Bezaubernd, traumhaft schön
Das waren die Worte, die ich von Besuchern der Übertragung gestern im Kino hörte.
Die Inszenierung der "Bayadère" von Ludwig Minkus aus dem Royal Opera House in London ließ keine Wünsche offen: Großartige Kulisse, prächtige Kostüme und wahrhaft vorzügliche Leistungen der Solotänzer und des Ballettcorps. Die Musik des hervorragenden Orchesters war über die Surround-Anlage des Kinos klanglich kaum von der im Opernhaus zu unterscheiden (ich habe es früher im Theater schon erlebt, dass Ballett zu Musik vom Band getanzt wurde, was ich als schrecklich empfand).
Überragend war vor allem der zweite Akt "Im Königreich der Schatten", der nach meiner Meinung dem Szenen am "Schwanensee" in keiner Weise nachsteht. London brachte auch den dritten Akt im Tempel, der bei den meisten Aufführungen ausgelassen wird. Zwar kann die Inszenierung mit dem zweiten Akt durchaus als abgerundet angesehen werden und auf den späteren Versuch der Hochzeit Solors mit der (falschen) Braut verzichtet werden. Ich war aber froh darüber, hier einmal das vollständige Ballett sehen zu können. Und der Zusammenbruch des Tempels war in meinen Augen inszenatorisch gut gelöst.
Das Kino war diesmal nur schwach besetzt. Ich führe das auf drei Tatsachen zurück.
1.
Vielen Ballettfreunden sind zwar die Tschaikowski-Ballette bekannt, Adams Giselle, Delibes' Coppelia, Prokofjews Romeo und Julia und evtl. Cinderella (die steinerne Blume kaum noch) und wenige andere. Einige Ballette von Ludwig Minkus oder Cesare Pugni sind hierzulande wohl weniger bekannt. In Deutschland wird nach meinem Befinden das weitaus schwierigere klassische Ballett weitgehend zugunsten des modernen Tanztheaters aufgegeben. In Russland (Bolschoi, Kirov) und auch in England wird das klassische Ballett noch gepflegt und das Programm dieser Saison aus dem Royal Opera House bietet von 11 Vorstellungen vier klassische (Bayadere, Nussknacker, Don Quichotte, Romeo und Julia) und zwei modernere Ballette an. Daneben 5 Opern.
Der "Nussknacker", der am 3.12. läuft ist hingegen schon wesentlich stärker gebucht und Don Quichotte mit der Musik von Ludwig Minkus am 19.2. scheint auch bekannter zu sein als "La Bayadère"
2.
Die Inszenierungen des Royal Opera House sind hier erst kürzlich übernommen worden. Die ersten Programme lagen erst Ende Oktober aus.
3.
Einige der Zuschauer meinten, dass die Übertragung an einem Dienstag vielleicht auch manche arbeitende Leute wegen der späten Stunde (die Übertragung begann erst 20.15 und dauerte bis gegen 23.30 Uhr), während die Opern aus der MET immer auf einem Samstag liegen und schon um 18 bzw. 19 Uhr beginnen.
Wie dem auch sei, es war ein beglückender Abend, auf den wir uns lange gefreut haben und der noch lange nachwirken wird.
Liebe Grüße
Gerhard