Interessantes Buch mit Schwerpunkt auf die Operettenproduktion

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    Das Buch erzählt die Geschichte des heutigen Friedrichstadt-Palastes während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, in welcher er in “Theater des Volkes” umbenannt wurde. In einem kurzen Rückblick behandelt das Buch auch die Vorgeschichte des Palastes, der ursprünglich 1868 als Markthalle vorwiegend aus Eisenstahl und Glas erbaut wurde. Nach deren frühem Aus wechselte das Gebäude auch mit mehrmaligen Umbauten ständig seine Bestimmung, mal als Arsenal, mal als Zirkus, mal unter Max Reinhardt zum Großen Schauspielhaus.


    Ein großes Problem des Gebäudes zur Nutzung als Theater war schon von Anfang an seine Größe. Max Reinhardt versuchte dem mit monumentalen Inszenierungen von Klassikern, wie z.B. Schillers Wallenstein zu entgegnen. Aber es gab nicht viele Stücke, die sich dafür eigneten; am besten funktioniere es mit den großen Operettenrevuen, die Eric Charell dort inszenierte.


    Diese Erfahrung mussten auch die Nationalsozialisten machen, nachdem sie nach der Machtübernahme den emigrierten Besitzer Max Reinhardt enteignet und das Gebäude zum Theater des Volkes umfunktioniert hatten. Das Theater sollte einerseits Propagandazwecken dienen andererseits dem einfachen Volk durch ermäßigte Eintrittskarten die deutschen Klassiker näherbringen. Beides kam beim Publikum nicht gut an. Letztlich stellte man fest, dass das Haus am besten mit großen Revueoperetten funktionierte, mit denen schon der ebenfalls emigrierte Eric Charell großen Erfolg gehabt hatte.


    Nun gab es aber ein neues Problem: die meisten dafür in Frage kommenden Operetten hatten jüdische Autoren und waren inzwischen verboten. Anfangs behalf man sich mit den unverdächtigen Klassikern wie Suppé, Strauß, Millöcker, Zeller. Deren Werke mussten aber revueartig umgearbeitet werden.


    Gleich zu Beginn dieser Phase landete man mit der Umarbeitung von Suppés wenig bekannter Operette Die Afrikareise in ein Werk namens Abenteuer in Afrika einen Misserfolg. Die Musik kannte damals schon keiner mehr; die Umarbeitung und die Aufführung waren schlecht. Erfolgreich waren hingegen u.a. Eine Nacht in Venedig und Der Zigeunerbaron von Strauß, Der Bettelstudent von Millöcker, der aber nach Kriegsausbruch nicht mehr in Polen spielen durfte, Zellers Der Vogelhändler und Suppés Boccaccio, bei dessen Neufassung allerdings nur ein Gerippe des Originals übrigblieb.


    Da aber mit diesen angepassten Klassikern allein die verbotenen Werke nicht ersetzt werden konnten, mussten neue Werke geschaffen werden, natürlich nur von arischen Autoren. Hierbei entstanden dann auch regelrechte Plagiate des Weißen Röß’l wie z.B. Himmelblaue Träume von Robert Stolz oder Saison in Salzburg von Fred Raymond. So gut wie keines dieser in jener Zeit entstandenen Werke steht heute noch auf den Spielplänen der Theater.


    Das Buch bietet natürlich noch wesentlich mehr und vor allem brisante Aspekte von dieser Zeit wie es der Artikel in diesem Rahmen aufzeigen kann. Es ist auf jedenfalls ein sehr aufschlussreiches und empfehlenswertes Buch.


    Uwe

  • Das Buch erzählt die Geschichte des heutigen Friedrichstadt-Palastes während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft,

    Lieber Uwe, Deine Buchvorstellung habe ich mit großem Interesse gelesen. An das alte Haus, dessen wechselvolle Geschichte erzählt wird, kann ich mich auch noch sehr gut erinnern. Es wurde 1980 wegen bauliicher Mängel abgerissen. Hinter vorgehaltener Hand machte das Gerücht die Runde, dass für den Prestige-Neubau des Bettenhochhauses der Charité ganz in der Nähe der Grundwasserspiegel abgesenkt wurde. Dadurch bekamen Phähle, auf die in dieser Gegend der Stadt zahlreiche große Gebäude erirchtet sind, Berührung mit Luft und beganne zu faulen. In der Folge sackte auch der alte Friedrischstadt-Palast bedrohlich ab und drohte einzustürzen. Der heutige Bau auf der gegenüberliegenden Seite der Friedrichstraße hat mit seinem Vorgänger (Foto unten) also nur den Namen gemeinsam.


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    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent