Die Bachkantate (184): BWV195: Dem Gerechten muss das Licht

  • BWV 195: Dem Gerechten muss das Licht

    Hochzeitskantate (Leipzig, 1727 oder 1741)


    6 Sätze (8 Sätze rekonstruierbar), Aufführungsdauer: ca. 20 Minuten


    Lesungen:

    Unbekannt


    Textdichter:

    Unbekannt


    Besetzung:

    Soli: Sopran, Bass; Chor: SATB; Trompete I-III, Pauke, Traversflöte I/II, Oboe I/II, Violine I/II, Viola, Continuo


    1. Chor SATB

    Dem Gerechten muss das Licht immer wieder aufgehen und Freude den frommen Herzen.

    Ihr Gerechten, freuet euch des Herrn und danket ihm und preiset seine Heiligkeit.


    2. Recitativo Bass

    Dem Freudenlicht gerechter Frommen

    Muss stets ein neuer Zuwachs kommen,

    Der Wohl und Glück bei ihnen mehrt.

    Auch diesem neuen Paar,

    An dem man so Gerechtigkeit

    Als Tugend ehrt,

    Ist heut ein Freudenlicht bereit,

    Das stellen neues Wohlsein dar.

    O! ein erwünscht Verbinden!

    So können zwei ihr Glück eins an dem andern finden.


    3. Aria Bass

    Rühmet Gottes Güt und Treu,

    Rühmet ihn mit reger Freude,

    Preiset Gott, Verlobten beide!

    Denn eu'r heutiges Verbinden

    Läßt euch lauter Segen enden,

    Licht und Freude werden neu.


    4. Recitativo Sopran

    Wohlan, so knüpfet denn ein Band,

    Das so viel Wohlsein prophezeihet.

    Des Priesters Hand

    Wird jetzt den Segen

    Auf euren Ehestand,

    Auf eure Scheitel legen.

    Und wenn des Segens Kraft hinfort an euch gedeihet

    So rühmt des Höchsten Vaterhand.

    Er knüpfte selbst eu'r Liebesband

    Und ließ das, was er angefangen,

    Auch ein erwünschtes End erlangen.


    5. Chor SATB

    Wir kommen, deine Heiligkeit,

    Unendlich großer Gott, zu preisen.

    Der Anfang rührt von deinen Händen,

    Durch Allmacht kannst du es vollenden

    Und deinen Segen kräftig weisen.


    Post copulationem


    6. Choral SATB

    Nun danket all und bringet Ehr,

    Ihr Menschen in der Welt,

    Dem, dessen Lob der Engel Heer

    Im Himmel stets vermeldt.



    Diese Kantate ist nicht in ursprünglicher Form überliefert. Der heute vorliegenden Fassung von 1741 geht mindestens eine frühere Fassung voraus, in welcher es einen vollständigen zweiten Teil mit Arie, Rezitativ und Schlusschor gab. Dieser Teil war eine Parodie der weltlichen Kantate „Angenehmes Wiederau“ BWV 30a. In dieser verworrenen Entstehungsgeschichte zeigt sich freilich die barocke Praxis der Parodie und Mehrfachverwendung vorhandener Werke im praktischen Gebrauch.

    Die vorliegende Fassung lässt mit Alfred Dürr darauf schließen, dass sie für die Trauung eines Juristen bestimmt war. Diese zugewandte Art einer Kasualmusik war in der Barockzeit durchaus verbreitet und kommt uns in einer Zeit sehr individuell gestalteter kirchlicher Kasualien sehr bekannt vor.

    Psalm 97, 11-12 im Eingangschor betont ebenso wie das nachfolgende Rezitativ die Gerechtigkeit Gottes und die auch vom Menschen geforderte Gerechtigkeit, wie sie Juristen zu erkämpfen haben.


    Der Eingangschor Nr. 1 klingt durch die reichhaltige Besetzung – die freilich auf eine weltliche Frühfassung des Werkes zurückgeht – äußerst feierlich. Die Aufteilung in Solo- und Ripienochor spricht für eine große Anzahl an Sängern. Beide Teile des Satzes bestehen aus je einer Fuge, die von konzertanten Elementen durchsetzt sind.

    Am Ende des ersten Teiles steht ein weiterer Chorsatz von beträchtlichem Ausmaß (Nr. 5). Er erinnert stilistisch an eine Polonaise und ist größtenteils homophon gesetzt.


    Die beiden Rezitative erscheinen als Secco (Nr. 2) und als Accompagnato (Nr. 4). Auffällig sind die aufgeregten Läufe der Flöten, während die Oboen liegende Töne beisteuern. Wird hier das „Knüpfen des Bandes“ hörbar gemacht?


    Arie Nr. 3 ist die einzige Arie der Kantate in dieser Form. Sie gehört zu den eingängigen tänzerischen Arien Bachs. In ihr wird das Brautpaar sehr direkt zum Gotteslob aufgefordert. Die rhythmisch markante Melodie wird vom 'Lombardischen Rhythmus' geprägt, der bei Bach äußerst selten anzutreffen ist. Besonders mitreißend gerät die wiederholte Aufforderung „Preiset Gott“, wenn das gesamte Tutti kurzfristig die Melodie unisono mitspielt und ihr besonderes Gewicht verleiht.


    Als zweiter Teil der Kantate – nach der eigentlichen Trauung – liegt in der erhaltenen Fassung der Kantate nur noch ein Choral (Nr. 6) vor. Das Loblied entstammt Paul Gerhardts Choral „Lobt Gott ihr Christen alle gleich“. Auch hier fällt die große und prächtige Besetzung auf.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)