Barkouf von Jacques Offenbach - schon wieder so ein Werk zwischen Oper und Operette

  • Jaques Offenbach hatte gerade mal 5 Jahre sein eigenes kleines Theater, die Bouffes-Parisiens mit vielen eigenen Werken bespielt, zumeist noch Einakter und vor zwei Jahren mit seinem ersten abendfüllenden Werk Orpheus in der Unterwelt einen sensationellen Erfolg errungen, als sich ihm endlich die Möglichkeit bot, ein Werk für die Operá Comique, die sich ihm lange verweigert hatte, zu schreiben. Es sollte eine komische Oper werden nach einen Libretto von Eugèn Scribe, dem erfolgreichsten Librettisten seiner Zeit, der zahlreiche Textbücher u . a. für Auber, Rossini, Donizetti, Verdi, Meyerbeer und Halévy verfasst hatte.


    Das Stück handelt davon, dass in der indischen Stadt Lahore schon wieder ein Gouverneur vom Blitz getroffen wurde worauf der Großmogul, der die Bevölkerung verdächtigt, den Gouverneur wie schon so oft dessen Vorgänger aus dem Fester gestürzt zu haben, diese nur noch für würdig befindet, einen Hund als Gouverneur vorgesetzt zu bekommen.


    Maima, eine Blumenverkäuferin vermisst ihren Geliebten Saeb und ihren Hund Barkouf, die beide von werbenden Soldaten entführt wurden. Zum ihrem Erstaunen entdeckt sie beide im Gefolge des Großmoguls, Saeb als Soldat seiner Leibwache, Barkouf als den soeben inthronisierten Gouverneur. Da sich niemand mit dem neuen Gouverneur verständigen kann, ja alle Angst davor haben, von ihm zerfleischt zu werden, stellt der Großwesir Maima als Sekretärin des Gouverneurs ein, als er bemerkt, dass sie gut mit ihm zurechtkommt. Sie soll nun die Anweisungen, die ihr der Großwesir einflüstert, als die des Gouverneurs ausgeben und für das Volk „übersetzten“. Was Maima nicht weis ist, dass der Großwesir ihren Saeb dazu erpresst, seine hässliche Tochter zu heiraten. Als erste Amtshandlung bestätigt sie die Heiratsgenehmigung für diese Tochter, ohne zu ahnen, wer der Bräutigam ist. Als sie diesen Irrtum bemerkt, lässt sie die Genehmigung für die Tochter, den Palast verlassen zu dürfen, von Barkouf verweigern. Fortan „übersetzt“ Maima immer das Gegenteil dessen, was ihr der Großwesir einflüstert, was dazu führt, dass das Volk den milden und weisen Gouverneur bejubelt.


    Der Großwesir will Barkouf während eines Banketts vergiften. Maima hat von dem Komplott erfahren und verlangt nun vom Großwesir, dass er denselben Wein trinken solle wie der Gouverneur. Bevor es jedoch dazu kommt, trifft die Nachricht ein, dass ein Tartarenheer die Stadt belagere. Von Barkouf und Saeb angeführt, schlägt das Volk die Tartaren in die Flucht. Der Goßmogul, von einer Strafexpedition zurückgegehrt, legitimiert die Heirat Maimas mit Saeb und den vom Volk umjubelten Gouverneur Barkouf.


    Schon während der Proben zu dem Stück schritt die Zensur mehrmals ein um die Verunglimpfung von Regierenden abzumildern. Zudem hielt die Theaterleitung Scribes Libretto aufgrund der darin enthaltenen Satire nicht mehr für würdig, als opéra comique bezeichnet zu werden und stufte es als opéra bouffe „herunter“. Es ist schon interessant, wo man damals die Grenzen zog, und zwar wegen des Textes und nicht etwa wegen der Musik.


    Offenbach konnte erstmals für ein wesentlich größeres Orchester arbeiten, was er dann auch für wuchtige Elemente und effektvolle Orchesterbegleitungen nutzte. Man merkt seiner Musik schon an, dass er streckenweise zur großen Oper hin strebte mit anspruchsvollen Koloraturen und großartigen Chören. Teilweise klingt es sogar wie bei Richard Wagner, einschl. leitmotivischer Sequenzen. Aber sowohl wegen des satirischen Librettos als auch seiner eigenen Neigung konnte und wollte er aufs Persiflieren nicht verzichten, sodass auch immer wieder das „Bouffoneske“ aus seinen „Operetten“ durchblitzt. Wikepedia kann es besser formulieren als ich:


    Zitat

    Offenbach schuf mit der Partitur zu Barkouf zu einem Zeitpunkt, als seine Entwicklung zum Großmeister der opéra-bouffe noch gar nicht abzusehen war, einen operngeschichtlich einmaligen Mix aus seria- und buffa-Elementen, in dem Burleske und Drama fortwährend ineinanderspielen, in dem sich grotesk-komische Tableaus in der Nachfolge Rossinis mit den zarten lyrischen Eingebungen abwechseln.


    Quelle: Wikepedia


    Wie schon beim Orpheus wurden Offenbach nach der Urlaufführung Geschmack- und Sittenlosigkeit vorgeworfen. Aber anders als dort verhalf das dem Werk nicht zum Durchbuch, sondern es wurde nach nur acht Vorstellungen abgesetzt und nie wieder aufgeführt.


    Erst vor kurzem hat der Offenbach Herausgeber Jean-Christophe Keck die Partitur bei den Nachkommen von Jacques Offenbach wieder aufgefunden. Die erste Wiederaufführung fand in der Saison 2018/19 an der Opéra national du Rhin in Strasbourg statt, im Oktober 2019 folgte die deutsche Erstaufführung in Köln mit deutschen Dialogen und französischen Gesangstexten. Hiervon gab es einen Rundfunkmitschnitt im WDR, den ich kürzlich aufgenommen habe.


    :thumbup:Uwe

  • Lieber Uwe,


    den Mitschnitt von Barkouf habe ich mir auch nicht entgehen lassen! Ich war ja auch in Straßbourg live vor Ort und habe auch darüber hier im Forum berichtet. Da fand ich die Kölner Besetzung sogar noch einen Tick besser! Lediglich die Tatsache, dass auf Deutsch gesprochen und Französisch gesungen wird, ist anfangs etwas gewöhnugsbedürftig gewesen.

    Ansonsten ist die Partitur für mich tatsächlich ein großer Wurf! Herrliche Musik, wie auch immer man das Ganze kategorisieren will - eine veritable, reichhaltige Opera Bouffe, dass sich mit diesem Libretto Offenbach natürlich bei Teilen der Obigkeit in die Nesseln gesetzt hat, überrascht dabei nicht.

    Fehlt jetzt nur noch "Boule de Neige" - eine Umarbeitung von Barkouf - das wäre sicher auch noch spannend.

    Jedenfalls kann man Jean-Christophe Keck gar nicht genug danken für seine Arbeit, diese Werke wieder zugänglich zu machen und auf die Bühne zu bringen.