MAYR, Johann Simon (Giovanni Simone): TELEMACO NELL’ISOLA DI CALIPSO

  • Johann Simon (Giovanni Simone) Mayr (1763-1845):
    TELEMACO NELL’ISOLA DI CALIPSO

    (Telemachus auf der Insel der Calypso)
    Dramma per musica in tre atti

    Libretto von Antonio Simeone Sografi (1759-1818)

    Originalsprache Italienisch.


    Uraufführung im Karneval 1797 im La Fenice, Venedig.


    Personen der Handlung:

    Telemaco / Telemachus (Sopran)

    Calipso / Calypso (Sopran)

    Eucari (Sopran)

    Mentore / Mentor (Tenor)

    Sacerdote die Venere / Priester der Venus (Sopran)

    Sacerdote die Bacco / Priester des Bacchus (Bass)

    Chor / Statisten: Jungen und Mädchen der Venus, Junge Bacchanten, Ithaker.

    Ort und Zeit: Griechische Mythologie.


    Erster Akt.

    Nach der Ouvertüre wird das Publikum sofort mit den dramatischen Zuständen vor Ort bekannt gemacht: Eucari, eine der Nymphen der Calipso, berichtet vom untröstlichen Gram der Herrin. Odysseus hat sie einst sitzengelassen und wird jetzt- so wie es aussieht - das gleiche Unglück mit dessen Sohn Telemach noch einmal erleben. Eucari will mit ihren Freundinnen Calipsos Liebesgram ändern und geht zu ihr. Calipso kommt soeben aus ihrer Hütte und klagt dabei schmerzvoll. Im folgenden Gespräch, das Eucari mit ihr führt, reflektiert sie ihre Vergangenheit: Ulisse, der Sterbliche, hat sie, die Unsterbliche, verlassen. Ein Ereignis, das schon länger zurückliegt, dass sie jedoch nicht vergessen kann. Während sie auf einen Felsen steigt, zaubert sie mit einer Handbewegung und einem unverständlichen Gemurmel ein Gewitter herbei, das als Auslöser ihres Schwures dient: sie will sich rächen und Telemachus, der Sohn von Odysseus, wird das Opfer sein. Der ist nämlich mit Gefährten, aus Ithaka kommend, in das Sturmgewitter geraten und strandet schließlich vor Calipsos Insel.


    Telemaco glaubt, dass er allein an diesem Strand ist und klagt gerade Ich habe alles verloren als Eucari daherkommt und ihn, ohne eine Vorwarnung, über einen Racheschwur der Calipso aufklärt. Sie hält ihm ein Schriftstück hin, dass seinen Vater Odysseus als den Empfänger jenes Schwures identifiziert. Man kann sagen, dass Telemachus von Eucari wirklich überrumpelt wurde, denn er muss das Gehörte erst einmal verarbeiten. Was ihn aber zunächst daran hindert, ist die Nachricht, dass seine Kumpane ebenfalls gerettet sind. Nur Mentore, sein Freund und Berater ist noch vermisst, die Gefährten vermuten, was auch nahe liegt, dass Mentore ertrunken sei. Und das ist für Telemaco, der sehr an seinem „Mentor“ hängt, beängstigend.


    Eucari, in einer neuen Szene allein auf der Bühne, zeigt an Telemach großes Interesse; es ist ein Mittelding zwischen Mitleid und Zuneigung. Was mal daraus wird, muss sich erst noch erweisen. Gerade kommt das Objekt des Interesses mit seinen Gefährten auf die Szene, von einer anderen Seite erscheint Calipso. Sie erkennt den Sohn des verhassten Odysseus sofort und offenbart ihm ihre Gefühle, spricht von Liebe, Betrug, Täuschung. Aus Calipsos Worten kann man schließen, dass Telemaco für die Vergehen seines Vaters büßen soll. In ihrer Arie deutet sie ihren Plan an: entweder Liebe oder Tod.


    Szenenwechsel: Platz am Tempel.


    Calipso soll wieder einmal fröhlich gestimmt werden, weshalb die Nymphen vor ihren Augen eine Tanz beginnen. Das wiederum beobachtet Telemach mit einem gewissen Interesse, wird aber von Calipso unterbrochen. Seine Frage, was er getan habe, beantwortet die Göttin nicht, was den Jüngling dazu bringt, Calipso um Gnade zu bitten - und die Ithaker sogar chorisch unterstützen und Telemaco seine Bitte um Gnade nochmals vortragen lässt. Calipso lenkt die Gedanken der Umstehenden auf ein prunkvolles Fest, doch Telemaco ist immer noch im Rhythmus, Verzeihung zu erbitten: also wiederholt er seine Bitte um Erbarmen.


    Plötzlich erscheint Mentore, der Totgeglaubte; er entsetzt sich über die Spiele und Liebeshändel und sieht sogar seinen Schützling in Gefahr. Er schimpft mit ihm, fordert männliche Standhaftigkeit und gerät mit Telemach und Calipso in einen heftigen Streit. Das mag sich Calipso nicht gefallen lassen, nicht von einem sterblichen Nichtsnutz und sie wird deutlich: sie droht Mentore mit dem Tod, den der aber keineswegs scheut, der, im Gegenteil, heroisch wird.


    Im ersten Finale wird deutlich, dass Telemaco zwischen Angst und Hoffnung schwankt, Calipso zwischen der Hoffnung auf Liebe zu dem schönen Jüngling und Zorn im Herzen, nur der Mentor Telemachs ist eindeutig: er verteidigt seine Prinzipien.


    Zweiter Akt.
    Eucari trifft sich mit dem Priester der Venus zusammen und fragt ihn, wie sie mit ihren Liebesgefühlen für Telemaco umgehen soll - sie quält sich, weil sie ihrer Herrin Calipso in die Quere kommt. Der Priester ist Realist und warnt vor dem Zorn der Calipso, das würde Eucari nicht gut bekommen. Die will daraufhin ihre Herrin meiden, will ihr aus dem Wege gehen. Aber gerade jetzt kann sie es nicht, denn Calipso kommt um die Biegung und zeigt sich den Umstehenden in einem verführerischen Jagdkostüm. Sie versucht sofort Mentore zu umgarnen, damit er mit seinen Gefährten auf der Insel bleibt. Das ist nicht in Mentores Sinn: er will partout dieses Eiland verlassen, was ihm Calipso verweigert. Grund ist, dass Calipsos Gefühle zwischen Groll, Rache, Wut und Liebessehnsucht. Das darauf folgende Duett der beiden Protagonisten zeigt klar die unterschiedlichen Positionen auf: Mentore will durch Ratio und Recht überzeugen, Claipso kann nur von Seelenqualen faseln und sucht so den inneren Frieden.


    Szenenwechsel in den Tempel des Bacchus.


    Ein fröhliches Fest wird gefeiert und die Götter Venus, Bacchus und Amor werden gefeiert und besungen. Calipso aber spricht zu den Bewohnern ihrer Insel, zumindest zu jenen, die im Tempel des Bacchus anwesend sind, und fordert, dass die Götter geachtet und geliebt werden sollen. Chorisch fordert das Volk Calipso auf, ein Lied vorzutragen, was sie auch tatsächlich macht: die Liebe ist ihr Thema und dabei schaut sie Telemach an - bevor sie Mentore auffordert, ebenfalls ein Lied anzustimmen. Mentore lässt sich nicht lange bitten und besingt den Lorbeer des Krieges, warnt vor den Verlockungen der Liebe und meint, dass die Liebe nichts für Leute mit einem schwachen Herz geeignet ist. Sein Schüler Telemaco sieht in allem, was hier vorgetragen wurde, keinen Gegensatz und hält das Feuer seiner Jugend der Erwähnung wert.


    Calipso kommt nach Telemachs Vortrag zu der Ankündigung, dass nun die Jagd beginnen soll, worauf ein munteres Jagdlied angestimmt wird und Nymphen eine fröhlichen Tanz beginnen.


    Eucari hat sich etwas abseits gehalten und dabei das wiederhergestellte Schiff des Mentore entdeckt. Jetzt ist sie zufällig mit Telemaco zusammengetroffen und diese Begegnung führt beide zu der Erkenntnis der Verliebtheit. Darum ist an dieser Stelle auch ein Duett, dass dieses Liebesgeständnis der beiden unterstreicht. Das aber macht aus der hinzutretenden Calipso eine Furie, die Eucari und Telemach mit dem Tode bedroht. Zunächst aber lässt sie Eucari festnehmen, ehe sie einen Klagegesang anstimmt. Darin lässt sie erkennen, dass all ihre Rachegedanken umsonst sind, wenn sich ihr eigenes Schicksal nicht verändert. Dieser Gesang ist in seiner eindeutigen Aussage nicht missverständlich: Telemach darf die Insel nicht verlassen. Ihr Schicksal hängt davon ab. Und sie wird Hilfe benötigen. Die sind auch schnell gefunden: die Priester des Bacchus hält Calipso für bestens geeignet. Der Oberpriester ist auf jeden Fall dafür, denn er will sie glücklich sehen. Mentore ist’s, der „das Fett“ des Oberpriester abbekommt, denn der Geistliche verhöhnt den Lehrer Telemacos, dessen Klugheit und wortgewandtes Argumentieren er allerdings fürchtet.


    In einer neuen Szene sieht man Mentore mit Telemacho im Gespräch (oder sollte man besser sagen: in einem Streit gefangen): der Alte verlangt von seinem Schüler, eine nötige Entscheidung zu treffen. Und die bedeutet, mit ihm und den Gefährten die Insel zu verlassen oder zu bleiben und Gefangener der Calipso zu sein. Telemach entscheidet schnell - er wird mit allen anderen der Insel verlassen. Eines bedrückt ihn jedoch: was ist mit Eucari? Ihr ungewisses Schicksal beunruhigt ihn. Also wirbt er bei Calipso um die Nymphe, doch muss er schnell feststellen, dass Calipso wegen seiner Weigerung, bei ihr zu bleiben, Eucari dem Tod aussetzt. Der nun einsetzende Trauermarsch für Eucari ist zugleich die musikalische Darstellung von Telemacos Seelenzustand.

    Mentore und die Gefährten haben das Schiff reisefertig gemacht; Kriegstrompeten zeigen an, dass man bereit ist zum Ablegen - Telemaco ist hin- und hergerissen in seinen Gedanken. Aber da ist der Priester des Bacchus, der Calipsos Plan andeutet, das Schiff der Ithaker in Brand zustecken und sogar der Venus-Priester meldet Calipso, dass alle Vorbereitungen abgeschlossen sind. Aber Telemaco erfährt auch, dass Calipso Eucari begnadigt hat. Er muss sich aber den Anschuldigungen der Calipso stellen, sie mit seiner Liebe zur Nymphe hintergangen zu haben. Das letzte Duett des zweiten Aktes ist das Liebesgeständnis der Calipso zu Telemaco, der sich wiederum darüber echauffiert und das gemeinsame Schicksal beklagt.


    Dritter Akt.

    Ein Gefährte meldet Telemach, dass Mentore kommen wolle. Tatsächlich tritt er sofort nach dem Boten auf die Szene und hat ein Schreiben von Telemachs Vater Odysseus in der Hand. Und der König erinnert seinen Sohn daran, dass er Ehre und Sorge um das Vaterland, aber auch um Mutter Penelope haben solle. Telemaco, der ohnehin schon aufgewühlt ist, wird durch den Brief des Vaters noch mehr aufgewühlt.


    Mentore wiederholt seine Mahnung, dass Telemach die Insel der Calipso verlassen muss da die Eltern und das Vaterland auf ihn warten. Aber der so angesprochene hat noch immer Zweifel.


    Der Chor verkündet, dass das eigentlich abfahrbereite Schiff jetzt in Flammen stehe. Mentore sichtet derweil ein Schiff mit phönizischen Hoheitszeichen. Er befiehlt, dass man sich zu den Nachbar retten solle. Für Telemaco, der noch immer zweifelt, hat Mentore ein Geständnis parat: Schuld ist ein menschliches Prinzip, das den Mut herausfordert. Daraufhin schwört Odysseus Sohn, seinem Mentor durch alle Fährnisse folgen zu wollen. Danach besteigen sie einen Felsen und hören, dass Calipso laut Einhalt gebietend schreit. Doch Mentor lässt sich nicht täuschen, er stößt Telemach vom Felsen ins Meer und springt ihm hinterher. Trompetengeschmetter signalisiert die Rettung der beiden, indem sie auf das Schiff der Phönizier gelangen, während Calipso mit ihrem Schicksal hadert und zum Abschluss der Handlung und des dritten Aktes ihre Unsterblichkeit beklagt. Ein Gesang der großen Verzweiflung, mit der die Oper endet.


    Anmerkungen.
    In Homers Odyssee sind es die ersten vier Gesänge, die Telemach gewidmet sind. Sein Schicksal ist zwar eng mit dem seines Vaters verbunden, aber es ist zunächst sein Scheitern, weil er die Freier, die seine Mutter Penelope bedrängen, nicht abschütteln kann. Er bricht nach Pylos zu Nestor und danach zu Menelaos nach Sparta auf, weil er hofft, seinen Vater oder zumindest Zeugnisse über ihn zu finden. In Mentor offenbart sich die Göttin Athene alias Minerva.

    Ein Roman von Francois Fénelon (1651-1715), seit 1695 Erzbischof von Cambrai, der sich mit dem Thema Telemaco beschäftigt, war für mehrere Generationen ein Lesestoff geworden; auch die Opernbühne hat sich damit auseinandergesetzt. Es geht um den idealen Herrscher; die Veröffentlichung des Romans im Jahre 1699 sah man auch als eine sublime Kritik an der Herrschaft von Ludwig XIV. Dort hatte man das auch so verstanden, denn der Romanautor und Erzbischof wurde sofort vom Hofe verbannt.


    Was das Thema Telemaco als Opernstoff bedeutet, wird klar, wenn man sich die vertonten Texte ansieht: Opern von Carlo Agostino Badia, Johann Ernst Galliard (dessen Oper Calipso und Telemachus Händel bewundert hat), André Cardinal Déstouches, Alessandro Scarlatti, Christoph Willibald Gluck, Maria Therese von Ahlefeldt (aus dem Hause Thurn und Taxis), Ferdinando Bertoni, Antonio Calegari, Pietro Alessandro Guglielmi, Peter von Winter, Wenzel Robert von Gallenberg füllten die Bühnen Europas. Mayr war also nur einer unter vielen Komponisten, die sich an dem Thema versuchten.

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    MUSIKWANDERER



  • MAYR, Johann Simon (Giovanni Simone): TELEMACO NELL’ISOLA DI CALIPSO



    Telemaco – Siri Karoline Thornhill (soprano)Calipso – Andrea Lauren Brown (soprano)
    Eucari – Jaewon Yun (soprano)
    Mentore – Markus Schäfer (tenor)
    Sacerdote di Venere – Katharina Ruckgaber (soprano)
    Sacerdote di Bacco – Niklas Mallmann (bass)
    Members of the Bavarian State Opera Chorus, Simon Mayr Chorus

    Concerto de Bassus/Franz Hauk


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Lieber Fiesco,


    Du hast mir Arbeit abgenommen. Ich hatte die Inhaltsangabe einestellt und wollte gerade die Quelle der Inhaltsangabe mit dem Cover der Naxos-Aufnahme nennen, als das Telefon sich rührte. Nach dem Gespräch musste ich gleich aus dem Haus zur Manuellen Therapie. Ich bedanke mich bei Dir, weil ich das nicht geschafft hätte, das Cover so einzustellen, dass man gleich auch bei jpc bestellen kann!


    LG

    Musikwanderer


    Ein Berechtigter darf diesen Post gene in ein paar Tagen löschen!

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    MUSIKWANDERER

  • Ach liebe musikwanderer, du weißt das ist doch kein Problem! :)


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)