Idealerweise macht er das durch Mimik und gelegentliche "stubenreine" Berührungen- also keine dauernde Küsserei und kein ständiges, nerviges Gefummel.
Und da gibt's ja viele Möglichkeiten:
Edith Mathis beispielsweise legt Susanna zur Begrüßung von hinten die Arme um die Taille und den Kopf auf die Schulter- mehr nicht. Kein Herandrücken, kein Küssen, einfach eine freundschaftliche Begrüßung.
Ah ok, also eben durch Umarmungen etc., dass ihm nur die Nähe wichtig ist, und kein Fummeln.
Ich mag die Szene besonders, in der er, nach dem "Non so piu" zu lachen beginnt, zu Susanna krabbelt und ihr den Kopf in den Schoß legt.
Und- was dir ja nicht so gefallen hat- wie die beiden sich in den Arm nehmen, als der Graf ihn in ihrem Zimmer entdeckt...
Was mir nicht so gefallen hat? An die Szene erinnere ich mich gar nicht. Habe ich sowas gesagt?
In der oben genannten Inszenierung wird Cherubino verkleidet, geschminkt und gepudert, dass ihm Hören und Sehen vergeht... Die Gräfin ist da zwar kein unbeteiligter Zuschauer, aber eher Susannas "Handlanger". Auf die Anweisung "Den Kragen etwas höher" beginnt die Gräfin, sich am Kragen zu schaffen zu machen, greift nochmals zum Puder und bearbeitet damit Cherubinos Hals und Oberkörper. Cherubino blickt sie dabei unverwandt an, was sie zunächst nicht merkt, doch irgendwann treffen sich ihre Blicke und er beginnt ganz leicht zu lächeln. Sie haben dann für wenige Sekunden ganz intensiven Blickkontakt und ihre Gesichter sind sich so nahe, dass man tatsächlich auf den Gedanken kommt, sie würden sich gleich küssen... Die Gräfin wendet dann ein wenig verlegen den Blick ab und schiebt Cherubino sanft wieder zu Susanna hinüber...
Kein Knutschen, kein Fummeln! Doch die Luft hat geknistert...
Hab mir die Szene gerade nochmal angesehen: ja stimmt, da knistert es auf jeden Fall! Wie er sie da anschaut, sowas finde ich wesentlich wirkungsvoller als Gefummle.
Was ich auch ungewöhnlich fand war, dass man, als "er" sich in den Spiegel schaut, man recht viel von "seinem" Ausschnitt sieht, denn auf einer Seite ist das Hemd recht weit heruntergezogen, und da sieht man doch deutlich, dass das kein Junge ist.
Wenn ich mir aber den Text so betrachte, ist Cherubino da schon ganz schön frech! So gerne ich das Beste von ihm annehmen will, aber auf ihre Drohung "Weg von mir oder ich rufe Leute!" antwortet er : "Gib mir einen Kuss, sonst tust du gar nichts!"
Ich habe mir das "Dammi un bacio, o non fai niente" gerade übersetzen lassen, das müsste heißen "Gib mir einen Kuss, oder tu gar nichts". Ich verstehe nicht, was "oder tu gar nichts" bedeuten soll in dem Zusammenhang. Gib mir einen Kuss, oder lass es bleiben, aber ruf nicht um Hilfe? Gib mir einen Kuss, oder ich gebe dir einen?
Auf jeden Fall finde ich die Szene halt schade, und vermute fast, dass - wir sprachen ja schon darüber - Da Ponte oder Mozart sich da nicht solche Gedanken darüber gemacht haben, oder es witzig fanden, oder Cherubino ihnen nicht so "wichtig" war, dass sie ihn sympathischer darstellen.
Vielleicht haben sie hier auch gar nicht an die Figur Cherubino gedacht, sondern wollten, was damals ja ungewöhnlich war, mal eine Frau den Macho auf der Bühne spielen lassen.
Dein Video kann ich leider im Moment nicht abrufen und auch der nächste Schleiertanz muss noch bis übermorgen warten... Habe mein letztes Datenvolumen aufgebraucht! Wird aber nicht vergessen, versprochen!!!
Ah, schade. Bin auf jeden Fall gespannt auf deine Meinung! Und wie gesagt, ich sehe das nicht als "Referenz-Performance" oder so, ich fand nur die Mimik in dem Video könnte auch ein bisschen zu dieser Figur passen. (Du brauchst unlimitiertes Internet ;))
Der Marina Comperato Cherubino wird im Begleitheft der DVD als 16 jähriger deklariert!
Oh, das ist interessant. Was steht da genau? Dass Cherubino selbst 16 ist, oder dass er in DIESER Inszenierung von 13 auf 16 Jahre hochgestuft wurde?
Wobei Du ja immer wieder betonst, dass Dir Sozialkritik am Herzen liegt.
Das stimmt schon, was die restlichen Figuren angeht, aber Cherubino wäre theoretisch doch eine Figur, die da positiv herausstechen könnte. Ich frage mich ja ehrlich gesagt auch, wieso Beaumarchais eine solche Figur in sein Stück einbaut, wenn es ihm, wie er selbst sagt, um Sozialkritik ging. Wollte er ihn nur als komödiantische Figur einbauen, ohne damit etwas "aussagen" zu wollen? Oder wollte er wenigstens eine Figur sympathisch sein lassen? Ich versteh´s nicht.
Wenn eine Inszenierung richtig gut gemacht ist, dann kann ich damit leben, wenn sie nicht sozialkritisch ist, obwohl solche Dinge wie der Graf, der 12 jährige Mädchen anmacht, oder gnädigerweise darauf verzichtet, seine Dienstmädchen vor der Hochzeit entjungfern zu wollen, für mich nicht mal ansatzweise komisch sind. Also ab und zu eine solche Inszenierung ist ok, ich finde nur, dass man nicht generell glauben sollte, dass das ganze eine heitere Komödie ist, sondern im Hinterkopf haben sollte, was die ursprünglichen Absichten des Stücks waren, und was für grausige Lebensumstände das damals waren, speziell für die Leibeigenen, die unter solchen Adeligen gelitten haben.
Dass das vielen Leuten nicht bewusst ist, merkt man eh an der Reaktion, wenn eine Inszenierung mal nicht lustig, sondern eher ernst ist. In 100 oder 150 Jahren vielleicht wird man, weil der 2. Weltkrieg schon so lange her ist, Chaplins "Der große Diktator" für eine reine, spaßige Komödie halten, und blind sein für die Sozialkritik, die Kritik an der damaligen Politik, die darin enthalten ist, denn dann ist diese Zeit wirklich ewig lange her, ein Ereignis in den Geschichtsbüchern. Zeitzeugen wird es dann ja auch nicht mehr geben. Dann gibt es sicher Sekundärliteratur, wo drinsteht, wen genau Chaplin hier eigentlich parodiert ...
Und auf die gleiche Weise sehen leider viele Leute heute diese Zeit. Über die hässlichen Sachen weiß man entweder nichts, oder will nichts darüber wissen, was zählt sind einzige die lustigen Gags und die "fröhliche" Musik, und bitteschön hübsche Kulissen.
Franz Dingelstedt, der ja leider so eine miserable dt. Übersetzung abgeliefert hat (denk an die Szene, wo die Gräfin sagt "Beim ersten Kratzer .... eines meiner Mädchen" - Dingelstedt macht daraus "Aber ich werde es an diesem Bande versuchen, wenn sich einmal Jemand im Hause geschnitten hat." Das sich Verhaspeln fehlt hier völlig!), schreibt dennoch richtig in seinem Vorwort:
Er [Beaumarchais] bietet dem Leser nicht ein reines Kunstwerk, das sich selbst erklärt, auch nicht ein hohes Meisterwerk von der Formvollendung einer griechischen Tragödie oder der ursprünglichen, ewigen komischen Kraft einer Komödie Shakespeare's, Molière's; »Figaro's Hochzeit« ist vielmehr ein Zeit- und Sittengemälde, ein Stück Tendenzliteratur.
Deine Frage war, ob diese Aktion meiner Meinung nach anders gewirkt hätte, wenn Cherubino statt von einer Frau von einem Mann gespielt werden würde... Meine Antwort darauf wäre ein hundertprozentiges "Ja!". Es hätte einfach nicht diesen verspielten Charakter gehabt, sondern wäre deutlich obszöner 'rübergekommen, vielleicht sogar geschmacklos.
Aber weswegen eigentlich?
In gewisser Weise vergesse ich auch, dass das eine Frau ist, aber man (oder zumindest ich) sehe es schlussendlich doch, weil die Illusion natürlich nie "perfekt" sein kann, und auch nicht sein soll, sonst könnte man einen echten Burschen nehmen.
Ich könnte mir vorstellen, dass ein Grund dafür, dass es nicht obzsön ist, daran liegt, dass man vielleicht unterbewusst das Gefühl hat, dass die beiden Frauen da eine solche Situation nachstellen, die in der Realität so nicht funktionieren würde.
Stell´ dir das mal umgekehrt vor, vielleicht in so einem billigen-Sketch: zwei männliche Darsteller, und einer davon spielt eine Frau, mit falschen Brüsten, Kleid etc. Und in dem Sketch greift der Mann der falschen Frau an die Brüste, worauf die "Frau" ganz empört dreinschaut. Wäre die Frau eine ECHTE Frau, würde das wohl ziemlich blöd wirken, weil ein echter Mann einer echten Frau auf die Brüste greift. Wenn der echte Mann aber auf FALSCHE Brüste greift, und das auch ein Mann ist, dann kann man das leichter komisch finden, weil man weiß, dass das selbst ein Kerl ist, und keine echte Frau betatscht wird.
Und vielleicht ist das hier auch so: wäre der Cherubino ein echter Mann oder Bursche, und würde die Susanna dem in den Rock greifen, dann wüsste man, ganz direkt und unverblümt gesagt, dass da auch etwas ist, wonach sie greifen kann. Wenn der Bursche aber in Wirklichkeit eine Frau ist, dann weiß man, dass sie "ins Leere greift", und die Frau nur so TUT, als wäre da etwas, als wäre sie ein Bursche, der das mitbekommt. Das Nachmachen einer Reaktion des anderen Geschlechts, ich glaube, das ist einer der Gründe, wieso diese Szene mit einem Mann nicht funktionieren würde.
(Übrigens, in der selben Inszenierung ganz am Ende, nach der Vorstellung, kommen ja alle SängerInnen an die Rampe für den Applaus. Für den Cherubino haben sie sich was Witziges einfallen lassen. Im Hintergrund ist ein großer Tisch, wo lauter Frauen rundherum sitzen, auch ein paar der Sängerinnen. Als Cherubino an der Reihe ist, kreischen die Frauen am Tisch plötzlich kurz auf, und die Sängerin kommt unter dem Tisch hervor und läuft zur Rampe. Ich finde das ganz witzig, wenn beim Schlussapplaus die SängerInnen noch halb in ihrer Rolle bleiben, oder witzige Aktionen eingebaut sind. Dann wartet die Cherubino-Sängerin an der Seite, an eine Säule gelehnt, und als die Sängerin der Gräfin vorbei Richtung Rampe geht, gibt "er" ihr eine Rose in die Hand.
LG,
Hosenrolle1