Die Harmoniemesse, Haydns würdiger Abschluss

  • Ich möchte gerne mit der dritten meiner Lieblingsmessen von Haydn weitermachen. Die Harmoniemesse wurde 1802 komponiert, also zu einer Zeit in der Beethoven schon seine ersten beiden Sinfonien geschrieben hatte und wahrscheinlich schon an der Eroica arbeitete. Sie ist gleichzeitig Haydns letztes vollendetes Werk. Es folgten nur noch das unvollendete Quartett (op 103) und einige Bearbeitungen Schottischer Lieder. Interessanterweise ist Haydns erste übermittelte Komposition ebenfalls eine Messe, die Missa Brevis in F-Dur von 1749, eine Zeit zu der Bach noch lebte. Die Harmoniemesse setzt daher einen Schlusspunkt zu einer der erstaunlichsten Karrieren der Musikgeschichte.


    Die Harmoniemesse ist für Flöte, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauken, Streicher, Orgel, gemischten Chor und Solisten (Sopran, Alt, Tenor und Bass) geschrieben und weist daher die größte Besetzung aller Haydn Messen auf. Der Name Harmoniemesse bezieht sich auf das reiche Bläser-Ensemble (damals als „Harmonie“ bezeichnet) und nicht auf irgendwelche harmonischen Abenteuer. Haydn setzt die Blasinstrumente hier sogar noch prominenter als in der Schöpfungsmesse ein und kreiert hier ein Klangbild, dass sich stark von dem der Nelsonmesse unterscheidet. Die Klarinetten werden hier besonders hervorgehoben, viel mehr als wie es bei den Londoner Sinfonien der Fall war.


    Das „Kyrie“ ist ein durchgehend langsamer Satz. Hier würde man eher einen schnellen Satz oder einen schnellen Satz mit langsamer Einleitung erwarten. Er hat auch eine relativ lange Orchestereinleitung und ist mit einer Spieldauer von 7 bis 8 Minuten länger als die entsprechenden Sätze der anderen Messen. Besonders reizvoll sind hier die Herausarbeitung von Kontrasten, wie zum Beispiel Chor versus Solostimmen, Streicher gegen Bläser und Polyphonie versus Homophonie.


    Das „Gloria“ ist hingegen traditionell dreiteilig angelegt, schnell-langsam-schnell. Ein Sopran-Solo eröffnet den Satz mit „Gloria in excelsis Deo“, gefolgt vom ganzen Chor. „Gratias agimus tibi“ leitet den langsamen Teil ein, der vorerst von den Solisten (Alt, Sopran, Tenor & Bass und Tenor) bestritten wird. Bei „Qui tollis“ setzt dann der ganze Chor in einer sehr dramatischen und kontrapunktischen Passage ein. In der Mitte dieses Abschnitts kommen die Solisten nochmals zu Wort, bevor sie wieder jäh vom Chor unterbrochen werden. Diese Passage bildet vielleicht den Höhepunkt der Messe, das ist aber nur meine Meinung, denn Höhepunkte gäbe es hier viele.

    Der abschließende schnelle Teil fängt mit „Quoniam tu solus sanctus“ an und mündet in einer großen Doppelfuge. Er ist größtenteils für Chor geschrieben, mit ein paar Einwürfen der Solisten gegen Schluss.


    Das „Credo“ ist ebenfalls dreiteilig und hat vielleicht einer der schönsten „Et incarnates est“ Abschnitte aller Messen. Es ist im Prinzip ein Duett zwischen Klarinette und Sopran. Mit der Wiederholung vom „et homo factus est“ setzen die anderen Solisten ein und schließlich der gesamte Chor mit dem „Crucifixus“. Die Solisten übernehmen wieder mit „Passus et seculptus est“ und bringen den Abschnitt zu Ende. Das „Resurexit“ beginnt in moll und ist für den gesamten Chor. Es ist eine relativ ruppige Passage die schlussendlich zu einer Fuge zu den Worten „et vitam Venturi“ führt, die das Credo abschließt.


    Der „Sanctus“ ist wie in allen Messen kurz und zweiteilig gehalten. Eine Art von Hymne zu „Sanctus, Sanctus“ wird von einem schnelleren „Pleni sunt Coeli et Terra“ gefolgt und schließlich von „Hosanna in excelsis“ zu Ende gebracht.


    Der „Benedictus“ ist insofern bemerkenswert, in dem er in einem schnellen Tempo gehalten ist, wo üblicherweise ein langsamer Satz erwartet wird. Er ist für Chor und Solisten geschrieben, was auch verwunderlich ist, denn normalerweise werden die meisten „Benedictus“ Abschnitte primär von den Solisten bestritten. Der Satz endet mit einer Wiederholung des „Hosannas“ aus dem „Sanctus“, wie wir es schon aus der Nelsonmesse kennen.


    Das „Agnus Dei“ ist ein Wunder von Klangfarbe. Die vier Solisten werden von den Bläsern und Pizzicato Streichern begleitet, beim letzten mal sogar mit einem Wirbel von der Pauke. Eine Trompetenfanfare leitet das „Dona nobis Pacem“ ein, das sich selbstbewusst und fast siegreich präsentiert, als wollte Haydn seine Karriere mit einer positiven Note beenden.


    Meine Lieblingsaufnahme der Harmoniemesse ist die mit Jane Glover, den Rebel Baroque Orchestra und den Trinity Choir. Interessanterweise ist sie mit der frühen Missa Brevis gepaart, so dass man Haydns musikalischen Anfang und Ende miterleben kann

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    Die Aufnahme ist natürlich auch in der großen Naxos-Box erhältlich



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    Hier wird überzeugend musiziert und auch die Tempi sind gerade richtig (z.B. kein überlangsames „Kyrie“).


    Ich bin gespannt, was Eure Gedanken zu diesem tollen Werk sind und welche Aufnahmen Ihr schätzt.


    Liebe Grüße aus Wien.:hello:

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    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)