Im Pfarrheim unserer St. Lambertipfarrgemeinde in Coesfeld fand heute um 17.00 Uhr eine sehr interessante Balladen-Soirée statt, die folgenden Anlass hatte:
Ein kürzerer Blüthner-Flügel, Baujahr 1900 - 1910 in Leipzig, der sich seit vielen Jahren in unserer Pfarrgemeinde befand, etwa vergleichbar mit diesem Modell:
(Modell 10, 166 cm)
war vom hiesigen Klavierbaumeister Martin Kappert restauriert worden und sollte mit diesem Konzert "wiedereingeweiht" werden.
Dieser Aufgabe hatten sich unser Kantor Maximilian Kramer, Bassbariton
und der bekannte Pianist und Liedbegleiter Michael Gees
angenommen, die unter dem Titel
"Klingende Geschichten, Balladen aus der Romantik" ein tolles Programm auf die Beine gestellt und einstudiert hatten:
1. Es war ein König in Thule D.367, Franz Schubert,
2. Der Zwerg D. 771, Franz Schubert,
3. Das Schloss am Meere, Melodram, nach Ludwig Uhland, AV 92, Richard Strauss,
4. Graf Eberstein, op. 9 Nr. 5, Carl Loewe,
5. Die beiden Grenadiere, op. 49 Nr. 1, Robert Schumann
6. Die nächtliche Heerschau, op 23, Carl Loewe
7. Herr von Ribbeck auf Ribbeck, Improvisation, Text, Theodor Fontane
8. Der Zauberlehrling, Michael Gees, Text: Johann Wolfgang von Goethe
Pause
9. Odins Meeresritt, op. 118, Carl Loewe
10. Belsazar, op. 57 Robert Schumann
11. Die wandelnde Glocke, op. 20 Nr. 3, Carl Loewe
12. Die Brücke Am Tay, Improvisation, Text Theodor Fontane
13. Der Erlkönig, D. 328, Franz Schubert
14. Der Rattenfänger, Nr. 11, Hugo Wolf
15. Der Feuerreiter, Hugo Wolf
Es war m. E. kein einziger Schwachpunkt in diesem Programm. Einiges war für mich neu, so "Der Zwerg" von Schubert, Das Schloss am Meer von Strauss und der Zauberlehrling in der Vertonung von Michael Gees vor der Pause, so wie die beiden Werke von Hugo Wolf, obwohl ich beide Werke in der Wolf-Box von Dietrich Fischer-Dieskau/ Daniel Barenboim habe, ich aber zu meiner Schande gestehen muss, dass ich sie noch nicht gehört habe. Aber sie haben in der mitreißenden Interpretation Max Kramers und Michael Gees' am Ende des Programms einen tiefen Eindruck auf mich hinterlassen.
Gleichsam ist mir aufgefallen, das Max Kramer zwar auch seit dem letzten Konzert mit Michael Gees (Schöne Müllerin) wieder etwas älter geworden ist, sein Vortrag aber an dramatischer Dichte und musikalischer Tiefe, wie ich finde, zugenommen hat.
Ebenso hat mich die "Begleitung" Michael Gees' zunehmend gefesselt und ich war begeistert von dem dunkel schimmernden Klang, den er dem restaurierten Blüthner entlockt hat. Ich bin ja sowieso ein Anhänger von Blüthner-Flügeln, seit vor etlichen Jahren Michael Korstick auf dem Klavierfestival Ruhr in einer Reihe von vier Konzerten auf einem Blüthner-Flügel alle fünf Klavierkonzerte Beethovens (die ersten beiden im ersten Konzert) und das dritte bis fünfte in den folgenden drei Konzerten jeweils vor der Pause gespielt hatte und es nach der Pause jeweils eine Brahms-Sinfonie gab.
Von den übrigen Programmpunkten in diesem Konzert haben mich natürlich die Loewe-Balladen gefesselt, ganz besonders Graf Eberstein, Odins Meeresritt und die wandelnde Glocke, die ich von Max schon zum zweiten Mal in einem Konzert erlebt habe, das erste Mal aber mit einem anderen Begleiter. Natürlich haben mich auch die Schubert-Lieder und die Schumann-Balladen überzeugt.
Interessant waren auch die beiden Improvisationen, die auch wohl eine Erinnerung an eine frühere Tradition sein sollten, nämlich das Hinzutreten von improvisatorischen Anteilen in Klavier- und Lied-Recitals, eine Sache, die mich zuerst eher verstört hatte, als mir dies vor Jahren bei einer "Schönen Müllerin" auf Classica auffiel, als nicht nur Michael Gees in seinem Klavierpart improvisierte bzw. verzierte, sondern auch Christoph Prégardien in seinem Gesangspart.
Mittlerweile sehe ich das Ganze aus einer anderen Perspektive, und es gefällt mir ausnehmend.
Verschiedene Bekannte, die ich in der Pause und nach dem Konzert sprach, waren ebenso begeistert wie ich und ich bin sicher, dass alle Besucher in dem wohlgefüllten kleinen Konzertraum sich schon auf das nächste Projekt der beiden Protagonisten freuen.
Die beiden entließen das dankbare Publikum mit der überaus zutreffenden und anrührenden Zugabe "Die Uhr", op. 123 Nr. 3 von Carl Loewe.
Liebe Grüße
Willi