DONIZETTI, Gaetano: L'ASSEDIO DI CALAIS

  • Gaetano Donizetti ( 1797 – 1848 )

    L'assedio di Calais

    (Die Belagerung von Calais)


    Dramma lirico in drei Akten

    Libretto: Salvatore Cammarano

    Originalsprache: Italienisch


    Uraufführung: Neapel 1836


    PERSONEN DER HANDLUNG

    Edoardo III., König von England und Kronprätendent Frankreichs, Bass

    Isabella, Königin von England, Mezzosopran

    Eustachio de Saint-Pierre, Bürgermeister von Calais, Bariton

    Aurelio, sein Sohn, Contraalt

    Eleonora, Aurelios Frau, Sopran

    Giovanni d’Aire, Bürger von Calais, Tenor

    Edmondo, englischer General, Tenor

    Ein Unbekannter, englischer Spion, Bass

    Giacomo de Wisants, Verwandter Eustachios, Tenor

    Pietro de Wisants, Verwandter Eustachios, Bariton

    Armando, Verwandter Eustachios, Bass

    Damen der Königin, englische und französische Offiziere, Bürger von Calais, englische und französische Soldaten.


    Ort und Zeit der Handlung: Calais und Umgebung,1347


    INHALTSANGABE


    ERSTER AKT

    1. Bild: Außenposten des englischen Lagers vor den Stadtmauern von Calais.

    Die englischen Soldaten liegen in tiefem Schlaf. Aurelio, der Sohn Eustachios, des Bürgermeisters von Calais, steigt auf einer Strickleiter von den Zinnen, entwendet einige Brote und will sich mit seiner Beute wieder zurückziehen. Unglücklicherweise erwacht einer der Soldaten und schlägt Alarm. Die Soldaten versuchen, Aurelio zu umringen doch dieser kann sich ins Meer retten. Die Soldaten trösten sich damit, dass er zwar diesmal entkommen ist, aber nur für kurze Dauer, weil die Stadt in den nächsten Tagen eingenommen werde.


    2. Bild: Eingangshalle im Rathaus von Calais

    Eustachio tritt auf und beklagt die Not und den Hunger in der Stadt. Er wartet auf die Rückkehr seines Sohnes.

    Eleonora, die Gattin Aurelios, kommt und berichtet von dem Lärm, der im feindlichen Lager entstanden ist. Beide befürchten nun, dass Aurelio getötet wurde.

    Doch Giovanni, ein Bürger der Stadt, erscheint und berichtet, dass Aurelio gerettet sei. Eustachio und seine Schwiegertochter sind erleichtert.

    Große Freude herrscht, als Aurelio selbst eintritt. Nach einer stürmischen Begrüßung fordert Aurelio, dass jetzt mehr getan werden müsse. Man wolle bis zum Tode kämpfen. Giovanni verabschiedet sich, um seinen Posten auf den Zinnen wieder einzunehmen.

    Doch nach kurzer Zeit kehrt er zurück und verkündet, dass eine Gruppe Stadtbewohner gegen das Rathaus vorrückt, die Eustachio für das Elend der Stadt verantwortlich machen wollen.

    Soldaten halten die Aufständischen am Eingang zurück. Gleichzeitig sind die Verwandten Eustachios, Giacomo, Pietro und Armando angetreten, um den Bürgermeister zu verteidigen. Ein Unbekannter tritt vor und gibt Eustachio die Schuld am Elend der Stadt. Zwei Anhänger des Unbekannten fordern dessen Tod. Doch die Verteidiger bleiben unbewegt. Schon bald erkennt Eustachio, dass der Fremde kein Franzose ist und entlarvt ihn als englischen Spion. Nun versucht der Unbekannte allein, auf Eustachio einzudringen, doch die Verwandten entwaffnen ihn und wollen ihn töten, was Eustachio aber nicht zulässt.

    Dem Bürgermeister gelingt es, die Aufständischen zu beruhigen und zum Widerstand gegen die Engländer aufzurufen. Der Unbekannte, der erkennen muss, dass er verloren ist, wird abgeführt. Die Soldaten und das Volk brechen zur Verteidigung der Stadt auf.


    ZWEITER AKT

    1. Bild: Zimmer in der Wohnung Aurelios. Seitlich ein Eingang zu einem Gebetsraum

    Eleonora und Aurelio sitzen am Bett ihres schlafenden kleinen Sohnes und machen sich Sorgen um seine Zukunft, während aus dem Gebetsraum Stimmen zu hören sind, die den Himmel um Erbarmen anflehen. Aurelio schildert einen Albtraum, in dem er gesehen hatte, wie sein Sohn von den Feinden gequält wurde und er nicht helfen konnte.

    Giovanni kommt und berichtet, dass eine englische Delegation eingetroffen sei, um über den Frieden zu verhandeln. Er bittet Aurelio, mit ihm zu gehen. In Eleonora keimt Hoffnung auf ein gutes Ende.


    2. Bild: Audienzsaal im Rathaus

    Eustachio, Soldaten – unter ihnen Giovanni und Armando – , der Magistrat, zu dem auch Giacomo und Pietro gehören, sowie Bürger der Stadt sind versammelt und flehen den Himmel um Gnade an.

    Zugleich mit Aurelio und weiteren Soldaten tritt der englische General Edmondo ein. Er verkündet, dass der englische König einen Aufschub bis zum Eintreffen seiner Gemahlin gewähre, dann werde der Angriff erfolgen. König Edoardo biete Calais jedoch einen Pakt an: Er werde die Stadt verschonen, wenn sich im Gegenzug sechs Bürger von edlem Geblüt erböten, den Opfertod durch Hinrichtung zu sterben.

    Alle sind empört und lehnen diese unmenschliche Bedingung ab. Edmondo will gehen. Doch da schaltet sich Eustachio ein. Er sagt zu, dass sich – wie gefordert – bis Sonnenuntergang sechs adelige Bürger als Opfer stellen würden. Edmondo geht.

    Nun erklärt Eustachio den Anwesenden, dass es besser sei, dass sich sechs opferten. Andernfalls würden alle Bürger, Frauen und Kinder sterben und die Jungfrauen den feindlichen Soldaten zum Opfer fallen. Dann unterschreibt er als Erster den Pakt.

    Viele drängen sich als Opfer auf, doch Aurelio hindert sie und unterschreibt ebenfalls. Dann folgen noch Giacomo, Pietro, Armando und Giovanni. Alle fallen auf die Knie zu einem letzten Gebet. Dann begeben sich die Opfer fort zu den Engländern, während die Übrigen weinend zurückbleiben.


    DRITTER AKT

    1. Bild: Im englischen Lager mit Prachtzelt des Königs

    Der englische König Edoardo erwartet die Ankunft seiner Gattin Isabella. Inzwischen ist auch Schottland besiegt, so dass der König nun alle Hindernisse beseitigt sieht, sich die Kronen Englands, Schottlands und Frankreichs aufzusetzen. Edmondo kommt und meldet, dass die sechs Opfer in Kürze eintreffen werden.

    Man hört einen Kanonenschuss und Freudenrufe. Die Königin trifft unter Jubelchören ein, begleitet von englischen Offizieren und Soldaten. Der König begrüßt sie, aber sie wundert sich, ihn noch nicht in der Stadt anzutreffen. Das werde bald geschehen und er werde ihr Calais als Belohnung zu Füßen legen.

    Der König führt Isabella zu einem Thron vor seinem Zelt. Nun findet ein vorbereitetes Fest mit einem Ballett zu Ehren der Königin statt. Während der fröhlichen Feier hört man aus der Ferne traurige Klänge.

    Nun meldet Edmondo die Ankunft der Opfer. Edoardo befiehlt, diese in sein Zelt zu führen. Die Königin und ihr Gefolge gehen ab. Die englischen Soldaten bedauern, dass die Feier nur von kurzer Dauer war, und dann ziehen auch sie sich leise zurück.


    2. Bild: Im Innern des königlichen Zeltes.

    Die Opfer im Hintergrund des Zeltes werden von Soldaten bewacht. Edoardo tritt ein und wundert sich, den Bürgermeister der Stadt unter den Opfern zu sehen. Auf die erstaunte Frage nach dem Grund antwortet ihm Eustachio, dass er es für seine Pflicht halte, das erste Opfer zu sein und übergibt die Schlüssel zur Stadt. Edoardo rechnet ihm das zwar hoch an, aber er erinnert ihn daran, dass er, Eustachio, zu verhindern versucht habe, dass er, Edoardo, das Erbe seiner Mutter in Frankreich antrete. Eustachio entgegnet, das es herrlich und erhaben sei, aus Heimatliebe sein Blut zu vergießen.

    Draußen erheben sich Klageschreie. Edmondo tritt ein und berichtet, dass es die Familien der Opfer seien, die um Gnade flehten. Edoardo verhält sich zunächst abweisend und ordnet an, die Klagenden wegzuschicken.

    Da tritt Isabella zusammen mit den Familien der Opfer ein, die sich dem König zu Füßen werfen. Auch auf die Bitten der Königin, die Gefangenen zu begnadigen, bleibt Edoardo zunächst hart. Alles habe seine Grenzen. Eustachio verabschiedet sich von den Familien: „Wir sehen uns im Land der Auserwählten wieder.“ Auch die anderen Opfer nehmen Abschied. Aurelio segnet seinen Sohn, den Eleonora mitgebracht hat, und tröstet sie: Ihr bliebe ja noch der Sohn. Der König ist gerührt von dieser Szene und auch die englischen Offiziere bewundern den Mut der Opfer. Als nun die Königin noch einmal an sein Herz appelliert und auch die Offiziere ihn um Gnade anflehen, wird der König endlich weich und vergibt seinen Feinden.

    Auf ein Zeichen Edoardos öffnet sich das Zelt. Einige Offiziere treten ins Freie und verkünden die frohe Botschaft. Eustachio umarmt seinen Sohn und fällt dem König zu Füßen, um sich zu bedanken. Dieser hebt ihn auf und drückt ihn an sich. Alle brechen in Jubel aus und preisen den König. Auf den Mauern der Stadt erscheinen die Bürger. Die Tore öffnen sich und alle, angeführt vom Königspaar, ziehen in die Stadt ein.

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

    Einmal editiert, zuletzt von Gerhard Wischniewski ()

  • Anmerkungen:


    Die Geschichte spielt im Hundertjährigen Krieg zwischen England und Frankreich (1337 - 1453). König Eduard III von England war der Sohn Eduard II und Isabellas von Frankreich. Der Krieg wurde ausgelöst, als Philipp VI von Frankreich in die von seiner Mutter ererbten Lehen Eduards einbrach. Anfangs blieb Philipp siegreich. 1341 wurde ein Waffenstillstandabkommen geschlossen. Aber 1346 landete Eduard erneut in Frankreich und schlug das französische Heer vernichtend bei Crecy. Seit 1346 belagerte er dann Calais als wichtige Hafenstadt. Da diese stark verteidigt wurde, wollte er sie aushungern. Philipp gelang es wegen der Schwierigkeiten des Geländes nicht, die Stadt zu entsetzen. Auch eine ausreichende Versorgung über den Hafen, der blockiert war, gelang nicht. Eduard verlangte für eine ehrenvolle Kapitulation der Stadt sechs Geiseln, die gehängt werden sollten. Der Königin Philippa von Hennegau gelang es aber, dass er ihr die Geiseln übergab, die sie freiließ.

    Der Beschreibung wurde nach dem Libretto von Cammarano (Originalfassung) erstellt. Diesem Libretto liegen verschiedene literarische Vorlagen zugrunde. Er verfasste es nach dem gleichnamigen Drama von Luigi Marchionni, das wiederum auf den französischen Schauspiel Eustache de Saint Pierre ou Le Siege de Calais basiert. Auch dieses geht zurück auf ein Drama von Pierre-Laurnet Buirette de Belloy. Da Cammarano sich nicht mit der Historie auseinandersetzte, kam es z.B. dazu, dass die Königin nicht Philippa, sondern Isabella heißt, die in Wirklichkeit Eduards Mutter war.

    Entsprechend der damaligen Tradition wurde der junge Held Aurelio für einen Mezzosopran komponiert. Für eine Aufführung in Paris, die aber nicht zustande kam, wollte Donizetti sie jedoch für einen Tenor umschreiben. Auch gibt es Aufzeichnungen von ihm, mit denen er die Oper in eine zweiaktige Fassung bringen wollte, weil er merkte, dass der dritte Akt die Wirkung des Werks minderte. Dabei wurde der Auftritt des Königs mit der Forderung nach den Geiseln in den ersten Akt verlegt, die Königin und das glückliche Ende gestrichen. Nach diesen Aufzeichnungen wurde die zweiaktige Fassung 2013 von der English Touring Opera neu gestaltet.

    Die Originalfassung wurde bis 1840 in Neapel gespielt. Danach geriet die Oper in Vergessenheit. In neuerer Zeit wurde sie 1988 für die CD aufgenommen, 1990 beim Donizetti-Festival in Bergamo, 1991 beim Wexford-Festival und 2008 konzertant im Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen, aufgeführt.

    Die Einspielung von 1988 gibt es auf folgender CD

    Auf youtube gibt es eine Gesamtaufnahme der Aufführung der English Touring Opera, die von arte concert aufgezeichnet wurde, und verschiedene Einzelmelodien aus dieser Oper. Eine Aufzeichnung auf DVD habe ich nicht gefunden.

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

    Einmal editiert, zuletzt von Gerhard Wischniewski ()