strophe.


    Mit den Worten „Da hört ich geigen, pfeifen“ kommt Bewegung in die Melodik, den Klaviersatz und die Harmonik. Letztere moduliert unruhig zwischen Fis-, H-Dur und Cis-Dur hin und her, die melodische Linie beschreibt von Pausen unterbrochene lebhafte Sechzehntel-Bewegungen nach oben und wieder abwärts, und auch im Klaviersatz ist dieses hektische Auf und Ab von Sechzehnteln zu vernehmen, mit sforzato angeschlagenen Akkorden angereichert. Das lyrische Ich macht die Erfahrung fröhlichen Lebens von ihm fremdem Menschen, und die Musik reflektiert dies auf beeindruckende Weise.


    Was in der letzten Strophe folgt, wirkt wie ein Nachklingen dieser das lyrische Ich zutiefst treffenden existenziellen Erfahrung. Dieses „Nachklingen“ wird bei Wolf freilich zu einem, das es in sich hat. Die melodische Linie verharrt zunächst ruhig in mittlerer Lage, bricht aber dann mit einem Mal bei den Worten „Mich trieb´s in die weite Welt“ in eine in ein hohes „Gis“ mündende Aufwärtsbewegung aus, die das Klavier, das die Singstimme zuvor mit nervösen, sich von cis-Moll zu Fis-Dur sich steigernden Sechzehntel-Figuren begleitete, mit einem in verminderter Gis-Harmonik ansteigenden und wieder fallenden Sechzehnteln und Zweiunddreißigsteln im Diskant und Akkorden im Bass kommentiert, die diesen Ausbruch der Melodik dissonant wirken lassen. Das ist die Vision einer Flucht in die Verlorenheit einer „weiten Welt“, die sich hier musikalisch artikuliert.


    Das „Spiel der Musikanten“ erklingt zwar nun in Fis-Dur, und das Klavier begleitet mit fröhlichen Terzen und Sexten. Aber noch in dem Melisma auf dem Wort „Musikanten“ geht die Singstimme in eine Fallbewegung über. Und dann folgt – nach einem arpeggierten Akkord – dieses erschreckende, weil fünf Mal matt auf einem tiefen „Fis“ deklamierte, von einer Pause unterbrochene und deshalb lakonisch-resigniert wirkende „Da fiel ich hin im Feld“.


    Und das Klavier? Es hat bei diesem Ausruf die Singstimme einen Augenblick allein gelassen. Aber in deren kurzer Pause setzt es (vor „im Feld“) mit einem auftaktigen, in Achtelfiguren aufgelösten Dominant-Septakkord ein und musiziert im Nachspiel ganz und gar unbekümmert mit den Motiven des Vorspiels weiter bis zum langsamen Absinken und Verklingen am Ende.
    Ja, das ist wahrlich eines der großen Eichendorff-Lieder Hugo Wolfs.

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  • Wolf hat im ersten Vers der letzten Strophe nicht (wie es bei Eichendorff heißt) „Und Herz und Sinne mir brannten“, sondern „und Herz und Sinn mir brannten“. Nun weiß ich nicht, ob ihm da ein Lesefehler unterlaufen ist, oder ob er das in seiner Eichendorff-Ausgabe so vorfand. Es wäre aber auch möglich, dass er die Änderung bewusst vorgenommen hat. Ich halte das für nicht ganz unwahrscheinlich. Wolfs Komposition setzt an der seelischen Dimension des lyrischen Textes an, sie will ausleuchten, was sich im lyrischen Ich in der existenziellen Erfahrung von „Fremdheit“ ereignet, und welche Folgen dies hat. Die Worte „Herz und Sinn“ sind semantisch dieser Dimension zugehörig. Nicht aber das Wort „Sinne“, - jedenfalls nicht unmittelbar.
    Aber das sind spekulative Überlegungen (die man freilich in der Beschäftigung mit einem solchen Lied ganz gerne betreibt).


    Im Autograph trägt das Lied übrigens den Titel „Rückkehr I“. Da eine Komposition mit dem Titel „Rückkehr II“ aber nicht überliefert ist, lässt man in der Hugo Wolf-Gesamtausgabe diese Ziffer weg.
    Und was meine Bemerkung „Ja, das ist wahrlich eines der großen Eichendorff-Lieder Hugo Wolfs“ anbelangt:
    Ich scheine diesbezüglich ein wenig allein auf weiter Flur zu stehen. In der von mir immer wieder einmal zitierten Literatur zu Hugo Wolf (Decsey, Werba, Honolka, Fischer-Dieskau) wird das Lied gerade mal erwähnt, aber nicht ausführlicher kommentiert. Reclams „Liedführer“ erwähnt es nicht einmal, - wie überhaupt die ganze Gruppe der „nachgelassenen“ Eichendorff-Kompositionen.

  • Obwohl man das Lied „Rückkehr“ von seinem Titel und seiner musikalischen Aussage her in den von Wolf wohl geplanten kleinen Eichendorff-Zyklus mit dem Thema „In der Fremde“ einordnen möchte, - es war von ihm so nicht kompositorisch intendiert. Gleichwohl - so denke ich und habe es immer so gehalten – darf man es so hören. Da war einer „mit seinem Saitenspiele“ durch viele Länder unterwegs und macht bei der Rückkehr in eine Stadt, die wohl so etwas wie „Heimat“ für ihn ist, wie in jener anderen Liedgruppe die Erfahrung von Fremdheit. Alles ist anders, als er´s sich gedacht hat, - eben von der Erinnerung an das frühere Leben an diesem Ort her.


    Eichendorff fängt diese existenzielle Erfahrung von „Fremde“ mit nur wenigen, aber in ihrem evokativen Potential überaus wirkungsmächtigen Bildern ein. Am altvertraut rauschenden Brunnen begegnen dem lyrischen Ich fremde, ihm unbekannte und es nicht kennende Menschen. Und in seiner Expressivität noch stärker ist das wie aus impressionistischen Details montierte Bild von den „weit glänzenden Fenstern“ und dem Treiben von fröhlichen Menschen, die in dieser befremdlichen, weil umgangssprachlich eingefärbten Form als „fremde, fröhliche Leut`“ erfahren werden.


    Regelrecht erschütternd dann der letzte Vers. Er spricht von den Folgen dieser, das lyrische Ich in seinem Innersten berührenden Erfahrung von „Fremdheit“, die es bei dem Vorgang der „Rückkehr“ gemacht hat. Und er tut das in einen fast erschreckenden, weil berichtartig-konstatierenden, das Ungeheuerliche in sachliche Worte fassenden Ton.


    Was mich an der Komposition von Wolf auf dieses so stark berührende Gedicht seit eh und je in Bann zu schlagen vermochte, das ist: Die Musik führt den Hörer in einer ihn tief ergreifenden Weise in das ein, was das lyrische Ich von und über sich selbst sagt. Nicht, dass das evokative Potential der lyrischen Bilder, die dabei zum Einsatz kommen, das nicht auch zu bewirken vermag. Das kann es sehr wohl. Aber Wolfs Musik lotet dieses Potential gleichsam aus und gibt damit dem Denken und Fühlen, das Eichendorffs Bilder beim Leser bewirken, in eben ihrem Sinne emotional- und sinnlich-konkrete Gestalt. Und das ist ja genau das, worauf Wolf mit seiner ganzen Liedkomposition letzten Endes abzielt.


    Wie er das in diesem Falle macht, das erfährt man als überaus kunstvoll: Es geschieht kompositorisch-konzeptionell über ein gleichsam dialogisches Neben- und Miteinander von melodischer Linie und Klaviersatz, - eine Verfahrensweise, in der wohl die wahre liedkompositorische Leistung Wolfs – und das letztlich Innovative an ihr - gründet. Das Klavier singt, neben dem der Singstimme, sein ganz eigenes Lied. Es klingt, zwischen Fis- und Cis-Dur harmonisch pendelnd, gleich im zweitaktigen Vorspiel auf. Und es ist in seiner Terzen- und Sextenseligkeit, die von triolischen Figuren im Bass getragen und begleitet wird, ein wesenhaft fröhliches, musikantisch beschwingtes Lied. Man empfindet es vom ersten Takt an als das den Nachklang dessen, was das lyrische Ich in den „vielen Ländern“ als Musikant den Menschen gegeben hat. Und es bringt ihn mit, diesen „Nachklang“, - bei seiner „Rückkehr“.


    Dieser „Nachklang“ will in seiner klanglichen Gestalt am Leben bleiben, und das gelingt ihm ja auch als Begleitung der Singstimme in der ersten Strophe. Schließlich ist er Teil dessen, was das lyrische Ich von seiner langen Reise als Sänger und Musikant mitbringt, und damit Teil seiner Identität. Aber noch bevor dieses – mit dem ersten Vers der zweiten Strophe – von den fremd gewordenen „Gassen“ zu sprechen anfängt, beginnt seine klangliche Gestalt zu zerbrechen und es sinkt in chromatisch geprägte Tiefen ab. Von dort will es sich bei der Begleitung der Singstimme zwar immer wieder lösen und in das B-Dur und D-Dur sich einfinden, in dem diese sich bewegt, aber die Chromatik kann es nicht abschütteln und auch seine alte Gestalt nicht wiederfinden. Den Erfahrungen von Fremdheit, die das lyrische Ich dazu bringen, in melodisch wie erstarrt wirkender Weise in tonal tiefer Lage zu verharren, kann es sich nicht entziehen. Sie ergreifen es auch.


    Noch einmal, am Brunnen, der ja der alte ist mit seinem Rauschen, kann es in alter Gestalt wieder aufleben. Und auch das lyrische Ich findet an dieser Stelle des Liedes zu dem unbekümmert melodiösen Ton des Anfangs zurück, wenn auch das Auf und Ab der melodischen Linie am Ende – bei den Worten „es kennt mich keiner mehr“ – in eine Ritardando-Fallbewegung übergeht. Aber das Klavier will noch, im Nachspiel dazu, bei seiner Grundmelodie bleiben. Es will sich einfach nicht davon abbringen lassen.


    Mit der schrecklichen Erfahrung des „Geigens und Pfeifens“ aus den „weit glänzenden Fenstern“ der „fröhlichen Leut´“ ist dann alles vorbei. In die melodische Linie der Singstimme kommt eine, dem Erschrecken geschuldete und wie hektisch wirkende Aufwärts- und Fallbewegung, der sich auch das Klavier nicht entziehen kann. Seine Grundmelodie geht ihm verloren, und es versteigt sich in einen, auf deren Hintergrund geradezu aberwitzig anmutenden, Sturm von rasant nach oben eilenden und wieder abstützenden Figuren aus Sechzehnteln und Zweiunddreißigsteln, in die sich immer wieder Triolen und sforzato artikulierte arpeggierte Akkorde hineindrängen. Und dies alles in permanenter Modulation zwischen H-, Fis-, Cis- und Gis-Dur.


    Während die Singstimme im ersten Vers der letzten Strophe noch berichtartig-sachlich in mittlerer tonaler Lage verbleibt und erst im zweiten diesen rasanten Aufstieg in das fast schrill wirkende hohe „Gis“ bei dem Wort „Welt“ macht, ist das Klavier schon vorher – und dies eben als Folge dessen, was sich in der vorangehenden Strophe ereignete – außer Rand und Band geraten und stürmt mit Achtel-, Sechzehntel- und Zweiunddreißigstel-Figuren über cis-Moll, Fis-Dur und gis-Moll aus tiefer Lage in extrem hohe hinauf, um am Ende, aus einer triolischen Terzen-Fallbewegung mit einem arpeggierten Akkord unvermittelt innezuhalten.


    Es ist der Ort, an dem sich das Unerhörte ereignet, - jenes sachlich-konstatierende „Da fiel ich hin im Feld“. Das Klavier schweigt dazu erst einmal. Aber wenn die Singstimme, in der Betroffenheit durch die Vergegenwärtigung dieses Erlebnisses, einen Augenblick innehält, meldet es sich, wie fürwitzig einen Anlauf nehmend zu dem, was es im Nachspiel von sich gibt, mit einer klanglichen Figur im harmonischen Bereich der Dominante. Und danach erklingt eben dieses, auf dem Hintergrund des in der Melodik gerade Artikulierten höchst wunderliche, ja eigentlich befremdliche und schlechterdings unerhörte, weil fröhliche Losjubeln des Klaviers, das, zunächst zwischen Forte und Piano pendelnd, am Ende im Pianissimo des Basses versinkt, und dabei deutliche Anklänge an die Melodik des Vorspiels vernehmen lässt.


    Wie ist das zu deuten, - wenn man bedenkt, welche Rolle dem Klavier in diesem Lied von Anfang an kompositorisch zugewiesen ist? Der Wolf-Biograph Kurt Honolka meint: „Das Klaviernachspiel scheint seine (des Heimkehrers) Ernüchterung noch zu verspotten“. Ich höre, vernehme und interpretiere das ganz anders. Das Klavier will nicht „im Feld hinfallen“. Es will das bewahren, was der Heimkehrer aus „der Länder vielen“ in die Heimat mitgebracht hat und Teil seiner Identität als Sänger und Musiker ist. Es will ihm sagen:
    Das hat Bestand. Das geht nicht verloren in dieser für dich so schrecklichen Erfahrung von Fremdheit, die du gerade gemacht hast und die dich zu Boden warf.

  • Joseph von Eichendorff: „Die Kleine“


    Zwischen Bergen, liebe Mutter,
    Weit den Wald entlang,
    Reiten da drei junge Jäger
    Auf drei Rößlein blank,
    lieb Mutter,
    Auf drei Rößlein blank.


    Ihr könnt fröhlich sein, lieb Mutter,
    Wird es draußen still:
    Kommt der Vater heim vom Walde,
    Küßt Euch, wie er will,
    lieb Mutter,
    Küßt Euch, wie er will.


    Und ich werfe mich im Bettchen
    Nachts ohn Unterlaß,
    Kehr mich links und kehr mich rechts hin,
    Nirgends hab ich was,
    lieb Mutter,
    Nirgends hab ich was.


    Bin ich eine Frau erst einmal,
    In der Nacht dann still
    Wend ich mich nach allen Seiten,
    Küß, so viel ich will,
    lieb Mutter,
    Küß, so viel ich will.




    Hugo Wolf: „Die Kleine“

    Das Lied entstand am 8. März 1887 in Wien. Um ein wirklich großes dürfte es sich dabei nicht handeln, aber immerhin um ein höchst amüsantes. Es weist einen Zweiachteltakt auf, die Grundtonart ist E-Dur, und die Vortragsanweisung lautet „Nicht zu geschwind“. In der ersten Strophe bewegt sich die melodische Linie zunächst munter auf und ab, wobei sie von E-Dur nach H-Dur moduliert. Bei dem Wort „entlang“ beschreibt sie einen kleinen Quartsprung, der mit einer Rückung nach Gis-Dur verbunden ist und in eine Dehnung mündet. „Keck“ lautet dann die Anweisung für den Vortrag der zweiten Melodiezeile der ersten Strophe. Hier bewegt sich die Vokallinie nun lebhaft in bogenförmiger Weise, und auch der Klaviersatz, der zuvor im Diskant aus der Bewegung von Terzen bestand, wirkt nun gleichsam „keck“, - im Wechsel von Einzeltönen im Bass und Akkorden im Diskant. Die Harmonik pendelt wieder zwischen E- und H-Dur hin und her.


    Bei aller Schlichtheit seiner Faktur – chansonhaft anmutende Melodik, vorwiegend akkordisch geprägter Klaviersatz, Vermeidung kühner harmonischer Modulationen – ist dies doch ein typisches Hugo Wolf-Lied. Jede Strophe ist in markanter Weise von der jeweiligen lyrischen Aussage geprägt, von der Struktur der melodischen Linie, ihrer Harmonisierung und dem Klaviersatz, bis hin zu den Variationen in der Anrede „lieb Mutter“. Sogar bis in die Vortragsanweisungen reichen diese kompositorischen Intentionen. So sollen die Worte „Wird es draußen still“ (zweite Strophe) pianissimo und mit einem Ritardando deklamiert werden. Die Harmonik, die in dieser zweiten Strophe mit der Grundtonart G-Dur deutlich von der ersten abgesetzt ist, moduliert an dieser Stelle überraschend nach Fis-Dur und am Ende nach a-Moll. Die Anrede „Lieb Mutter“ ist in dieser zweiten Strophe deutlich von dem Neid geprägt, den die Tochter gegenüber ihrer Mutter empfindet. Zwei Mal dominiert der Sekundfall, am Ende aber ereignet sich ein expressiver Quintfall. Es ist der einzige auf diesen Worten, und bezeichnend ist, dass er auf der Dominante erfolgt.


    Wenn das Töchterlein seine nächtliche Einsamkeit im Bett beklagt, ist die melodische Linie zunächst von kleinschrittigen Fallbewegungen geprägt und in e- Moll und a-Moll harmonisiert. Bei den Worten „Kehr mich links und kehr mich rechts hin“ geht es aber melodisch schon wieder auf und ab, und die Harmonisierung erfolgt durch H-Dur. Nach dem Wort „hin“ folgt eine lange Fermate, - wieder ein kompositorisches Element, das typisch für die auf Expressivität angelegte Musik dieses Liedes ist. Und aus diesem Grund müssen die nachfolgenden Worte „Nirgends hab ich was“ auch „immer zurückhaltender“ deklamiert werden, und die Harmonik moduliert von a-Moll nach H-Dur. Bei „Lieb Mutter“ beschreibt die melodische Linie dieses Mal eine wie anklagend wirkende Kombination aus Quintsprung und vermindertem Quartfall. Und auf dem Wort „was“ am Ende liegt ein „sehr gedehntes“ drei Takte einnehmendes „H“ in mittlerer Lage.


    „Heimlich“ lautet die Anweisung für die Deklamation der Worte „Bin ich eine Frau erst einmal“ (vierte Strophe). Die melodische Linie verharrt hier pianissimo zunächst auf nur einem Ton (einem tiefen „E“), und sie verbleibt dann auch erst einmal „ritardando“ im engen tonalen Raum einer Terz in unterer Mittellage, bis sie bei dem Wort „still“ mit einem Mal einen mit einem Auftakt versehenen verminderten Quartsprung beschreibt, der in einen Terzsprung zu dem Wort „wend“ („ich mich“) übergeht, das eine forte deklamierte lange Dehnung auf einem hohen „Fis“ trägt. Auch wieder ein typisches, auf klanglichen Effekt hin angelegtes Element des Liedes. Die Harmonik moduliert zuvor von Gis-Dur nach Dis-Dur und fällt am Ende auf H-Dur zurück. Unmittelbar nach dieser dynamischen Steigerung ins Forte geht es bei den Worten „ich mich nach allen Seiten“ piano weiter.


    Und nun bewegt sich die melodische Linie in Terz-, Quart- und Quintsprüngen lebhaft („beschleunigt“) auf und ab, ganz und gar in Dur harmonisiert („E“ und „H“). „Lieb Mutter wird nun auf einer unbeschwert wirkenden Kombination aus Quartsprung und großem Sekundfall deklamiert, und am Ende erklingen die Worte „Küß, so viel ich will“ auf einer mit Portati versehenen melodischen Linie, die, harmonisch von A-Dur über H7 nach E-Dur modulierend, zu einem hohen „Gis“ aufsteigt, das forte mit einer Fermate wie nicht enden wollend gehalten wird, um dann am Ende über einen doppelten Sekundfall auf dem Grundton „E“ in hoher Lage zu landen.
    Wie gesagt: Ein in seinem chansonhaft-witzigen Gestus durchaus ansprechendes und amüsantes Lied. Aber keines, das, wie Wolf zu Recht meinte, in den Eichendorff-Band gehören konnte.

  • Das Lied entstand (am 8. März 1887) in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu der Komposition „Der Soldat I“ (7. März 1887). Wolf hielt es aber ganz offensichtlich nicht für geeignet, mit diesem zusammen in den Eichendorff-Band aufgenommen zu werden. Im Kommentar-Anhang der Wolf-Lied-Edition (Wien 1969) vermutet man, er habe das Lied „Vielleicht wegen des >bedenklichen< Textes beiseitegelegt“. Der Grund für diese Entscheidung dürfte aber wohl, wie ich denke, eher in der Schlichtheit, ja Harmlosigkeit der Komposition zu finden sein, - die natürlich textbedingt ist. Man fragt sich, was Wolf bewogen haben mag, nach diesem Eichendorff-Gedicht zu greifen. Reizte ihn der neckische Grundton, mit dem hier ein gleichsam elementares Thema jugendlich-weiblicher Existenz lyrisch abgehandelt wird?


    Er hatte ja durchaus eine Neigung, solche Themen liedkompositorisch aufzugreifen, - vor allem wenn sie dialogisch gestaltet waren. Man kann das hier an der Art und Weise vernehmen, wie der Ansprache-Gestus melodisch umgesetzt und der Refrain, dieses „lieb Mutter“, mit den Mitteln der Variation und der Wiederholung ins Zentrum des Liedes gerückt wurde und seinen klanglichen Charakter maßgeblich prägt. Acht Mal erklingt die melodische Grundfigur auf diesen Worten, wobei die lyrische Vorlage vier Mal wiederholt wird. Und in der Kombination aus melodischem Sprung und Fall wechseln dabei auf klanglich bestechende Weise große und kleine Quarten, Terzen, kleine und große Sekunden und gar eine Quinte miteinander ab, - wobei die jeweilige Harmonisierung eine maßgebliche Rolle spielt.


    Man meint, das Vergnügen zu vernehmen, das Wolf bei diesem kompositorischen Spiel mit den beiden lyrisch so zentralen Worten empfand.

  • Alle Lieder, in denen sich Hugo Wolf kompositorisch auf die Lyrik Eichendorffs einließ, sind hiermit hier vorgestellt und besprochen, - und damit der dritte jener Lied-Bände, in denen sich Wolf einem lyrischen Dichter zuwendet, um ihn – was ja die für ihn so typische und ihn zu einer singulären liedhistorischen Gestalt werden lassende kompositorische Intention ist – in seinem Wesen und seiner dichterischen Aussage musikalisch zu erfassen und zu interpretieren. Er hat sich auch hier von seinem Grundprinzip leiten lassen, dass „die Poesie“ „die eigentliche Urheberin“ seiner „musikalischen Sprache“ sei. Und weil das so ist, unterscheidet diese sich bei diesem Eichendorff-Band zwar nicht grundsätzlich von der, die einem bei den Liedern auf Mörike oder Goethe begegnet, aber doch in einigen durchaus deutlich ausgeprägten strukturellen Elementen.


    Da das bei den einzelnen Liedbesprechungen aufgezeigt und konkretisiert wurde, ist ein detailliertes Sich-Einlassen darauf hier nicht mehr erforderlich. Wolfs Liedsprache wirkt – auf dem Hintergrund der Goethe-Vertonungen - bei den Liedern des Eichendorff-Bandes wie eine Rückkehr zu einer stärkeren Orientierung an der Melodik des Volksliedes. Wohlgemerkt: Orientierung, nicht Anpassung! Das Ausschöpfen des expressiven Potentials von Liedmusik wirkt reduziert, metrische Taktgliederung und Periodisierung der Melodik werden bevorzugt und Synkopierungen so weit wie möglich vermieden.


    In diesem Zusammenhang allerdings – über „Rückkehr“ hinaus - von einem „Rückschritt“ zu sprechen, das wäre sachlich in gar keiner Weise zutreffend. Eher scheint mir das Wort „Fortschritt“ angebracht und berechtigt. Wolf wollte, wie er das in seinem Brief an Engelbert Humperdinck vom 12. März 1891 ausdrückte, aus einer „realistischen Kunstauffassung“ heraus das „romantische Element“ in seinen Eichendorff-Liedern „fast ganz“ zurücktreten lassen und sich „mit Vorliebe der keck humoristischen, derb sinnlichen Seite des Dichters“ die er – zu Recht! – als „ziemlich unbekannt“ bezeichnete, kompositorisch zuwenden.


    Das hatte zur Folge, dass in seinen Liedern immer wieder Personen – und eben nicht lyrische Evokationen von Naturerfahrung – im Mittelpunkt standen, - allerdings solche, die aus der Perspektive bürgerlicher Gesellschaft eine exzentrische Existenzform verkörperten. Eine Liedmusik, die diesem kompositorischen Konzept im Umgang mit der Lyrik Eichendorffs gerecht werden wollte, musste sich einerseits dem Modell volksliedhafter Einfachheit verpflichtet fühlen, – es sind ja eben Gesellen aus dem „Volk“, um die sie sich dreht. Andererseits aber muss der Komponist aber auch alle ihre Möglichkeiten nutzen, sich musikalisch in die Psyche dieser Gestalten vorzutasten und das Milieu zu erfassen, in dem sie ihr Leben leben.
    Genau dieses leistet die Liedmusik Wolfs in diesem Eichendorff-Band. Und das bedingt ihre spezifische Liedsprache und macht sie so großartig.


    Aber es ist ja nicht so, dass Wolf nicht auch den „(spät-)romantischen“ Eichendorff in musikalisch nicht nur angemessener, sondern in wahrlich großartiger und liedkompositorisch singulärer Weise berücksichtigt hätte. Die Lieder „Verschwiegene Liebe“, „Nachtzauber“ und „Die Nacht“ sind beeindruckende Belege dafür. Insofern hat er – abgesehen von der religiösen Seite des Dichters – doch den „ganzen Eichendorff“ in seinem Liedschaffen erfasst. Dies vor allem, wenn man seine „nachgelassenen“ Lieder in die Betrachtung einbezieht.


    Warum er diese, bei denen es sich - bei immerhin vieren! - um dem Geist der Eichendorff-Lyrik voll gerecht werdende und sie in ihrer lyrisch-sprachlichen Aussage und ihrer Metaphorik melodisch und klanglich auf faszinierende Weise ausleuchtende Lieder handelt, nicht in seinen „Eichendorff-Band“ aufgenommen hat, das lässt sich, so denke ich, aus dem erwähnten „Konzept“ desselben erklären. Ein Urteil über die liedkompositorische Qualität ist – so denke ich - daraus nicht herzuleiten.

  • Wenn man sich mit dem Liedkomponisten Hugo Wolf beschäftigt, so kann es passieren, dass man sich gerade bei den „nachgelassenen“ Eichendorff-Liedern, von denen bei dreien doch wohl ein zyklisches Konzept unter dem von ihm selbst gewählten Thema „In der Fremde“ zugrundeliegt – vor die Frage gestellt sieht:
    Fühlte sich Wolf in seiner damaligen Lebenssituation, einer Zeit großer seelischer Wirren und Erschütterungen, von Eichendorffs Lyrik in besonders intensiver Weise angesprochen, - in Gestalt einer existenziellen Betroffenheit, wie man ihr in seinem Goethe-Band nicht begegnet?


    Eigentlich ist diese Frage ja problematisch, weil die Hugo Wolf-Literatur - zu Recht – das ganz Spezifische seiner Liedkomposition gerade darin sieht, dass er sich ausschließlich als „Im-Dienst“ am Werk des Dichters stehend empfindet, - jenseits und vorab aller subjektiv-persönlichen Faktoren der Rezeption desselben. Dass biographische Aspekte bei der Beschäftigung mit dem liedkompositorischen Werks Wolfs und dem Bemühen um ein Verstehen und Bewerten desselben keine Rolle zu spielen hätten, das begründet man gerne mit dem Verweis auf die Reaktion Wolfs dem Ansinnen gegenüber, Angaben zu seiner Biographie zu machen. Seine Antwort war: „Mein Name ist Hugo Wolf; ich wurde am 13. März 1860 geboren und bin noch am Leben.“ Daraus liest man eine „Verachtung vor der äußeren, der biographischen Existenz“ (Ulrich Schreiber) und kann sich dabei auf einen regelrechten Berg an sachstrukturellen Fakten im Liedschaffen Wolfs stützen.


    Ich bin mir aber, nachdem ich mich nun – wie ich meine – gründlich mit den drei großen „Liedbänden“ Wolfs auseinandergesetzt habe, gar nicht mehr so sicher, dass man in der spezifischen Faktur von Wolfs Liedkomposition den Faktor der subjektiven Rezeption, im Sinne einer existenziellen Betroffenheit, wie man sie etwa von Schubert und Schumann her kennt, als ganz und gar irrelevant ausklammern darf. Er spielt sicher eine geringere Rolle, als dies bei diesen Liedkomponisten der Fall ist. Wolf sah sich tatsächlich als im Dienst des dichterischen Werks stehender Liedkomponist, - wie es ja die Titel seiner Werke sprachlich bekunden, und wie auch an der musikalischen Gestalt der Lieder ablesbar ist. Aber immer wieder stößt man beim aufmerksamen Hören derselben doch auf solche Faktoren der subjektiven Rezeption eines Gedichts im Sinne einer persönlichen Betroffenheit von dessen dichterischer Aussage. Bei Mörike ist dies der Fall, und eben auch – und gerade! – bei Eichendorff.


    Was die Beurteilung seiner liedkompositorischen Auseinandersetzung mit Eichendorff und den Aspekt der zugrundeliegenden subjektiven Rezeption seiner Lyrik anbelangt, so meine ich, hier die Betätigung in diesem Thread gleichsam bilanzierend:
    So liedkompositorisch großartig und in Bann schlagend die musikalischen Porträts jener wunderlichen und exzentrischen Gestalten auch sein mögen, denen Wolf – als Dokumente seiner „realistischen Kunstauffassung“ - einen besonderen Platz in seinem „Eichendorff-Band“ eingeräumt hat, - seine Lieder auf den „romantischen“ Eichendorff stehen diesen als mindestens gleichwertig zur Seite, - gerade deshalb, weil auch sie – gleichrangig neben den Eichendorff-Vertonungen Schumanns und Pfitzners - mit den Mitteln der Musik den dichterischen Kern der Eichendorff-Lyrik erschlossen haben:
    Das Transzendieren von auf zweckrationales und ökonomisches Denken verengter Bürgerlichkeit mittels der lyrischen Evokation von Ferne und Nähe, Heimat und Geborgenheit und der Sehnsucht danach in den Bildern von elementarer Natur und Landschaft.