Beethoven: Klaviersonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr. 3, CD-Rezensionen und Vergleiche (2015)

  • Der ersten Besprechung von Nikolai Luganski, der ebenfalls Eingang in meine Sammlung gefunden hat, möchte ich den Wikipedia-Artikel vorausschicken (Holger hat übrigens einen Thread "Aktive Pianisten: Nikolai Lugansky" eröffnet):


    Nikolai Lwowitsch Luganski (auch: Nikolai Lugansky, russisch Николай Львович Луганский; * 26. April 1972 in Moskau) ist ein russischer Pianist.



    Mit fünf Jahren erhielt er den ersten Musikunterricht, nachdem seine Eltern, ein russisches Wissenschaftlerpaar, sein absolutes Gehör und seine musikalische Begabung erkannt hatten. Er studierte am Moskauer Konservatorium bei Tatjana Kestner, Tatjana Nikolajewa und Sergei Dorenski. Mit sechzehn Jahren gewann er beim 8. Internationalen Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerb in Leipzig die Silbermedaille und zwei Jahre später beim Rachmaninow-Wettbewerb in Moskau den 2. Preis. 1994 begann mit dem Sieg beim 10. Internationalen Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau seine internationale Karriere.


    Er arbeitet mit Dirigenten wie Waleri Gergijew, Neeme und Paavo Järvi, Michail Pletnjow, Kurt Masur, Marek Janowski, Gennadi Roschdestwenski, Juri Temirkanow, Sakari Oramo, Wladimir Jurowski, Emmanuel Krivine, Sir Charles Mackerras und Kent Nagano. Bei den Festivals in Verbier, La Roque-d’Anthéron, Gstaad und bei den BBC Proms ist er regelmäßig zu Gast. Zu seinem Repertoire gehören über 40 Klavierkonzerte von Bach bis Schostakowitsch. Außerdem tritt er als Kammermusiker u.a. mit Vadim Repin (Geige), Alexander Kniazew (Cello), Wadim Rudenko (Klavier) und Jewgeni Petrow (Klarinette) auf.


    Seit seiner Einspielung von Benjamin Brittens „Young Apollo“ 1999 ist er bei Warner Classics unter Vertrag. Nikolai Luganskis CD-Aufnahmen sind vielfach ausgezeichnet worden (siehe Diskografie).
    Neben seiner Konzerttätigkeit unterrichtet er am Moskauer Konservatorium als Assistent von Sergei Dorenski.


    https://de.wikipedia.org/wiki/Nikolai_Lwowitsch_Luganski




    Beethoven: Sonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr. 3
    Nikolai Luganski, Klavier
    AD: Februar 2005
    Spielzeiten: 6:56-10:01-2:55-3:50 -- 23:42 min.;


    Nikolay Lugansky, zum Zeitpunkt der Aufnahme 32 Jahre alt, spielt den Kopfsatz knapp unter 7 Minuten, also etwas im Tempo der zwei Monate später entstandenen Aufnahme von Paul Lewis oder der 10 Jahre zuvor entstandenen Aufnahme von Alfred Brendel. Er spielt einen klaren, transparenten Ton und spielt auch dynamisch der Partitur entsprechend. Seine Rhythmischen Fähigkeiten sind ebenfalls außergewöhnlich.
    Im Seitenthema fällt mir auf, dass er die Vorschlags-Achtel ähnlich spielt wie Emil Gilels. Den durchführenden Abschnitt des Seitenthemas spielt er in einer langen kleinschrittigen Steigerung mit deutlichen Sforzandi hin zu einer grandiosen ff-Steigerung. In der Schlussgruppe stellt er ebenfalls die beiden Dynamikblöcke schön gegenüber. Natürlich wiederholt auch er die Exposition.
    In der Durchführung hebt er ebenfalls die Dynamik an, wobei ebenso wie in der Exposition seine klare und gleichberechtigte Begleitung auffällt.
    In der Reprise spielt er die anfängliche Steigerung deutlich und im weiteren Verlauf entsprechend der Exposition. Auch hier ist wieder die großartige Steigerung am Ende des Seitenthemas hervorzuheben, ebenso die gelungene Gegenüberstellung der Dynamikblöcke in der Schlussgruppe. Die bemerkenswerten Oktavwechsel der aufsteigenden Viertel ab Takt 305 leiten zu einer furios gespielten Kurzcoda.


    Das Largo e mesto spielt Lugansky in rund 10 Minuten. ich würde ihn damit in der schnelleren Hälfte der langsameren Spieler einordnen . Der Dreierrhythmus ist für mich mühelos zu erkennen. Den ersten dunklen Abschnitt betont er moderat, die Stimmung würde ich als latent traurig, aber nicht als zu schwer lastend bezeichnen.
    Der Stimmungskontrast zwischen der ersten dunklen und der ersten hellen Sequenz scheint mir aber nicht allzu groß, was m. E. auf beiden Seiten des Pendels beruht. So ganz vom melancholischen Schleier kann sich der helle Abschnitt nicht befreien.
    Im zweiten dunklen Abschnitt legt er erheblich zu, erreicht aber nicht ganz die dramatische Wucht z. B. eines Grigory Sokolov. Auch bei ihm verbleibt der zweite helle und überführende Abschnitt im melancholisch-traurigen Gefühlsspektrum.
    Eindeutig präferiert er die Durchführung, und dabei speziell die Takte 35 und 37 mit machtvollen Fortissimoakkorden, die er in wunderbarem Kontrast zu den absteigenden Zweiunddreißigstel-Figuren darstellt. Auch sein Smorzando, für mich immer eine Schlüsselstelle, ist sehr ausdrucksvoll.
    In der Reprise spielt er auch am Beginn sehr aufmerksam die höhere dynamische Bewegung und entwickelt dann als dem Pianissimo einen wunderbaren Übergang in die grandios gespielte hohe Oktave des kurzen hellen Abschnitts. In der Wiederholung des zweiten dunklen Abschnitts spielt er die ffp-Akkorde auch sehr grell, bleibt aber dynamisch unter den Takten 35 und 37.
    Die Coda spielt er mit großer Klarheit und hochdynamisch, wobei er temporal die Zweiunddreißigstel ab Takt 72 klar von den voraufgegangenen Vierundsechzigsteln absetzt, aber auch von den Zweiunddreißigsteln im ersten Teil der Coda. In den letzten zwölf Takten bremst er nochmal stark, spielt ihn in seiner dynamischen Form atemberaubend. Dieser Satz zeigt m. E. auch exemplarisch die künstlerische Reife, die Luganski zu dem Zeitpunkt schon erlangt hat.


    Nikolai Lugansky wählt für das Menuett, jedenfalls für den ersten Teil, einen noch runderen, lieblicheren Ton als Andere- die reine Poesie. Zwar setzt er im zweiten Teil die dynamische Obergrenze etwas hinauf, aber es bleibt bei dieser heiter-pastoralen Stimmung.
    Auch das Trio ist durchaus diesseitig, fügt sich aber in den dynamischen Gesamtrahmen dieses Satzes ein. Er spielt dann auch noch einmal diese lieblich, im ersten Teil introvertierte Menuetto. Eine grandiose Interpretation dieses Satzes!


    Im Rondo dreht Luganski dann temporal und dynamisch mächtig auf. Dadurch, dass er auch die Pausen ausnutzt, kommt der Satz dann trotz des hohen Grundtempos, vor allem in den treibenden Sechzehnteln, auf ungefähr vier Minuten. Hinzu kommt noch gerade in diesem Satz seine hohe Legato-Kultur und natürlich, ohne es extra hervorzuheben, seine hohe Virtuosität, die er ja auch nicht hervorhebt. Grandios allein die vier Legato-Takte 41 bis 44 und der lange Bogen Takt 50 bis 54.
    Im dritten Themenauftritt spielt auch er die Unisonoakkorde ab Takt 74 grandios mit einer kraftvollen Steigerung und brillanten Intervallsprüngen. Auch der vierte Themenauftritt ist maßstäblich, hier auch die Sechzehntelbegleitung. Die originelle Coda schließt er auf diesem Höchstniveau an.


    Auch dies ist eine Spitzenaufnahme.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr. 3
    Tatjana Nikolajewa, Klavier
    AD: 1983
    Spielzeiten: 7:26 - 9:11 - 2:54 - 4:01 -- 23:22 min.



    Tatjana Nikolajewa spielt das Presto langsamer als ihr Kollegen, auch dynamisch geht sie im Hauptsatz nicht bis zum Letzten. Rhythmisch bewegt sie sich durchaus sicher durch die Partitur.
    Was die Vorschlag-Achtel im Seitenthema betrifft, so kann ich mir durchaus vorstellen, dass sie im Oktober 1980 in Moskau in Emil Gilels Konzert gesessen hat, denn sie spielt sie fast genauso.
    Auch in der großem Steigerung am Ende des Seitenthemas lässt sie sich dynamisch noch Luft nach oben.
    Auch sie wiederholt natürlich die Exposition. Ich meine, dass sie in der Wiederholung die große Steigerung etwas kraftvoller spielt, desgleichen das Crescendo ab Takt 99. Auch der Kontrast zwischen den beiden Dynamikblöcken ist groß genug.
    In der Durchführung legt sie dynamisch noch zu. Auch bei ihr ist die Begleitung gut zu vernehmen.
    Bis auf die größere Bewegung zu Beginn spielt auch sie die Reprise entsprechend der Exposition.
    In der Reprise ist jedoch auch die Steigerung am Ende des Seitenthemas kräftiger als in der Exposition. Sehr schön spielt sie auch die lange Sforzandokette kurz vor der Coda und auch diese spielt sie mit Schwung und Dynamik, aber weiterhin im etwas moderateren Tempo.


    Das Largo spielt sie im Tempo auch in etwa vergleichbar mit Gilels 1980er-Aufnahme aus Moskau. Im Ausdruck herrscht eher stille Trauer. Im ersten hellen Abschnitt wird dann auch die Stimmung heller, positiver. Im zweiten dunklen Abschnitt legt sie dynamisch zu, aber die ffp-Akkorde kommen immer noch nicht auch nur in die Nähe von Sokolov, obwohl dessen Aufnahme neun Jahre eher entstanden ist. Auch der zweite helle Abschnitt bleibt im leicht traurig-melancholischen Bereich.
    Auch Tatjana Nikolajewa definiert die beiden ff-Takte 35 und 37 als die eigentlichen dynamischen Höhepunkte des Satzes. Auch bei ihr leidet m. E. das Smorzando etwas unter dem schnelleren Tempo, erreicht sie nicht die musikalische Tiefe und Eindringlichkeit, die andere mit angemessenerem Tempo erreichen.
    In der Reprise gefällt mir das Crescendo als Übergang zur hellen Sequenz sehr gut, weil sie hier offensichtlich durch geringe Temporücknahme zu größerer Wirkung kommt. Auch in der Wiederholung des zweiten dunklen Abschnitts gestaltet sie die ffp-Akkorde mehr durch grelle Färbung als durch dynamische Wucht.
    Die Coda spielt sie trotz des Tempos erstaunlich klar und transparent, die Zweiunddreißigstel sind ohne Weiteres von den Vierundsechzigsteln zu unterscheiden. Auch der absteigende Ast ab Takt 72, speziell die letzten zwölf Takte sind von großer musikalischer Tiefe, auch, weil sie die Spannungskurve bis zuletzt hochgehalten hat.


    Das Menuetto ist reiner, wohllautender Gesang, wobei sie wiederum auf zu große dynamische Unterschiede zugunsten einer kontinuierlichen Melodielinie verzichtet. Im Trio legt sie dann etwas zu, ohne jedoch die Gesangslinie zu verlassen. Dann schließt sie das Menuetto Da Capo an.


    Auch im Rondo bleibt sie bei ihrem moderaten Tempo. Ebenfalls verzichtet sie in der "Antwort"-Figur Takt 7/8 auf das kernige Fortissimo. Dafür singt sie die Legatobögen wunderschön aus. Im zweiten Zwischensatz tritt aufgrund des moderateren Tempos die Struktur der Intervallsprünge sehr deutlich hervor, und sie endet in vier schönen Legatotakten 42 bis 44. Über den ebenfalls sehr schönen langen Bogen Takt 50 bis 54 gelangt sie zum dritten Themenauftritt, in dem sie auch sehr eindrucksvolle Unisonoakkorde spielt und transparente Intervallsprünge anschließt.
    Im vierten Themenauftritt tritt bei ihr sehr schön die Sechzehntelbegleitung hervor und sie endet mit einer sehr entspannt vorgetragenen Coda.


    Dies ist eine großartige Liveaufnahme mit einem am Ende doch auch sehr schönen Largo.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr. 3
    Anne Oland, Klavier
    AD: 1995
    Spielzeiten: 6:46 - 9:17 - 2:50 - 3:42 -- 22:35 min.


    Anne Oland spielt den Kopfsatz schneller als Tatjana Nikolajewa und nur unwesentlich schneller als Alfred Brendel, dessen dritte Aufnahme im gleichen Jahr erschien. Sie produziert einen natürlichen klaren Klang und bewegt sich dynamisch und rhythmische im Rahmen der Partitur.
    Im Seitenthema bewegt sie sich sicher zwischen Legato und Staccato hin und her. Am Ende des Seitenthemas spielt sie eine kraftvolle Steigerung, in der sie durchaus das Fortissimo erreicht, und in der Schlussgruppe stellt sie die beiden Dynamikblöcke schön gegenüber. Auch sie wiederholt natürlich die Exposition.
    In der kurzen, aber sehr bewegten Durchführung trägt auch sie der gestiegenen Dynamik Rechnung und lässt die Sforzandi und die Fortissimi deutlich hervortreten.
    Die Reprise beginnt sie ebenfalls dynamisch hochstehend und speilte sie ansonsten in Anlehnung an die Exposition. In der Schlussgruppe spielt sie abermals eine formidable Steigerung. Fast will mir scheinen, als wenn sie sie noch etwas kraftvoller spielt.
    Sehr schön sind auch ihre Oktavenwechsel ab Takt 306 mit der anschließenden Sforzandokette und der formidablen Kurzcoda.


    Das Largo spielt die etwa im Tempo von Nikolajewa, aber über eine Minute langsamer als Brendel und über zwei Minuten langsamer als Sokolov. Aber sie verleiht ihrem Spiel, das an der oberen Grenze des Piano beginnt, eine ziemliche Schwere, die von vornherein jede Tempofrage eliminiert.
    Durch ihr klares, natürliches Spiel verleiht sie auch dem ersten hellen Abschnitt etwas ungeheuer Positives, eine Art Strahlen, das eine sehr großen stimmungsmäßigen Kontrast zum ersten dunklen Abschnitt auftut.
    Im zweiten dunklen Abschnitt ist sie in ihrer dramatischen Expressivität und dynamischen Wucht ganz bei Sokolov. Es vereinen sich in den Fortissimopiani dynamische Wucht und grelle Schärfe - grandios! Eine gewisse klare Kälte schwebt auch über dem kurzen hellen Abschnitt, der ja im Moll verbleibt.
    In der Durchführung, die in etwas wärmerem Ton beginnt, tut sich in der Tat der zweite dynamische Höhepunkt in diesem Satz auf. Massive Fortissimi erklingen in den Takten 35 und 37. Auch die Zweiunddreißigstel klingen weiterhin frostig, bevor sie im Smorzando beinahe verstummen.
    Die Reprise beginnt sie, getreu ihrem dynamischen Konzept, mit kraftvollen Rinforzandi , bevor in den kristallklaren Portatonoten das Decrescendo eingeleitet wird und das anschließende Crescendo in seiner leuchtenden Klarheit zu einer zutiefst bewegenden hohen Oktave führt.
    Die Wiederholung der zweiten dunklen Sequenz ist um keinen Deut weniger dramatisch und dynamisch als die erste, die ffp-Akkorde sind sogar noch greller als zuvor.
    Die Coda ist schlichtweg grandios. Sie vereinigt Klarheit und Transparenz des Aufbaus, dynamische Linie und musikalische Tiefe, und das können bei diesem Tempo nur wirklich große BeethovenpianistInnen.


    Das Menuett ist hier reiner klarer Gesang, durchaus mit Kraft. Selten hört man so viel und große dynamische Kontraste. Im Trio hüpfen die Staccaatoviertel munter über den Achteltriolen der Begleitung. Auch Anne Oland spielt selbstverständlich dann das Menuetto Da Capo.


    Auch im Rondo behält Anne Oland ihren klaren, kraftvoll-natürlichen Vortrag bei. Dabei arbeitet sie alle dynamischen Kontraste deutlich heraus, wie z. B. in Takt 7 ff-p oder in Takt 32 desgleichen. Auch kommen hier im Rondo ihre großen Legatofähigkeit, aber auch ihre selbstlose Virtuosität zum Tragen, beides zum Beispiel im hochvirtuosen zweiten Zwischensatz mit dem langen Bogen am Ende (Takt 50 bis 54).
    Auch den dritten Themenauftritt spielt sie in einem rauschen Impetus mit den Unisonoterzen, -sexten und -oktaven und den anschließenden Intervallsprüngen.
    Im vierten Themenauftritt lässt sie auch sehr deutlich die nach unten verlagerten Sechzehntel hervortreten. Anschließend spielt sie zum Abschluss auch die humorvolle Coda auf absolutem Topniveau.


    Eine herausragende Aufnahme!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Lieber Willi,


    den Luganski habe ich nur die Hörschnipsel hören können. Ich halte ja sonst sehr viel von ihm. Aber mit diesem seinen Beethoven kann ich leider gar nichts anfangen. Das ist schon von der ersten Note an eine totale Enttäuschung. Langweiliger, indifferenter, ratloser kann man den Auftakt der Sonate nicht spielen. Kraftlos, orientierungslos, nicht tempokonstant. Ist das vielleicht Scarlatti oder Mozart? Nur eines ist für meinen Geschmack sicher: Er verfehlt einfach den Beethoven-Ton, den er nie wirklich trifft. :D Da ist keine Linie und kein Konzept drin. Das Lango ist schlicht undifferenziert, das Scherzo klebrig und zäh. Ähnlich geht es mir bei Paul Lewis - auch wieder den Hörschnipseln nach zu urteilen.


    Luganski war ja Schüler Tatjana Nikolajewas. Interessant wäre festzustellen, ob der Schüler auf der Linie der Lehrerin liegt oder sehr von ihr abweicht. :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Da sind wir dann ja mal unterschiedlicher Meinung, lieber Holger. Die beiden Hörberichte von Lugansky und Nikolajewa stehen ja direkt untereinander. Da kannst du ablesen, wie ich das gehört habe. In Kürze kann ich zusammenfassen, dass Lugansky sowohl temporal als auch dynamisch von Tatjana Nikolajewa abweicht.
    Im Tempo macht sich das vor allem im Kopfsatz und im Largo bemerkbar, aber auch im Rondo. Lediglich im Menuetto stimmen sie überein. Dynamisch ist Nikolajewa m. E. durchweg zurückhaltender als Lugansky.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Beethoven, Sonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr. 3
    Gerhard Oppitz, Klavier
    AD: 28. 2. 2005
    Spielzeiten: 6:36 - 10:01 - 3:00 - 3:52 -- 23:29 min.


    Gerhard Oppitz spielt den Kopfsatz etwas rascher als Gilels 1980 in Moskau, Oland und Brendel, aber etwas langsamer als Korstick. Dynamisch bleibt er ein wenig unter dem Maximum. Er produziert einen klaren, transparenten Klang. Er setzt die Staccati und Legato-Abschnitte sauber voneinander ab.
    Im Seitenthema spielt er eine schöne Sforzandokette, lässt aber auch in der nachfolgenden Schlusssteigerung dynamisch noch ein wenig Luft nach oben. In der Schlussgruppe stellt er die Dynamikblöcke schön gegenüber. Er wiederholt selbstverständlich auch die Exposition.
    In der Durchführung legt auch er dynamisch noch etwas zu, wobei er weiterhin die Achtel schön fließen lässt.
    In der Reprise spielt er zu Beginn eine sehr starke Sforzandokette. Ansonsten orientiert er sich temporal und dynamisch sowie rhythmisch an der Exposition. Auch die lange Steigerung in der Sforzandokette ab Takt 254 ist sehr beeindruckend und endet diesmal in einer Kräftigeren Steigerung, die jetzt durchaus das Fortissimo erreicht.
    Auch die verlängerte Schlussgruppe mit den Oktavwechseln ab Takt 306 gefällt mir sehr gut, ebenso wie die folgende Sforzandokette und die abschließende sehr schwungvolle Kurzcoda.


    Im Largo ist Oppitz an der unteren Grenze der Langsamen. Sein Klangbild ist etwas herb eingefärbt und drückt m. E. doch eine etwas stärkere Trauer aus. Die erste helle Sequenz beginnt mit diesem Trauerschatten, wandelt sich dann aber doch ins Positive.
    In der zweiten dunklen Sequenz lässt er dynamisch auch immer noch ein wenig Raum nach oben. Die zweite kurze helle Sequenz gefällt mir sehr gut, auch, weil er im letzten Takt (29) agogisch sehr geschickt die absteigenden Sechzehntel verlangsamt und damit m. E. den Trauereindruck noch verstärkt.
    In der Durchführung zeigt sich, dass auch er den wahren dynamischen Höhepunkt auf die ff-Takte 35 und 37 legt und anschließend in den absteigenden Zweiunddreißigsteln durch erneute Verlangsamung in Takt 41 ein grandioses Smorzando spielt.
    Dem schließt sich in der Reprise mit ihrer erhöhten dynamischen Bewegung und dem anschließenden crescendo ab Takt 51 eine überirdische hohe Oktave an.
    In der Wiederholung der zweiten dunklen Sequenz verstärkt er das Forte in Takt 58 und das ff in Takt 61 erheblich, und auch die drei ffp-Akkorde nehmen an Wucht und Schärfe zu.
    Die Coda ist von wunderbarer Klarheit und Transparenz und herrlich gesteigert und der schlagende Beweis dafür, dass weniger Tempo hier doch mehr ist, auch um die musikalische Tiefe zu erreichen, die Oppitz hier gelingt.
    Auch der dynamische und temporale Abschwung ab Takt 72 , speziell in den letzten zwölf Takten, ist grandios.


    Im Menuetto gerät Gerhard Oppitz' Instrument auch ins Singen, wobei die Stimmung durchaus diesseitig ist und er im zweiten Teil die dynamischen Vorschriften auch genau beachtet. Das gilt auch für das Trio. Selbstverständlich spielt er auch Menuetto Da Capo. Gerhard Oppitz stellt hier m. E. unter Beweis, dass man durch das Menuetto nicht hindurch rasen muss und diese entspannte, fröhliche Spielweise durchaus ihre Berechtigung hat.


    Diese entspannte, diesseitige Stimmung setzt sich im Rondo fort, in dem er temporal langsamer ist als Anne Oland, nahe an Emil Gilels Tempo herankommt und vielleicht ein Ideechen schneller ist als Alfred Brendel 10 Jahre vorher. Rhythmisch und dynamisch ist dieses Rondo auch wieder ohne Fehl und Tadel. Auch der hochvirtuose zweite Zwischensatz geht ihm leicht von der Hand und endet in vier formidablen Legatotakten 41 bis 44. Auch der lange Bogen im Übergang Takt 50 bis 54 ist traumhaft. Im dritten Themenauftritt spielt er auch großartige Unisonoterzen, -sexten und -oktaven und anschließende Intervallsprünge.
    Im vierten Themenauftritt ist auch der Wechsel der Sechzehntel in die tiefe Oktave sehr beeindruckend, und in der Coda bringt der den typisch Beethovenschen Humor sehr schön zur Geltung.


    Eine große Aufnahme!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Die Schwierigkeit bei der Interpretation von Beethovens frühen Sonaten scheint mir in ihrer Ambivalenz zu liegen, einerseits der bewussten „Setzung“ einer klassischen Formanlage und andererseits vorwärtsdrängender Dynamik, welche darauf aus ist, die durch eine solche „Form“ gesetzten Grenzen wiederum zu sprengen. Nicht nur in der großen Sonate op. 7 taucht dieses Problem auf, sondern auch in der im Vergleich zu deren hoher formaler Komplexität einfacher gebauten Sonate op. 10 Nr. 3. Die Sonate lässt Beethoven nicht wie üblich mit einem Allegro zu beginnen, sondern mit dessen Beschleunigung, einem Presto, was bereits von einer Intention zur Dynamisierung zeugt. Eigentlich fehlt dem Hauptthema die Gefasstheit eines klassischen Themas, in seiner amorphen Struktur gleicht es eher einer „Bewegung“. Dem ersten Viertakter – aufwärtsstürmende Oktaven – scheint die Binnenstrukturierung abhanden gekommen zu sein und die achttaktige Periode und ihre Wiederholung gleicht eher einer Bewegungsfolge, welche den Bewegungsimpuls intensiviert. So sind in der zweiten Hälfte die Akkorde dichter, gedrängter gesetzt als beim eher luftigen Beginn und die darauf folgende abwärtsstürzende Passage beginnt im kräftigen Forte statt im Piano. Gleichwohl hat Beethoven hier sehr sorgsam darauf geachtet, dass bei aller Dynamisierung die klassische Formanlage doch nicht völlig aus den Fugen gerät. Ich möchte dieses Prinzip „eingefangene Dynamik“ nennen – die Dynamik wird hier nicht etwa „ausgebremst“ oder gemäßigt, sondern zunächst freigelassen, aber nur, um sie danach wieder zu zähmen, gleichsam einzupferchen wie ein wild gewordenes Tier im schützenden Gehege. Das unterscheidet diesen frühen Beethoven vom mittleren der „Appassionata“, wo der Unruhe stiftende „Sturm und Drang“ seine klassische Absicherung in einer beruhigenden Formarchitektur wie eine Larvenhaut endlich abgestreift hat. Das Prinzip eingefangener Dynamik zeigt bereits der Beginn. Beethoven lässt die Oktaven-Bewegung auf einen Zielpunkt zustürmen, der die Bewegung zugleich befestigt als ein „Halte“-Punkt im dynamischen Sinne des Auffangens einer Bewegung. Davon zeugt das aus dem Piano herausstechende ungewöhnliche Sforzato auf dem Schlußton sowie die Fermate über der punktierten Viertel. Und wenn man genau hinschaut, weist diese Themenexposition bei allem Vorwärtsdrang eine Symmetrisierung auf, welche die entfachten Kräfte wiederum bändigt. Nicht nur, dass Beethoven auch das klassische Denken in Korrespondenzen und Komplementaritäten praktiziert, die „Gegenüberstellungs-Symmetrie“ von Frage und Antwort. Die Themenexposition endet spiegelsymmetrisch zum Anfang mit der zu Achtelpausen gedehnten Oktavbewegung des Beginns. Dadurch wird der dynamische Forte-Teil an den Rändern „eingefasst“ und die Dehnung auf die doppelte Taktzahl zeigt wiederum Beethovens Kunst ambivalenter Gestaltung eingefangener Dynamik: Einerseits ist mit der Dehnung eine gewisse Schlussberuhigung verbunden, gleichzeitig fungiert die dynamische Schlusssteigerung zum aufrührerischen Fortissimo als Öffnung, dient der Weiterleitung zu dem damit kontrastierenden Themenkomplex melodisch fließender Achtelbewegungen.


    Emil Gilels realisiert dieses Paradox eingefangener Dynamik einfach vorbildlich. So steigert er die auf den Haltepunkt A zusteuernden Oktaven mit einem Crescendo, so dass der Halt als ein „widerwilliger“ Stop erscheint, nicht zu dürfen, was die Bewegung eigentlich will: nämlich weiterlaufen. Diese Ambivalenz wird noch verstärkt, indem Gilels nämlich die syntaktischen Kontrastierungen in bewundernswerter Klarheit herausarbeitet, so dass diese Paradoxie einer dynamisierten klassischen Form wirklich dramatisch spürbar wird. Bei den beiden Konzertmitschnitten merkt man auch, wie schwierig es ist, so etwas live einzufangen. In Moskau haben sie ab Takt 35 spürbar die Regler heruntergedreht und der Ludwigsburger Mitschnitt leidet überhaupt etwas an der durch die Aufnahmetechnik bedingten eingeschränkten Dynamik.


    Bei Gilels kann man ebenfalls exemplarisch das ästhetische Problem des wunderbaren Largo e mesto nachvollziehen. Die folgende Sonate op. 13 ist die berühmte „Pathétique“. Der entscheidende Unterschied ist, dass op. 13 bereits hochpathetisch beginnt, während sowohl der erste Satz wie auch das Scherzo und Rondo-Finale von op. 10 Nr. 3 Musik mit Hanslick gesprochen eher als ein abstraktes Geschehen der „tönend-bewegten-Form“ realisiert, wo dann der sehr emotionale langsame Satz mittendrin wie ein Fremdkörper, ein Relikt der Gefühlsästhetik der Empfindsamkeit, erscheint. Genau das wurde von der zeitgenössischen Kritik auch moniert. So heißt es in der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ von 1799 (zitiert nach J. Uhde): „Der Überfluss an Gedanken, deren sich im Allgemeinen ein Genie, das nach der Höhe strebt, zu entschlagen versteht, treibt ihn noch oft dazu, seine wilden Gedanken geradezu zu häufen und in einer wunderlichen Art zu gruppieren. So verfällt er öfters in eine dunkle Kunst oder künstliche Dunkelheit, die für die Gesamtwirkung eher einen Fehler als einen Vorzug bedeute.“ An anderer Stelle spricht der anonyme Kritiker von der „durchgehaltenen Stimmung“, die er bei Beethoven offenbar vermisst. Joachim Kaiser konstatiert in Bezug auf Solomons Interpretation des Largo (die ich nicht kenne) von „Affektreduktion“ – und genau das trifft auch die Auffassung von Emil Gilels, die Kaiser damals offenbar nicht kannte und kennen konnte. Die Reduktion der Affekte dient dazu, ästhetisch die klassische Stimmungseinheit zu wahren, also auch hier wiederum die nunmehr affektive Dynamik der Empfindsamkeit klassisch einzufassen und zu bändigen. Das gelingt Gilels wiederum meisterhaft, indem er das Largo nicht zerdehnt, sondern ihm den rhythmischen Fluss beläst, den Ausdruck dafür durch eine pointierte Akzentuierung gewinnt, statt in irgendeiner Weise zu sentimentalisieren und eine Stimmungsromantik der Betrübnis zu betreiben. Die DGG-Studioaufnahme fällt den beiden Live-Mitschnitten gegenüber auf durch ihr doch deutlich verlangsamtes Tempo. Auch hier gelingt es Gilels, den Fluss zu wahren. Als Gewinn des langsameren Tempos ist zu verzeichnen, dass die Akzente eine geradezu unerhörte dramatische Dimension bekommen, zu Punkten des Aufhaltens und Einhaltens werden, einer Dynamik, die nun statt nach außen nach innen dringt als der Ausdruck eines Sich-Vergrabens in das eigene Leiden: Ausdruck nicht als Sentimentalität, sondern klassisch-puristisch als reine Ausdrucksbewegung. Zudem stiftet das den Bezug auf das Rondo-Finale mit seinen humoristisch abbrechenden, immer wieder stockenden Bewegungsansätzen. Wohl niemand hat diese Sonate zugleich so bewegend, aufs höchste differenziert und zugleich klassisch-geschlossen dargestellt wie Emil Gilels.


    Das Finale befand Joachim Kaiser als eigentlich zu „leicht“ für diese Sonate. Hiermit hat er finde ich wiederum den ästhetischen Sinn klassisch eingefangener Dynamik verkannt. Im Rondo-Finale lässt Beethoven der destruktiven Dynamik anders als im Kopfsatz endlich freien Lauf, aber sie darf eben anders als später in der „Appassionata“ nicht wirklich existentiell bedrohlicher Ernst werden, sondern wird statt dessen verklärt ins Ästhetisch-Spielerische. In humoristischer „Als-ob“-Modifikation wird ästhetisch erlaubt, was nach klassischen Maßstäben eigentlich unerlaubt ist. Der schöne Schein von Spielwitz verhindert hier die ernsthafte Gefährdung des klassische Ethos in sich gefestigter Charaktere.


    Ist Vladimir Horowitz mit der „Pathétique“ einer seiner gelungensten – und aufrüttelnd modernsten – Darstellungen der Musik der Wiener Klassik gelungen, so ist er an der vorausgehenden Sonate op. 10 Nr. 3 für mein Empfinden komplett gescheitert (zur Verfügung steht mir der Carnegie Hall-Mitschnitt von 1949). Schon der Beginn zeigt, dass anders als sein Landsmann Emil Gilels Horowitz´ keinerlei Sinn für den tieferen Formsinn dieser Sonate hat. Der „Fehler“ ist gleich die Akzentuierung des auftaktigen D. Damit markiert Horowitz Anfang und Ende der Phrase, so dass die dazwischen laufende Oktavbewegung zum durchhängenden Seil wird. Dazu kommt die völlig unklassisch wirkende Unausgewogenheit in der Stimmengewichtung, die Horowitz-Eigenart, die Bässe übergewichtig hervorzuheben. Bei der Schlusspassage der Themenexposition forciert er die Oktaven aufregend beschleunigend in Virtuosenmanier, wodurch dann aber leider die formale Ambivalenz dieser Dehnung, zugleich als abschließend und weiterleitend zu fungieren, verloren geht. Horowitz spielt in diesem Satz sowohl an der Syntax vorbei wie es ihm auch nicht gelingt, der Dynamik den Zug des Vorwärtstreibens zu geben. Das Largo ist zwar hochpoetisch gespielt, doch sein Fehler ist, dass es Horowitz melodisiert. Dadurch verliert es seine Intensität des Auf-der-Stelle-Tretens (das Cis wird in Takt 1 und 2 gleich fünfmal umlaufen), der tragischen Unmöglichkeit von vorwärtstreibender Bewegung. Was Horowitz in der Folge entfaltet, ist keine Beethovensche Entwicklungslogik, sondern eine freilich hoch fantasievoll und beseelt gespielte lose Assoziationskette. Das Scherzo ist für meinen Geschmack zu schnell und forciert im Ton – keine wirkliche Entspannung nach der emotionalen Anspannung des Largo. Auch das Finale krankt an seinem zu schnellen Tempo. Beethoven hat es mit „Allegro“ überschreiben im Unterschied zum „Presto“-Kopfsatz. Bei Horowitz verschiebt sich durch den temporären „Schlussspurt“ das dynamische Zentrum vom Kopfsatz auf das Finale, was dieser Sonatenarchitektur schlicht zuwider ist.


    Friedrich Gulda überrascht mit einer - anders als man es von ihm kennt - eben nicht übertrieben beschleunigten Themenexposition. Das ist beeindruckend klassisch klar und übersichtlich gestaltet. Danach allerdings wird es dann „motorisch“ mit den Achtelbewegungen. Zweifellos überragend ist, wie Gulda den Aufbau zur Schlussgruppe als eine kontinuierliche Entwicklung gestaltet. Gleichwohl gelingt es ihm anders als Emil Gilels nicht, die Ambivalenz dieses Sonatensatzes zwischen der Freisetzung von dynamischer Energie und zugleich formaler Fesselung aufzuzeigen – die Musik ist statt dessen entweder klassisch-gefasst oder motorisch beschleunigt. Auch das Largo überzeugt nicht wirklich. Der Beginn wirkt unpersönlich mit seltsamer Betonung der Akkorde auf der Eins. Einen intimen Ton trifft Gulda erst, wenn die Musik Mozart ähnlichen Fluss bekommt. Das Scherzo ist wunderbar klar und treffsicher in seinem kernigen Ton. Das Finale nimmt Gulda ähnlich wie Horowitz zu schnell – auch er verlegt damit den bewegungsdynamischen Mittelpunkt vom Kopfsatz auf das Finale.


    Bei Rudolf Buchbinder glaubt man, dass er Joachim Kaiser gelesen und verinnerlicht hat. Kaiser meint nämlich, man müsse dem Amorphen der Oktavbewegung des Kopfsatzes durch eine taktweise Akzentuierung entgehen. Bei Buchbinder zeigt sich allerdings, dass dies eher klobig und holzschnittartig wirkt. Indem die Bewegung eine an Bartok erinnernde stampfende Rhythmik bekommt, verliert sie letztlich ihre aus der haltlosen Vorwärtsbewegung sich entwickelnde formzerstörerische Sprengkraft und wird damit, so merkwürdig es auch klingen mag, zum Harmlos-Motorischen domestiziert. Insgesamt wirkt Buchbinders Gestaltung deutlich geschlossener und einheitlicher als die von Gulda, leidet aber auch – weil er dieses Prinzip durch alle Sätze wie am Schnürchen gezogen hindurchzieht – an einer gewissen Uniformität. Das Largo ist einfach zu unpersönlich, auch wenn es überaus sorgfältig und intelligent gestaltet ist, Buchbinder etwa den Sinn des rinforzando als eines hastigen und plötzlichen Crescendo wirklich wörtlich nimmt und der Musik damit rhetorische Prägnanz verleiht. Ein überaus kompetenter und intelligent interpretierter Beerthoven, aber wirklich berührend ist dieser Vortrag für mich nicht.


    Wie nicht anders zu erwarten spielt Wilhelm Kempff auch diese Sonate mit der ihm eigenen außergewöhnlichen Musikalität – einer großen Flexibilität sensibler Gestaltung. Allerdings merkt man der letzten Studioaufnahme bei der DGG doch ihre klaviertechnischen Mängel deutlich an. Es fehlt nicht nur an Präzision, sondern auch an der Klarheit und Konsequenz der Gestaltung. Warum spielt er nur den Nachsatz des Hautthemas nicht Forte, wie es geschrieben steht? Statt dessen ist die Schwäche zu konstatieren, die besonders der alte Kempff bisweilen zeigt: eine etwas aufgesetzt wirkende rhetorische Akzentuierung, die wie ein doch etwas verkrampfter Versuch wirkt, um jeden Preis individuell sein zu wollen. Die Gestaltung des Kopfsatzes ist zwar ungemein phantasievoll, aber man verliert dabei auch die Übersicht. Wie er das Largo beginnt, ist wirklich ungemein berührend mit quälerischem Schmerz. Doch leider macht er durch allzu viel Rhetorik diese Stimmung wieder zunichte. Das Scherzo spielt er wunderbar flüssig und natürlich – doch glaubt man letztlich statt Beethoven eher Schubert zu hören mit der für Kempffs Spiel hier charakteristischen verfließenden Unschärfe des Tons. Es wäre deshalb spannend, Kempff mit Kempff aus seinen frühen Tagen zu vergleichen. Diese letzte Studio-Aufnahme nämlich gehört eindeutig zu seinen schwächeren.


    Claudio Arrau (Philips (1. Aufnahme) und EMI) mit seinem zweifellos überragenden Formsinn zeigt, dass es in Fragen der Kunst keine wirkliche Eindeutigkeit gibt. Für ihn hat der Hauptthemenkomplex eine ganz andere Logik: nicht Geschlossenheit, sondern Offenheit. Der zentrale Gedanke ist für ihn das aufwärtsstürmende Oktavenmotiv, das eine immer wieder eine neue Antwort findet, sich dabei beständig dynamisch intensiviert und so seine bruchlose Fortsetzung durch den zweiten Themengedanken erfährt. Arrau spielt diesen Satz syntaktisch ungemein klar mit energischer Bewegung, das zweite Thema marschiert regelrecht. Zugleich ebnet er aber doch ein wenig die Gegensätze der Themen (auch in dynamischer Hinsicht) ein. Was mir fehlt bei aller Bewunderung für Arraus große Kunst ist das Aufrührerische, die irritierende Ambivalenz von Fassung und Fassungslosigkeit. Bei Arrau wirkt Beethoven in diesem Presto-Kopfsatz mit Goethe gesprochen wie ein völlig unromantischer, von keiner Unendlichkeits-Sentimentalität angekränkelter kernig gesunder Charakter. Das Zentrum seiner Interpretation ist zweifellos das Largo. Bei ihm macht – im Unterschied zu Gulda – die Betonung des Bassakkordes auf der Eins Sinn. Er hält nämlich das Pedal, bewirkt damit ein „tenuto“ – das bewegliche Geschehen aus dem Kopfsatz kommt zum Stillstand in einem düsteren Stimmungsbild. Den Motivbewegungen verleiht Arrau wie nur er es kann eine wühlerische, tiefschürfend expressionistische innere Bewegtheit bis ins kleinste Detail. Darauf folgt ein sehr ernstes Scherzo ohne jeglichen schmeichlerischen Liebreiz, der etwas beschwichtigen könnte. Das Finale ergänzt sich im Ton schlüssig mit dem Kopfsatz. So bewundernswert ich diese Aufnahme finde, perspektivischer und facettenreicher, die formalen Spannungen und Ambivalenzen, sprich das „Problematische“ des frühen Beethoven wirklich spürbar zu machen gelingt nur Emil Gilels.


    In Artur Schnabels faszinierender Aufnahme zeigt sich das „Problematische“ des frühen Beethoven von einer anderen Seite her, wenn man ihn nämlich interpretatorisch auf der Grenze zwischen Klassik und Romantik verortet. Den Presto-Kopfsatz spielt wohl niemand so schön wie Schnabel. Mit schwereloser Leichtigkeit und Leuchtkraft glitzern die in die Tasten gesetzten Bewegungen. Dabei ist Schnabels Vortrag mit größter Kompetenz klassischer Gestaltung gesegnet, was die Herausarbeitung der Syntax angeht. Und wenn Schnabel dann zum Largo übergeht, dass er mit 11.23 Minuten nun wirklich extrem zerdehnt, versteht man den Sinn: es ist der Gegensatz von spielerischer Leichtigkeit und Schwere, der sich ergibt. Bei Schnabel glaubt man, die zeitgenössische Kritik zu verstehen: Dermaßen lasziv sentimentalisch traut sich wohl niemand, diesen Satz zu spielen. Beethovens Musik zerfällt damit manichäisch-dualistisch in zwei Welten: hell und dunkel, Heiterkeit und trübsinnigem Sentiment. Das ist hochexpressiv und wunderschön zugleich – ein schwarzes Loch von Trübsal inmitten eines heiteren Sommernachtstraumes. Formal gesehen fällt dieser nun wirklich exzessiv zerdehnte Largo-Satz allerdings – eines durchgehenden rhythmischen Bewegungsfadens beraubt – auseinander in seine Teile. Kann man das auch heute noch so spielen? Die Frage kann man vielleicht mit Blick auf Schnabels Schüler Claude Frank, sowie Daniel Barenboim und Michael Korstick beantworten. Beglückend und erhebend ist diese grandiose, einfach wunderschöne Klavierspiel auf jeden Fall. Eine Therapiestunde für Beethoven-Beckmesser und ein Anlass, bestimmte inzwischen eingefahrene Interpretationsgewohnheiten zu überdenken.


    Ihrem Ruf als „Geheimtip“ macht die Einspeilung der Beethoven-Sonaten durch Claude Frank auch im Falle der Sonate op. 10 Nr. 3 alle Ehre. Klar, souverän, schnörkellos der erste Satz, der von der rhythmischen Bewegung als antreibendem Motor lebt. Da wird ungemein textgenau und auch feinsinnig gestaltet, was die dynamischen Abstufungen angeht. Frank benötigt für das Largo 12.32 Min. Gegenüber Schnabel ist zu bemerken, dass die gewisse neusachliche Ernüchterung eine gewisse Vereinheitlichung der „Stimmung“ bewirkt, der romantische Gegensatz von Trübsinn und Heiterkeit so gar nicht erst aufbricht. Und Frank gestaltet diesen Satz äußerst sorgfältig und mit viel Feingefühl für die inneren Bewegungen der Musik. Dabei müht er sich, den rhythmischen Puls nicht verloren gehen zu lassen. Gleich zu Beginn wird aber zugleich die Kehrseite deutlich. Auch das ist – trotz der übergroßen Largo-Dehnung – eine „Affektreduktion“, die aber genau ihres neusachlichen Reduktionismus wegen den Nachweis eines Zuwachses an Sinn nicht geben kann. Sprich: Das arg verlangsamte Tempo bringt keinen zusätzlichen Ausdrucksgewinn gegenüber einer möglicher Weise flotteren Gangart, welcher für sie einnehmen könnte. Sergui Celibidache sagte, dass ein Tempo dann richtig ist, wenn das Ende im Anfang präsent ist, d.h. man weder über dem Vernehmen des Einzelnen den Zusammenhang vergisst noch umgekehrt die Übersicht über das große Ganze mit Detailarmut erkauft wird. Daran gemessen ist dieses Gleichgewicht doch arg in Richtung einer Betonung des Einzelmomentes verschoben. Ansonsten kommt dieser Aufnahme wirklich ein Spitzenrang zu – ich ziehe sie z.B. Buchbinder eindeutig vor.


    Auch Daniel Barenboim (EMI) zeigt sich bei dieser Sonate in Hochform. Mit seinem irdisch-stämmigen Ton, dem massigen Forte, ist das trotz alledem ungemein klar und konsequent gestaltet. Das Scherzo hat die erforderliche Gelöstheit und auch das Finale fügt sich bruchlos ein ins Gesamtkonzept. Auch Barenboim folgt beim Largo mit 12 Minuten Spieldauer offensichtlich dem Vorbild Artur Schnabel. Anders als Claude Frank scheut er die Affektivität nicht, stuft zudem im Piano-Pianissimo-Bereich sehr fein ab. Die Largo-Sentimentalisierung „verbreitert“ bei ihm allerdings mehr, als sie den Ausdruck „vertiefen“ würde, so dass sich der Vortrag an der Grenze zu dem Moment bewegt, wo die Weile doch merklich lang wird. Zudem gelingt es Barenboim nicht in der gleichen Weise wie Claude Frank, den durchgehenden Rhythmus der Bewegung auch in einer solch übermäßigen Largo-Dehnung zu wahren. Barenboims sicher hervorragende Aufnahme kann somit letztlich nicht evident belegen und die Zweifel darüber zerstreuen, dass diese Art von Entschleunigung nun der richtige Weg für den langsamen Satz von op. 10 nr. 3 ist.


    Direkt nacheinander gehört muss ich konstatieren: Michael Korstick gegenüber hat Daniel Barenboim eindeutig die Nase vorn. Vergleichbar sind sie in ihrer Wucht, dem Ausreizen dynamischer Extreme. Barenboim stanzt jedoch präzise die Akkorde und vermag zu differenzieren, arbeitet dabei sehr deutlich die syntaktischen Antithesen heraus. Korsticks Spiel dagegen wirkt unpräziser, großflächig-pauschaler und in den Fortissimo-Spitzen unangenehm lärmig. Geradezu hölzern-steif, wie er im Vergleich mit dem hier ganz hervorragenden Daniel Barenboim den dynamischen Aufbau zur Schlussgruppe der Sonatenexposition angeht. Und auch in der Largo-Dehnung ist Barenboim einfach plastischer und spannender in der Gestaltung der Motive. Bewegt sich Barenboim an der Grenze zur langen Weile, so gerät Korsticks überdehnter Vortrag nun eindeutig langatmig und langweilig – weil das extrem langsame Tempo eben ein Mehr an Mirkodifferenzierung und höchstes Maß an konzentrierter Spannung bedarf, was Korsticks auch hier zu wenig konturenscharfes und konzentriertes Spiel nicht aufzubieten vermag. (Kein Vergleich mit dem auch in dieser Entschleunigung stets schlüssigen und niemals an Spannung verlierenden Vortrag eines Claude Frank oder der die Sinne betörenden Poesie von Artur Schnabel!) Auf das Largo folgt ein etwas burschikoses Scherzo und quirliges Finale. Für mich gehört diese Aufnahme, der man natürlich ihre Qualitäten sicher nicht absprechen kann, nicht in die erste Reihe.


    Wenn jemand die Langsamkeit – vor allem bei Schubert – wirklich zum Ereignis machen konnte, dann war es Svjatoslav Richter. Es gibt nun zu denken, dass ausgerechnet Richter im Falle des Largo nicht auf der Schnabel-Linie der Zerdehnung wandert, vielmehr mit 8.23 Minuten (Prag 1959) ein sehr flüssiges Tempo wählt. Eine in jeder Hinsicht unvergleichliche Aufnahme – die einzige für mich bisher, welche ich einem Emil Gilels zur Seite stelle. Es erzeugt den berühmten Gänsehaut-Effekt, wenn Richter beim Largo gleich das erste Motiv im Pianissimo verhauchen lässt und damit die Stimmung des Geheimnisvollen auch ohne jede romantische Sentimentalisierung aufkommen lässt um dann konzentriert, schlicht und zugleich mit gedanklicher Strenge fortzufahren. Und es ist seine kluge Wahl eines flüssigen Tempo, welche den Forte-Einbrüchen endlich Sinn gibt: als Reminiszenzen nämlich an die Dynamik des Kopfsatzes, wodurch das Largo der Gefahr entgeht, zur versprengten Insel von Sentimentalität inmitten formalistischer Bewegungsdynamik zu geraten. Da meldet sich grimmige Subjektivität im Ausbruch von Leidenschaft bis hin zu hilfloser Verzweiflung. Solche Extreme zusammenzuspannen konnte nur Richter – das Kippen von Sachlichkeit und Gedankenstrenge in Expressivität derart schlüssig miteinander zu verzahnen. Dasselbe gilt für den überragenden Kopfsatz, der eben nicht nur Kraft hat, sondern mit zum Bersten angespannter, aufgestauter Energie (man höre nur den antwortenden Halbsatz des Hauptthemas!), Rhythmik und zugleich lyrische Feinheit aufwartet. Das Scherzo ist von betörender melodischer Schönheit. Eine in jeder Hinsicht exemplarische Aufnahme – wahrlich großes Klavierspiel eines einsamen Klaviertitanen!


    Den richtigen „Ton“ für diese Sonate hat Alfred Brendel in seiner frühen Vox-Gesamtaufnahme offenbar noch nicht gefunden. Die Oktaven haben keine Energie, werden vielmehr mit dem Pedal aufgeweicht, wodurch dann das Forte als Endziel um so klobiger wirkt. Das Forte in der Rechten – Brendel will oder kann es nicht aus dem Handgelenk schütteln. Das folgende Geschehen wirkt etwas unverbindlich, der musikalische Bewegungsfluss plätschert so dahin – Brendels Vortrag ist einfach zu kontrastarm für „dynamischen“, stürmenden und drängenden Beethoven. Beim Largo (10 Min.) gefällt zunächst sein Sinn für den großen Bogen. Doch auch hier „romantisiert“ der Tastenkünstler, bevorzugt eine eher für Schubert passende Weichzeichnung, welche die Musik ins Zerbrechlich-Zarte zurücknehmend zwar mit der Aura des Geheimnisvollen umweht, aber mit ihrer empfindsamen Romantisierung auch vor den Forte-Kontrasten nicht Halt macht, welche so ihrer „männlich“ auftrumpfenden Subjektivität – dem Ausdruck trotzig leidenden Willens – verlustig gehen. Sein Format der Gestaltung zeigt Brendel im Scherzo – mit einer sehr originellen Beschleunigung als Belebung der Kräfte. Der Auftakt des Rondo wirkt eher hastig als burlesk-komisch. Ich nehme doch an, dass Brendel sich in seinen späteren Aufnahmen weiter entwickelt hat. Diese jedenfalls ist noch kein ganz großer Wurf.


    Wenn jemand den beiden großen Russen was op. 10 Nr. 3 angeht Paroli bieten kann, dann ist es Maurizio Pollini. Mit dieser aufgenommenen Sonate dokumentiert er eine seiner großartigsten Beethoven-Taten von einer Ihresgleichen suchenden Geschlossenheit. Bei Pollini schlägt die Dynamik Funken, da ist dieser Pollini-typische unwiderstehliche „Zug“ drin, der unerbittlich vorwärtstreibend niemals locker lässt, den Presto-Kopfsatz durchpulst als eine leidenschaftliche Bewegung bis hin zum trotzig aufrührerischen Gestus des emanzipierten Subjekts. Und diese setzt sich im Largo fort, das mit intimer Trauer beginnt, zugleich wunderschöne Seiten zeigt wie goldene Herbstblätter aber auch leidenschaftlich ausbrechen kann in „wütender“ Geste. Das Stürmen und Drängen von der ersten bis zur letzten Note, zugleich aber mit „italienischem“ Formgefühl bewältigt in einer von innen heraus beseelten Form, die ihre Fassung genau darin bewahrt, dass sie überall leidenschaftlich in Bewegung gebracht wird – das macht die überragende Qualität dieser grandiosen Aufnahme aus!


    Auch Alfredo Perl bleibt im Kopfsatz Beethovens Dynamik nichts schuldig – wenn sein Spiel auch nicht diese Unerbittlichkeit des Vorwärtsdrängens und Tonfülle eines Maurizio Pollini hat. Das Largo ist zweifellos wunderschön gespielt – nur zu schön vielleicht. Perl mag keine Gewaltsamkeit, bevorzugt eher die lyrische Intimität, welche hier aber dann doch Beethovenscher Subjektivität den aufrührerischen Stachel nimmt in einer letztlich romantisierenden Sicht. Zweifellos ist dies das Zeugnis eines der profiliertesten Beethoven-Interpreten, wenn er auch speziell dieser Sonate etwas die widerborstige, zur Gewaltsamkeit neigende Subjektivität mit seiner großen Empfindsamkeit austreibt.


    Die Besprechung von Sokolov wird noch am Wochenende nachfolgen! :hello:


    Liebe Grüße
    Holger

  • Lieber Holger,


    ich war vorhin in meinem Stammcafé eingetroffen, nachdem ich vorher noch meinen Oppitz gepostet hatte. Jetzt habe ich deinen langen Beitrag zu Ende gelesen. Ich werde später noch näher darauf eingehen, aber gerade sind mein Bruder und meine Schwägerin eingetroffen, und ich werde mich gleich zu ihnen setzen. Zunächst einmal Chapeau für den fachlich fundierten Vortrrag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • So, lieber Holger,


    jetzt bin ich wieder aufnahmefähig, nachdem ich meine Erinnerungen für morgen vorbereitet habe.


    Zitat

    So heißt es in der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ von 1799 (zitiert nach J. Uhde): „Der Überfluss an Gedanken, deren sich im Allgemeinen ein Genie, das nach der Höhe strebt, zu entschlagen versteht, treibt ihn noch oft dazu, seine wilden Gedanken geradezu zu häufen und in einer wunderlichen Art zu gruppieren. So verfällt er öfters in eine dunkle Kunst oder künstliche Dunkelheit, die für die Gesamtwirkung eher einen Fehler als einen Vorzug bedeute.“ An anderer Stelle spricht der anonyme Kritiker von der „durchgehaltenen Stimmung“, die er bei Beethoven offenbar vermisst.


    Diesen Passus hatte ich gestern bei Uhde auch gelesen, und da kam ich wieder darauf, dass die frühen Sonaten Beethovens bereits solche Meisterwerke waren, ihrer Zeit so weit voraus, dass sie zwangsläufig auf das Publikum verstörend wirken mussten, wobei man, wie ich aus meiner Zeit als fleißiger Konzertgänger erfahren habe, darüber grübeln muss, ob die Kritiker in ihrem künstlichen Kosmos wirklich einen so spontanen und "richtigen" Zugang zu den Werken haben wie das Publikum. Ich will damit nicht sagen, dass das Publikum generell unkritischer ist als die Kritikaster, aber sie gehen in der Regel erfüllter aus den Konzerten als viele Kritiker.


    O.T. Ich lese gerade die Biografie von Carlos Kleiber, und da war das Thema "Kritiker" auch akut, nur dass sich in diesem speziellen Falle zumeist Kritiker und Publikum einig waren, bis auf, nun ja einen gewissen Joachim Kaiser, der, zumindest am Anfang, doch mit seinen Kritiken gegen den Strom anschwamm.


    Du schreibst ja in dem Zusammenhang über Kaiser auch über die Interpretation Solomons, zu der ich im Moment auch nichts sagen kann, weil ich seit einigen Tagen fast meine sämtlichen Aufnahmen Solomons vermisse, auch die der 7. Sonate. Ich habe sie jedoch schon nachbestellt und hoffe, dass sie noch schnell genug eintrifft.


    Du schreibst auch über das reduzierte Tempo bei Gilels Studioaufnahme, wobei es ja, davon abgesehen, überhaupt eine Sensation ist, dass ein Pianist von Weltrang innerhalb von 8 Wochen 4 verschiedene Aufnahmen von dieser Sonate macht. Aus deiner Ansicht kann ich heraushören, dass du es nicht für möglich hältst, dass ein Pianist die Ergebnisse von Gilels' Studioaufnahme auch live erreicht. Weiter schreibst du in diesem Kapitel, dass Kaiser das Finale für zu leicht befunden habe. Das habe ich auch gelesen und bin ebenfalls der Meinung, dass er da falsch liegt. Ich habe irgendwann am Anfang meiner Hörberichte geschrieben, dass ich eine Einheit zwischen Menuetto und Rondo sehe, zumindest von der Stimmung her, und wenn man das denkt, dann hat man eine Dreiteilung mit dem umfangreichen Kopfsatz, der ja mit Wiederholung der Exposition an die 500 Takte geht, dem Largo und den Sätzen 3 und 4, die temporal etwa dem Umfang des Kopfsatzes entsprechen. Dann haben wir den von mir in diesem Artikel beschriebenen pyramidonalen Aufbau mit dem allgewaltigen Largo in der Mitte.


    Und, vergessen wir nicht, Beethoven war als Komponist ein Architekt, im Gegensatz etwa zu Schubert, den Brendel als "Schlafwandler" bezeichnete, wohl gemerkt im besten Sinne. Und wenn man das bedenkt, dann ist das Rondo ein hochkomplexer Satz mit einem faszinierenden Aufbau, der sich sogar mir als Laien nach kurzer Zeit erschlossen hat.


    Und wenn dann Kaiser dieses Rondo als zu leicht befunden hat, dann müsste er es mit dem Schlusssatz von Schuberts D.960 genauso tun.


    Ich habe nach dem Lesen deiner Berichte doch Etliches an Übereisntimmung gefunden, z. B. über Barenboim und Gulda, natürlich auch über Arrau, von dem ich ja schon fünf Berichte verfasst habe, aber ein sechster wartet noch als Nachschub (1973 Brescia).


    Auf deinen Sokolov-Bericht bin ich sehr gespannt.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Diesen Passus hatte ich gestern bei Uhde auch gelesen, und da kam ich wieder darauf, dass die frühen Sonaten Beethovens bereist solche Meisterwerke waren, ihrer Zeit so weit voraus, dass sie zwangsläufig auf das Publikum verstörend wirken mussten, wobei man, wie ich aus meiner Zeit als fleißiger Konzertgänger erfahren habe, darüber grübeln muss, ob die Kritiker in ihrem künstlichen Kosmos wirklich einen so spontanen und "richtigen" Zugang zu den Werken haben wie das Publikum. Ich will damit nicht sagen, dass das Publikum generell unkritischer ist als die Kritikaster, aber sie gehen in der Regel erfüllter aus den Konzerten als viele Kritiker.

    Lieber Willi,


    diese zeitgenössische Kritik ist wirklich hochinteressant! Die "wilden Gedanken", das "Bizarre", hat sich nämlich eigentlich längst etabliert durch Carl Phillipp Emanuel Bach. Man hat C. Ph. E. Bachs Vortragsstil und seine Musik damals als epochalen Wandel empfunden und als den "erhabenen" Stil gekennzeichnet, der sehr expressiv ist und vom abrupten Wechsel der Affekte lebt. Von daher wäre es nicht überraschend gewesen, wenn dieser anonyme Kritiker (die Anonymität ist damals ein Schutz gegen die Zensur) Beethoven in dieser Hinsicht gerade gelobt hätte. Er setzt aber statt dessen einen ganz anderen Akzent - nämlich die Einheit der Stimmung. Für ihn ist offenbar wichtiger als die Mannigfaltigkeit, der Wechsel der Charaktere und Affekte, die Einheit in der Mannigfaltigkeit. Das weist für mich auf die damals entstehende Romantik hin, welche die "Stimmungen" entdeckt. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Kritik (1799) fällt ja ziemlich genau mit der des romantisch-idealistischen Schrifttums zusammen. (In dieser Zeit gibt es allerdings noch keine klare Abgrenzung von "Stimmung" und "Affekt", noch Hegel benutzt beides synonym.) Man könnte sogar sagen, dass Beethoven diese Kritik in der folgenden Sonate, der "Pathetique" (op. 13), beherzigt hat. Es ist oft ja so, dass Komponisten aus den "Problemen" eines Werks Konsequenzen für das folgende ziehen. Du erinnerst Dich, unser Christian hatte protestiert, dass ich das Finale der "Pathetique" als heiter-gelöstes Kehraus-Finale aufgefaßt hatte. In der Tat ist in der Pathetique eine Stimmungseinheit drin - man kann gut begründet der Meinung sein, dass das "Pathetische" die ganze Sonate durchzieht. Und Beethoven legt offenbar selbst auf die Einheit in der Mannigfaltigkeit, die "Synthese", großen Wert, indem nämlich das Rondo-Finale von op. 13 sowohl die "pathetischen" Charaktere des Kopfsatzes aufnimmt als auch die heiter-gelösten des Scherzo.



    Du schreibst ja in dem Zusammenhang über Kaiser auch über die Interpretation Solomons, zu der ich im Moment auch nichts sagen kann, weil ich seit einigen Tagen fast meine sämtlichen Aufnahmen Solomons vermisse, auch die der 7. Sonate. Ich habe sie jedoch schon nachbestellt und hoffe, dass sie noch schnell genug eintrifft.

    Das ist ja verrückt - der Horror jedes Sammlers. Manchmal kriege ich den auch nach dem Umzug, weil ich in der neuen Ordnung die alten Sachen nicht mehr finde. Man hat halt immer noch die alte abgespeichert! :D



    Ich habe irgendwann am Anfang meiner Hörberichte geschrieben, dass ich eine Einheit zwischen Menuetto und Rondo sehe, zumindest von der Stimmung her, und wenn man das denkt, dann hat man eine Dreiteilung mit dem umfangreichen Kopfsatz, der ja mit Wiederholung der Exposition an die 500 Takte geht, dem Largo und den Sätzen 3 und 4, die temporal etwa dem Umfang des Kopfsatzes entsprechen. Dann haben wir den von mir in diesem Artikel beschriebenen pyramidonalen Aufbau mit dem allgewaltigen Largo in der Mitte.

    Ja, das ist ein sehr instruktives Bild von Dir! In dieser Hinsicht finde ich Carl Dahlhaus sehr aufschlußreich, der den Wandel vom klassischen zum romantischen Ideal der Symphonie so festgemacht hat, dass sich das Zentrum vom Kopfsatz, dem Sonatenallegro, auf das Finale verschiebt. Am Ende dieser Entwicklung steht Mahler - die 6. Symphonie ist eine "Finalsymphonie", da ist das Finale gar kein Rondo mehr, sondern gleich ein ganzer Sonatensatz. Dahlhaus macht nun sehr schön klar, dass sich das Formprinzip ändert: Die klassische Form beruht auf dem Symmetrieprinzip, dem Ausgleich von Gegensätzen. So schafft das heitere Kehraus-Finale das ausgleichende Gegengewicht zum dramatischen Soantenallegro, dem Kopfsatz. In der Romantik werden durch die Verschiebung des Zentrums auf das Finale die Mittelsätze (Scherzo, langsamer Satz) zu Intermezzi und die Symmetrie, die damit verloren geht, wird schließlich kompensiert durch thematische Verklammerungen zwischen den Sätzen.


    In Beethovens Sonaten kann man ähnliche Tendenzen feststellen, dass das Finale aufgewertet wird. So weitet sich in der Waldsteinsonate das Rondo aus zum Sonatenrondo, in op. 106 und op. 110 ist das Finale eine große Fuge, d.h. damit wird dieser Schlußsatz eindeutig zum Zentrum. Auf solche Tendenzen spielt wohl Kaiser an, wenn er das Rondo von op. 10 Nr. 3 als zu leichtgewichtig empfindet. Das Finale hat hier noch nicht die gewichtige Bedeutung wie in den späten Sonaten. Dein Pyramidenschema betont die Symmetrie - das paßt von daher sehr gut. Bemerkenswert und bedenkenswert ist auch, dass Beethoven in den beiden vorherigen Sonaten op. 10 Nr. 1 und Nr. 2 zur Dreisätzigkeit zurückgekehrt ist - jetzt sind es in op. 10 Nr. 3 wieder vier Sätze. In der Dreisätzigkeit rückt natürlich automatisch der langsame Satz in die symmetrische Mitte. Vergleicht man den Kopfsatz mit op. 7 z..B., dann fällt auf, dass die Gegensätze zwischen Haupt- und Seitenthema sehr stark nivelliert werden. Der Kopfsatz von op. 10 Nr. 3 wirkt insgesamt dynamischer aber auch uniformer - und diese Einförmigkeit verschärft den Kontrast zum folgenden langsamen Satz, wirkt also ästhetisch vereinheitlichend. Uhdes Analyse sagt, dass Beethoven das Rondoschema "individualisiert", zur leeren Hülse werden läßt, mit ihm nur noch spielt, es humoristisch durch die motivisch-thematischen Prozesse und ihre Dynamik fast schon boshaft unterwandert. Wenn man diese wirklich skurrile Behandlung der Thematik beachtet, dann kann man auch hier gewisse Parallelen zum Aufbau der "Pathetique" sehen. Das heiter-gelöste Scherzo kontrastiert mit dem dunklen, leidenden Ton des Largo. Das Rondo nimmt dieses auf, aber auch die dynamische Bewegung des Presto. Anders als in der Pathetique enthält das Presto jedoch kaum einen dramatischen Gegensatz, d.h. das "Drama" ist eigentlich der Gegensatz von Presto und Largo, von Bewegungsdrang und Ruhe bzw. Erstarrung, Einkehr ins Innere. Insofern wahrt Beethoven die Symmetrie durch die Folge Bewegung-Ruhe-Bewegung (was auch Deinem Pyramidenschema entspricht). Das Largo ist damit eine Art Insel im Zentrum - was natürlich die Deutung herausfordert. Ist Beethoven hier eher optimistisch oder pessimistisch? Die Stimmung des Kopfsatzes braucht durch das Rondo-Finale gar nicht ins Heitere gewendet zu werden, sie ist nämlich überhaupt nicht dramatisch düster. Ein Ausgleich muß statt dessen für das melancholische Largo gefunden werden. Der ist eben vielleicht das Spiel, der Humor des Rondo - was in der "Realität" nicht möglich ist, das Ausleben von Willensenergie (was die "Aussage" des Largo ist), das ereignet sich nun im ästhetischen Spiel.


    Es gibt finde ich eine durchaus aufschlußreiche Parallele der Rolle des Largo in Beethovens op. 10 Nr. 3 zum langsamen Satz aus Gustav Mahlers 4. Symphonie. Auch bei Mahler sind im Sonatenallegro die dramatischen Kontraste nivelliert (Mahler selbst nennt die Stimmung "ununterschiedenes Himmelsblau"). Die eigentlich tragischen Gegensätze brechen deshalb erst im langsamen Satz auf. Besonders bei Richter hört man das: die sehr dramatische Gegensätzlichkeit von Intimität und emotional-verzweifelten Ausbrüchen in diesem Largo-Satz. Die Nähe zur "Pathetique" am größten ist finde ich bei Pollini. Bei ihm gibt es einen leidenschaftlich-bewegten Zug auch in op. 10 Nr. 3, der alle Sätze durchzieht und insofern die zeitgenössische Kritik "widerlegt", indem er offenbar op. 10 Nr. 3 und op. 13 als Einheit sieht.


    Solche Überlegungen finde ich auch deshalb wichtig und hilfreich, weil sie uns auf die "Knackpunkte" der Interpretation aufmerksam machen. Wo sind die Alternativen? Worauf muß man achten, um eine gelungene von einer nicht oder weniger gelungenen Interpretation zu unterscheiden? Läßt der formale Aufbau wie die Semantik Deutungsspielräume zu? Die größten Unterschiede liegen wohl in der Auffassung des langsamen Satzes. Ich habe mir deshalb - trotz Hitze gestern - die Mühe gemacht, und alle mir verfügbaren Aufnahmen verglichen. (Meine Class A-Monos, das sind "Heizkraftwerke", lasse ich bei diesen Temperaturen aus, die würden gleich zu "schwitzen" anfangen. Zum Glück habe ich ja die in dieser Hinsicht deutlich robustere Altanlage integriert, so dass ich im Moment damit höre.) :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

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  • Lieber Holger,


    vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Ich habe in meiner heutigen Besprechung mal die Art und den Verlauf der dynamischen Behandlung mal etwas genauer unter die Lupe genommen, weshalb der Text auch länger geworden ist, aber ich habe ja auch schon des Öfteren darauf hingewiesen, dass sowohl überzeugende als auch weniger überzeugende Aufnahmen gleichermaßen mehr Text beanspruchen, so auch hier bei der Interpretation von Murray Perahia:



    Beethoven, Sonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr. 3
    Murray Perahia, Klavier
    AD: 2003?
    Spielzeiten: 6:43 - 9:46 - 2:50 - 3:51 -- 23:20 min.


    Murray Perahia nimmt den Kopfsatz etwas langsamer als Gerhard Oppitz, etwa in dem Tempo von Anne Oland. Dynamisch und rhythmisch bewegt er sich im Rahmen der Partitur, was auch in einer dynamischen Forcierung der Wiedeerholung des zweiten Thementeils in den Forte-Intervallen ab Takt 11 mit Auftakt zum Ausdruck kommt, und seine Steigerung in der Wiederholung des zweiten Thementeils ab Takt 18 erreicht durchaus das Fortissimo. Dennoch ist auch er kein Mann des dramatischen Impetus, sondern er fasst diesen Satz auch eher von der lyrischen Seite auf, wie man am "richtigen" Thema ab Takt 23 sieht, das ohne jede Eintrübung munter dahinfließt.
    Auch das zweite Thema, in dem er sehr gekonnt Legato- und Staccato-Abschnitte gegenüberstellt, bleibt in diesem Fluss.
    Auch im durchführenden Teil der Exposition (Takt 71 bis 93) mit der langen Sforzandosteigerung ab Takt 72 erreicht er in der Schlusssteigerung nicht ganz das Fortissimo. Am Ende des Schlussgruppe resultiert der große Kontrast zwischen den beiden Dynamikblöcken auch bei ihm aus der nach unten (pp/ppp) verlagerten Gesamtspannweite. Auch Perahia wiederholt selbstverständlich die Exposition.
    In der Wiederholung scheint mir die Dynamik in den Steigerungen etwas zuzunehmen. In der Steigerung am Ende des Seitenthemas ist das ganz deutlich, und ich meine, auch in der Schlussgruppe. Vielleicht brauchte er einfach mehr Anlauf.
    Ganz deutlich wird es auch in der Durchführung, die Perahia wohl wie üblich als dynamische Spitze eines Sonatensatzes ansieht, wie ich finde, grundsätzlich keine falsche Sichtweise.. Hier nimmt er alle Fortissimi ernst.
    Sehr schön ist auch seine Steigerung am Beginn der Reprise, in der dann auch im "richtigen" Thema die dynamische Kraft im Crescendo ab Takt 229 deutlich zunimmt, ebenfalls im Seitenthema, nach der langen Sforzando-Steigerung ab Takt 254 in der Schlusssteigerung ab Takt 267. Die zieht er bis zum Ende des Taktes 273 durch.
    Auch die anders gestalteten dynamischen Blöcke in der Schlussgruppe, wo ja im Grunde nach dem hohen Block zwei niedrige Folgen und zwar nach den Oktavwechseln der Abwärtsbewegungen noch der mit den Oktavwechseln der Aufwärtsbewegungen ab Takt 306, di er m. E. noch um eine Stufe nach unten setzt (ppp). Nach dieser Verlagerung kommt die zur Kurzcoda überleitende Sforzandokette von ganz unten, und die dynamische Aufwärtsbewegung in der Kurzcoda ist sehr respektabel und schließt diesen Satz mit einer Steigerung der Dynamik von Satzteil zu Satzteil (Exposition-Wiederholung-Durchführung-Reprise) würdig ab.


    In das dunkle mesto-Drama begibt sich Perahia mit mittlerem Tempo und gebremster Dynamik, erreicht in Takt 3 geradezu ein Pianissimo und im Crescendo in Takt 7 maximal ein mf. Über allem im Übrigen mit klarem Ton Gespielten liegt eine still-traurige Stimmung, keine abgrundtief verzweifelte., und insofern ist der Weg im ersten hellen Absatz in eine positive Stimmung nicht allzu weit. Er spielt das schon mit großer Schönheit im Ton.
    Im zweiten dunklen Abschnitt, dem von Etlichen gestalteten dynamischen und auch dramatischen Höhepunkt des Satzes, geht er auch mit vorsichtiger Dynamik zu Werke. nach dem Forte in Takt 19 ist das in Takt 21 keines, ebenso wenig wie die ff in Takt 22 über ein Forte hinauskommen. Lediglich die drei ffp sind akzeptabel, wobei Dynamik und Schärfe on Akkord zu Akkord zunehmen. Bleibt die Hoffnung, dass er in den Takten 35 und 37 "zuschlägt". Das ist allerdings auch nicht der Fall, schon das vorbereitende Rinforzando in Takt 32 ist kaum als Solches zu vernehmen und in 35 und 37 ist das bestenfalls ein gutes Forte, kein großes Drama. Schon erstaunlich, dass das Smorzando da um Längen eindrucksvoller ist.
    In der Reprise beginnt er dynamischer, allerdings ist schon in Takt 46 in der Begleitung schon kein Rinforzando mehr zu vernehmen, im Gegenteil, in dem Takt spielt er ein Diminuendo, das aber nach der Partitur erst einen Takt später kommt.
    Ab Takt 48 ist er dann wieder in seinem Element, als er das Crescendo aus einem eher ppp beginnt und eine wirklich bestrickende hohe Oktav spielt. Aber den Riesenkontrast in der Stimmung, den Andere dort erzielen, erreicht er damit nicht.
    Auch in der Wiederholung der zweiten dunklen Sequenz sind die dynamischen Spitzen das Forte in Takt 58, das weit lauter ist als die beiden Fortissimi in Takt 61, und die drei ffp-Akkorde in Takt 62 und 63, wodurch aber die dynamische Steigerung von Takt 58 bis 63, die Andere erreichen und bei der man in Sokolovs Vortrag in Köln angstvoll zur Decke blickte, in sich zusammenfällt.
    Die Coda wiederum spielt er sehr deutlich und mit einer feinen dynamischen Steigerung, auch rhythmisch wunderbar schreitend und ab Takt 72 schön abschwingend, auch mit einem bemerkenswerten zwölftaktigen Schluss.


    Im Menuetto ist Perahia offensichtlich wieder in seinem Element. Das ist leicht, fast intim in der Tongebung, zart und duftig. So mag ich es. Es kann, muss aber nicht dynamisch mehr ausgeweitet werden. So halte ich das Fortissimo in der Begleitung des zweiten Teils des Menuetto nicht für so zwingend, dass man da jetzt mit Macht hinein donnern und dieses zarte lyrische Gebilde aufbrechen muss.
    Ich finde, das ist eine der hervorstechenden Eigenschaften dieser Sonate, dass so verschiedene musikalische Charaktere zusammenkommen und von entsprechenden Pianisten zu einer organischen Einheit verschmelzen. Das versucht Perahia auch, wobei er m. E. im Largo des Guten zu wenig getan hat. Sein dynamische Konzept geht im Menuetto auch auf, wenn er sich im Trio ins Diesseits wendet. Er übertreibt es ja nicht. Er spielt das wunderbare Menuetto noch einmal Da Capo- grandios!


    Im Rondo vereint Perahia die Leichtigkeit aus dem Menuetto mit gestiegenem dynamischen Level. Hier ist die jeweilige "Antwortfigur" Takt 7/8 und 31/32 durchaus im Fortissimo. Im zweiten Zwischensatz allerdings macht er dynamisch gewissermaßen einen "Rückzieher, indem er weder die Sforzandi in Takt 33 und 34 noch den Takt 41, den ersten der vier Legatotakte, mit ausreichender Dynamik versieht. Seine Legatofähigkeit ist unbenommen sehr hoch, was auch in dem langen Bogen Takt 50 bis 54 zum Ausdruck kommt. Dagegen ist das dynamische Auf und Ab im dritten Themenauftritt durchaus prägnant, speziell in den Unisonoterzen, -sexten und -oktaven, und die anschließenden Intervallsprüngen sind eine seiner leichtesten Übungen mit.
    Auch den vierten Themenauftritt spielt er mit rhythmischer und dynamischer Bravour, während die originelle Coda in seiner Lesart darunter leidet, dass sie "im Pianissimo" kaum auffällt.


    Eine Aufnahme mit Licht und Schatten, letzterer hauptsächlich in den Sätzen 1, 2 und 4, wenn er des Dynamischen zu wenig getan hat. Ich habe noch keine Aufnahme erlebt, wo der Pianist des Dynamischen zu viel getan hätte, denn das kann man m. E. in dieser Sonate nicht.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    ich glaube, das ist diese Aufnahme - die CD enthält op. 7, op. 22 und op. 10 Nr. 3, Aufnahmedaten 1978-82 (jpc-Angabe).



    Mir gefällt diiese frühere Aufnahme deutlich besser als seine letzte Beethoven-Aufnahme mit op. 26 - den Hörschnipseln nach zu urteilen. Da ist diese an Bach geschulte Klarheit drin - sehr luzide gespielt. Deshalb wohl ist ihm die dynamische Seite nicht so wichtig - wie sie ja auch bei Bachscher Polyphonie keine Rolle spielt. Diese Art zu spielen zeigt er auch in seiner frühen Aufnahme von Chopins Trauermarschsonate, von daher ist sie mir vertraut. Das ist so ein Fall, wo es sich empfiehlt, alle drei Beethoven-Sonaten, die er in dieser Zeit aufgenommen hat, im Zusammenhang zu hören. Weil sonst erkennt man das interpretatorische Konzept nicht. Mir ist das mal so mit Samson Francois und der Chopin-Sonate Nr. 2 ergangen. Was er da eigentlich will, habe ich erst verstanden, nachdem ich die 3. Sonate von ihm gehört hatte und die Mazurken. Wenn Du also ausgerechnet bei Perahia auf den dynamischen Aspekt sozusagen exklusiv abhebst, kommst Du ihm glaube ich letztlich nicht nahe. Mich haben diese Schnipsel sehr neugierig gemacht. Ich muß mir die CD wohl besorgen... :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Wir haben beide Recht, lieber Holger. Die von dir gepostete Aufnahme enthält noch die Sonaten Nr. 5 und Nr. 11. Die habe ich auch, aber wie du weißt, hat man das ja öfter, dass man wegen einer Aufnahme eine ganze CD kaufen muss, in diesem Fall war das bei mir in der von mir geposteten CD die Sonate Nr. 23, die zusammen mit der Nummer 7 erschienen ist. Ich habe blooß die "falsche" CD aus dem Regal gefischt. Auf der anderen ist in der Tat das richtige Aufnahmedatum 1982 enthalten. Die Nr. 7 auf beiden CD's sind identisch, wie die Satzzeiten ausweisen. Weil auf der von mir geposteten CD nur das Copy-Datum vermerkt war, habe ich auch hinter die Jahreszahl ein Fragezeichen gesetzt. Du brauchst dir also die CD nur anzuschaffen, wenn du die Appassionata noch nicht hast und Wert darauf legst. Ansonsten könnte man das Problem auch auf dem kurzen Dienstweg lösen. Ich habe gerade nochmal am großen Urwaldfluss nachgesehen. Die CD ist auch unter diesem Label gelistet, und dort ist das Copyright-Datum 1985 vermerkt. Anhand der dort gelisteten Produzentennamen Andrew Kazdin und Richard Einhorn konnte ich zudem erkennen, dass es sich um die gleichen Aufnahmen handeln muss:


    Es fiel mir, was die Dynamik betrifft, doch sofort auf, dass er vor allem im Largo da nicht alles gegeben hatte, wo andere spielen, als ob es kein Morgen gäbe. Es ist ja nicht so, dass mir die Aufnahme nicht gefiele, auch im Largo gefällt mir Einiges. Ich hatte anhand von Perahias moderater Dynamik schon auf seine hohe Kompetenz als Mozartpianist getippt, habe das dann aber doch nicht ewähnt. Ich bin schon jetzt gespannt auf die Aufnahmen von Pollini und Richter, wo du mir den Mund wässrig gemacht hast.

    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich habe blooß die "falsche" CD aus dem Regal gefischt. Auf der anderen ist in der Tat das richtige Aufnahmedatum 1982 enthalten. Die Nr. 7 auf beiden CD's sind identisch, wie die Satzzeiten ausweisen. Weil auf der von mir geposteten CD nur das Copy-Datum vermerkt war, habe ich auch hinter die Jahreszahl ein Fragezeichen gesetzt.

    Lieber Willi,


    das ist immer dasselbe Kreuz, dass sich die Labels nicht die Mühe machen, die Aufnahmedaten korrekt und vollständig anzugeben. Es ist ja nun wirklich kein Aufwand!



    Ansonsten könnte man das Problem auch auf dem kurzen Dienstweg lösen.

    Die Idee mit dem "Dienstweg" ist wirklich genial! :D



    Ich hatte anhand von Perahias moderater Dynamik schon auf seine hohe Kompetenz als Mozartpianist getippt, habe das dann aber doch nicht ewähnt.

    Bei so einem intelligenten Interpreten wie Perahia kann man natürlich davon ausgehen, dass er das ganz bewußt so macht. Letztlich kommt es darauf an, ob das Konzept stimmig ist. Das werde ich jedenfalls "nachprüfen"! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger


  • Beethoven, Sonate Nr. 7 d-dur op. 10 Nr. 3
    Alfredo Perl, Klavier
    AD: Februar und Juni 1995
    Spielzeiten: 6:32-10:44-2:56-4:02 -- 24:14 min.;


    Alfred Perl spielt den Kopfsatz ebenfalls schneller als viele andere. Lediglich der irrwitzige Gould, Gieseking, Korstick und Schnabel, den ich noch nicht gehört habe, sind schneller. Vielleicht habe ich auch noch einen vergessen.
    Dynamisch leuchtet er die Partitur voll aus, und seine hohen rhythmischen Fähigkeiten kommen auch hier sofort zum Tragen. Im "richtigen" Thema (ab Takt 23 mit Auftakt) wird schon deutlich, dass er die lyrischen Passagen des Satzes besonders gern hat, aber in der Themenfortsetzung spielt er auch die Steigerungen vor dem Seitenthema voll aus. Längst nicht alle spielen am Beginn von Takt 45 ein Fortissimo, Perl schon.
    Das Seitenthema spielt er mit mozartinischer Leichtigkeit, auch in der Oktavierung. Im durchführenden Abschnitt des Seitenthemas spielt er das Crescendo mit der Sforzandokette doch mit Zug zu der kernigen Fortissimosteigerung, die er voll ausspielt bis zum Ende von Takt 93. Auch die beiden Dynamikblöcke in der Schlussgruppe gestaltet er mit großem Kontrast. Selbstverständlich wiederholt auch er die Exposition. Es ist auch noch zu bemerken, dass er wie stets ein sehr klares Klangbild erzeugt, in dem auch die Begleitung zu ihrem Recht kommt.
    In der Durchführung erhöht er nochmal die dynamische Schlagzahl und gestaltet die Staccato-Viertel-Anläufe in der tiefen Oktave, manchmal auch nach oben oktaviert, sehr akzentuiert bis zu den Intervallsprüngen am Schluss, mit der großen 3/4-Fermate in Takt 183 endend, das klingt m. E. schon sehr kraftvoll, fast eruptiv, sicherlich von Beethoven genau so beabsichtigt.
    Im ersten Teil der Reprise setzt perl diesen dynamischen Impetus fort. Nicht immer hört man die Sforzandi so fordernd und massiv, bei Perl schon. dann spielt er wieder in einem großen dynamischen und stimmungsmäßigen Kontrast das "richtige" Thema, das ich immer so nenne, weil es an einem Stück ist im Gegensatz zum Hauptthema, das sich aus zwei Teilen zusammensetzt. Im Seitenthema setzt er wieder sehr schön die rhythmischen Blöcke (Legato und Staccato) einander gegenüber und schließt dann die eindrucksvolle Sforzandokette mit dem noch eindrucksvolleren Schlussanstieg an, bevor er wieder die beiden Dynamikblöcke in einem großen Kontrast miteinander verbindet und auch die Verlängerung mit den Oktavwechseln der Aufwärtsbewegungen ganz flüssig miteinander verbindet. Das Crescendo am Ende der Sforzandokette ab Takt 323 allerdings hätte er vielleicht noch stärker ausdrücken können. Die Kurzcoda ist wieder auf dem gewohnt hohen Niveau.


    Das Largo spielt er in etwa dem gleichen Tempo wie Sokolov, also langsam und auch, wie ich finde, sehr spannungsvoll, unter genauer Beachtung der dynamischen Akzente, jedenfalls im ersten dunklen Teil, über dem doch schon ein gerüttelt Maß an Trauer liegt. Die Rinforzandi im ersten hellen Abschnitt betont er moderat. Er spielt das auch sehr schön, aber ich meine, diese Stelle schon tiefer empfunden zu habe. Im zweiten dunklen Abschnitt beginnt er im Fortetakt 19 auch moderat, auch der Takt 22 ist in den beiden Sechzehnteln in der Begleitung und in der hohen Oktave noch nicht bei ff. Erst in den ffp-Akkorden wird er massiver, und zwar im zweiten und dann im dritten noch mehr. Das spielen Sokolov und einige Andere doch anders, sozusagen markerschütternd. Die absteigenden Sechzehntel-Portato-Noten dagegen am Ende des zweiten hellen Abschnittes gefallen mir sehr gut in ihrer fahlen Eindringlichkeit.
    Erst in den Takten 35 und 37 setzt Perl die dynamische Spitze dieses Satzes, jedoch wird hier das Drama nur durch die Dynamik, nicht etwa durch harte Tonfärbung erreicht. Die absteigenden Zweiunddreißigstel wiederum, die in den ehr lyrischen Bereich fallen, spielt er grandios, einschließlich des vielleicht anrührendsten Smorzandos, das ich bis jetzt gehört habe. Die letzte Dreierfigur in Takt 42 ist m. E. in ihrer Zartheit und Intimität bis hierhin unerreicht.
    In der Reprise erzeugt Alfredo Perl durch mehr dynamische Bewegung und mit Hilfe von massiven Begleitakkorden mehr lastende Schwere. Die sechs Portatonoten in Takt 48 sind in dieser spannungsreichen langsamen Spielweise, verbunden mit dem anschließenden Pianissimo in Takt 49 und dem anschließenden Crescendo führen zu einem der bewegendsten hohen Oktave, die ich je gehört habe.
    Die Wiederholung der zweiten dunklen Sequenz geht er nun auch kraftvoller an und spielt drei besonders grelle und ausreichend kräftige ffp-Akkorde.
    Die Coda ist traumhaft. Da erweist sich Perl als großer Gestalter, z. B., was gar nicht so oft passiert und mir hier besonders aufgefallen ist, dass er in den Takt 68 bis 70 in der Begleitung die Sforzandi in der Mitte stärker hervorhebt und insofern der Begleitung eine wunderbare Wellenbewegung verschafft. Strukturell ist diese Coda ohnehin herausragend. Und dann diese letzten zwölf Takte- das ist mit das herausragendste Morendo, das ich bisher gehört habe.
    Auch wenn Perl hier nicht den dramatischen Furor eines Sokolov erreicht, so spielt er doch eins ehr geschlossenes Largo mit leichten dynamischen Schwächen in der ersten hellen und der zweiten dunklen Sequenz, aber das ist Jammern auf höchstem Niveau. Durchführung, Reprise und Coda sind doch m. E. herausragend.


    Das Menuetto Allegro ist m. E. überragend, reiner, aber durchaus vor allem im zweiten Teil und im Trio diesseitiger Gesang und, wie ich finde, im durchaus richtigen Tempo. Das Menuett darf m. E. nicht zu schnell gespielt werden. Es ist temporal eben doch ein Gegenpart zu den Sturm-und-Drang-Ecksätzen, auch wenn es stimmungsmäßig eher eine Einheit mit dem finalen Rondo bildet. Auf jeden Fall soll es nach dem aufrührenden und traurigen Largo ein stimmungsmäßiger Gegenpart sein. Deswegen halte ich solche Interpretationen für die besten, in denen der Pianist entspannt-spannend musiziert, die Musik atmen lässt wie hier Perl.


    Im Rondo schließt Perl stimmungsmäßig an das Menuetto an, temporal ist er der Langsamste von allen hier zum Vergleich herangezogenen Kontrahenten, über vier Minuten, dennoch ist hier jederzeit ein Vorwärtsdrang spürbar und das ewige Frage- und Antwortspiel dieses hochvirtuosen Satzes setzt er in den erforderlichen dynamischen und rhythmischen Rahmen, verbunden mit seiner Art des "leichten" Spiels. Einmal angesprochen auf seine Virtuosität, sagte er einmal, dass er nicht per Geburt ein virtuose gewesen sei, sondern sich alles hart hätte erarbeiten müssen. Deswegen stellt er sie auch nicht in den Vordergrund, sondern nimmt sie als Mittel zum Zweck.
    Das merkt man auch im zweiten Zwischensatz, den er wunderbar fließen lässt und mit einem großartigen, organisch angeschlossenen Legato in den Takten 41 bis 44 abschließt.
    Im dritten Themenauftritt setzt er dieses spannen entspannte Spiel fort und spielt die in die untere Oktave gewechselten Sechzehntel sehr transparent und das Thema nach dem neuerlichen Wechsel in der unteren Oktave sehr präsent und schließt eine wunderbare Sequenz der Unisono-Akkorde und Intervallsprünge an.
    Auch im vierten Themenauftritt besticht wieder die Transparenz seines Spiels, diesmal die Sechzehntel über den dreifachen Zeitraum in die tiefe Oktave wechselnd. Die wunderbare Coda lässt er im unteren dynamischen Bereich hurtig auf und ab ins fast lautlose ende laufen- typisch Beethoven halt!


    Eine große Interpretation mit zwei kleinen Anmerkungen im Largo!


    Liebe Grüße


    Willi :jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Zu der mir auf dem Dienstweg zugeflogenen Perahia-Post habe ich folgende Anmerkungen :D :


    Perahia spielt einen wirklich absolut luziden Beethoven - insgesamt kann man diese Interpretation als "analytisch" bezeichnen. Das rhythmisch-harmonische Gerüst macht Perahia sichtbar, das die Musik trägt und alles, was dieses verdecken könnte, wird sozusagen dezent ein wenig in die Unauffälligkeit versetzt. Entscheidend ist für ihn Beethovens Denken in Antithesen. Bezeichnend dafür ist seine Gestaltung des Themas mit den Vorschlägen Takt 53 ff. Statt wie Beethoven notiert Piano zu spielen, zieht er zunächst das Forte (Takt 48 notiert) durch, um dann die antwortende Phrase (Takt 60) als solche hervorzuheben, indem er sie dann erst ins Piano zurücknimmt. Eine sehr kluge Abänderung, denn dadurch wird dieser Themenkomplex in die durchlaufende Bewegung integriert aber auch zugleich herausgehoben. Von niemandem sonst habe ich auch in der Schlußgruppe die harmonisch tragende Baßstimme Takt 92 so deutlich herausgearbeitet gehört. Man kann schon sagen, dass dieser Beethoven Züge von Mozart hat. Perahia meidet in der Durchführung wiederum das Mittel dynamischer Kontraststeigerung und läßt die Musik durch ihre Logik der Themenverarbeitung wirken - sozusagen motivisch-thematische Arbeit pur. Man kann schon hier doch deutlich die Absicht der Interpretation erkennen: Die Dynamik ist für ihn nur insoweit wichtig, als sie die thematische, rhythmische und harmonische Struktur unterstreicht, also als Mittel zur architektonischen Kontrastierung in Erscheinung tritt. (Das unterstützt auch die CBS-Aufnahmetechnik aus dieser Zeit, die eher von etwas begrenzter Dynamikspanne ist, dafür aber ungemein durchsichtig, was z.B. auch für die Horowitz-Aufnahmen aus den 70igern gilt, die in seiner Wohnung gemacht wurden.) Darüber hinaus will Perahia der Dynamik wie es aussieht kein "Eigenrecht" zubilligen - das empfindet er offenbar als eine störende Wirkungsrhetorik und Verdeckung der musikalischen Substanz. Ich jedenfalls höre mir diesen Perahia-Beethoven sehr gerne an. Es wirkt auch niemals "flau", weil er geschult an Bach die durchlaufende Bewegung sehr frisch und unmittelbar in ihrer Rhythmik herausarbeitet. Ein klassisch entspannter Beethoven, aber eben nicht spannungslos. Das Konzept geht jedenfalls voll auf.


    Das Largo beginnt er im kräftigen sotto voce, versteht also das Largo als ein ausdrucksbeschwertes Adagio. Zu betören vermag er durch sein äußerst fein-empfindsames Spiel, die ungemein zart gespielte Passage mit den Sechzehnteln Takt 9 ff. Ich dachte mir erst, dieses Spiel "neusachlich" zu nennen - aber dafür ist das zu empfindsam ausgestaltet. Mich erinnert Perahias Schlichtheit in diesem Satz an die Lauterkeit und Aufrichtigkeit einer Clara Haskil - mit dem Spiel der Haskil ist Perahia damals auch nicht zu Unrecht verglichen worden. Auch das ist eine Art "Affektreduktion" mit Kaiser gesprochen, aber eine, welche das Ziel hat, eine Empfindsamkeit durch Verinnerlichung zu erreichen, eine höchst verletzliche Seele, die sich eben nicht in groben Affekten ausspricht, sondern eine Verfeinerung der Sinne zur Voraussetzung hat. Dabei ist auch dieser Satz ungemein klar proportioniert und geradezu perfekt ausbalanciert. Das gilt ebenso für das Scherzo und das Finale, das dynamisch bewegt ist mit einer wieder im Sinne von Bach die Musik vorwärtstreibenden Sechzehntelbewegung, ohne jemals ins Vordergründig-Motorische abzugleiten. Auch hier wahrt Perahia die klassische Balance. Das finde ich ist überhaupt die große Qualität dieser Aufnahme - die ideale Balance zwischen Architektur und Bewegungsimpuls einerseits und andererseits einer Empfindsamkeit, welche die Extreme zwischen grober Affektiertheit und sensualistischer Verzärtelung meidet, wirklich gefunden zu haben. Ein solches Konzept mag man mögen oder nicht - man kann ihm aber auch nichts vorwerfen. Es gibt nur ganz, ganz wenige Aufnahmen, die eine solche musikalische Qualität und interpretatorische Geschlossenheit erreichen! Mich hat Perahia mit dieser Sonate jedenfalls wirklich beeindruckt und auch berührt!


    Lieber Willi,


    die Perl-Aufnahme ist natürlich auch wunderbar, das war überhaupt die erste Beethoven-Sonate, die ich von ihm hörte und sie hat mich für ihn gleich eingenommen. Wenn man vergleicht, dann relativiert sich natürlich auch manches, das haben Vergleiche so an sich. :D Du hast Recht, all das ist Jammern auf höchstem Niveau! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger


  • Beethoven, Sonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr. 3
    Maurizio Pollini, Klavier
    AD: September 2002
    Spielzeiten: 6:13 - 8:15 - 2:16 - 3:32 -- 20:16 min.


    Maurizio Pollini spielt den Kopfsatz als Zweitschnellster nach Gould in einem dynamisch-temporalen Impetus besonderer Klasse. Auch seine rhythmische Extraklasse und seine lyrischen Fähigkeiten in den Legatobögen stellt er unvermittelt unter Beweis. Im durchführenden Abschnitt des Seitenthemas spielt er ein Crescendo von soghafter Kraft, wobei er im ganzen auch immer der Begleitung zu absoluter Gleichberechtigung verhilft. Erst der niedrige dynamische Block in der Schlussgruppe gebietet dem ungeheuren Vorwärtsdrang Einhalt. Selbstverständlich wiederholt Pollini auch die Exposition.
    Wie Pollini die Durchführung mit eruptiver Kraft spielt, da geht einem das Herz auf, die auftaktigen Fortissimoakkorde klingen wie eingemeißelt, und ewig treiben die Achtel das Geschehen vorwärts.
    Und im ersten Teil der Reprise geht die dynamische Aktion unvermindert weiter, ehe er im "richtigen Thema dem Fluss ein lyrische Bett bereitet hin zur nächsten großen Steigerung ab Takt 222. Auch die lange Steigerung im Seitenthema spielt er wieder streng nach Partitur, streng, heftig, unerbittlich im alles beiseite fegenden Schlussanstieg, der seinerseits in die beiden Dynamikblöcke der Schlussgruppe führt, die Beethoven im leisen Block verlängert hat um die genialen Oktavwechsel der Aufwärtsviertel, die Pollini unvermittelt stark kontrastiert mit der Sforzandokette kurz vor der von ihm ebenfalls mit äußerstem Brio gespielten Kurzcoda-- ein herausragender Satz!!


    Im Largo geht es mir bei Pollini ähnlich wie bei dem noch schnelleren Gulda. Objektiv ist das eigentlich zu schnell, aber subjektiv spielt er das so abgeklärt, im Anfang so zart mit traurigem Gestus, im zweiten Teil der ersten dunklen Sequenz mit deutlichen dynamischen Akzenten, jedoch niemals den Eindruck von Hast und Eile vermittelnd. Der sich anschließende erste helle Abschnitt vermittelt uns ein eindringliches Bild vom großen, tief schürfenden Lyriker Pollini, der die hohe Oktave mit äußerst anrührender, von innen heraus aufleuchtender Schönheit spielt- grandios!
    Den zweiten dunklen Abschnitt, das sogenannte dynamische Zentrum des Satzes, spielt er mit fahlen Forteakkorden großer Kraft bereits im Takt 19, mit massiven Fortissimi in Takt 22 und mit markerschütternden ffp-Akkorden in den Takten 23 und 24, die wir in dieser Form mühelos dem Live-Sokolov von 2015 an die Seite stellen können. (Ich freue mich jetzt schon auf den 4. August, wenn er in Lübeck neben Schönberg auch die Sonaten Nr. 17, 23 und 24 von Beethoven spielt und beginn gespannt, welchen dramatischen Furor er in der Sturmsonate und in der Appassionata entfachen wird). In der zweiten kurzen hellen Sequenz gehört er zu den ganz Wenigen, die in Takt 28 die beiden Vorschlagssechzehntel mit der anschließenden Viertel wirklich im Fortissimo spielen und in den anschließenden 6 abwärts führenden Portatosechzehnteln eine kluge Tempomodifikation einbaut (langsamer).
    In der Durchführung baut er ein gewaltiges zweites dynamisches Zentrum auf in den Takten 35 und 37, verbindet sie mit ganz klaren Zweiunddreißigsteln, die in der Folge immer weiter nach unten führen und mit denen er ein frappierendes Smorzando spielt, wieder mit einer klugen Tempomodifikation.
    Am Beginn der Reprise erhöht er den dramatischen furor mit deutlichen dynamischen Akzenten in den Rinforzandi und spielt in den zweiten 4 Takten über das Decrescendo und das anschließende Crescendo eine hohe Oktave mit einer unglaublichen musikalischen Tiefe, die mich nur schauern macht und die ich nur ganz selten in dieser Intensität gehört habe.
    Die Wiederholung der zweiten dunklen Sequenz ist in ihrer dynamisch-dramatischen Wucht ein Abbild des Originals - grandios!
    Die Coda ist, immer gemessen am Grundtempo, von einmaliger Klarheit und tiefem Ausdrucken und einer wunderbaren dynamischen Linie, endend in großartigen zwölf nochmals dynamisch bewegten Schlusstakten.


    Im Menuetto nimmt Pollini den dynamisch-temporalen Ball aus dem Kopfsatz wieder auf und spielt dieses an sich objektiv wieder zu schnelle Menuetto mit einer so entwaffnenden Natürlichkeit und freudigen dynamischen Bewegung, dass man ihm ob des Tempos nicht ernsthaft böse sein kann. Er ist ja nur im Vergleich zu seinen Kollegen so schnell, es bleibt trotzdem ein Allegro, wenn auch eins von der schnelleren Sorte. Wenn wir von temporalen Binnenverhältnissen der Sätze untereinander sprechen, ist er hundertprozentig in der Spur. Im Trio kommt gar eine art überschäumende Freude auf. Auch so kann ein Kontrast zum Largo aussehen und sich anhören. Selbstverständlich spielt er dann das Menuetto Da Capo.


    Im Rondo setzt Pollini das temporal-dynamische Furioso fort, wobei auch bei ihm hier durch die spezielle Faktur des Rondos die lyrischen Fähigkeiten nochmal besonders herauskommen. Das ist alles ein quirliger Fortgang von mozartinischer Leichtigkeit, wie es besonders in den vier Legatotakten 41 bis 44 im zweiten Zwischensatz zu bewundern ist - höchste Virtuosität als bloßes Mittel zum Zweck! Sein langer Legatobogen (Takt 50 bis 54) blüht regelrecht auf.
    Im dritten Themenauftritt spielt er die treibenden Sechzehntel und die Unisonoterzen, -sexten und -oktaven mit geradezu soghaftem temporalem Vorwärtsdrang - einmalig, und die Intervallsprünge so, als ob das nichts wäre, dabei sind die so schwer.
    Auch im vierten Themenauftritt sind dank seines luziden Spiels die in die tiefe Oktav gewanderten Begleitsechzehntel von klarster Struktur. Nach dem letzten Abwärtsgang der Zweiunddreißigstel spielt Pollini die humorvolle Coda wie eine Kette von funkelnden Perlen.


    Schade, dass Pollini nur einen Beethovenzyklus aufgenommen hat. Es wäre spannend gewesen zu erfahren, wie er diese Sonate vor dreißig Jahren gespielt hätte. Diese ist jedenfalls herausragend.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr. 3
    Swjatoslaw Richter, Klavier
    AD: 1. 11. 1959, Prag, live
    Spielzeiten: 6:21 - 8:31 - 2:48 - 3:31 -- 21:11 min.


    Swjatoslaw Richter gehört in dieser Live-Aufnahme aus dem Prager Rudolfinum zu den Schnellsten im Kopfsatz. Gleich im ersten Oktavenlauf im ersten Teil des Hauptthemas setzt er am Ende auf der Fermate ein starkes, eruptives Zeichen. Es geht bei ihm unerbittlich, stürmisch voran, auch in der machtvollen Steigerung in der Wiederholung des zweiten Thementeils, dem als überaus starker dynamischer und rhythmischer Kontrast das leichtfüßig gespielte "richtige" Thema folgt. In der Themenfortsetzung ab Takt 31 kommt er nochmals zu stärksten dynamischen Akzenten (Takt 43 bis 45).
    Das Seitenthema gestaltet er in einer zarten intimen Tongebung, bevor er im durchführenden Teil mit der langen Sforzandokette zu einer beispiellosen Steigerung kommt, die in einem Donnernden Fortissimo ausläuft. Die Schlussgruppe gestaltet er dynamisch ebenfalls höchst kontrastreich, wobei er m. E. den leisen Block auch temporal verhaltener spielt. Dann wiederholt er die Exposition, lässt aber die Überleitungstakte 125 bis 128 weg, warum auch immer. Das schmälert allerdings die Qualität dieser Aufnahme um keinen Deut.
    Auch Richter folgt natürlich in der Durchführung der aufwärts zeigenden Dynamikkurve und entwickelt hier einen höchst riskanten dramatischen Furor, wie es ja in Live-Aufnahmen häufig anzutreffen ist.
    Unter diesem Zeichen steht auch der Beginn der Reprise, setzt aber mit Einsetzen des "richtigen" Themas sein rhythmisch ebenfalls kontrastreiches Spiel wie in der Exposition fort. Auch Richter, das ist mir aufgefallen, spielt im Seitenthema die eigentümliche Betonung der Vorschlagsnoten, wie Gilels und auch wie Nikolajewa. Noch einmal rauscht auch machtvoll die Steigerung am Ende des Seitenthemas an uns vorüber, folgt die kontrastreiche Schlussgruppe mit der Gegenüberstellung der beiden Dynamikblöcke, an deren Ende er dynamisch moderater spielt und in den Oktavwechseln der Aufwärtsfiguren sich sogar tief in den Dynamikkeller zurückzieht. Auch die letzte Sforzandokette spielt er moderat und setzt sie in starkem Kontrast zum Schlussschwung der Kurzcoda!
    Ein großer, mitreißender Satz!


    Eine ganz eigene dynamische Linie, aber nicht minder spannungsvoll, verfolgt Richter mit seiner hauchzarten intimen, aber fahl eingefärbten Tongebung, die auf mich wie eine beklemmende Trauer wirkt. Auch im Crescendo mit dem gebrochenen Septakkord bleibt er moderat. Auch der erste helle Abschnitt übt auf diese Weise eine ganz eigenartige Anziehungskraft aus. Auch auf diese Weise stellt Richter einmal mehr unter Beweis, dass ihm jedwede Ausdrucksskala jederzeit zur Verfügung steht.
    In der zweiten dunklen Sequenz gestaltet er abermals anders als erwartet. Nach einem grellscharfen massiven Fortetakt 19 spielt er die folgende Passage auch in fahlem schwachen Licht, und auch in den ffp-Akkorden scheint ihn die Kraft zu verlassen- tiefe Verzweiflung, äußerst bewegend und überzeugend! Die kurze helle Sequenz verbleibt in der traurigen Stimmung, und auch er arbeitet in Takt 29 in den absteigenden Sechzehnteln mit einer Tempoverlangsamung.
    In der Durchführung zeigt er uns dann, wo für ihn die dynamische Spitze ist, nämlich in den Takten 35 und 37, die er mit unerbittlicher Wucht spielt, und die absteigenden Zweiunddreißigstel spielt er relativ schnell und zielt auf das Smorzando hin, in dem er immer langsamer wird- sehr überzeugend!
    Die Reprise ist ein weiterer Höhepunkt dieses unglaublichen Largos, indem er erst dynamisch steigert, dann aber dass Decrescendo um einen halben Takt vorverlegt und so auf das von ihm zart und moderat gespielte Crescendo in Takt 51 hinzielt, dem er eine tief bewegende überirdische hohe Oktave folgen lässt- herausragend!!
    In der Wiederholung der zweiten dunklen Sequenz bringt er die grellen ffp-Akkorde nun etwas kräftiger, aber wieder leicht abschwingend.
    In der Coda gar übertrifft er sich selbst, indem er acceleriert und crescendiert, im unerbittlichen Vorwärtsdrang, aber absolut transparent- das habe ich so noch nicht gehört, das übertrifft m E. in seiner Stringenz sogar die Lesart von Pollini. Nach der Vierundsechzigstel-Spitze (Takt 71) und der moderaten Verlangsamung in den Zweiunddreißigsteln (Takt 72 bis 75) bremst er dann in den letzten 12 Takten temporal stark ab, steigert in den ersten sechs Takten noch einmal dynamisch, um dann aber in den letzten sechs Takten, Rinforzandi hin oder her, sich auch dynamisch der unteren Hörgrenze zu nähern um endgültig in Verzweiflung und Schmerz zu versinken- ein ungeheures Morendo und ein singulärer Satzschluss!


    Das Menuett ist ein weiteres Meisterstück Richterscher Prägung: im ersten Teil mit intimem, introvertierten Ton im reinsten Dolce, im zweiten Teil äußerst diesseitig mit der ganzen dynamischen Skala der Partitur, im Trio die Freudigkeit des zweiten Teils noch fast steigernd. Dann spielt er das Menuetto Da Capo, diesmal dynamisch etwas nachlassend und am Ende im Piano-Pianissimo versinkend- grandios!


    Im Rondo arbeitet Richter mit starken Tempogegensätzen zwischen 1. Motiv und Schlusswendung einerseits und Zwischensätzen andererseits. Auch dynamisch nutzt er die Möglichkeiten der Partitur voll aus und entfacht am Beginn des zweiten Zwischensatzes (Takt 33) die stärkste Eruption, die ich bisher gehört habe, diesen Abschnitt in vier rauschenden Legatotakten 41 bis 44 endend. Das Crescendo im langen Bogen Takt 50 bis 54 hält er moderat, wahrscheinlich um diesen intimen Zauber aufrecht zu erhalten.
    Der dritten Themenauftritt ist in der Lesart Richters eben auch etwas ganz Besonderes, allein das aus tiefstem Pianissimo langsam erwachsende Crescendo auf den Unisonoakkorden Takt 74 bis 79 ist ein virtuoses Meisterstück samt den nachfolgenden Intervallsprüngen. Auch die letzte "Antwort"-Figur Takt 90/91 habe ich, so kunstvoll verflochten mit der letzten Sechzehntelpassage in der tiefen Oktave, noch nicht gehört, endend auf einer machtvollen Fermate. Und die Coda - eben auch typisch Beethoven und sein kongenialer Interpret Swjatoslaw Richter!


    Eine überragende Aufnahme!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zwei wirklich denkwürdige Aufnahmen hast Du da wunderbar ausführlich rezensiert, lieber Willi! Das ist wirklich schön zu lesen! (Morgen nehme ich mir Sokolov vor!) :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger


  • Beethoven, Sonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr. 3
    Swjatoslaw Richter, Klavier
    AD: Juni 1976, Tours, Frankreich
    Spielzeiten: 7:01 - 8:09 - 3:02 - 3:59 -- 22:11 min.


    Interessanterweise habe ich noch eine zweite Aufnahme von Swjatoslaw Richter in meiner Sammlung, ohne dass mir das vorher bewusst war. Sie entstand laut trovar.com im Juni 1976 auf dem Festival de la Grange de Meslay en Touraine, das Richter wohl im Jahre 1964 selbst gegründet hat. Insgesamt sind laut trovar.com zwischen Juni 1959 und Dezember 1980 11 Aufnahmen der 7. Sonate entstanden und von zahlreichen Plattenfirmen weltweit veröffentlicht worden.
    Richter nimmt hier den Kopfsatz wesentlich langsamer und dagegen das Largo noch etwas schneller als in Prag.
    Der unwiderstehliche Zug, den die Prager Aufnahme auszeichnete, ist einer gemäßigteren, ich hätte beinahe gesagt, "philosophischen" Sichtweise gewichen. Er ist hier noch ein Ideechen langsamer als Gilels in seiner berühmten Studioaufnahme vom September 1980 und etwa gleichschnell wie Maria Grinberg. Dynamisch hat sich jedoch so gut wie nichts verändert, jedenfalls nicht im Hauptsatz und im Seitensatz mit der großen Schlusssteigerung. Natürlich wiederholt er auch hier die Exposition. Im Gegensatz zu 1959 spielt er hier in der Wiederholung der Exposition doch die Takte 125 bis 128.
    Man kann nur zu dem Schluss kommen, wenn man Richter hier hört, dass die Sonate beide temporale Sichtweisen zulässt. Die Schlussgruppe bekommt im niedrigen dynamischen Block kurz vor der Durchführung eine gelassene, intime Ausstrahlung.
    In der Durchführung erhöht er die dynamische Bewegung, vielleicht in der zweiten Hälfte jedoch etwas weniger als in der ersten Aufnahme.
    Zu Beginn der Reprise kommen die Sforzandi immer noch so insistierend wie in der Prager Aufnahme. Ansonsten hält er sich in der Reprise an die Ausgestaltung wie in der Exposition. Sehr schön sind auch hier wieder in der Schlussgruppe die fließenden Oktavwechsel der Aufwärtsviertel. und sehr schwungvoll nach wie vor die Kurzcoda.


    Am Beginn des Largos spielt er einen klaren Ton, stimmungsmäßig in stiller Trauer, dann zurückgehend und das Crescendo in Takt 7 etwas verhalten spielend, gerade so wie in Prag. Die erste helle Sequenz ist wieder sehr schön gespielt, bringt aber meiner innere Saite nicht so spontan zum Schwingen wie die Prager Aufnahme- doch etwas zu schnell?
    Dafür ist die zweite dunkle Sequenz äußerst zupackend und dynamisch massiv, wobei die ffp-Akkorde zusätzlich eine durchdringende Schärfe aufweisen. Auch die kurze helle Sequenz, die dann folgt, ist sehr überzeugend, vor allem, da er im Takt 29 wieder retardiert wie weiland in Prag.
    In der Durchführung spielt er die Takte 35 und 37 wieder mit eindrucksvoller dynamischer Wucht, allerdings wirken die Zweiunddreißigstel diesmal auf mich etwas zu rasch, was sich vor allem auf das m. E. etwas verhuschte Smorzando auswirkt.
    In der Reprise hebt er jetzt die Rinforzandi mehr an, und das dann nachfolgende Crescendo mit der anschließenden hohen Oktave ist wieder schön zum Niederknien. Auch die Wiederholung der zweiten dunklen Sequenz birst wieder vor Dynamik und in den ffp-Akkorden zusätzlich vor Schärfe.
    Bei der Coda habe ich etwas mehr Mühe, alles zu unterscheiden, nicht wegen des Crescendos, sondern wegen des zusätzlichen Accelerandos, und auch der Abschwung ab Takt 72 und ebenfalls die letzten zwölf Takte ab Takt 76 strahlen m. E. nicht ganz die insistierende, beinahe lähmende Ausweglosigkeit aus wie die ältere Aufnahme- aber wie gesagt, Jammern auf höchstem Niveau!


    Das Menuetto spielt er spielt er vom Ausdruck und der Dynamik her so wie in Prag, hinzu kommt m. E. noch mehr Gelassenheit und Entspanntheit. Natürlich spielt er nach dem zündenden Trio auch das Menuetto Da Capo- grandios!


    Im Rondo zieht er wieder etwas das Tempo an, vor allem in den triebenden Sechzehnteln. Im Frage- und Antwortspiel des Themas bleibt er bei deutlich abgesetztem moderaten Tempo, wie schon 1959.
    Dynamisch spielt er die Steigerungen voll aus, vor allem die Antwortfiguren und die Fortissimi in der hohen Oktave, wie z. B. in Takt 23 auf der Eins. Den zweiten Zwischensatz spielt er wieder dynamisch sehr hochstehend und lässt diesmal die vier Legatotakte etwas langsamer auslaufen, was auch sehr gut klingt. Und immer wieder in den Themenfrequenzen das moderate, tastende Tempo- und dann die donnernde Antwort mit den anschließend eilenden Sechzehnteln, die er im dritten Themenauftritt wieder mit den herrlichen Unisonoakkorden krönt und die eindrucksvollen Intervallsprüngen folgen lässt.
    Auch der vierte Themenauftritt ist noch einmal sehr eindrucksvoll mit den grummelnden Sforzandi in der tiefen Oktave und am Ende eine entspannte Coda.
    Man merkt dieser Aufnahme an, dass Richter älter geworden ist, knappe 17 Jahre, und dass er wohl schon eine andere Stufe der Erkenntnis gewonnen hat. Dennoch hat er m. E. das geflügelte Wort Furtwänglers: "Es gibt nur ein Tempo, das richtige" in der Prager Aufnahme insgesamt überzeugender beantwortet.
    Dennoch gehört sie m. E. zu den großen Aufnahmen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:


    http://www.fetesmusicales.com/#menu-item-92
    http://www.trovar.com/str/discs/beeth.html

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Der unwiderstehliche Zug, den die Prager Aufnahme auszeichnete, ist einer gemäßigteren, ich hätte beinahe gesagt, "philosophischen" Sichtweise gewichen.


    Hoch interessant, lieber Willi! Richter war eben eine Ausnahmeerscheinung! (Den Sokolov bespreche ich morgen, versprochen!) :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Das muss ja wirklich seltsam ausgesehen haben, lieber Holger, dass ich von einer "großen Aufnahme" sprach und meine Smileys vergessen hatte. Ich habe das dann schnell nachgeholt.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Beethoven, Sonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr. 3
    András Schiff, Klavier
    AD: 28. November 2004, Zürich, live
    Spielzeiten: 6:44 - 8:07 - 2:50 - 3:52 -- 21:35 min.


    András Schiff spielt den Kopfsatz etwa in dem Tempo von Perahia, also etwas schneller als Gilels und Sokolov. Dynamisch bleibt er durchaus im Rahmen, hat noch etwas Luft nach oben. Rhythmisch ist er durchaus auf der Höhe. Im Seitenthema stellt er die Legato- und Staccatoabschnitte schön gegenüber und ist dort auch durchaus behände. Am Ende des Seitenthemas ist in der Schlusssteigerung immer noch ein Rest and dynamischer Durchschlagskraft offen, ist aber auch möglicherweise einem dynamisch etwas moderateren Gesamtkonzept geschuldet. András Schiff wiederholt natürlich auch die Exposition.
    In der Durchführung erhöht er auch die dynamische Obergrenze. Auffällig ist, ehe ich es vergesse, dass er die jeweils erste Fermate in dem Oktavenaufwärtsgang sehr zart spielt, so auch in der Reprise. Ansonsten spielt er hier auch die Sforzandi durchaus kräftig. Auch in der Schlusssteigerung des Seitenthemas legt er noch ein wenig zu. In der Schlussgruppe spielt er die Oktavwechsel sehr schönfließend und die Sforzandokette sehr prägnant, worauf er auch die Kurzcoda sehr originell spielt, nämlich langsamer beginnend und dann accelerierend und natürlich kräftig steigernd.


    Im Largo gehört er auch zu den Schnellen, etwa vergleichbar mit Richter in seiner 1976er Aufnahme aus Tours. Allerdings erreicht er m. E. nicht musikalische Tiefe Richters, weil er den Eindruck von schnellem Tempo nicht ganz vermeiden kann. Dennoch ist das im ersten dunklen Abschnitt mit einem traurigen Eindruck versehen und im ersten hellen Abschnitt sehr schön gespielt. Im zweiten dunklen Abschnitt legt er dann dynamisch mächtig zu und versieht auch die ffp-Akkorde mit kräftiger Schärfe. Die ersten Takt der Durchführung spielt er sehr rund und wohlklingend, spielt dann auch die Takte 35 und 37 sehr kraftvoll, auch als dynamische Spitze des Satzes und spielt dann die absteigenden Zweiunddreißigstel ruhiger und in der Folge ein bemerkenswertes Smorzando, auch wohl dank eine Temporückung, ähnlich, wie Richter es gemacht hat.
    In der Reprise hebt er die Rinforzandi schön an und spielt nach dem Decrescendo in Takt 48 eine wunderbare Steigerung und eine unglaublich überirdische hohe Oktave- grandios. Damit hat er den anfänglichen Eindruck von schnellem Tempo mehr als wett gemacht. Auch die Wiederholung der zweiten dunklen Sequenz spielt er großartig mit nochmals geschärften ffp-Akkorden.
    Die Coda spielt er dann transparent und mitreißend und auch den zweiten Teil schön absteigend und retardierend.


    Das Menuetto ist reiner, zarter Gesang, auch dynamisch moderat, obwohl er den Humor des Trios doch kräftiger hervorhebt. Er spielt dann das Menuetto Da Capo.


    Im Rondo ist er temporal etwa gleichauf wiederum mit Richters französischer Aufnahme, als langsamer als dessen erste Aufnahme aus Prag. Im Stil ist Schiffs Vortrag leichtfüßig und in den Sechzehnteln federnd, die Legatobögen schön aussingend. Auch im zweiten Zwischensatz, den Richter mit höchster Dynamik beginnt, bleibt er moderat und leicht, besonders in den letzten vier Legatotakten 41 bis 4 und auch in dem langen Bogen Takt 50 bis 54, den andere auch wohl massiver spielen. Auch der dritte Themenauftritt bleibt in diesem schwebenden Klang, was vor allem auch der Passage mit den Unisonoterzen, -sexten und -oktaven zugute kommt. Auch die Intervallsprünge kommen spielend daher. Im vierten Themenauftritt wird es etwas dichter, zumal in den Takten 92 bis 94 auf der Eins das ganze Geschehen kurz in die tiefe Oktave rückt, aber dann lichtet es sich ja wieder und geht in den finalen Jubel über - fast, denn es kommt ja noch die typisch Beethovensche Wendung in der Coda, die bei Schiff ebenfalls in den besten Händen ist.


    Mit seinem eigenen dynamischen Konzept und dem letztendlich doch überzeugenden Largo ist Schiffs Aufnahme doch noch eine große geworden.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr. 3
    Artur Schnabel, Klavier
    AD: 12. November 1935
    Spielzeiten: 6:28 - 11:30 - 2:23 - 3:56 -- 24:17 min.


    Artur Schnabel spielt den Kopfsatz auch ziemlich rasch, nur unwesentlich langsamer als Korstick und Richter 1959, aber doch schneller als z. B. Gilels. Dynamisch nutzt er die Vorgaben der Partitur aus, und rhythmisch gibt es auch nichts zu bemängeln. Wie immer spielt er mit hohem Risiko. Am Ende des Seitensatzes spielt er eine prägnante Sforzandokette und eine kraftvolle Schlusssteigerung. Auch er stellt die Dynamikblöcke in der Schlussgruppe einander schön gegenüber.
    In der Durchführung beginnt er auch im Thema mit erhöhter Dynamik, hält dann aber die beiden folgenden ffp-Akkorde etwas zurück. Ansonsten treibt der das Geschehen kraftvoll voran. In der Reprise spielt er zu Beginn eine kraftvolle Sforzandokette und spielt dann die Reprise weiter entsprechend er Exposition. Im Seitenthema spielt er wiederum eine kraftvolle Sforzandokette und Schlusssteigerung. Auch die Schlussgruppe kommt wieder dynamisch sehr kontrastreich daher, endend in einer kraftvollen Sforzandokette und einer schwungvollen Kurzcoda.


    Das Largo spielt Schnabel auch langsam, etwa im Tempo von Sokolov, über drei Minuten langsamer als András Schiff. Aber dabei hält er sehr gut die Spannung. Vor allem die zweiten vier Takte spiel er dynamisch sehr kontrastreich. Und die erste helle Sequenz klingt in dem Tempo und unter Schnabels Händen sehr anrührend. Auch hier versinkt er am Ende der Sequenz, wie schon in der dunklen, im tiefen Pianissimo- grandios!
    Die zweite dunkle Sequenz spielt er noch beklemmender als den Beginn, mit viel Dynamik und Schärfe ergibt sich eine Stimmung von tiefer Trauer, ja fast Ausweglosigkeit. Der Eindruck lässt in der kurzen hellen Sequenz nicht nach, ja, die absteigenden Sechzehntel (in Takt 29)verstärken das eher noch. Mit hohem Tempo bekommt man diese Schlüsselstelle nicht hin.
    In der Durchführung ist in diesem stoischen Tempo auch kein Trost möglich, wie er verschiedentlich der Durchführung im ersten Teil zugebilligt wird. Es geht unerbittlich auf die ff-Takte 35 und 37 zu, in denen Schnabel keine dynamische Explosion exerziert, sondern reine Schicksalsschwere. Und auch die abwärts schreitenden Zweiunddreißigstel verbreiten hier kaum Erleichterung, sondern versinken in einem veritablen Smorzando - abermals grandios!!
    Die Ausweglosigkeit der Situation nimmt im ersten Teil der Reprise durch die gestiegene Dynamik und zusätzliche Schwere noch zu.
    Phantastisch, wie Schnabel in der anschließenden Steigerung und der hohen Oktave eine solche erlösende überirdische -Stimmung erzeugen kann- und wie sich gleich darauf durch die ersten Töne der Wiederholung der zweiten dunklen Sequenz das Blatt wieder rigoros wendet. Am Ende dieser Sequenz ersetzt er in den ffp-Akkorde die Dynamik weitgehend durch grelle Schärfe.
    Auch die Coda bekommt durch das langsame Tempo noch mehr Gewicht und Drama, wie ich meine.
    Auch der "quälend" langsame Abstieg birgt mehr Drama in sich, auch weil es einfach unerträglich lange dauert. Das gilt vor allem für die faszinierenden 12 Schlusstakte.


    Ein riesiger temporaler, aber auch stimmungsmäßiger Kontrast tut sich auf in dem sehr flott und diesseitige gespielten Menuetto Allegro, das im zweiten Teil fast ein wenig ungestüm daher kommt. Auch im Trio erhöht er noch mal die Dynamik. Dann spielt er das Menuetto Da Capo.


    Im Rondo ist er dann vergleichsweise wieder langsamer, spielt das aber rhythmisch und dynamisch wieder sehr eindrucksvoll. Den zweiten Zwischensatz spielt er sehr virtuos und schnell, die vier Legatotakte, so würde ich sagen, ohne Weiteres im Prestissimo, sehr schön auch am Ende der lange Bogen Takt 50 bis 54.
    Eindrucksvoll ist auch der dritte Themenauftritt mit den Unisonoterzen, -sexten und -oktaven und die mit vollem Risiko gespielten Intervallsprünge. Im vierten Themenauftritt spielt er den Takt 91 mit Auftakt ähnlich verschachtelt wie Richter 1959 in Prag. Dem schließt er eine leise, wieselnd schnelle Coda an - mal eine andere Variante.


    Eine große Aufnahme des Altmeisters!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 7 D-dur op 10 Nr. 3
    Solomon Cutner, Klavier
    AD: 22./23. August 1956
    Spielzeiten: 7:02 - 10:06 - 2:40 - 4:00 -- 23:48 min.


    Solomon Cutner hat diese Sonate, eine der letzten, die er aufnehmen konnte, als eine der wenigen in Stereo eingespielt. Er nimmt das Tempo deckungsgleich mit Sokolov, der diese Sonate in der vorliegenden Aufnahme 18 Jahre später einspielte. Als Solomon die Aufnahme machte, war Sokolov gerade 6 Jahre alt.
    Solomons Spiel ist geprägt von größter Klarheit und Eindringlichkeit, und dynamisch reizt er die Partitur voll aus. Im Seitensatz spielt er im durchführenden Teil eine großartige Sforzandokette mit einer Steigerung, in der er sich noch etwas Luft nach oben lässt und in der Schlussgruppe eine gleichberechtigte Steigerung spielt und anschließend einen kontrastreichen leisen Dynamikblock gegenüber stellt. Selbstverständlich wiederholt er auch die Exposition.
    Sämtlich seine herausragenden Eigenschaften, die Behandlung der Dynamik, seine Rhythmik, sein lyrischer Ausdruck, kommen hier in der Exposition schon zum Tragen.
    In der Durchführung steigert er äußerst partiturgerecht seine Dynamik, wobei der permanente Vorwärtsdrang durch die fließenden Achtel in seinem Spiel sehr schön zum Ausdruck kommt.
    Auch in der Reprise findet er noch eine Möglichkeit zur dynamischen Steigerung durch die machtvolle, unerbittliche Sforzandokette, die er unvermittelt mit dem "richtigen" lyrischen Thema rhythmisch und dynamisch wunderbar kontrastiert.
    Wie einige andere auch erhöht er in der Wiederholung der Schlusssteigerung des Seitensatzes die Dynamik und erreicht hier doch ein veritables Fortissimo. In der wiederum vorbildlichen Schlussgruppe scheint mir neben der Gegenüberstellung der Dynamikblöcke der vollkommen bruchlos gespielte Oktavenwechsel der Aufwärtsviertel besonders eindrucksvoll, der in eine wiederum sehr schön gesteigerte Sforzandokette und eine meisterhaft gespielte Kurzcoda übergeht.


    Auch das Largo, das er in etwas über 10 Minuten auch eher langsam spielt, ist von klarer Tongebung geprägt, mit einer Grundtrauer im Ausdruck, aber keiner völligen Verzweiflung bis zur Selbstaufgabe,, wie sie ja auch durchaus in diesem Satz möglich ist und auch schon so gespielt wurde. Derart existenzielle Fragen zur Interpretation kommen ja auch in der folgenden Sonate (Nr. 8, "Pathétique") zum Tragen. Die dynamischen Regungen in dieser ersten dunklen Sequenz vollzieht er moderat.
    Die erste helle Sequenz ist in seiner Lesart schlichter, dennoch ergreifender Gesang mit positiver Ausstrahlung.
    Die zweite dunkle Sequenz ist der helle Wahnsinn, ich fühle mich unvermittelt in die Kölner Philharmonie zurückversetzt, 27. April, Sokolov. Bei jedem ffp-Akkord zucke ich zusammen, d. h., die Akkorde spielt er nicht so, wie sie Sokolov vor einem Vierteljahr live gespielt hat, sondern Sokolov spielte sie vor einem Vierteljahr live so, wie sie Solomon vor 59 Jahren in der Aufnahme gespielt hat- herausragend!!! In der sich anschließenden kurzen Sequenz bleibt die latente Trauer erhalten, aber er spielt das durchaus kraftvoll, und in dem Tempo ergibt sich von ganz allein in der Schlüsselstelle Takt 29 die tiefe Wirkung in den sechs Portato-Sechzehnteln.
    In der Durchführung baut Solomon in den Takten 35 und 37 ein zweites dynamisches Dach über das Largo, und zwar nicht dumpf-verzweifelnd, sondern hell-kraftvoll. Auch die absteigenden Zweiunddreißigstel haben genau das richtige Tempo und die richtige Stimmung und das Smorzando ist einfach fantastisch.
    In der Reprise steigert er in der Wiederholung der zweiten dunklen Sequenz etwas anders, er spielt das erste Forte (Takt 58) nicht so heftig und steigert dann stetig, die ffp-Akkorde sind genauso gewaltig wie zu Beginn, aber noch schärfer- grandios!
    Die Coda ist auch vom anderen Stern, so klar in ihrer chromatischen Struktur und in ihrem kleinschrittigen Crescendo und ihrer rhythmischen Verflechtung, kristallklar auch im Abstieg ab Takt 72 und höchst eindrucksvoll auch das Morendo am Schluss in den letzten zwölf Takten!


    Sehr klar in der Tongebung und diesseitig geprägt, wenn auch im ersten Teil dynamisch noch moderat und temporal auf der schnelleren Seite, im zweiten Teil dynamisch durchaus gesteigert, zeigt sich dieses unter Solomons Händen besonders sangliche Menuetto nicht als bloße Verzierung, sozusagen als Sahnehaube der Sonate, sondern durchaus eigenständig und natürlich als veritabler Kontrast zum Largo in dynamischer wie in temporaler Hinsicht. Mit einem Höchstmaß an Dynamik und damit an Lebensfreude spielt Solomon, kaum begreiflich, wenn man bedenkt, wie kurz sein "Verstummen" da schon bevorstand. Selbstverständlich spielt Solomon auch das Menuetto Da Capo.


    Das Rondo spielt Solomon wieder etwas langsamer, aber mit der gleichen Klarheit und Transparenz und dynamisch die volle Spannweite auslotend. Trotz des etwas langsameren Tempos haben die Sechzehntelpassagen den richtigen Vorwärtsdrang, perlen sie dank Solomons überragender Legatofähigkeit voran.
    Im zweiten Seitensatz setzt Solomon ähnlich wie später Richter geradezu eruptiv ein und brennt ein virtuoses Feuerwerk ab, aber nicht, weil er Spaß daran hat, sondern weil Beethoven es so will. Das läuft wunderbar kristallklar in den vier Legatotakten 41 bis 44 aus. Sehr akzentuiert und trotzdem fließend ist auch der große Bogen Takt 50 bis 54.
    Auch er spielt einen wundervollen dritten Themenauftritt mit den herrlichen Unisonoterzen, -sexten und -oktaven und den abschließenden Intervallsprüngen. Auf dem gleichen turmhohen Niveau bleibt auch der vierte Themenauftritt mit den dunklen Sechzehnteln in der tiefen Oktave. Selbstredend ist auch die von ihm gespielte Coda ganz in Beethovens sinne außergewöhnlich.


    Eine herausragende Aufnahme!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Solomon Cutner hat diese Sonate, eine der letzten, die er aufnehmen konnte, als eine der wenigen in Stereo eingespielt. Er nimmt das Tempo deckungsgleich mit Sokolov, der diese Sonate in der vorliegenden Aufnahme 18 Jahre später einspielte. Als Solomon die Aufnahme machte, war Sokolov gerade 6 Jahre alt.


    Lieber Willi,


    Solomon kenne ich leider nicht - aber Sokolov habe ich mir heute angehört (auch mit op. 90). Zum Auftakt hat er wirklich eine wunderbare Inspiration - den aufsteigenden Lauf erst vor dem Sforzato ins Piano zurückzunehmen. Daduch bekommt der Einsatz im Forte dann Ereignischarakter. Ansonsten ist das zwar eindrucksvoll, aber auch sehr russisch-massiv. Insgesamt fehlt mir da doch so etwas wie Anmut, Intimität auch ein bisschen mehr Zartheit für eine frühe Beethoven-Sonate. Zum Kopfsatz von op. 90 paßt dieser Sokolov-Stil finde ich besser. Der wunderbare zweite Satz - den er auch wieder mit sehr viel russischem Expressivo spielt - ist mir dann wieder zu massiv. Von daher würde mich interessieren zu hören, wie er die Sonate heute spielt. Du hast ihn ja erlebt! :) Bei diesen Aufnahmen Ende der 60iger von ihm ist aber auch nicht alles gelungen, muß ich sagen, gerade weil im Moment so ein riesen Hype in Sachen Sokolov gemacht wird. Bei Schubert D 784 findet er nie den richtigen Schubert-Ton (ganz anders als der junge Vladimir Ashkenazy, das ist einfach wunderbar gespielt!), auch Schumanns Carnaval ist nicht gerade gelungen. Überwältigend dagegen die 9.Sonate von Scriabin. So dämonisch-infernalisch spielt das niemand, noch nicht einmal Horowitz. Allein dafür lohnt es sich, die CD zu kaufen!


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Lieber Holger,


    ich habe über das Sokolov-Konzert ja im entsprechenden Thread berichtet, aber damit du auch mal eine andere Meinung hörst, kannst du das hier nachlesen:


    http://www.amcmusic.com/wp-con…el-Kieler-Nachrichten.pdf


    Zum Vergleich mein Hörbericht: Konzertbesuche und Bewertung


    Liebe Grüße


    Willi :)

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • ich habe über das Sokolov-Konzert ja im entsprechenden Thread berichtet, aber damit du auch mal eine andere Meinung hörst, kannst du das hier nachlesen:


    Lieber Willi,


    besten Dank! :) Ich habe ihn so ja auch im Konzert in Bielefeld so erlebt - ein wirklich unvergeßlicher Abend! Man darf nicht vergessen, dass er 1974, als er die Beethoven-Sonate aufnahm, gerade mal 24 Jahre alt war. Da hört man noch ein bisschen die typischen Eigenarten der russischen Pianistenschule - sehr viel Kraft! Heute spielt er viel differenzierter. Ich konnte es erleben mit D 959 von Schubert und Chopin. :hello:


    Liebe Grüße
    Holger

  • Genauso ist es, lieber Holger,


    ich erinnere mich in dem Zusammenahng an eine Aussage über Konzerte des jungen Horowitz, (der ja wie Gilels und Richter, Oistrach, aber auch die Lisitsa, aus der "Kaderschmiede" Ukraine stammte), die ein Kritiker tat, als er sagte, dass man bei Konzerten von Horowitz Zuschauer und Pianisten nicht in einem Raum untergebracht werden könnten, da das für das Gehör der Zuschauer nicht zumutbar sei, nicht etwa wegen falscher Töne, sondern wegen Dynamik, Dynamik, Dynamik!
    Wie ich schon in meinem Konzertbericht ausführte, hat Sokolov seine obere Dynamikgrenze in den vergangenen 40 Jahre ja noch ein wenig nach oben geschoben, aber auch sicherlich die untere Grenze nach unten und, wie andere große Pianisten auch, das Eindringen in den Komponsiten und die Vertiefung in seine Denkweise stetig verfeinert.
    Nur dann können singuläre Klavierabende entstehen, das "Handwerkszeug" des Pianisten sozusagen vorausgesetzt, nur dann konnten Abende wie "Horowitz in Moskau" oder Rubinstein in Kalifornien mit "The last Recital for Israel" überhaupt einen solchen sensationellen Verlauf nehmen und einen so teifen Eindruck hinterlassen. Oder denken wir an die vielen Klavierabende, die Arrau noch jenseits seines 80. Lebensjahres mit sensationellen Erfolgen gegeben hat.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Beethoven: Sonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr. 3
    Yukio Yokoyama, Klavier
    AD: 2007
    Spielzeiten: 6:36 - 7:33 - 2:45 - 3:29 -- 20:23 min.


    Yukio Yokoyama spielt den Kopfsatz etwas langsamer als Artur Schnabel, aber schneller als Emil Gilels und Grigory Sokolov. Dynamisch spielt er mit allem, was ihm zu Gebote steht. Auch rhythmisch spielt er m. E. ohne Fehl und Tadel. Sehr schön ist auch bei ihm die Sforzandokette im Seitenthema und die Schlusssteigerung, obwohl sie immer noch rund klingt, und auch in der Schlussgruppe ist der Kontrast zwischen den beiden Dynamikblöcken eminent. Auch er wiederholt natürlich die Exposition.
    In der Durchführung dreht er dynamisch noch weiter auf, tut in den Staccato-Tonleitern in der tiefen Oktave fast ein wenig des Guten zu viel, wodurch er die durchlaufenden Achtel in der hohen Oktave fast zudeckt.
    Im ersten Teil der Reprise spielt er ebenfalls eine kraftvolle Sforzandokette. Ansonsten spielt er gemäß der Exposition. Sehr kraftvoll ist in der Kurzcoda auch seine Schlusssteigerung.


    Im Largo liegt er m. E. temporal daneben, das ist zu schnell, schon im ersten dunklen Abschnitt und wird im ersten hellen Abschnitt noch schneller. Da ist es sicherlich nur noch ein Andante und er erzeugt auch so m. E. nicht die musikalische Tiefe, die diesem Abschnitt eigentlich innewohnt. Auch in der zweiten dunklen Sequenz habe ich in Eindruck, das hat wohl die richtige Dynamik, auf mich aber nicht die nachhaltige Wirkung. Besonders krass ist es in der Durchführung, wo die Unisonoachtel in der Begleitung, die sonst einem schicksalsträchtigen Klopfen gleichen, zu rasch und zu eindimensional kommen. Auch die Takte 35 und 37 haben nicht die Eindringlichkeit anderer Pianisten, z. B. Sokolovs oder Solomons, aber auch Richters. Auch die Zweiunddreißigstel perlen viel zu schnell abwärts. Wenigstens das Smorzando rettet er durch eine Tempomodifikation, wie sie auch Richter vorgenommen hat.
    Auch in der Reprise muss er ja einen temporalen unterschied zwischen der dunklen Sequenz und der anschließenden hellen darstellen, und da ist die helle wieder zu schnell. Da kann es nicht in die musikalische Tiefe gehen, auch wenn es noch so schön klingt. Auch in der Wiederholung der zweiten dunklen Sequenz steckt er wieder im Tempodilemma, dass er nur durch Dynamik nun auch nicht lösen kann.
    Und in der Coda, die dann besonders schnell und verhuscht klingt, steigert er im ersten Teil des Crescendos so rasch, dass er wieder zurückgehen muss, um dann im zweiten Teil erneut zu steigern, sonst wäre er wahrscheinlich in einem forte Fortissimo herausgekommen. Und in den letzten 12 Takten geht er in Takt 80 nach dem ersten Forteakkord subito piano zurück, wo andere alle drei Akkorde im Forte spielen.


    Das Menuetto spielt Yokoyama richtig gut, er lässt sein Instrument singen und spielt im ersten Teil des Menuetto ein wunderbares Dolce, erhöht im zweiten Teil partiturgerecht die Dynamik und tönt am Ende des zweiten Teils wieder schön ab. Im Trio geht er noch etwas weiter aus sicher heraus. Dann spielt er das Menuetto Da Capo.


    Im Rondo ist Yokoyama wie im Menuetto ungefähr zeitgleich mit Richter. Hier zeigt er im raschen Lauf der Sechzehntel, dass er im Legato und auch im gelegentlichen Staccato Einiges zu bieten hat. Auch dynamisch nutzt er weiterhin die Vorgaben der Partitur voll aus.
    Im zweiten Zwischensatz beginnt er mit einem Crescendo und läuft in wunderbaren vier Legatotakten 41 bis 44 im Pianissimo aus. In der Überleitung gestaltet auch er den langen Bogen Takt 50 bis 54 sehr eindrucksvoll. Auch sein dritter Themenauftritt mit den Unisonoterzen, -sexten und -oktaven ist sehr eindrucksvoll und in den Intervallsprüngen auch sehr virtuos.
    Im vierten Themenauftritt gestaltet er die wechselnden Intervalle in der tiefen Oktave ebenfalls sehr gekonnt und bringt auch die vielen Sforzandi deutlich hervor.
    Auch die originelle Coda spielt er sehr gekonnt.


    Leider hat er mich im zentralen Largo nicht überzeugt, sonst hätte es eine großartige Aufnahme sein können.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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