HAYDN, Joseph: PHILEMON UND BAUCIS

  • Joseph Haydn (1732-1809):


    PHILEMON UND BAUCIS
    Marionettenoper in einem Akt
    Libretto von einem unbekannten Textdichter nach Ovids „Metamorphosen“


    Uraufführung 1773 im Marionettentheater von Schloss Esterháza



    DIE STIMMENZUWEISUNGEN


    Jupiter und Merkur, Sprechrollen
    Philemon und Baucis, Tenor und Alt
    Aret, Tenor
    Narcissa, Sopran


    Das Geschehen ist der griechischen Mythologie entnommen.



    VORBEMERKUNG


    „Philemon und Baucis“ wurde anlässlich eines Besuchs der Kaiserin Maria Theresia bei Fürst Nikolaus von Esterhazy komponiert und aufgeführt. Aus dem erhalten gebliebenen Textbuch ergibt sich, dass das Singspiel von einem Vor- und einem Nachspiel eingerahmt wurde; die Musik dazu ist allerdings verschollen. Das Vorspiel wurde von einer zweiteiligen Sinfonia eingeleitet (die Haydn später in seine 50. Sinfonie integriert hat), im Nachspiel wird auf den hohen kaiserlichen Besuch hingewiesen: Nach einer Verwandlung zeigt sich anstelle der Bildsäule Jupiters das Wappen des Kaiserhauses; eine Menge allegorischer Figuren (Ruhm, Milde, Gerechtigkeit, Tapferkeit etc.) rufen Segens- und Huldigungssprüche auf die Kaiserin und Habsburg aus. Angesichts der Tatsache, dass Haydn eine gehörige Portion Humor besaß, wiegt der Verlust der Musik zum sprachlich wie dramaturgisch witzigen Vorspiel schwer.


    INHALTLICHES ZUM VORSPIEL: Der Götterrat.


    Die Götterriege, von Apollo, Bacchus, Ceres, Diana, Mars, Merkur, Neptun und Venus bis hin zum nachträglich unter Donner erscheinenden Jupiter, kamen auf dem Olymp zusammen und gerieten in heftigen Streit (was sie so schön menschlich macht) über die Menschen, die nur noch an Geschäfte und Vergnügen denken und sie, die Himmlischen, nicht mehr ehrt, folglich bestraft werden müssen. Dem Streit setzt Jupiter mit Blitz und Donner ein kurzes und bündiges Ende: Er wird die Menschen mit einem gewaltigen Unwetter bestrafen! Jupiter wird dann mit Merkur nach Phrygien reisen, um sich die Auswirkungen seines Bannstrahls anzusehen.


    INHALTSANGABE DES EINZIGEN AKTES


    Das Marionettenspiel wird von einer zweiteiligen Ouvertüre eingeleitet. Auf ihrer Wanderung durch Phrygien kommen Jupiter und Merkur auch in das Dorf, in dem Philemon und Baucis leben. Jupiter ist überrascht von dem Ausmaß der Verwüstung, die sein Bannstrahl angerichtet hat. Das Landvolk, darunter auch Philemon und Baucis, irrt planlos umher. Geändert, stellen die Götter fest, haben sich die Menschen aber nicht: Überall, wo sie um Einlass bitten, werden sie abgewiesen. Nur die Gebete von Philemon und Baucis haben zu einer Beruhigung des Wetters mit einem wunderbaren Abendrot geführt. Und hier, bei Philemon und Baucis, in deren armseliger Bauernkate, finden die Jupiter und Merkur gastliche Aufnahme. Dabei hören sie von dem schweren Leid, das auf dem Ehepaar lastet: Ihr Sohn Aret und seine Braut Narcissa seien, von Jupiters Blitzstrahl getroffen, getötet worden. Das zu erfahren, geht dem Herrn des Olymp an die Nieren und er verwandelt zwei Aschenkrüge, die vor der Hütte abgestellt sind (es sind die Urnen von Aret und Narcissa) in Rosenlauben, in deren Mitte die zum Leben wiedererweckten Liebenden sitzen. Den beiden ist ihr Todesschlaf natürlich nicht bewusst und sie besingen ihre Liebe. (Für eine spätere Aufführung wurde Narcissas Arie (Dir, der Unschuld Seligkeit) der Oper „Il Mondo della luna“, textlich angepasst, entnommen. Dass die Musik aus einem stilistisch anderen Kontext entstammt, ist deutlich vernehmbar.) Als das verliebte Pärchen von den Eltern entdeckt wird, sind Philemon und Baucis erst geschockt und fühlen sich von den Göttern verhöhnt, doch schnell erkennen sie ihr Glück und sind tief ergriffen. Dem Wunsch der Alten entsprechend, die den Göttern als Priester und Priesterin dienen wollen, verwandelt Jupiter die armselige Hütte in einen prächtigen Tempel - während Aret und Narcissa in eine glückliche eheliche Zukunft geführt werden. Ein abschließender Jubelchor auf Jupiter leitete ursprünglich zum Nachspiel über, in dem die Brücke von Jupiter zu Maria Theresia geschlagen wurde: An die Stelle Jupiters trat (laut Libretto) „in einer ungemein prächtigen Glorie das Wappen des Durchlauchtigsten Erzhauses. Der Ruhm, die Milde, die Gerechtigkeit und die Tapferkeit umgeben und halten dasselbe.“ Das Lob der Kaiserin wird von Allegorien unterschiedlichster Art gepriesen.



    INFORMATIONEN ZU KOMPONIST UND WERK


    Haydns Arbeitgeber, die Fürsten Esterházy, führten auf ihrem Schloss das bedeutendste adlige Theater Ungarns im 18. Jahrhundert. Zwei Theatergebäude, ein großes Opernhaus und ein kleineres Marionettentheater, boten ideale Bedingungen für ein abwechslungsreiches Programm, nicht nur aus eigener Produktion sondern auch für reisende Schauspiel- und Operntruppen oder gastierende Puppenspieler.


    Zu Haydns Dienstpflichten gehörte auch die Durchführung des Opernbetriebs; allein zwischen 1776 und 1790 studierte er 88 Opern ein. Für seine eigenen Werke, aber auch bei der Einrichtung anderer Opern,musste Haydn natürlich auf die beschränkten personellen Möglichkeiten Rücksicht nehmen. Bis 1776 standen Haydn in seiner Operntruppe kaum erfahrene Gesangssolisten zur Verfügung: Neben zwei Sängerehepaaren gab es keine weiteren Profis, die Besetzung wurde im Bedarfsfall aus dem Kirchenchor ersetzt. Einen Chor hatte Haydn auch nach 1776, als die Zahl der Vokalkräfte von Jahr zu Jahr wuchs, nie zur Verfügung; auch in diesem Bedarfsfall wurde improvisiert: Solisten, die gerade nicht zu singen hatten mussten, wie auch momentan nicht beschäftigte Instrumentalisten, chorisch aushelfen. Bei einem so kleinen Sänger-Tableau konnte das Orchester ebenfalls nur klein sein: So hatte Haydn z.B. im März 1776 vier Violinisten, einen Cellisten und einen Violonespieler zur Verfügung. Diese Besetzung galt gleichermaßen für die große Oper wie fürs Marionettentheater.


    Haydn hat seine Marionettenoper „Philemon und Baucis“ (die als einzige - zumindest teilweise - erhalten ist, während fünf weitere bei einem Großbrand 1779 in Esterháza vernichtet wurden), als „Opéra comique” bezeichnet. Das Sujet wurde Ovids „Metamorphosen“ entnommen.



    © Manfred Rückert für den Tamino-Opernführer 2015
    unter Hinzuziehung des Beiheftes der Hänssler-Aufnahme

    .


    MUSIKWANDERER

    Einmal editiert, zuletzt von musikwanderer ()

  • Die beiden nachstehenden Einspielungen von Haydns Marionettenoper finden sich bei den Tamino-Werbepartnern jpc und Amazon:



    Hier die vom Label BIS herausgegebene Aufnahme, in der Christoph Genz den Philemon, Maren Engelhardt die Baucis, Jan Petryka den Aret und Alexandra Reinprecht die Narcissa singen; die Haydn Sinfonietta Wien spielt und die Leitung liegt in den Händen von Manfred Huss.



    Hänssler hat in seiner Profil-Reihe das Werk mit Manuel Warwitz, Natalie Vincent, Bernhard Berchtold und Ulrike Hofbauer als Gesangssolisten herausgegeben; die Salzburger Hofmusik spielt unter der Gesamtleitung von Wolfgang Brunner.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • musikwanderer

    Hat den Titel des Themas von „HAYDN, Franz Joseph: PHILEMON UND BAUCIS“ zu „HAYDN, Joseph: PHILEMON UND BAUCIS“ geändert.