Dr. Pingel´s Miniaturen

  • 86. Sich um Kopf und Kragen reden


    Wahl der DFB-Spitze in Bonn (März 2022). Nach der Wahl des Präsidenten erfolgte die Wahl der Vizepräsidenten. Geschäftsführender Präsident war Vizepräsident Rainer Koch, der dieses Amt gerne behalten wollte. In einer Rede wies er auf seine Erfolge hin, außerdem stünden alle süddeutschen Verbände hinter ihm. Dann bat er darum, ihn zu wählen. Er schloss mit der Aufforderung: wenn man ihn schon nicht wählen wolle, solle man sich der Stimme enthalten. Höhnisches Gelächter und Abwahl waren die Quittung!

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  • 87. Mexikanischer Fußball

    1. Der mexikanische Torwart - Gedicht von Robert Gernhardt (selbst nachschlagen)

    2. Adolfo

    Adolfo ist ein 10jähriger Junge aus einer kleinen Stadt in Mexiko. Er spielt Fußball und ist Anhänger der 1. Mannschaft des Vereins. Er besucht mit seinem Vater ein Heimspiel, bei dem Hooligans des eigenen Vereins die Anhänger des Gegners brutal angreifen. In dem Tumult gerät er an ein junges Mädchen aus dem gegnerischen Verein; er zieht rasch sein Trikot in den Vereinsfarben aus und gibt es ihr und beschützt sie damit.

    3. Pingel´s Traum

    Ich spiele Fußball in einer sehr unterklassigen Mannschaft (allerdings gibt es eine so niedrige Klasse, in der ich mitspielen könnte, im realen Leben nicht). Der Trainer kommt und verkündet, dass wir in zwei Wochen hier gegen die mexikanische Nationalmannschaft spielen. Ich meckere und sage: "Da verlieren wir doch 120:0!" Darauf der Trainer: "Gut, du spielst nicht mit, dann verlieren wir nur 110:0!"

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  • 88. Plötzlich Milliardär

    Leider nicht in Euro.

    Jeder weiß, dass Antibiotica die Bakterien töten, die Entzündungen verursachen. Ein unangenehmer Kollateralschaden ist der, dass auch die nützlichen Darmbakterien auf der Strecke bleiben und Verstopfung der Preis ist. Aber es gibt Hilfe. Man kauft in der Apotheke kleine weiße Tütchen mit einem weißen Pulver, 5g schwer. Damit ist man Milliardär.

    Die Tütchen enthalten 5 Milliarden vermehrungsfähige, wissenschaftlich erforschte Darmbakterien, die den Darm wieder in Schwung bringen. Es handelt sich um Lactobazillen, z.B. der Lactobacillus rhamnosus oder der Bifidobacillus longum.

    Zwei Fragen: wie passen die alle in 5g Pulver? Wie haben die Wissenschaftler die gezählt?

    Einem ist es egal - meinem Darm!

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  • 89. Titanic 2022


    Hier handelt es sich nicht um ein Schiff, sondern um unsere Buchkultur, die mit einem Eisberg populärer Bücher zusammenstößt, der erfolgreich ist, was aber schon seine einzige Qualität darstellt.

    Dass niemand mehr Fraktur lesen kann, kann ich verstehen, das wird ja auch nicht mehr gedruckt. Aber vorgestern: der Schock.

    Es gibt in einem Vorort irgendeiner Ruhrgebietsstadt einen kleinen Feinkostbuchladen, der zudem exzellente Beratung und ebensolchen Service liefert und darum seit fast 20 Jahren sehr erfolgreich ist. Ich hatte ein schönes Buch bestellt, das ich empfehle: das neueste Buch des Holländers Maarten ´t Hart, der von einem Orgelstimmer handelt, "Der Nachtstimmer". Anschließend sah ich mich um, um noch einen schönen Klassikband mitzunehmen, also Goethe, Schiller, Fontane, Raabe, Stifter, Keller, Brecht, Döblin, Fallada, Thomas Mann, Grass, Böll, Walser....

    Nicht nur kein einziges Buch dieser Autoren war vorhanden, sondern überhaupt keins aus der Klassik. Der Inhaber bestätigte, dass Klassik nicht verlangt würde, sondern natürlich bestellt werden könne.

    Ein Mann kommt in eine Buchhandlung und sagt: "Ich hätte gerne Goethes Werke." Der Buchhändler: "Welche Ausgabe?" "Da haben Sie eigentlich auch wieder recht", meint der Kunde und geht wieder.


    PS. Dass ich nach Böll, Grass, Walser gesucht hätte, ist natürlich gelogen.

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  • 90. In vollen Zügen genießen - das 9€-Ticket


    Vor einiger Zeit gab es in einer indischen Stadt eine verheerende Rattenplage. Die Stadt erließ daraufhin eine Verfügung, dass man tote Ratten gegen einen kleinen Obolus abliefern sollte. Die Sache war erfolgreich, aber nicht im gewünschten Sinne. Die Leute begannen, Ratten zu züchten. Schlaue Soziologen (und es gibt nur schlaue) nennen das Kontraproduktivität, das bedeutet, dass eine bestimmte Sache an ihrem Erfolg scheitert.

    Der offizielle Sinn des 9€-Tickets ist der, dass man den Menschen die Schönheit, Bequemlichkeit und Sicherheit des ÖPNV nahebringt. Was aber lernen die Menschen in Wirklichkeit?

    1. Sie lernen, dass die Bahn und der restliche ÖPNV unpünktlich, voll und unbequem sind, dass auch Anschlüsse reiner Zufall sind.

    2. Im September, wenn wieder normale Preise gelten, lernen sie, dass der ÖPNV unfassbar teuer ist.

    In meiner Heimatstadt Mülheim kostet ein Viererticket "nur" 11€. Damit kann ich ganze zwei Mal in die Innenstadt und zurück fahren. Also Deutschland oder Innenstadt.

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  • 91. Potemkinscher Bahnhof für die Queen


    Im Moment wird zum Anlass des 70jährigen Thronjubiläums der Queen alles herausgeholt, was es an filmischen Zeugnissen gibt.

    Im Jahre 1965 gab es einen spektakulären Besuch in Deutschland, in NRW, besonders in Düsseldorf. Jeder hier weiß, dass Holger und ich im Schlossgymnasium (in einem der Seitenbauten, in dem früher die 1PS-Fahrzeuge untergebracht waren). zur Schule gegangen sind. Für mich gibt es keine Gedenktafel, bei Holger bin ich mir nicht sicher.:untertauch:

    Ganz Benrath war festlich geschmückt. Ich elbst war nicht da, aber bei früheren Staatsbesuchen in Benrath wurden wir mit Fähnchen an die Straße gestellt. So durfte ich dem äthiopischen Kaiser Haile Selassie zuwinken (vielleicht ist ja der Fußballer Gebre Selassie, der bei Werder Bremen gespielt hat, ein Nachfahre).

    Die Queen und Prince Philip kamen aus Köln mit der Bahn. Der Zug hielt im Benrather Bahnhof. Man hatte den schäbigen Bahnhof schön angestrichen, aber nur die Teile, die die Queen sehen konnte. Die Vermutung, dass hier eine russische Crew am Werke war, ist nur ein Gerücht.

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  • 92. Dr. Pingel in Elmau


    Keine Angst, es war nicht beim ersten Elmau-Gipfel und auch nicht beim jetzigen. Elmau war ohne Politiker immer ein Tempel der Ruhe, des Geistes, vor allem auch der Musik. Ich war nur einmal da (90er), aber erinnere mich an einen tollen Klavierabend mit Detlef Kraus. Die Musiker wohnten meist kostenlos, wenn sie spielten. In einem Nebenhaus logierte immer Johannes Rau mit seiner Familie und spielte Tag und Nacht Skat.

    Das Essen war sehr gut, man wurde jedes Mal an einen anderen Tisch platziert, um die anderen Gäste kennenzulernen. Die Bedienungen hießen nach Schweizer Sitte "Saaltöchter"; sie waren keine Kellnerinnen von Beruf, sondern "höhere Töchter", die hier etwas lernen sollten. Einmal pro Woche hatten sie einen freien Abend, dann sollten die Gäste die Bedienung übernehmen, jeder für einen Tisch mit 10 Personen. Da war ich natürlich dabei. Nach einer ausführlichen Instruktion wurden wir dann auf unsere Gäste losgelassen. Es war gar nicht so einfach, die Augen waren gefordert, damit man rechtzeitig sah, was zu erledigen war. Die Mitgäste waren amüsiert und es gab viel Gelächter. An meinem Tisch allerdings gab es eine gut betuchte (in doppeltem Sinn) Dame, die heftig an mir herumkritisierte. Ich bin sonst friedlich, aber diesmal herrschte ich sie an: "Ich bin Gast wie Sie! Wenn Ihnen das nicht passt, wechseln Sie und ich jetzt die Plätze. Sie kriegen meine Schürze und Sie servieren hier. Und machen Sie ja keine Fehler!" Alle lachten, und auch die betroffene Dame lachte mit und entschuldigte sich. In dieser heiteren Stimmung ging es dann weiter. Wir haben uns in den Tagen danach immer freundlich gegrüßt.

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  • 93. Butt Call - Alexa Call


    Über das Telefonieren mit dem Handy gibt es den USA neue Wörter. Das Handy heißt in den USA "mobile phone". Es gibt Menschen, die demonstrativ ihre Wichtigkeit kundtun durch lautes, demonstratives Telefonieren. Das heißt "Stage Phoning" (stage- die Bühne). "Butt Call" ist jeder nicht beabsichtigte Anruf, den man unversehens aus löst, z.B. indem man sich auf das Gerät draufsetzt (butt ist Hintern).

    Ich habe ein Handy, bei dem sich unbestellt manchmal Alexa meldet. Neulich lag ich auf dem Sofa, unterm Kopfkissen das Handy, als ich eine fremde Stimme hörte. Bauchreden konnte ich noch nie, ich hatte Alexa per Kopfdruck ausgelöst.

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  • 94. Der Kunde: König oder Bettler


    Man muss schon sagen, dass der Service heute besser ist. Das war nicht immer so. Hinhalten, Verzögern, Rechte missachten war bei vielen Firmen gang und gäbe. Im Extremfall hat manchmal folgendes Schreiben gewirkt.

    An jemand in dieser Firma, der...

    1. ... lesen kann

    2. ... der deutschen Sprache mächtig ist

    3. ... schon mal davon gehört hat, dass der Kunde König ist

    4. ... weiß, dass Kunden die fatale Eigenschaft haben, bei schlechtem Service abzuwandern.

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  • 95. Ich war ein Mondkrater


    Irgendwoher hatte ich eine Karte, aus der ein Ausschnitt aus einer Mondkarte zu sehen ist. Die großen Ebenen heißen meist "Mare" (z.B. mare tranquillitatis), die kleineren Krater daneben bilden mit ihren Namen die europäische Kulturgeschichte ab. Russen sind relativ selten, aber vielleicht gibt es demnächst einen Putin-Krater, wobei man nicht hoffen sollte, dass der durch eine russische Rakete mit Putin drin verursacht werden wird.

    In meiner Schulzeit war ich Mitglied der Theatergruppe, die einer der wenigen netten und kompetenten Lehrer leitete und die in Düsseldorf großes Ansehen genoss. Mein erstes Stück war "Das Wintermärchen" von Shakespeare, ein wunderbares Stück, leider wenig bekannt. Dauer 4 Stunden - wir alle kannten fast den ganzen Text, auch den der anderen Rollen.

    Im ersten Teil ist es ein Drama um Eifersucht und Verbannung, im 2. Teil eine Burleske mit endlich einer märchenhaften Versöhnung. Die Burleske spielt im Bauern- und Schäfermilieu und hat einen liebenswerten Gauner, der alle betrügt und alle unterhält. Dieser Gauner war ich - bei Shakespeare heißt er Autolycus ; besonders den Mädchen Mopsa und Dorcas hat er es angetan.

    Was sehe ich auf der Mondkarte? Einen Krater Autolycus!


    Nachtrag: Der Planet Uranus hat 27 Monde, die fast alle Namen aus Shakespeare-Stücken haben; das "Wintermärchen" ist mit "Perdita" auch dabei. Im Internet gibt es alle Einzelheiten.

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  • 96. Hurra, endlich ein protziger SUV in Reichweite...


    dachte ich, als ich auf der ersten Seite eines Schreibens meiner Krankenversicherung las, dass mir im neuen Jahr eine Beitragssenkung ins Haus stünde. Auf der 2. Seite stand der Betrag mit dem Hinweis, dass die Mitteilung vorgeschrieben sei, unabhängig von der Höhe und den Portokosten: ein Euro (1 €).

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  • 97. Roboter

    (Leserbrief an die NRZ, gedruckt 14.10.2016)

    Die Mehrheit der Deutschen steht dem Einsatz von Robotern, vor allem im Lieferbereich, skeptisch gegenüber. Eine Gruppe allerdings kann es kaum erwarten, und diese Gruppe ist wohl noch nicht auf dem Schirm der Entwickler. Es sind Grundschulkinder, vor allem Jungs. Die werden Banden bilden, um die kleinen Roboter zu entführen, ihnen die schönsten Flüche oder im nächsten Teich das Schwimmen beizubringen.

    Und ich weiß noch nicht, ob ich mich den Jungs nicht anschließen werde.

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  • 98. Falsches Jahr


    In Dortmund gibt es jedes Jahr die Konzertreihe "Klangvokal", bei der vor allem führende Vokalensembles wie "Vox Luminis", "Huelgas-Ensemble" und "Tallis Scholars" auftreten.

    Wenn man dann nähere Informationen hat, gibt es Probleme. Relativ kleine Ensembles (wie etwa "Vox Luminis" aus Belgien, nur als Beispiel) treten dann etwa im Dortmunder Konzerthaus auf. Ich war vor Jahren einmal drin, für Bruckners 8. Ich war auf einem Platz mit der größten Entfernung zur Bühne, was sich im hohen Preis aber nicht ausdrückte. Verglichen mit der Essener Philharmonie ist es ein Schuppen, in dem ich keine Musik hören will, vor allem keine geistliche, die in die Kirche gehört.

    Die anderen Meldungen lauteten, dass die Konzerte wegen Corona verschoben werden mussten. Im Mai entdeckte ich, dass es noch Karten für die "Tallis Scholars" gab. Die Karte kam an, aber beim genaueren Betrachten lautete das Datum 25. Mai 2023!

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  • 99. Personenbeförderungsdokument


    2002 fahre ich mit dem ICE von Duisburg nach Düsseldorf, weil man im ICE die Bahncard einsetzen kann, im Nahverkehr nicht. Damals war eine Fahrt mit dem ICE von DU nach D in der 1. Klasse billiger als der Nahverkehr in der 2.

    Ich wurde sofort kontrolliert von einem Schaffner, der da eine Untat vermutete. Er war ein witziger Berliner. Er fragte: "Darf ich mal ihr Personenbeförderungsdokument sehen?" Bis Düsseldorf hatten wir ein lustiges Gespräch. Besonders gefiel ihm meine Frage: "Was haben Bahn und Schule gemeinsam?"

    Antwort: "Der Mittelbau wie Schaffner und Lehrer halten mit großem Einsatz den Betrieb aufrecht, ausgebeutet von ihren Oberen und verachtet von ihren Kunden." Da stimmte er zu.

    Heute, nach 20 Jahren, muss man feststellen, dass sich in beiden Milieus die Lage noch verschlechtert hat. Manchmal denke ich, dass die Schweizer die Deutsche Bahn kaufen sollten.

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  • Nachtrag zu 98, das falsche Jahr.

    Als ich Anfang Juni 2023 eine Menge von Papieren sortierte, fiel mir auch die in Nr.98 genannte Eintrittskarte in die Hände.

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  • 100. Trash - oder die Wonnen der Gewöhnlichkeit


    Immer mal wieder wird hier über Trash und Kitsch diskutiert, im Moment das Thema über die Musik, die man einem Novizen empfiehlt.

    Sehr kluge Idee und Höhenflüge, die sogar bei Kant münden, wobei ich denke, dass das einen Novizen doch eher abschreckt, mich natürlich auch. Viele kluge Ideen über Qualität und Kitsch, dazu einige Musikempfehlungen und die alte Masche, dass bei bestimmten Attacken nicht die Musik, sondern andere Taminos das Ziel sind.

    Hier wirft vor allem LaRoche das Bauchgefühl ein, das ich auch sehr gut kenne.

    Nach der desaströsen WM in Katar blamiert sich gerade die deutsche Mannschaft in Testspielen. Dafür könnte man mir eine Freikarte schenken, ich sehe es aber nicht mal im Fernsehen an. Das Championsleague-Finale habe ich früh ausgemacht. Es ist halt das, was ich Industriefußball nenne. Spiele ohne Torchancen, mit wenigen Toren, dazu die große Athletik der Spieler, die dazu führt, dass sie sich gegenseitig neutralisieren. Besondere Fortschritte haben die Torhüter gemacht, ihr Stil nähert sich immer mehr dem der Handballtorhüter an; da wird mit dem ganzen Körper verteidigt. Auch für die Verteidiger gilt das, daher die vielen missglückten Abwehren, die dann im eigenen Tor enden. Dazu die Fouls, endlos und brutal. Bei YT gibt es eine Reihe dieser Szenen aus internationalen Spielen. Juristisch kämen dabei mindestens 100 Jahre Knast zustande.

    Für LaRoche und mich gibt es die Alternative: unterklassiger Nachbarschaftsfußball, also Kreisliga A oder besser noch Bezirksliga. Zu meinem Verein sind es 700m Fußweg, der Eintritt für Rentner 2 Euro, Frauen und Kinder umsonst. Die Qualität der Spiele ist meist ordentlich, es fallen sogar Tore. Neulich hat mein Verein 13:0 gewonnen. Zum Glück sind sie nur 2. geworden und damit nicht aufgestiegen. Besonders im Sommer ist richtig was los, ganze Familien mit Hunden oder Kindern sieht man und natürlich alte fachsimpelnde und Zigarren rauchende Männer wie mich. Man muss die anderen nicht kennen, über das Spiel tauscht man sich aus, wobei der Schiedsrichter oft die Zielperson ist. Gewalt gibt es in diesem Stadion nicht, es ist ein gutes bürgerliches Viertel.

    Bezirksliga, Bratwurst, Bier

    Zwei der Goldenen Bs fehlen noch: Bratwurst und Bier in der Halbzeitpause. Irgendein Vereinsboss hat mal gesagt: "Je tiefer man in die Klasse runtergeht, desto besser sind die Bratwürste."

    Eins fehlt noch: der kleine Junge, der 2 Schwestern und 5 Kusinen hat, die sich aber nicht für Fußball interessieren. Er ist jetzt 12, ich bin gespannt, wann er sein erstes Bier haben will.

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  • 101. Die Berliner Verkehrsbetriebe und Chittagong (2009)

    An den Endhaltestellen der Straßenbahn-Linie M2 tönte neben der deutschen auch eine englische Ansprache: This train is going to terminate there. Please change all.. Das kam mir spanisch und nicht englisch vor. Ich legte das daher einigen Muttersprachlern vor, die sich bogen vor Lachen. Ich schrieb dann eine Mail an die BVG.

    Hier die Antwort: Wir teilen Ihnen mit, dass die Ansage im Vorfeld von Muttersprachlern auf die inhaltliche Richtigkeit und sprachliche Korrektheit überprüft wurde. Zudem wurde sie von englischen Verkehrsexperten überprüft, um Missverständnisse weitgehend auszuschließen.

    Ich war erst versucht, den Namen dieser muttersprachlichen Experten zu erfahren, wollte aber der BVG das Eruieren der Namen der Experten aus Chittagong oder Kalkutta ersparen, habe das dann gelassen.

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  • 102. Tour de France

    In den Neunzigern war ich mal wieder mit meinem Bus in Südfrankreich unterwegs. Eine besonders schöne Gegend ist vom Fluss Tarn geprägte. Dort steht z.B. die grandiose Tarn-Autobahnbrücke, der Canal du Midi ist nicht weit und eine der schönsten Städte Frankreich ist Albi. Damals war Albi der Zielort einer Etappe der Tour de France. In der Stadt und in der näheren Umgebung war alles voller Menschen. Dann fährt man ein paar Kilometer raus und stellt sich zu ein anderen Menschen an den Straßenrand. Selbst in dieser abgelegenen Gegend war alles voller Werbung - und voller Polizei, die alles absperrt. Dann ging es los: zuerst Begleitfahrzeuge mit Kameras, dann die Polizei. Dann ein einsamer Spitzenreiter, der Däne Bjarne Riis, der später die Tour auch gewann. Dann passierte erstmal minutenlang nichts. Dann das Hauptfeld, eng gedrängt, im Nu vorbei. Die Kenner harrten aus, denn nach 10 Minuten kamen 2 fast vergessene Nachzügler, die aber mit Beifall bedacht wurden. Dann kam ein großer Trupp mit Lkws, der alle Werbetafeln abbaute.

    Da wurde mir klar, dass die Tour de France spannend nur im Fernsehen ist.

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  • 103. Tomboy

    Heute abend lief im WDR-Fernsehen ein französischer Film mit dem Titel "Tomboy". Tomboy ist im Englischen ein Mädchen, das sich als Junge ausgibt, weil es die Welt der Jungs interessanter findet. Mit kurzen Haaren und nicht im Stimmbruch geht das eine Zeit lang gut, wobei dann Sport und Schwimmen die Hürden sind. Im Französischen gibt es den Ausdruck "garconne" ( c mit cédille), dort geht es eher um den Haarschnitt, wenn Mädchen sich die Haare kurz schneiden lassen; wir haben früher Bubikopf dazu gesagt).Es gibt aber auch Tomboys, die wie richtige Mädchen aussehen, aber in ihrem Auftreten und Verhalten sich eher nach dem Verhalten der Jungen richten. Vor der Corona-Krise habe ich in einer Grundschule ein wenig mitgearbeitet; da gab es ein Mädchen, Emily, die einige Eigenschaften von Tomboys hatte. Ich habe ihr dann erklärt, was Tomboys sind ( es gibt ja keinen entsprechenden Ausdruck in der deutschen Sprache), da hat sie sofort zugestimmt.

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  • 103. Christie hören

    Das stand heute als Titel eines kleinen Artikels in meiner Zeitung Oha, dachte ich, hat der gute alte William (@ sagitt: ich weiß immer noch nicht, wie alt er wirklich ist), wieder was Neues mit seinen Arts Florissants produziert? . Weit gefehlt, Agatha Christie war gemeint, die gute alte Dame des Whodonit. Einige ihrer Bücher oder Theaterstücke habe ich durchaus genossen, z.B The Mouse Trap. Ich hatte ja auf einen Nebenerwerb gehofft, indem ich verrate, wer der Täter war, für 10€. Leider steht der Täter jetzt auch bei Google. Weiß jemand, ob das Stück noch auf dem Spielplatz steht?

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  • 104. Notaufnahme


    Gestern nacht in der Notaufnahme, unklare Symptome mit gutem Ausgang. Hier in der Notaufnahme kriegt jeder Patient ein Bändchen um den Arm wie Babys auch. Da stehen Name und Geburtsdatum. Man liegt da lange, wird überwacht und döst im besten Falle vor sich hin. Dann warf ich ein Blick auf das Bändchen und las (Name verändert): Miller, Svetlana, geb.3.3. 1982. Da war ich plötzlich eine Frau, wahrscheinlich aus der Ukraine, und vierzig Jahre jünger. Ich habe dann die Ärztin gefragt, ob ich mir da was aussuchen kann, Ukraine nicht, Frau unbedingt, aber jünger, 40 Jahre weniger auf jeden Fall. Die Ärztin sagte, sie arbeiteten daran und ich wäre der erste, an dem das ausprobiert werden könne. Da war sie dann: die entspannte Stimmung in der Notaufnahme.

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  • 105. Habakuk? Haggai? Nahum? Wer zum Teufel ist das?


    Das sind drei der sogenannten 12 kleinen Propheten, die hinter den großen Propheten stehen (Jesaja, Jeremia, Hesekiel, Daniel).

    Zum 2. theologischen Examen muss man auch das Biblicum bestehen, was bedeutet, von fast jedem Buch in der Bibel (AT/NT) eine ziemlich genaue Vorstellung zu haben, was da drin steht.

    In den Sechzigern mussten Konfirmanden außer den Kirchenliedern auch die Bücher von AT und NT kennen, und zwar auswendig. Das galt natürlich auch für mich. Vertrackt sind die 12 kleinen Propheten. Die habe ich dann trainiert, ich kann sie bis heute in 10 Sekunden aufsagen. Damals habe ich meinen Konfirmanden und später meinen Schülern angeboten, ihnen eine Tafel Schokolade zu spenden, wenn sie mich in der Aufzählung schlagen. Nie ist es einem gelungen, aber man muss auch ehrlich sagen, dass die Versuche immer schnell aufgegeben wurden.

    Und dies sind sie nun: die 12 kleinen Propheten (zum Lernen habe ich sie in Dreiererblöcken aufgeteilt)

    Hosea Joel Amos - Obadja Jona Micha - Nahum Habakuk Zephanja - Haggai Sacharja Maleachi

    (zum Schreiben braucht man länger als zum Aufsagen. Die Tafel Schokolade habe ich immer noch).

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  • 106. Der liebe Gott wirft das entscheidende Tor


    Teil 1: Ein Krimi im Halbfinale der Handball-EM. Schweden führt mit einem Tor, als die Schlusssirene ertönt. Frankreich hat aber noch einen Freiwurf. Die Mauer steht, unmöglich, über sie zu werfen. Was macht der französische Handballer? Er lässt sich zur Seite fallen, und der Ball geht seitlich an Mauer vorbei ins Tor. Verlängerung, in der die Schweden unterlegen sind.

    Teil 2: Schon im 19. Jahrhundert haben Gelehrte entdeckt, dass in der Genesis (1. Buch Mose) zwei unterschiedlich Quellen miteinander verwoben sind. Man erkennt sie an den unterschiedlichen Nennungen des Namens für Gott. Die eine benutzt das Wort JAHWE (also der Jahwist, ihr verdanken wir die schöne Adam-Eva-Geschichte), die andre benutzt das Wort ELOHIM (also der Elohist).

    3. Pointe: Der französische Handballer, der dieses Traumtor geworfen hat, heißt ELOHIM PRANDI.

    Für Juden ist das eine schlimme Gotteslästerung, denn der Name Gottes, ob JAHWE oder ELOHIM, ist absolut tabu.

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  • 107. O Schmerz, der Abischerz!


    Dieser Schmerz ist natürlich auf die Lehrer beschränkt, die Abiturienten frönen eher der Schadenfreude. Da gibt es durchaus Entgleisungen wie Erstürmung des Lehrerzimmers, das Ruinieren des Bodens der Aula (3.000 DM) oder Feiern in der Aula bei offener Tür, sodass auch Unterstufenkids endlich mal was Richtiges in der Schule lernen konnten, nämlich wie gut Alkohol schmeckt, auch wenn man danach in die eigene Klasse torkeln musste.

    Einmal gelang aber ein Geniestreich. Die Schulleiterin (von den vielen Schulleitern, die ich hatte, mit Abstand die beste) besaß ein ziemlich altes Auto, sagen wir einen Opel. Der Abiturientia gelang es, ein praktisch identisches Vehikel in der gleichen Farbei aufzutreiben. Das brachten sie auf den Parkplatz vor der Schule, den man vom Rektorzimmer gut einsehen konnte. Da musste unsere Schulleiterin ansehen, wie einige Abiturienten mit schweren Hämmern "ihr" Auto zertrümmerten. Sie "trieben mit Entsetzen Scherz"...

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  • 108. Was ist Flixtraining?


    Ich komme von der Essener Philharmonie und suche meinen Zug. Ein älterer Herr, begleitet von Damen der gleichen Art, spricht mich an und fragt, wo es denn zum "Konflikttraining" gehe. Ich bin verwirrt, denn solche Trainingskurse kann man im Bahnhof sicher gut gebrauchen, aber theoretisch gelehrt werden sie dort gerade nicht. Ich frage nach, und es ergibt sich, dass er den Abfahrtsort des "Flixtrains" nach Hamburg sucht. Ich verweise ihn auf die zentrale große Abfahrtstafel, auf der alle abfahrenden Züge der nächsten Zeit erscheinen. Gleichzeitig bin ich erstaunt, dass vier ältere Menschen jemanden fragen müssen, um in einem Bahnhof ein Gleis zu finden. Das Wort "Er versteht nur Bahnhof" ist hier ad absurdum geführt.

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  • 109. Shakespeares sämtliche Werke - leicht gekürzt


    heißt ein sehr witziges Stück dreier amerikanischer Autoren. In meiner Heimatstadt gibt es ein wunderbares Amateur-Zimmertheater mit einem sehr hohen Niveau. Sie spielen gerne witzige Stücke wie das obige, auch einiges von meinem Lieblingsautor Alan Ayckbourn. Der Eintritt ist immer frei, aber man muss früh buchen, weil es sehr begehrt ist. Auch die intime Form des Zimmertheaters begeistert alle.

    Jetzt gab es die Neuauflage der oben benannten Shakespeare-Parodie, die jede Menge Witz, Satire, Kalauer, Klamauk, Slapstick enthält und den Amateuren sehr viel Sprachwitz, Tempo und körperliche Präsenz auf einem sehr hohen Niveau abverlangt.

    Ich sitze mit einer der drei Töchter (7) des Hauptdarstellers (im Hauptberuf Jurist) in der 1. Reihe. Alle Stücke Shakespeares

    sind abgehandelt, also mindestens erwähnt. Nur Hamlet ist noch übrig. Die führende Darstellerin weigert sich, die Ophelia zu spielen, schnappt sich ihren Koffer und verschwindet. Daraufhin muss natürlich eine Pause eingelegt werden. Das Grundschulkind: "Das gehört zum Stück; mich können die nicht täuschen!"

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  • 110. Urban Legend oder der Zebrastreifen


    Der Freund eines Freundes (daher eine Foaf-Geschichte, a friend of a friend) erzählt dieses:

    Wir sind zu dritt, es ist 2.00 nachts. Wir kommen aus einer Bar, leicht beschwipst, aber nicht betrunken. Ein Zebrastreifen, die Fußgängerampel aber auf ROT. Kein Auto, also zu dritt furchtlos drüber. Plötzlich ein Polizist. "Tut mir leid, auch um 2 Uhr nachts wird aus ROT nicht GRÜN! Macht 10€ pro Nase!" Ich gebe ihm 50. Er geht zum Streifenwagen, kommt zurück! "Wir können leider nicht wechseln!" Darauf meine ich: Kein Problem, ich gehe einfach noch mal rüber und zurück!

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  • 111. Der Wünschewagen


    Jeder kennt die Märchen und die Träume: "Stell dir vor, du hast drei Wünsche frei", was dann oft schief geht wie in Robert Gernhardts schwedischem Raketenbauer oder im Märchen vom Fischer und seiner Frau.

    Es geht aber auch anders. Der Arbeiter-Samariter-Bund hat einen Wünschewagen erfunden; es ist ein schöner blau-weißer Mercedes-Van mit Rundum-Verglasung und mit der Aufschrift "Der Wünschewagen".

    Schwerstkranke oder ihre Angehörigen können einen Antrag stellen, um dem Schwerstkranken einen letzten Wunsch zu erfüllen. Beispiele: das Meer sehen, eine Theater- oder Konzertvorstellung, ein Spiel der Lieblingsfußballmannschaft, die Taufe der Enkelin.

    Hier ein Auszug aus dem Prospekt: "Der Wagen ist auf die speziellen Bedürfnisse der Fahrgäste abgestimmt. Spezielle Stoßdämpfer, eine Musikanlage sowie ein harmonisches Konzept aus Licht und Farben verschönern die Reise... Zugleich verfügen alle Wünschewagen über eine moderne notfallmedizinische Ausstattung. Mindestens ein Rettungssanitäter fährt auch mit."

    Einen Begleiter seiner Wahl kann der Kranke auch mitnehmen. Die ganze Aktion beruht auf freiwilliger Mitarbeit und Spenden.


    Ich denke, ich würde mir wünschen, noch einmal die "Exequien" von Schütz mitzusingen, mindestens aber hören zu können. Das ist ja auch inhaltlich mehr als naheliegend.

    Die Alternative dazu wäre eine Janacek-Oper, da passt natürlich am besten "Die Sache Makropulos".

    Ich hatte erst vor, dies zu einem Thema zu machen, bin aber davor zurückgeschreckt. Vielleicht macht es jemand anders...

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  • 112. Höhlenmenschen


    Ich kam 1966 ins Ruhrgebiet und habe natürlich eine Tradition meiner Familie fortgesetzt: kein Tagesanfang ohne Zeitung. In meinem Fall die WAZ. Ich kann mich gut erinnern, dass einer der Chefredakteure mal sagte: "Wir konkurrieren hier mit der BILD, nicht mit der SZ." Bis heute liebe ich die Serie der WAZ (aus den USA übernommen), dass jeden Tag drei Comic-Strips abgedruckt werden: Peanuts, Calvin und Hobbes, Blondie. Blondie erfüllt den Spruch (sinngemäß zitiert) von G.B. Shaw über die Ehe: "Im ersten Jahr denkst du als Mann, dass du der Chef bist, im zweiten Jahr kämpfst du um Gleichberechtigung, im dritten Jahr ums nackte Überleben". Vor ein paar Tagen sah man bei "Blondie" Vater (Dagwood-Dankwart), wie er mit seinem Sohn an einem Tablet sitzt und der Sohn fragt ihn, wie es vor der Erfindung des Computers bei den "Höhlenmenschen" zuging. Dagwood: "Simpel!". Aber Höhlenmensch wollte er nicht sein.

    Ich habe jetzt im Zuge meiner Reduzierung von Komplexität mein Samsung Galaxy mit einem simplen Senioren-Handy vertauscht.

    Der Grund: ich kam damit nicht klar. Außerdem brauche ich als Höhlenmensch draußen kein Internet. Ein Freund fragte mal spitz: "Und was ist, wenn du mal im Wald eine englische Vokabel nachsehen willst?" Antwort: "Ich gehe in den Wald, damit ich dort überhaupt keine Vokabeln nachsehen muss!"

    Mein altes Samsung bekam dann die jüngste Tochter der Freunde (Nike, 10, lernt gerade Trompete). Sie brauchte nur eine halbe Stunde, um mit dem Ding klarzukommen!

    Das Positive: man kann sich natürlich von diesen kids auch helfen lassen, und die tun das gern!

    Canada is the US running by the Swiss (Richard Ford)

  • Nachtrag zu 112 (Höhlenmenschen)


    Einen Tag später treffe ich das Kind wieder. Es sitzt auf einer Bank vor der Haustür und telefoniert mit meinem ehemaligen Handy - und zwar mit Bild mit ihrer Mutter, die gerade in Indien ist und dort an einer Hochzeit von Verwandten teilnimmt. Da dachte ich: "So muss das sein! Ein Handy ist mehr als ein Wecker, jetzt wird es so benutzt, wie es geplant ist!" Auch wenn ich diese Technik nicht mehr lernen will, ist sie sinnvoll. Außerdem gibt es natürlich Technik für Beschränkte: ein Handy für Senioren. Das habe ich jetzt, und es ist gut, dass es kein Internet aufweist, denn unterwegs brauche ich kein Handy.

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