GIDE André: Die Falschmünzer

  • Ich hatte dieses Buch vor einigen Jahrzehnten gelesen, aber den Inhalt (mit Ausnahme einer ganzu kurzen Episode) total vergessen.

    Das liegt eindeutig nicht am Buch, sondern an mir - und ich kann das eigentlich nicht verstehen, denn das Lesen des Buches in den letzten Tagen hat mich sehr beeindruckt.


    Eie der Besonderheiten ist die Erzähltechnik und der Verlauf der Handlung. Es ist hier nämlich nicht so - wie üblicherweise erwartet - daß es eine vom Anfan bis zum Ende durcherzählte Handlung gibt, sondern der Autor bedient sich anderer Methoden.

    Zum einen gibt es zahlreiche Episoden, wo die Handlung erzählt wird, jeweils mit einem anderen der agierenden Charaktäre im Bilickpunkt. Der Autor lässt sie Sprechen - aber gleichzeitig wird oft vermittelt, was die handelnde Person sich wirklich denkt. Hier werden Missverständnisse zwischen dem, was die handelnden Personen erreichen wollen - und wie das gesagte dann ankommt. Schüchternheit, Gefühlskälte, pure Berechnung - all das wird bloßgelegt.Mißstimmungen - die aber nicht ausgelebt werden, ebeson, Begehren etc. Wir sehen also dank des Autors sowohl die oberflächliche Hülle als auch das Seelenleben und die Gedankenwelt. Dazu kommt, daß der Autor selbst nicht neutral bleibt. Er weist auf künftige Folgeerscheinungen soeben beschriebener Handlungen hin, er mokiert sich nüber Charakterschwächen, bedauert wenn Vorzüge der Person nicht zum trgagen kommen, und er geht sogar soweit, die (letztlich von ihm geschaffenen Figuren) für charakterschwach, zynisch oder aber auch einfach unsympathisch zu bezeichnen.


    Als ob das nicht schon alles verworren genug wäre, wird ein großer Teil der Handlungen in Form eines Tagebuchs geschrieben, das dem Leser geöffnet ist. Also hier wird die Geschichte nicht aus der Sicht des Autors berichtet, sondern aus der Sicht einer der handelnden Personen, einem scheinbar gut betuchten Onkel eines der Jugendlichen, der ein Buch moit Namen "Die Falschmünzrer" plant - das aber vermutlich nie geschrieben wird. Gegenspieler ist der Dandy-Schriftsteller Comte Passavant, immer überlegen, immer im Mittelpunkt, geistvoll, zynisch und egozentrisch - oft getarnt durch falsche Großzügigkeit und heimtückischer Freundlichkeit. Ich empfand ihhn ein wenig als Gegenstück zu Oscar Wildes Lord Henry Wotton, allerdings war dessen Zynismus nicht so ätzend , sondern eher realistisch und oberflächlich geprägt.

    Der Zynismus in diesem Buch indes - von mehreren Personen ist indes verletzend - bis tödlich.

    Zu allem Überfluss hat Comte Passavant ein überaus erfolgreiches Buch mit Namen "Das Turnreck" geschrieben, das (vermutlich auf Grund seines gesellschaftlichen Einflusses) von der Kritk gelobtwird, sehr zu Edouards Mißfallen.

    Wir dürfen auch nicht die "Hauptdarsteller" vergessen, die Freunde Bernard und Olivier. Letzterer ist bildschön und wird sowohl von Eduard als auch von Passavant umworben. Die Spannung in der Beziehung

    zwischen Bernard und Olivier ist erahnbar. Generell umweht das Buch ein Hauch von Erotik, bzw Homoerotik, der Autor ist hier sehr dezent - vor allen vermutlich um den Leser boshafterweise dazu anzuregen sich einiges selbst auszumalen.

    Wir lernen nach und nach die Familien der beiden Jungen (sie sind im Abituralter) und telweise Mitschüler und Bekannte kennen. Man kann sagen, daß hier kaum einer als integer und ausgeglichen geschildert wird.

    Der Conte Passavant will eine Zeitschrift herausgeben, allerdings braucht er einen Strohmann, er verbraucht im Laufe des Buches 4 oder fünf davon. Die geplante Zeitschrift wechselt noch vor ihrem ersten Erscheinen mehrfach ihren Namen und ihre Ausrichtung , es ist schwer Leute zu finden die Beiträge dazu schreiben wollen. Schliesslich wandelt sichdie Grundrichtung von einem poetisch- literarischen Blatt mit Gedichten zu einem linken Blatt mit Titel "Das heisse Eisen"...

    In gewisser Hinsicht ist das Buch zeitlos, in anderer Hinsicht merkt man ihm an, wann es geschrieben wurde. Es wird unter den Abiturenten und Mitschülern über Themen diskutiert, die sie mehrheitlich als Vertreter der Oberschicht zeichnen - allerdings in einer Sprache und Thematik, wo man erkennt, daß heute kaum ein Abiturent (von allen anderen ganz zu schweigen) hier mitkönne.

    Es gibt da noch eine Jugendbande, die falsche Münzen in Umlauf bringt - aber wir wollen nicht zuviel verraten.

    Aus meiner Sicht gibt es kein wirkliches Ende der Geschichte: Man ist irgendwo an einer Schlüsselstelle eingestiegen, wo Bernard, nachdem er erkannt hat, daß der Mann, den er für seinen Vater gehalten hat (und der ihm immer fremd war)die Familie verlässt - unter Hinterlassung eines bösen Briefes...

    Und wir blenden an einer Stelle aus - es ist viel passiert - aber das Leben nimmt unbarmherzig seinen Lauf.....

    Sicher ist etliches, das hier beschrieben wurde autobiographisch. Man wird aber schwer feststellen können ob sich Gide in der Rolle des Comte Passavant, in jener von Eduard oder der eines der beide Jungen sah.....


    mfg aus Wien

    Alfred


    https://www.booklooker.de/B%C3…3%BCnzer&autor=Andre+Gide

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !