Ich kann mich gut erinnern, dass ich vor vielen Jahren auch wie alle meditieren wollte. Da gab es theologische und nichttheologische Kurse, etwa im Schloss Landsberg in Kettwig. Wir schafften uns alle ein Bänkchen an; die Begabten, meist die Frauen, zu denen ich nicht gehörte, meditierten im Schneidersitz, die brauchten kein Bänkchen. Nach einem halben Jahr Meditation zog ich Bilanz. Ich kam zu dem Schluss, dass ich mich nicht auf das Nichts konzentrieren konnte und meine Beine, frei nach Otto Waalkes, mir permanente Botschaften sandte, dass sie Qualen litten und streiken wollten. Auch andere Teilnehmer gestanden, dass der schönste Moment der war, wenn wir wieder aufstehen durften.
Da die Idee des Meditierens grundsätzlich nicht schlecht war, habe ich nach Alternativen gesucht und sie auch gefunden, etwa bei Schopenhauer, der gegenüber dem Elend der Welt (so meinte er, dass beim Jüngsten Gericht Gott und nicht wir angeklagt seien) befand, dass es drei Heilmittel gibt: Literatur, die Natur und die klassische Musik. Da wurde mir klar, dass ich schon immer meditiert hatte, nur dass ich es als Meditation nicht identifiziert hatte. Literatur war bei mir alles, deutsche Klassik und amerikanische Krimis. Natur war besonders Wandern, und zwar alleine. In der klassischen Musik begann mit dem Eintritt in das Essener Vokalensemble eine neue Ära, die der Vokalpolyphonie, und das gleich mit einer ihrer schönsten Blüten, der "Missa Papae Marcelli" von Palestrina. Ich habe hier an anderer Stelle darüber berichtet.
Die Vokalpolyphonie ist eine spirituelle Musik, bei der es gar nicht so sehr um den Messtext geht, sondern die den Hörer in eine Art(!) Trance versetzt.
Es geschieht nicht so viel Spektakuläres, aber je öfter man eine solche Musik hört, desto stärker nimmt man die subtilen Änderungen und Höhepunkte war. Ich habe deshalb auch dieses Thema aus der"HörBar" hier herausgenommen und hier selbstständig gemacht.
Mille regretz 1 - Chanson von Josquin
"Mille regretz" wird als Chanson Josquin des Prés zugeschrieben, es ist aber nicht sicher. Der Text ist auch nach 450 Jahren aktuell.
Hier folgt der altfranzösische Text, in Klammern dahinter der Text in heutigem Französisch.
Mille regretz de vous abandonner (regrets)
Et d´eslonger votre fache amoureuse (d´ ´e`tre éloigné de votre visage amoureux)
Jay si gran dueil et paine douloureuse (j´ai si grand deuil et peine...)
Quon me verra brief mes jours definer (qu´on me verra vite mourir)
Ich habe hier einen Link eingestellt, bei dem man die Noten verfolgen kann. Wer da singt, weiß ich nicht, es gibt aber richtig gute Interpretationen, z.B. von "Vox luminis", den "King´s Singers" und "Stile antico".