Der ersten Besprechung von Nikolai Luganski, der ebenfalls Eingang in meine Sammlung gefunden hat, möchte ich den Wikipedia-Artikel vorausschicken (Holger hat übrigens einen Thread "Aktive Pianisten: Nikolai Lugansky" eröffnet):
Nikolai Lwowitsch Luganski (auch: Nikolai Lugansky, russisch Николай Львович Луганский; * 26. April 1972 in Moskau) ist ein russischer Pianist.
Mit fünf Jahren erhielt er den ersten Musikunterricht, nachdem seine Eltern, ein russisches Wissenschaftlerpaar, sein absolutes Gehör und seine musikalische Begabung erkannt hatten. Er studierte am Moskauer Konservatorium bei Tatjana Kestner, Tatjana Nikolajewa und Sergei Dorenski. Mit sechzehn Jahren gewann er beim 8. Internationalen Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerb in Leipzig die Silbermedaille und zwei Jahre später beim Rachmaninow-Wettbewerb in Moskau den 2. Preis. 1994 begann mit dem Sieg beim 10. Internationalen Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau seine internationale Karriere.
Er arbeitet mit Dirigenten wie Waleri Gergijew, Neeme und Paavo Järvi, Michail Pletnjow, Kurt Masur, Marek Janowski, Gennadi Roschdestwenski, Juri Temirkanow, Sakari Oramo, Wladimir Jurowski, Emmanuel Krivine, Sir Charles Mackerras und Kent Nagano. Bei den Festivals in Verbier, La Roque-d’Anthéron, Gstaad und bei den BBC Proms ist er regelmäßig zu Gast. Zu seinem Repertoire gehören über 40 Klavierkonzerte von Bach bis Schostakowitsch. Außerdem tritt er als Kammermusiker u.a. mit Vadim Repin (Geige), Alexander Kniazew (Cello), Wadim Rudenko (Klavier) und Jewgeni Petrow (Klarinette) auf.
Seit seiner Einspielung von Benjamin Brittens „Young Apollo“ 1999 ist er bei Warner Classics unter Vertrag. Nikolai Luganskis CD-Aufnahmen sind vielfach ausgezeichnet worden (siehe Diskografie).
Neben seiner Konzerttätigkeit unterrichtet er am Moskauer Konservatorium als Assistent von Sergei Dorenski.
https://de.wikipedia.org/wiki/Nikolai_Lwowitsch_Luganski
Beethoven: Sonate Nr. 7 D-dur op. 10 Nr. 3
Nikolai Luganski, Klavier
AD: Februar 2005
Spielzeiten: 6:56-10:01-2:55-3:50 -- 23:42 min.;
Nikolay Lugansky, zum Zeitpunkt der Aufnahme 32 Jahre alt, spielt den Kopfsatz knapp unter 7 Minuten, also etwas im Tempo der zwei Monate später entstandenen Aufnahme von Paul Lewis oder der 10 Jahre zuvor entstandenen Aufnahme von Alfred Brendel. Er spielt einen klaren, transparenten Ton und spielt auch dynamisch der Partitur entsprechend. Seine Rhythmischen Fähigkeiten sind ebenfalls außergewöhnlich.
Im Seitenthema fällt mir auf, dass er die Vorschlags-Achtel ähnlich spielt wie Emil Gilels. Den durchführenden Abschnitt des Seitenthemas spielt er in einer langen kleinschrittigen Steigerung mit deutlichen Sforzandi hin zu einer grandiosen ff-Steigerung. In der Schlussgruppe stellt er ebenfalls die beiden Dynamikblöcke schön gegenüber. Natürlich wiederholt auch er die Exposition.
In der Durchführung hebt er ebenfalls die Dynamik an, wobei ebenso wie in der Exposition seine klare und gleichberechtigte Begleitung auffällt.
In der Reprise spielt er die anfängliche Steigerung deutlich und im weiteren Verlauf entsprechend der Exposition. Auch hier ist wieder die großartige Steigerung am Ende des Seitenthemas hervorzuheben, ebenso die gelungene Gegenüberstellung der Dynamikblöcke in der Schlussgruppe. Die bemerkenswerten Oktavwechsel der aufsteigenden Viertel ab Takt 305 leiten zu einer furios gespielten Kurzcoda.
Das Largo e mesto spielt Lugansky in rund 10 Minuten. ich würde ihn damit in der schnelleren Hälfte der langsameren Spieler einordnen . Der Dreierrhythmus ist für mich mühelos zu erkennen. Den ersten dunklen Abschnitt betont er moderat, die Stimmung würde ich als latent traurig, aber nicht als zu schwer lastend bezeichnen.
Der Stimmungskontrast zwischen der ersten dunklen und der ersten hellen Sequenz scheint mir aber nicht allzu groß, was m. E. auf beiden Seiten des Pendels beruht. So ganz vom melancholischen Schleier kann sich der helle Abschnitt nicht befreien.
Im zweiten dunklen Abschnitt legt er erheblich zu, erreicht aber nicht ganz die dramatische Wucht z. B. eines Grigory Sokolov. Auch bei ihm verbleibt der zweite helle und überführende Abschnitt im melancholisch-traurigen Gefühlsspektrum.
Eindeutig präferiert er die Durchführung, und dabei speziell die Takte 35 und 37 mit machtvollen Fortissimoakkorden, die er in wunderbarem Kontrast zu den absteigenden Zweiunddreißigstel-Figuren darstellt. Auch sein Smorzando, für mich immer eine Schlüsselstelle, ist sehr ausdrucksvoll.
In der Reprise spielt er auch am Beginn sehr aufmerksam die höhere dynamische Bewegung und entwickelt dann als dem Pianissimo einen wunderbaren Übergang in die grandios gespielte hohe Oktave des kurzen hellen Abschnitts. In der Wiederholung des zweiten dunklen Abschnitts spielt er die ffp-Akkorde auch sehr grell, bleibt aber dynamisch unter den Takten 35 und 37.
Die Coda spielt er mit großer Klarheit und hochdynamisch, wobei er temporal die Zweiunddreißigstel ab Takt 72 klar von den voraufgegangenen Vierundsechzigsteln absetzt, aber auch von den Zweiunddreißigsteln im ersten Teil der Coda. In den letzten zwölf Takten bremst er nochmal stark, spielt ihn in seiner dynamischen Form atemberaubend. Dieser Satz zeigt m. E. auch exemplarisch die künstlerische Reife, die Luganski zu dem Zeitpunkt schon erlangt hat.
Nikolai Lugansky wählt für das Menuett, jedenfalls für den ersten Teil, einen noch runderen, lieblicheren Ton als Andere- die reine Poesie. Zwar setzt er im zweiten Teil die dynamische Obergrenze etwas hinauf, aber es bleibt bei dieser heiter-pastoralen Stimmung.
Auch das Trio ist durchaus diesseitig, fügt sich aber in den dynamischen Gesamtrahmen dieses Satzes ein. Er spielt dann auch noch einmal diese lieblich, im ersten Teil introvertierte Menuetto. Eine grandiose Interpretation dieses Satzes!
Im Rondo dreht Luganski dann temporal und dynamisch mächtig auf. Dadurch, dass er auch die Pausen ausnutzt, kommt der Satz dann trotz des hohen Grundtempos, vor allem in den treibenden Sechzehnteln, auf ungefähr vier Minuten. Hinzu kommt noch gerade in diesem Satz seine hohe Legato-Kultur und natürlich, ohne es extra hervorzuheben, seine hohe Virtuosität, die er ja auch nicht hervorhebt. Grandios allein die vier Legato-Takte 41 bis 44 und der lange Bogen Takt 50 bis 54.
Im dritten Themenauftritt spielt auch er die Unisonoakkorde ab Takt 74 grandios mit einer kraftvollen Steigerung und brillanten Intervallsprüngen. Auch der vierte Themenauftritt ist maßstäblich, hier auch die Sechzehntelbegleitung. Die originelle Coda schließt er auf diesem Höchstniveau an.
Auch dies ist eine Spitzenaufnahme.
Liebe Grüße
Willi