Es kommt nicht so oft vor, dass man die Gelegenheit hat
eine Sängerin, die an der Wiener Staatsoper erfolgreich den Octavian in ihrem
Repertoire hat, am zweiten Wiener Opernhaus, der Volksoper, in einer
Musicalrolle zu sehen und zu hören. Stephanie Houtzeel hatte die Gelegenheit,
die Nettie Fowler zu singen und zu spielen – und sie hat auch im (klassischen)
Musicalbereich ihre Chance mehr als wahrgenommen. Mehr dazu noch später.
Es ist der Volksoperndirektion nicht hoch genug anzurechnen, dass sie die Pflege der amerikanischen Musicals auch weiterhin betreibt und somit den Weg, der seinerzeit von Marcel Prawy begonnen wurde, fortsetzt. In den letzten Jahren wurde ein sehr erfolgreiches Musical-Ensemble herangezogen und immer wieder durch junge, vielversprechende Talente ergänzt. Carousel, eines der genialen Stücke aus der Feder von Rodgers & Hammerstein, war 1945 ein bahnbrechendes Werk, das die Stellung der Kunstart „Musical“ in höhere Sphären brachte. Wie meistens wird an der VOP eine deutsche Version gespielt, für die auch der Regisseur der Stückers, Henry Mason, verantwortlich zeigte. Allerdings wird DIE Signature-Tune von Carousel, „You’ll Never Walk Alone“, in der Originalsprache gesungen – und man kann dem Team nur zu dieser Entscheidung gratulieren. Es gibt kaum jemanden, der diese Lied noch nicht gehört hat – wahrscheinlich im Rahmen einer Fußballübertragung mit dem FC Liverpool, Celtic oder den gelb-schwarzen „Zecken“ aus dem Ruhrpott. Diese Hymne auf Deutsch umzutexten -sorry, das ginge überhaupt nicht – auch bei „Wizard of Oz“ hat man „Over the Rainbow“ in der Originalsprache belassen.. Ebenso hat man die Namen der Protagonisten nicht eingedeutscht – ein Enoch Snow wurde nicht zum Enoch Schnee…
Für das Bühnenbild und die Kostüme zeichnet Jan Meier
verantwortlich und er versteht es, das Neuengland des 19.Jahrhunderts,
inklusive des Clambakes, glaubwürdig auf die Bühne zu bringen.
David Charles Abell ist
einer der weltweit bedeutendsten Dirigenten für „klassische Musicals“ und auch
ein geachteter Musikwissenschaftler. Unter anderem dirigierte er auch in der
Londoner O2-Arena in 2010 die Aufführung zum 25-Jahre-Jubiläum von Les
Miserables und später arbeitete er mit Bryn Terfel für eine Aufführungsserie
von Sweeney Todd zusammen. Dass unter diesem erfahrenen Dirigenten das
Orchester der Wiener Volksoper die von Richard Rodgers geschriebenen,
wunderbaren Melodien in den besten Händen lag, war vorauszusehen – und man
wurde nicht enttäuscht.
Es war interessant, den Unterschied der Stimmen der
„gelernten“ Opernsänger im Vergleich zu den Protagonisten, die von der
Musical-Ausbildung herkommen, zu hören. Alle Sängerinnen und Sänger waren mit
eine Mikrophon ausgestattet, damit Unterschiede im Sound vermieden wurden. Daniel
Schmutzhard spielte und sang einen sehr glaubwürdigen Billy Bigelow (..
oder den Liliom, wenn man das zu Grunde liegende Werk Molnars in Betracht
zieht). Souverän gespielt, gut aussehend verkörperte er den
„Hutschenschleuderer“, um im Wiener Idiom zu bleiben, sehr überzeugend. Kein
Wunder, dass ihm die Mädels nachlaufen und sich Julie in ihm verliebt.
Überzeugend brachte er immer wieder die der Figur innewohnende
Brutalität/Unsicherheit zum Ausdruck. Gesanglich war er überzeugend, keinerlei
Probleme mit der Tessitura – sein fast 8-minütiges Solo zum Ende des ersten
Aktes gehörte sicherlich zu den Höhepunkten des Abends.
Als Julie war an diesem Abend Johanna Arrouas besetzt,
die die nächsten beiden Vorstellung als Carrie Pipperidge auf der Bühne stehen
wird. Arrouas, die schon etliche Jahre zu den Stützen der Volksoper zählt und
vom Musical über Operette bis zur Frasquita (Carmen) ein breites Spektrum
abdeckt, war sowohl als Frischverliebte glaubwürdig – sowie später auch als
frustrierte und – einmal – geohrfeigte Ehefrau. Vom Gesang her entsprach sie
den Anforderungen der Rolle.
Das Buffo-Paar war an diesem Abend mit Juliette Khalil (Carrie)
und Jeffrey Treganza (Enoch Snow) besetzt, wobei insgesamt Khalil den
besseren Gesamteindruck machte – und nicht nur, weil ihre Rolle dankbarer ist.
Sie ist eine sehr dominante Person und weiß, wenn sie auftritt, die
Aufmerksamkeit auf sich zu lenken – wie schon in der Wonderful Town –
Produktion. Treganza machte das beste aus seiner Rolle, allerdings zeigte er
leichte Probleme in den höheren Tönen.
Christian Graf
schaffte es (nach seiner überzeugenden Leistung in der Vorwoche beim „Orpheus
in der Unterwelt“) wieder einmal, sein außergewöhnliches Talent perfekt
einzusetzen. Jigger Craigin ist eine wahrlich unsympathische Figur, die ja
schlussendlich auch für den Tod von Billy verantwortlich ist. Allerdings
gestaltete der diesen Verbrecher mit einem nahezu unverschämten Charme aus, der
die zugrunde liegende Gefährlichkeit in den Hintergrund drängte.
Regula Rosin (Mrs. Mullin) und Wolfgang
Gratschmaier (Sternwart/Dr.Seldon), beide langjährige Ensemblemitglieder
des Hauses, waren rollendeckend besetzt.
Last but definitely not
least wieder zu Stephanie Houtzeel. Es ist ihrer langjährigen Bekanntschaft
mit Henry Mason zu verdanken, dass sie an der VOP debütieren konnte – und wenn
ich mich nicht täusche, waren die drei Auftritte hier auch ihre ersten
Erfahrungen auf der Musicalbühne. Es war wunderbar zu sehen, wie
bühnenbeherrschend sie war. Gesanglich war nichts auszusetzen, ihr Version
„You’ll Never Walk Alone“ rührte zu Tränen. Nach der Vorstellung war sie auch
voll des Lobes über ihre Kollegen – „You guys can sing, act and dance – we can
only sing..“.
Ein Pauschallob geht an alle weiteren Mitwirkenden,
namentlich sei noch Astrid Renner erwähnt, die als Louise Bigelow ihre
eigene Lebensgeschichte eindrucksvoll in der Choreographie von Francesc Abós
tanzte.
In dieser Saison steht „Carousel“ noch zwei Mal am Spielplan – es zahlt sich auf jeden Fall aus, diese Produktion anzusehen!